Paneuropa-Union

Paneuropa-Union
Flagge der Paneuropa-Union
Otto von Habsburg 1991 bei der Verleihung des Coudenhove-Kalergi-Preises der Paneuropa-Union an Helmut Kohl

Die Paneuropa-Union ist die älteste europäische Einigungsbewegung. Sie tritt im Sinne des europäischen Föderalismus für ein politisch und wirtschaftlich geeintes, demokratisches und friedliches Europa auf Grundlage des christlich-abendländischen Wertefundaments ein. Die Paneuropa-Union wurde 1922 von Richard Nikolaus Graf von Coudenhove-Kalergi unter dem Eindruck der Schrecken des Ersten Weltkriegs gegründet.[1]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Gründung bis 1945

Nach ihrer Gründung entwickelte sich die Paneuropa-Union schnell zu einer überparteilichen Organisation mit dem Ziel der Europäischen Einigung.[2] Im Jahr 1924 zeigte sich die Paneuropa-Union uneins mit Stresemann, der deren Frankreich-Lastigkeit nicht akzeptieren konnte.[3] Zwei Jahre später gründete Emile Mayrisch das Franco-German Committe for Information and Documentation', welches aber 1932 aufgelöst wurde.[4] Die Paneuropa-Union wandte sich gegen Nationalisten, Militaristen, Kommunisten und Protektionisten. Später in den 1930ern wurde sie auch Antinationalsozialistisch.[5] 1930 bescheinigte Jacob Bach der Paneuropa-idee viel Sympathie sogar in der Türkei und Palästina. Man habe hier die Hoffnung, auf diese Weise könnten Chauvinismus, Hass und Antisemitismus besiegt werden. Die Paneuropa-Union wurde von vielen als Ausweg aus dem Nationalismus und Niedergang gesehen.[6] Der zweite Paneuropakongress am 17. Mai 1930 war jedoch wenig erfolgreich, da insbesondere die Britische und die Deutsche Regierung nur sehr verhalten reagierten.[7]

Die Paneuropa-Bewegung und der Nationalsozialismus

Mit dem Beginn des Nationalsozialismus kamen die Ideen von Paneuropa zum erliegen, unter anderem, da Coudenhove-Kalergi seine omnipotente Leitungsrolle als Vorreiter der Paneuropa-Idee nicht mit anderen ähnlich gesinnten, später gegründeten Organisationen teilen wollte.[8] Die Nationalsozialisten, die den Begründer der Paneuropa-Bewegung nach ihrer Ideologie als „Mischling“ bezeichneten und ihn auch auf Grund der politischen Inhalte seiner Schriften 1938 zur Auswanderung zwangen, verboten die Paneuropa-Union bereits im Jahre 1933. In ihrer Aussage führten Sie an, dass die Einigung der europäischen Staaten zu einer Vermischung der Rassen führen würde. Zudem waren die Forderungen der Paneuropäer für ihre nationalistische Idee und kriegstreibende Feindbildpropaganda schädlich.

Entwicklung nach 1945

Winston Churchill bescheinigte in seiner berühmten Züricher Rede 1946 der Paneuropa-Bewegung, vor dem Krieg viel zur neuen Architektur Europas beigetragen zu haben.[9][10] In den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Paneuropa-Union von noch radikaler föderalistisch denkenden Gruppen überholt. Als Reaktion darauf gründete Coudenhove-Kalergi die Europäische Parlamentarische Union.[11] Wegen der konservativen, christlich-religiösen Ausrichtung der die Paneuropa-Bewegung, ihren zum Teil starken monarchistischen Tendenzen sowie in ihrem Standpunkt gegen Sozialismus und Kommunismus im Allgemeinen, wurde sie von Sozialisten seit den 50er Jahren kritisierten und als rechtskonservativ bezeichnet. Auch die überparteiliche Europa-Union Deutschland grenzte sich von der Paneuropa-Union immer wieder ab.[12] Die DDR-Führung sah in der Paneuropa-Bewegung, die eine klare Haltung gegen die Unterdrückung der Freiheit in der Sowjetunion und in deren Satellitenstaaten einnahm, ihr Feindbild des Kapitalismus und des Chauvinismus und eine Bedrohung für ihren Staat (Paneuropa-Picknick). Die Paneuropa-Union, die Paneuropa-Jugend und das Brüsewitz-Zentrum standen danach unter ständiger Beobachtung des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR.

Die Paneuropa-Union zur Zeit des Kalten Krieges

Nach dem Zweiten Weltkrieg unterstützte die Paneuropa-Union aktiv die europäische Integration. Gleichzeitig übte sie Kritik an der einseitig wirtschaftlichen Ausrichtung und dem technokratischen Funktionalismus der sich bildenden Institutionen. Auch ihr christlich-konservatives Profil grenzte sie gegenüber anderen proeuropäische Organisationen ab. 1965 kam es zum Bruch mit der Europäischen Bewegung, als diese sich während des französischen Präsidentschaftswahlkampfes offen für den sozialistischen Herausforderer François Mitterrand aussprach, während die Paneuropa-Union den konservativen Charles de Gaulle unterstützte. Während des Kalten Krieges nahm die Paneuropa-Union eine offensive Haltung gegenüber den sozialistischen Regimen Osteuropas ein und unterstützte dortige Oppositionsbewegungen. Es wurden Untergrundgruppen der Paneuropa-Union gebildet, die in diesen Ländern am Sturz des sozialistischen Systems mitarbeiteten[13]. So wurde zum Beispiel die Paneuropa-Union Böhmen und Mähren noch vor der Samtenen Revolution von ihrem heutigen Präsident Rudolf Kučera gegründet. Weltweite Beachtung fand auch das am 19. August 1989 von ihr organisierte Paneuropäische Picknick bei Sopron, das 661 DDR-Bürgern die Ausreise über die ungarisch-österreichische Grenze ermöglichte.

Entwicklung nach 1990

Nach dem Zusammenbruch der Ostblockstaaten galt das Hauptaugenmerk zunächst der Herausführung der bestehenden Untergrundgruppen in die Legalität sowie dem Aufbau neuer Länder-Organisationen. Heute stellt die Osterweiterung der Europäischen Union den Arbeitsschwerpunkt dar. Hauptziele sind die Förderung der Europäischen Integration auf den Gebieten der inneren und äußeren Sicherheit sowie die Ausdehnung der Europäischen Union nach Osten zur Stabilisierung des Kontinents.

Mitglieder

Als historische Mitglieder führt die Paneuropa-Union unter anderem Albert Einstein, Thomas Mann, Franz Werfel, Salvador de Madariaga, Charles de Gaulle, Aristide Briand, Konrad Adenauer, Kurt Schuschnigg, Alfons Goppel, Franz Josef Strauß, Bruno Kreisky, Raymond Barre und Georges Pompidou an. Präsident der internationalen Paneuropa-Union war von 1973 bis 2004 Otto von Habsburg, der bis zu seinem Tod im Juli 2011 als ihr internationaler Ehrenpräsident agierte. Neuer internationaler Präsident seit 2004 ist der Vorsitzende der französischen Paneuropa-Union, Alain Terrenoire.[14]

Programm

Mit dem Bamberger Programm von 1996 wurden die Zielsetzungen der neuen politische Lage in Europa angepasst. Danach setzt sich die Paneuropa-Union für die Einigung Europas auf der Basis weitreichender Volksgruppen- und Minderheitenrechte sowie des Rechtes auf die Heimat ein[15]. Dieses Europa soll zu einer politisch nach außen und innen voll handlungsfähigen Einheit weitergebildet werden, die keiner fremden Macht untergeordnet ist. Sie befürwortet ein selbstbewusstes Handeln der Europäischen Union in der internationalen Politik im Rahmen eines militärisch geeinten Europa, das überall in der Welt für seine Interessen und für die Ideale der Freiheit und der Menschenrechte eintritt. Weiter erstrebt die Paneuropa-Union ein Europa auf Basis des Christentums und kämpft gegen alle Tendenzen, die die geistige und moralische Kraft Europas zerstören, wie Nihilismus, Atheismus und einen unmoralischen Konsumismus. Diese Grundhaltung kommt ebenfalls in der Definition der Familie als natürliche Gemeinschaft, sowie in der Ablehnung von Abtreibung, Euthanasie und Genmanipulation zum Ausdruck.

Die deutsche Paneuropa-Union steht der CSU sowie den Vertriebenenverbänden nahe. Sie unterscheidet sich von rechtskonservativen Vereinigungen in der deutlichen Verurteilung des Nationalismus.

Aufbau

Paneuropa-Bewegung Deutschland

Die deutsche Paneuropa-Bewegung ähnelt im Aufbau den großen deutschen Parteien. Auf Landesebene ist die Bewegung mit 13 Landesverbänden aktiv. Deutscher Präsident ist der CSU-Europa-Abgeordnete Bernd Posselt. Seine Amtsvorgänger waren der langjährige Vizepräsident des Europäischen Parlamentes und spätere Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof, Siegbert Alber, sowie der frühere bayerische Ministerpräsident Alfons Goppel. Obwohl die Paneuropa-Union Deutschland nicht konfessionell gebunden ist, ist sie Mitglied im Forum Deutscher Katholiken. Seit 1975 besteht eine Jugendorganisation, die Paneuropa-Jugend; deren gegenwärtiger Vorsitzender ist Clemens Raab.

Paneuropa-Bewegung Österreich

Die Paneuropa-Bewegung Österreich ist Mitglied der Paneuropa-Union. Sie gliedert sich in die gesamtösterreichische Bundesorganisation und die neun Landesgruppen und wurde von Mitgliedern des ehemaligen Kaiserhauses Habsburg ins Leben gerufen. Untergliederungen sind die hochschulpolitisch aktive Junge europäische Studenteninitiative und die Paneuropajugend. Präsident ist seit 1986 Karl Habsburg-Lothringen. Das Ideal der Paneuropabewegung, ein nach christlichen Wertvorstellungen aufgebautes Europa, wird von der Paneuropa-Bewegung Österreich in ihrer Zeitschrift Paneuropa Österreich (vorherige Titel: 1976-1987: Österreich konservativ, 1988-1992: Österreich Paneuropa), in weiteren Publikationen und zahlreichen Veranstaltungen, getreu dem Wahlspruch der Paneuropäer In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas verbreitet. Die Paneuropa-Bewegung Österreich entstand aus der „Aktion Österreich Europa“, nachdem Otto von Habsburg 1973 Präsident der Paneuropa-Union geworden war. Bis 1967 hatte die erstere noch Monarchistische Bewegung Österreichs geheißen, so dass in der österreichischen Sektion im Gegensatz zu den Schwesteroganistionen noch immer gewisse monarchistische Strömungen erkennbar sind.

1996 geriet die österreichische Paneuropa-Bewegung im Zusammenhang mit dem World-Vision-Spendenskandal in negative Schlagzeilen. Der ehemalige Geschäftsführer Wolfgang Krones (damals Generalsekretär von Paneuropa-Österreich) und seine Frau, die Geschäftsführerin von „World Vision Österreich - Christliches Hilfswerk“ Martina Taurer-Krones, hatten Spenden des Hilfswerkes zu Paneuropa umgeleitet. Ein Prüfbericht von KPMG bestätigte Geldflüsse von rund 640.000 Schilling, ein Teil davon floss 1996 in den EU-Wahlkampf von Karl Habsburg-Lothringen. Krones und Martina Taurer-Krones wurden 2004 rechtskräftig verurteilt. Erst 2004 zahlte Karl Habsburg jene 36.899 Euro an den Nachfolgeverein World Vision - Gesellschaft für Entwicklungshilfe und Völkerverständigung zurück, die - laut Habsburg ohne sein Wissen - zur Wahlkampffinanzierung gedient hatten.

Literatur

  • Vanessa Conze: Das Europa der Deutschen; Ideen von Europa in Deutschland zwischen Reichstradition und Westorientierung (1920-1970); Oldenbourg Wissenschaftsverlag; 2005; ISBN 978-3-486-57757-0. Auszüge online bei google books
  • Otto von Habsburg: Die Paneuropäische Idee. Eine Vision wird Wirklichkeit. Amalthea Verlag, Wien-München 1999, ISBN 3-85002-424-5
  • Anita Ziegerhofer-Prettenthaler: Botschafter Europas. Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi und die Paneuropa-Bewegung in den zwanziger und dreißiger Jahren. 2004, ISBN 3-205-77217-2
  • Richard N. Coudenhove-Kalergi: Pan-europa. Der Jugend Europas gewidmet. 1987, ISBN 3-85002-239-0
  • Richard N. Coudenhove-Kalergi, Die Europäische Nation, Deutsche Verlagsanstalt 1953
  • Richard N. Coudenhove-Kalergi, Totaler Staat, Totaler Mensch; Paneuropa-Verlag Glarus (jetzt Augsburg) 1937

Weblinks

 Commons: Paneuropean Union – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Oliver Burgard: Europa von oben. - Warum die politischen Initiativen für eine Europäische Union nach dem Ersten Weltkrieg scheiterten. In: Zeit Nr. 3 vom 13. Januar 2000
  2. Richard Graf Coudenhove-Kalergi, "Die Europäische Frage", Abdruck des Artikels aus dem Jahr 1922 in der Zeitschrift: Zeitschrift "Paneuropa Deutschland" 25 (2002) 2, S. 20 - 22.
  3. Michael Gehler, Wolfram Kaiser, Helmut Wohnout: Christdemokratie in Europa im 20. Jahrhundert: Christian democracy in 20th century Europe. Böhlau Verlag Wien, 2001, ISBN 3205993608, Seiten 574 f.
  4. Richard Vaughan: Twentieth-century Europe: paths to unity. Taylor & Francis, 1979, ISBN 0064971724, Seite 42.
  5. Richard Vaughan: Twentieth-century Europe: paths to unity. Taylor & Francis, 1979, ISBN 0064971724, Seite 28.
  6. Bo Stråth: Europe and the Other and Europe as the Other. 4. Auflage: Peter Lang, 2010, ISBN 9789052016504, Seite 149.
  7. Bo Stråth: Europe and the Other and Europe as the Other. 4. Auflage: Peter Lang, 2010, ISBN 9789052016504, Seite 151.
  8. Bo Stråth: Europe and the Other and Europe as the Other. 4. Auflage: Peter Lang, 2010, ISBN 9789052016504, Seiten 151 f.
  9. Michael Gehler; Wolfram Kaiser, Helmut Wohnout: Christdemokratie in Europa im 20. Jahrhundert: Christian democracy in 20th century Europe. Böhlau Verlag Wien, 2001, ISBN 3205993608, Seiten 595.
  10. Trevor C. Salmon; William Nicoll: Building European Union: a documentary history and analysis. Manchester University Press, 1997, ISBN 0719044464, Seite 26.
  11. Richard Vaughan: Twentieth-century Europe: paths to unity. Taylor & Francis, 1979, ISBN 0064971724, Seite 81.
  12. vgl. insb. Conze 2001: 204 online bei google books
  13. Siehe http://www.ronsperg.de/Coudenhove3.htm
  14. französische wikipedia Dort heißt es: er wurde im Dezember 2004 auf Vorschlag seines Vorgängers Otto von Habsburg zu seinem Nachfolger gewählt.
  15. Alle Zitate in diesem Teil aus http://www.paneuropa.org/de/bambprg.pdf

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