Astrozytom

Astrozytom
Klassifikation nach ICD-10
D33 Gutartige Neubildung des Gehirns und Zentralnervensystems
D33.0 Gehirn, supratentoriell
D33.1 Gehirn, infratentoriell
D33.2 Gehirn, nicht näher bezeichnet
D33.3 Hirnnerven
D33.4 Rückenmark
D33.7 Sonstige Teile des Zentralnervensystems
D33.9 Zentralnervensystem, nicht näher bezeichnet
D43 Neubildung unsicheren oder unbekannten Verhaltens des Gehirns und des Zentralnervensystems
D43.0 Gehirn, supratentoriell
D43.1 Gehirn, infratentoriell
D43.2 Gehirn, nicht näher bezeichnet
D43.3 Hirnnerven
D43.4 Rückenmark
D43.7 Sonstige Teile des Zentralnervensystems
D43.9 Zentralnervensystem, nicht näher bezeichnet
C71 Bösartige Neubildung des Gehirns
C71.0 Zerebrum, ausgenommen Hirnlappen und Ventrikel
C71.1 Frontallappen
C71.2 Temporallappen
C71.3 Parietallappen
C71.4 Okzipitallappen
C71.5 Hirnventrikel
C71.6 Zerebellum
C71.7 Hirnstamm
C71.8 Gehirn, mehrere Teilbereiche überlappend
C71.9 Gehirn, nicht näher bezeichnet
C72 Bösartige Neubildung des Rückenmarkes, der Hirnnerven und anderer Teile des Zentralnervensystems
C72.0 Rückenmark
C72.1 Cauda equina
C72.2 Nn. olfactorii (I. Hirnnerv)
C72.3 N. opticus (II. Hirnnerv)
C72.4 N. vestibulocochlearis (VIII. Hirnnerv)
C72.5 Sonstige und nicht näher bezeichnete Hirnnerven
C72.8 Gehirn und andere Teile des Zentralnervensystems, mehrere Teilbereiche überlappend
C72.9 Zentralnervensystem, nicht näher bezeichnet
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

Astrozytome gehören zu den häufigsten Tumoren des Gehirns und treten vorwiegend im mittleren Lebensalter auf. Sie haben ihren Ursprung in den Astrozyten, die zum Stützgewebe (Gliazellen) des Zentralnervensystems gehören, und werden deshalb den Gliomen zugeordnet. Der Grad der Bösartigkeit wird nach einer Gewebeprobe mikroskopisch anhand feststehender Kriterien bestimmt.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Bislang wurden die unterschiedlichsten tumorauslösenden Reize (Onkogene) für Astrozytome vorgeschlagen. Hiervon haben über 70 % der weniger differenzierten (WHO Grad II und III) eine Veränderung des Erbgutes für das zytosolische Enzym Isocitrat-Dehydrogenase (IDH). Für undifferenzierte Tumore (WHO Grad IV) - Glioblastome - liegt diese Rate der Erbgutveränderung (Mutation) bei 100%.[1] Bei der IDH-Mutation ist dann eine einzige Aminosäure an Position 132 - Arginin gegen Histidin - ausgetauscht. Diese IDH1-R132H-Mutation beeinträchtigt die üblicherweise erfolgende Umwandlung von Isocitrat in alpha-Ketoglutarat. Stattdessen erfolgt eine direkte Reduktion von alpha-Ketoglutarat in 2-Hydroxyglutarat, dessen erhöhter Spiegel ein Risiko für die Entstehung von Hirntumoren ist.[2] Daneben wurde die Exposition gegenüber erdölbezogenen Chemikalien (Petrochemicals) und Strahlung von Mobiltelefonen als Risikofaktor angesehen, dies konnte jedoch in entsprechenden Studien nicht bestätigt werden.[3][4] Die Krankheitszeichen sind von der Lage des Tumors im Gehirn oder im Wirbelkanal abhängig. In der Regel beginnen sie mit andauernden Schmerzen, Empfindungsstörungen oder auch einer Epilepsie. Später treten oft noch neurologische Ausfälle (beispielsweise Lähmungen) der betroffenen Regionen hinzu. Der Nachweis erfolgt mittels Kontrastmittel im CT oder einer Kernspintomografie und um entsprechende Zellen zu erhalten, durch eine Biopsie. Die Behandlung zielt auf eine möglichst komplette chirurgische Entfernung des Tumors ab. Bei den höhergradigen Tumoren kann eine anschließende Bestrahlung des Tumorbereiches notwendig sein. Eine Heilung durch alleinige Chemotherapie, z.B. mit Temozolomid, ist zurzeit (2009) nicht möglich. Diese kann in Kombination mit der Strahlentherapie jedoch die Überlebenswahrscheinlichkeit verbessern.

Allgemeine Klassifikation

Der Begriff Astrozytom umfasst eine heterogene Gruppen an Gliomen. Nach den aktuellen WHO-Kriterien für Hirntumoren werden Astrozytome wie folgt eingeteilt[5]:

Ältere Klassifizierungen/Bezeichnungen und Einteilungen (die nun zumeist als Untergruppen der oben gelisteten Fälle geführt werden):

  • (1) Protoplasmatisches Astrozytom WHO Grad II,
  • (2) Gemistozytäres Astrozytom WHO Grad II,
  • (3) anaplastisches Astrozytom WHO Grad III,
  • (4) Glioblastom WHO Grad IV,
  • (5) Riesenzell-Glioblastom WHO Grad IV,
  • (6) Gliosarkom WHO Grad IV,
  • (7) pilozytisches Astrozytom WHO Grad I,
  • (8) Pleomorphes Xanthoastrozytom WHO Grad II,
  • (9) Pleomorphes Xanthoastrozytom mit anaplastischen Eigenschaften (…with anaplastic feature),
  • (10) Subependymales großzelliges Riesenzellastrozytom WHO Grad I (SEGA, subependymal giantcell astrocytoma)
  • (11) Desmoplastisches infantiles Astrozytom WHO Grad I.

Dabei deuten v. a. genetische und biologische Daten auf eine Verwandtschaft der Astrozytome 1 bis 6 hin. Diese Astrozytom-Varianten werden auch in die Gruppe der diffusen Gliome eingeteilt, da sie im Gegensatz zu den Astrozytomen 7 bis 10 eine diffuse Infiltration in angrenzendes Hirngewebe zeigen. Bei den anderen Astrozytomen handelt es sich wahrscheinlich um eigenständige Entitäten, die in keinem wesentlichen Zusammenhang zueinander stehen. Bis auf das pilozytisches Astrozytom WHO Grad I handelt es sich bei den Astrozytomen der Nummern 6 bis 10 um seltene bis sehr seltene Tumorformen.

Klassifikation der „gewöhnlichen“ Astrozytome

„Gewöhnliche“ Astrozytome werden heute nach verschiedenen Prinzipien eingeteilt. Diese Klassifikation der Tumoren wird durch folgende Probleme erschwert:

  • Die Tumormasse ist nicht einheitlich. Bei einem Tumor von der Größe einer Walnuss kann das Gewebe an verschiedenen Stellen unterschiedlich sein. Da man bei Probeentnahmen (Hirnbiopsie) nur eine geringe Menge an Tumorgewebe entnimmt und auch bei der Untersuchung eines Tumorresektates nach einer operativen Entfernung nicht das ganze Gewebe untersucht werden kann, kommt es zu Stichprobenfehlern, so genannten „sampling errors“: Es kann passieren, dass man nur Gewebe einer Klassifikationsstufe zu Gesicht bekommt. Entscheidend für den weiteren Verlauf und somit die Prognose ist jedoch der bösartigste Tumoranteil, der bei kleinen Gewebeproben nicht immer enthalten ist. Dies führt fälschlicherweise zur Annahme eines zu niedrigen Malignitätsgrads.
  • Eine Klassifikation ist nur eine Momentaufnahme. Da sich Tumoren mit der Zeit verändern, hat eine Klassifikation möglicherweise nur für wenige Monate Gültigkeit.
  • Die Lokalisation eines Tumors kann für die Prognose der Erkrankung bedeutender sein als die Gewebeart. Ein im Hirnstamm sitzender Tumor kann bei geringer Größe mehr Schaden anrichten als ein weitaus größerer in der Großhirnhemisphäre.

Das Kernohan-Schema

Dieses Klassifikationssystem ist heute nicht mehr gebräuchlich, wird aber häufig zu Vergleichszwecken heran gezogen, etwa um Verbesserungen neuerer Systeme darzustellen. Kernohan[6] unterschied Astrozytome anhand des Vorkommens von sogenannten Anaplasien, Vielgestaltigkeit (Pleomorphismus) der Zellkerne und der Anzahl der Mitosen. Man gelangte so zu einer Unterteilung der Astrozytome in vier Gruppen mit ansteigender Malignität. Das Schema hat seine prinzipielle Gültigkeit bis heute nicht eingebüßt, so dass Kernohan als ein Pionier der Astrozytom-Klassifikation gilt.

Die WHO-Klassifikation der Hirntumoren

Hauptartikel: WHO-Klassifikation der Tumoren des zentralen Nervensystems

1979 schlug eine Consensus-Konferenz in Genf ein Klassifikations-Schema vor, das das biologische Verhalten und damit die Malignität gewöhnlicher Astrozytome in vier Schweregrade I bis IV einteilt. Dieses Schema wurde von Zülch[7] 1979 publiziert und in der Folge immer weiterentwickelt[8]. Die aktuelle WHO-Klassifikation der Tumoren des zentralen Nervensystems stammt aus dem Jahr 2007. Damit erhält das niedrig-maligne Astrozytom der Erwachsenen die Einteilung WHO Grad II, das anaplastische Astrozytom die Einteilung WHO Grad III und das Glioblastom die Einteilung WHO Grad IV. Das pilozytische Astrozytom erhielt die Einteilung WHO Grad I und wird wegen des meist gutartigen Verlaufes von den anderen Astrozytomen getrennt. Die WHO-Klassifikation der Tumoren des zentralen Nervensystems ist unterdessen die international gültige Klassifikation geworden. Die überwiegende Zahl an Fachpublikationen bezieht sich auf dieses Klassifikationsschema. In Deutschland wird in den neuropathologischen Instituten und insbesondere in den Hirntumorreferenzzentren der Deutschen Gesellschaft für Neuropathologie und Neuroanatomie in Bonn und Düsseldorf nur nach WHO klassifiziert.

  • WHO Grad I ist eine gutartige Form zumeist des Kindes- und Jugendalters. Unter anderem wird das pilozytisches Astrozytom dazu gezählt. Es tritt manchmal in Verbindung mit einer Neurofibromatose Typ 1 auf.
  • WHO Grad II (Astrozytom)
  • WHO Grad III (anaplastisches Astrozytom)
  • WHO Grad IV (Glioblastom)

Pilozytische Astrozytome WHO Grad I sind Tumoren, welche zumeist bei Kindern und Jugendlichen, zum Teil aber auch bei Erwachsenen gefunden werden können. Astrozytome WHO Grad II werden am häufigsten bei 30 bis 40 Jährigen und anaplastische Astrozytome WHO Grad III bei 40 bis 60 Jährigen beobachtet. Glioblastome WHO Grad IV erreichen ein Maximum der Erkrankungshäufigkeit zwischen 50 und 60 Jahren und ein weiteres Maximum bei Patienten über 70 Lebensjahren. Allerdings werden alle genannten Gliome ebenfalls bei Kindern gefunden.

Das NBTSG-Schema nach Burger

1985 schlug Burger[9] ein dreiteiliges Klassifikations-Schema im Rahmen der National Brain Tumor Group Study (NBTGS) vor. Dieses Schema berücksichtigte nur die „gewöhnlichen“ Astrozytome, ließ also die „besonderen“ Astrozytome außer Acht. Jetzt gliederte man die Gruppe der fibrillären astrozytischen Neoplasien in drei Gruppen: die Astrozytome, die anaplastischen Astrozytome und die Glioblastome. In dem Schema nach Burger sind zwei Beobachtungen entscheidend: Ob der Tumor eine Gefäßanreicherung zeigt und ob Nekrosen (Gewebszerfälle) auftreten. Ein Astrozytom ist danach dadurch definiert, dass keine Gefäßproliferationen und keine Nekrosen vorkommen. Für die Diagnose des Glioblastoms ist das Vorkommen beider Erscheinungen erforderlich. Das anaplastische Astrozytom nimmt eine Zwischenstellung ein.

Das Daumas-Duport Klassifikationssystem

1988 stellten Daumas-Duport und ihre Mitarbeiter[10][11][12] ein Klassifikationssystem vor, das so gestaltet ist, dass nach vier Merkmalen gesucht wird, für die jeweils Punkte vergeben werden. Die Kriterien sind: atypische Zellkerne, Mitosen, Endothel-Proliferation und Nekrosen. Die Punktzahl bestimmt dann den Grad des Tumors. Das System ist einfach und die Ergebnisse verschiedener Untersucher stimmen deshalb gut überein. Es hat zudem den Vorteil, dass die Gradeinteilung einen hervorragenden prognostischen Wert ergibt.
Da dieses Schema einen bedeutenden Fortschritt in der Untersuchung der Astrozytome darstellt, werden hier Details erläutert. Daumas-Duport und Mitarbeiter haben Krankengeschichten und Gewebeproben von etwa 350 Patienten rückblickend untersucht, die in den Jahren 1960–1969 in der Mayoklinik mit der Diagnose eines Astrozytoms behandelt wurden. Bei der Nachuntersuchung fanden sich 287 Patienten mit einem gewöhnlichen Astrozytom. Zum Zeitpunkt des Beginns der Studie 1984/85 lebte nur noch ein Patient aus dem ursprünglichen Kollektiv der 287. 2 von 287 = 0,7 % wurden als Grad 1 klassifiziert, diese hatten eine Überlebensrate von 11 und 15 Jahren. 17 % (etwa 50) wurden als Grad 2 klassifiziert, diese hatten eine Überlebensrate von vier Jahren. 18 % (etwa 50) wurden als Grad 3 klassifiziert, sie hatten eine Überlebensrate von eineinhalb Jahren und 65 % (etwa 180) wurden als Grad 4 klassifiziert, diese hatten eine Überlebensrate von etwa neun Monaten. Die Übereinstimmung in der Beurteilung verschiedener Untersucher betrug bis zu 96 %. Damit gilt dieses Klassifikationsschema als einfach, gut reproduzierbar und aussagekräftig. Allerdings konnte sich dieses Klassifikationsschema international nicht durchsetzen und wird außerhalb einiger Zentren in Frankreich nicht verwendet. In Deutschland wird die WHO-Klassifikation verwendet.

Klassifikation mittels Bildgebung und Genetik

Um die Einschränkungen zu umgehen, denen histologische Beurteilungen von Hirntumoren unterliegen, wurden Anstrengungen unternommen, mittels weiterer technischer Verfahren zu einem aussagekräftigen Grading beizutragen.
2005 stellten Cha[13] und Mitarbeiter der UCSF eine Studie vor, in der es gelang, aufgrund radiologischer Kriterien niedrig-maligne Astrozytome (WHO Grad II, NBTSG Grad I) von niedrig-malignen Oligodendrogliomen zu unterscheiden. Sie untersuchten dazu 25 unbehandelte Patienten (11 mit Astrozytom, 14 mit Oligodendrogliom) mit histologisch gesicherter Diagnose und benutzten dazu ein spezielles MRI-Verfahren (dynamic susceptibility contrast-enhanced MR imaging), das Blutvolumenmessungen im Tumorgewebe erlaubt. Die beiden Tumorarten unterschieden sich signifikant, was eine radiologische Differenzierung der Tumoren erlaubt.
2005 untersuchten Barbashina[14] und Mitarbeiter vom Sloan-Kettering Institut Allelverluste in Tumorgeweben. Dabei wurden zwei Regionen auf dem Chromosom 1 und Chromosom 19 untersucht. Aus einer Gesamtpopulation von 205 Patienten konnten 112 Tumorproben auf einen Allelverlust der beiden Chromosomen untersucht werden. Dabei zeigte sich, dass es in etwa 70 % (Gesamtzahl 39) der untersuchten Proben von Oligodenrogliomen zu einem kombinierten Allelverlust im Bereich 1p und 19q gekommen war. Dies war in keinem untersuchten Fall von Astrozytomen zu beobachten. Darüber hinaus konnte eine sehr kleine „minimal deleted region“ von einer Größe von 150 kb auf Chromosom 1p36 bestimmt werden. Dort befindet sich ein gehirnspezifischer Transkriptionsfaktor (CAMTA1). (Vgl. hierzu auch die Arbeiten von Brat[15] und Kleihues[16].)

Niedrig-maligne Astrozytome

Das Niedrig-maligne Astrozytom (Grad II WHO) (Synonym: engl. Low Grade Astrocytoma) ist ein Tumor des Gehirns, der von einer bestimmten Zellart des Nervensystems (den Astrozyten) ausgeht und damit zu den sogenannten Gliomen gehört. Betroffen sind vorwiegend junge Erwachsene, bei denen die Erkrankung meist mit einem erstmaligen epileptischen Anfall auffällig wird. Die Untersuchungsbefunde bei einem Astrozytom ähneln denen eines Ischämischen Hirninfarktes. Die Therapie besteht in der operativen Entfernung des Tumors, gegebenenfalls mit anschließender Bestrahlung. Die 5-Jahres-Überlebensrate der Patienten liegt bei 40 bis 50 %.

Allgemeine Betrachtung

Hirnbiopsie mithilfe der Stereotaxie

Astrozytome sind Hirntumoren, bei denen zunächst nicht von Bösartigkeit ausgegangen wird. Wie viele Tumoren verursachen sie zu Beginn der Erkrankung keine Beschwerden. Sie können sogar sehr groß werden, bevor das erste Mal Beschwerden auftreten. Häufig werden sie deshalb erst in fortgeschrittenen Stadium entdeckt, können dann aber immer noch gutartig sein. Oft fällt der Tumor bei einer Computertomographie auf, die wegen eines erstmaligen epileptischen Anfalls veranlasst wurde. Die Diagnose „Astrozytom“ kann jedoch erst durch eine Gewebeentnahme (Biopsie) aus der entsprechenden Gehirnregion gesichert werden.

Die Therapieplanung beginnt mit der Frage, ob der zunächst gutartige Tumor überhaupt behandelt werden soll. Angesichts der räumlichen Enge in der Schädelhöhle sind Größe und Wachstum des Tumors von großer Bedeutung. Da es keine wirksamen Medikamente gegen Astrozytome gibt (die Chemotherapie ist nicht wirksam) und eine Bestrahlung nur in bestimmten Fällen hilft, bleibt oft nur die Operation. Grundsätzlich sollte jedes Astrozytom entfernt werden. Eine Operation scheint jedoch nicht sofort nach der ersten Diagnosestellung notwendig.

Die Notwendigkeit zur Operation hängt mit der Neigung der Astrozytome zusammen, sich zu bösartigen Formen weiterzuentwickeln. Es gibt starke Hinweise darauf, dass sich Astrozytome zunächst zu sogenannten anaplastischen Astrozytomen (Astrozytom Grad III WHO, auf dem Weg zur Bösartigkeit schon weiter fortgeschrittene Tumoren) und schließlich zu Glioblastomen (Astrozytom Grad IV WHO, sehr bösartiger Hirntumor) entwickeln können. Bei einem Teil der Patienten scheint schon früh festzustehen, ob sich ein Astrozytom zu einem bösartigen Tumor entwickeln wird. In diesen Fällen ist die Prognose unabhängig von der Behandlungsmethode schlecht. Ein weiterer Teil der Patienten wird kein Glioblastom entwickeln, bei ihnen ist die Prognose gut, egal ob früher oder später operiert wird. Wie sich ein Astrozytom entwickelt, lässt sich nicht vorhersagen.

Epidemiologie

Die durchschnittliche jährliche Inzidenzrate (Neuerkrankungen) der niedrig-malignen Astrozytome beträgt 0,9 auf 100.000 Einwohner. Das mittlere Alter der Patienten mit diesem Tumor liegt bei 35 Jahren. 55 bis 65 % der Patienten sind Männer. Es gibt keine Häufung der Astrozytome innerhalb ethnischer Gruppen. Patienten mit einer Phakomatose (erbliche Tumorerkrankung mit Fehlbildungen der Haut und des Nervensystems) haben ein erhöhtes Risiko, an einem Astrozytom zu erkranken. Bei der Neurofibromatose Typ 1 findet man gehäuft Optikus-Gliome (Tumoren des Sehnerves). Astrozytome stellen 15 % der Gliome in Hirnstamm, Großhirnrinde und Kleinhirn dieser Patienten. Patienten mit Tuberöser Sklerose erleiden in 5 % der Fälle im Jugendalter subependymale Riesenzellastrozytome im Bereich des Foramen Monroi.

Bevorzugte Orte der Tumorlokalisation

Astrozytom des Mittelhirns, mit kompressionsbedingtem Hydrozephalus

Astrozytome finden sich vorwiegend im Bereich der Konvexität (äußere Bereiche des Großhirns) und dort im Frontallappen und im Temporallappen. Die Tumoren entwickeln sich im Bereich der weißen Substanz (Nervenzellfaserbündel) der Hemisphären (Hirnhälften) und liegen meist „unterhalb“ der Hirnrinde (subcortikal). Niedrigmaligne Gliome können aber auch in allen anderen Abschnitten des Gehirns und des Rückenmarks auftreten.

Symptome

Das bei weitem häufigste erste klinische Symptom bei über 50 % der Patienten ist ein epileptischer Anfall. Der Mechanismus der Symptome ist die Infiltration und Zerstörung benachbarter Neurone. Durch einen Verdrängungsdruck kommt es zum „Hirndruck“. Das häufigste gemeinsame Zeichen dieser Mechanismen ist ein Papillenödem (Vorwölbung der Papille, der Austrittsstelle des Sehnerven in der Netzhaut, ohne Minderung der Sehkraft). Kopfschmerzen, Lethargie und Persönlichkeitsveränderungen sind ebenfalls häufige Zeichen eines beginnenden Hirndruckes. Fokale neurologische Zeichen (Lähmung, Störung der Hirnnervenfunktion, Kopfschmerzen) gehen der Diagnosestellung oft Jahre voraus.

Technische Untersuchungsbefunde

Astrozytom

Die technischen Untersuchungsbefunde eines Astrozytoms gleichen denen eines ischämischen Hirninfarktes:

Die craniale Computertomographie (CCT) ohne Kontrastmittel zeigt gelegentlich unscharfe Hypodensitäten, manchmal ein „Marklagerödem“ aber auch „zystische“ Formationen. Mit Kontrastmittel sind meist runde, hochparietale oder frontotemporale Hypodensitäten mit lokalem Masseneffekt ohne Anreicherung von Kontrastmittel („Infarktareale“) erkennbar. Patienten, bei denen es zu einer Kontrastmittelanreicherung im Tumor kommt, haben ein siebenmal höheres Risiko für ein Rezidiv.

Der Liquorbefund ist bei Patienten mit einem Astrozytom in der Regel normal.

In der Hirnangiographie zeigen Astrozytome typischerweise keine pathologische Blutgefäßarchitektur (Vaskularisierung).

In der Kernspintomographie sieht man üblicherweise in der T1-Sequenz homogene Hypointensitäten und in der T2-Sequenz homogene Hyperintensitäten. Im Allgemeinen findet man keine Nekrosen, keine Blutung und keine Kontrastmittelanreicherung. Vereinzelt sind in der T1-Wichtung pathologisch strukturierte isointense Formationen erkennbar.

Im PET-Scan des Glucose-Stoffwechsels (FDG-PET) stellt sich das Astrozytom hypometabolisch dar („kalter Knoten“, das heißt, es ist Gewebe mit vermindertem Stoff- und Energieumsatz). Entdifferenzierungen innerhalb des Tumors führen gelegentlich zu malignen Zwischenstufen, die dann im PET-Bild als „hot spots“ (Gewebe mit erhöhtem Stoff- und Energieumsatz) innerhalb des „kalten Knotens“ erscheinen können.

Pathologie

spiralförmig angeordnete Mikrotubuli, Vergr. 65000x

Pathologen unterscheiden drei Formen von niedriggradigen Astrozytomen WHO Grad II: Das protoplasmatische Astrozytom, das fibrilläre Astrozytom und das gemistozytäre Astrozytom.

Mit bloßem Auge betrachtet (makroskopisch) erscheint das protoplasmatische Astrozytom als eine weiche graue Cortexexpansion. Der Tumor geht ohne genaue Grenze in Cortex und Marklager über und zeigt manchmal zystische Formationen im Schnittbild. Im Gegensatz dazu scheinen die fibrillären Astrozytome von festerer Gewebekonsistenz zu sein.

Bei mikroskopischer Beurteilung zeigen die sehr seltenen, zellarmen protoplasmatischen Astrozytome eine gleichmäßige Verteilung der Tumorzellen in einer mit Eosin anfärbbaren Matrix. Die Tumorzellen sind zart bis plump und arm an Fortsätzen. Mikrozysten kommen vor. Man sieht wenig Blutgefäße, welche unauffällig konfiguriert sind. Die am häufigsten vorkommenden fibrilläre Astrozytom zeigen eine eher lockere Durchsetzung des Gewebes mit Gliafasern. Diese lassen sich mit Antikörpern gegen das saure Gliafaserprotein (GFAP) darstellen. In den meisten Neuropathologien wird unterdessen nicht mehr zwischen protoplasmatischen und fibrillären Astrozytomen WHO Grad II differenziert, da es sich wahrscheinlich um die gleiche Tumorentität handelt. Das gemistozytäre oder gemästetzellige Astrozytom weist Tumorzellen mit großen Zytoplasmata und teils mehreren exzentrisch gelegenen Kernen auf. Man sieht in WHO Grad II Astrozytomen keine Mitosen. Allerdings rechtfertigt der Nachweis einer einzigen Mitose noch nicht die Diagnose eines anaplastischen Astrozytoms WHO Grad III. Das allgemeine mikroskopische Bild eines Astrozytoms kann folgendermaßen beschrieben werden: Vorbestehende Blutgefäße werden verdrängt, das infiltrierte Gewebe im Randbereich ist gut erhalten, die Hirnhäute können infiltriert sein und der Tumor kann zum Beispiel eine Gewebebrücke durch die Sylvische Fissur bilden. Eine Liquoraussaat von Tumorzellen ist selten. Selten gibt es degenerative Veränderungen innerhalb von Mikrozysten mit Verkalkungen.

Der wichtigste immunhistochemische Befund ist das GFA-Protein, welches von Tumorzellen und deren Fortsätzen gebildet wird. Weiterhin sollte die Proliferationsrate mittels Mib1-spezifischen Antikörpern bestimmt werden.

Die Elektronenmikroskopie hat keine Bedeutung in der Diagnostik glialer Tumoren. In der Elektronenmikroskopie sieht man Intermediärfilamente mit einer Größe von 7 bis 11 nm im Zellplasma. Mikrotubuli finden sich in manchen Zellfortsätzen.

Maligne Transformation des Tumors

Die Frage nach der Umwandlung in eine bösartige Form ist wichtig, da sie die Klassifikation und die Prognose dieser Tumorerkrankungen betrifft. Man findet in Gewebeproben resezierter Astrozytome nicht selten kleine anaplastische Foci, Areale mit höhermalignen Tumorzellpopulationen. Im folgenden sind dazu die wichtigsten klinischen Studien in Kurzform dargestellt:

  • Scherer[17] fand 1940 als Erstautor in 13 von 18 Fällen Anaplasien.
  • Russell und Rubinstein[18] beschrieben 1989 in 55 Autopsien 50 % anaplastische Foci. Dieselben Autoren fanden in 129 Autopsien von Glioblastoma multiforme in ca 30 % der Fälle Hinweise für eine Genese aus Astrozytomen.
  • Müller et al.[19] untersuchten 1977 72 Patienten mit der initialen Diagnose Astrozytom. Zum Zeitpunkt eines Rezidiv zeigten 15 % der Patienten eine unveränderte Pathologie, 55 % anaplastische Astrozytome und 30 % multiforme Glioblastome. Die durchschnittliche Dauer zwischen Erstdiagnose und Rezidiv war 2,5 Jahre.
  • Laws et al.[20] fanden 1984 bei 79 Patienten mit rezidivierendem Tumorwachstum eine Dedifferenzierung zu höhergradigen Astrozytomformen in 50 % der Fälle.
  • Piepmeier[21] hingegen fand lediglich bei 13 % der untersuchten Patienten bei einem Tumor-Rezidiv oder Autopsie eine maligne Transformation. Allerdings war die durchschnittliche Zeit zur Nachuntersuchung mit 5 Jahren recht kurz.

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Nachweis anaplastischer Herde zum Zeitpunkt einer zweiten Resektion nicht notwendigerweise das Resultat einer initialen negativen Selektion darstellt. Oder einfach ausgedrückt: Gutartige Astrozytome verwandeln sich mit großer Wahrscheinlichkeit im Laufe der Zeit in bösartige Tumoren.

Zur Frage der Ursachen der malignen Transformation liegen folgende Befunde vor. Beim Übergang vom niedrig-malignen Astrozytom über das anaplastische Astrozytom zum Glioblastom zeigt das Astrozytom in keinem der untersuchten Fälle p53-Mutationen, das anaplastische Astrozytome 36 % p53-Mutationen und Glioblastome 28 % p53-Mutationen. Man findet außerdem eine deutliche Zunahme von Anomalien des Chromosom 10: bei Astrozytom Grad I 0 % Anomalien, beim anaplastischen Astrozytom 23 % Anomalien und beim Glioblastom 61 % Anomalien.

Leitlinien für die Diagnosestellung

Die Diagnose eines Astrozytoms kann nicht klinisch oder durch technische Untersuchungsverfahren gestellt werden. Die einzige Möglichkeit ein Astrozytom zu diagnostizieren, ist eine feingewebliche Untersuchung des suspekten Gewebes. Die Aufgabe des Neurologen ist es, den Weg zu einer solchen Untersuchung zu bahnen, da Patienten und Ärzte vor einer Hirnbiopsie naturgemäß zunächst zurückschrecken. Ein Astrozytom unterscheidet sich in der Bildgebung im Zweifelsfalle nicht von einem Hirninfarktareal. Deshalb ist es wichtig, dass Ärzte nicht aufgrund der technischen Befunde urteilen, sondern aufgrund der Anamnese: ein junger Mensch mit einem Astrozytom hat kein hirninfarktähnliches Ereignis, das etwa einer Lähmung vorangegangen ist. Die Lähmung kam nicht plötzlich, sondern langsam. Wenn also die technischen Befunde (CCT, MRT usw.) wie ein Hirninfarkt aussehen, die Schilderung eines Patienten aber dazu nicht passt und keine Gefäßrisikofaktoren vorliegen, muss man immer an einen Tumor denken und im Zweifelsfall eine Hirnbiopsie durchführen.

Therapie

Bei der Behandlung der Astrozytome steht die operative Entfernung des Tumors im Vordergrund. Das generelle Konzept für einen Therapieplan von Astrozytom-Patienten ist allerdings umstritten. Die erste Regel für jede Tumorchirurgie lautet, so früh wie möglich zu operieren. Da allerdings durch verbesserte bildgebende Verfahren zunehmend Diagnosestellungen erfolgen, bevor Patienten neurologische Ausfälle erlitten haben, wurde vorgeschlagen, die Operation in Fällen, bei denen sie zu einem postoperativen neurologischen Defizit führen würde, zu verschieben, bis der Tumor radiologische Veränderungen zeigt. Diese Empfehlung wurde angesichts der Tatsache gemacht, dass eine Verlängerung der Lebenserwartung von Astrozytom-Patienten durch eine frühzeitige Operation nicht bewiesen ist.

Recht[22] verglich 1992 26 Patienten mit Astrozytomen und nachfolgend verzögerter Operation mit 20 Patienten mit unmittelbar nach Diagnosestellung folgender Operation. Es fand sich kein signifikanter Unterschied, weder im Ausmaß der Tumor-Dedifferenzierung noch bei der Lebenserwartung. In der abschließenden Zusammenfassung hieß es: „deferring surgery will not make worse outcome“ - „Abwarten verschlechtert nicht die Prognose“.

Es existiert dabei allerdings folgendes Problem. 30 % der Patienten mit histologisch nachgewiesenem anaplastischen, also höhergradigem Astrozytom und 4 % der Patienten mit einem Glioblastom zeigten im CCT keine Kontrastmittelanreicherung. In diesen Fällen ist es fatal, sich auf die radiologische Diagnose eines Astrozytoms zu verlassen. Es ist also im Zweifelsfall immer wünschenswert, wenigstens eine Biopsie zu gewinnen.

Es sollte weit im Gesunden reseziert werden. Nach Guthrie und Laws (1990) sollte dabei das Tumorzentrum gesucht werden und dann nach peripher reseziert werden. Dies kann CT- oder MRI-gesteuert stereotaktisch erfolgen. Stereotaktische Resektionen kleiner Tumoren oder stereotaktische Biopsien werden heute praktisch ambulant vorgenommen.

Es gibt keine randomisierte, kontrollierte und prospektive klinische Studie zur Frage einer postoperativen Strahlentherapie von Astrozytom-Patienten. Kaum zwei der publizierten Studien sind auch nur in einzelnen Aspekten der Auswahl der Patienten, Alter, Ausmaß oder Lokalisation des Tumors, pathologischer Klassifikation, Strahlendosis der bestrahlten Patienten etc. miteinander vergleichbar.

  • Bouchard und Peirce[23] zeigten 1960, dass bei 81 Astrozytom-Patienten mit einer postoperativen Bestrahlung gegenüber 71 Astrozytom-Patienten ohne Bestrahlung die 3-Jahres Überlebensrate gleich war (62 % gegenüber 59 %), aber die 5 Jahres-Überlebensrate der bestrahlten Gruppe verbessert war (49 % gegenüber 38 %).
  • Gol[24] berichtete ähnliches in einer Studie mit 194 Astrozytom-Patienten.
  • Uihlein et al.[25] dokumentierten 1966 das Gegenteil in einer Studie der Mayo-Klinik.
  • Garcia et al.[26] berichten retrospektiv von 86 Patienten über einen Zeitraum von 1950 bis 1979: 3-Jahresrate bestrahlt/nichtbestrahlt: 61 %/35 %. 5-Jahresrate bestrahlt/nichtbestrahlt 40 %/22 %. 10-Jahresrate bestrahlt/nichtbestrahlt 9 %/9 %.

Trotz der prinzipiell erheblichen Mängel aller durchgeführten Studien kommt die Mehrzahl der im englischsprachigen Raum publizierten Studien zu einem Vorteil durch eine postoperative Bestrahlung von Astrozytom-Patienten. Komplikationen ergeben sich aus der Strahlennekrose des Hirngewebes. Diese tritt vor allem bei Ganzkopfbestrahlungen auf.

Es existieren keine Studien, die einen Nutzen für die Patienten durch eine Chemotherapie des Astrozytoms belegen.

Die Hauptursache für ein Therapieversagen ist ein lokales Rezidiv. Wenn eine erneute Therapie erforderlich ist, ist der erste Schritt eine Biopsie. Bei weiterhin bestehendem Astrozytom erfolgen radiologische Kontrollen. Bei weiterem Wachstum des Tumors wird eine Resektion notwendig werden. Bei maligner Transformation ist eine aggressivere Therapie notwendig. Die Zweitbestrahlung eines Astrozytom-Rezidivs ist bisher ein experimentelles Verfahren.

Prognose

Die 5-Jahres-Überlebensrate von Patienten mit einem Astrozytom beträgt 40 bis 50 %. Die 10-Jahres-Überlebensrate liegt bei 20 bis 30 %. Die jüngsten Daten zu dieser Frage zeigen eine leichte Verbesserung der Prognose: die 5-Jahres-Überlebensrate stieg demnach auf 65 % und die 10-Jahres-Überlebensrate auf 40 %.

Astrozytome bei Kindern

Astrozytome sind der häufigste Tumor mit hemisphärischer Lokalisation (Großhirnrinde) im Kindesalter. Sie machen 8 % aller pädiatrischen intrakraniellen Neoplasien aus. Der Altersgipfel ihres Auftretens liegt zwischen 8 und 12 Jahren. Das Geschlecht spielt keine Rolle: Jungen und Mädchen sind in etwa gleich häufig betroffen. Neben der Lokalisation im Großhirn können Astrozytome auch im Rückenmark und entlang der Hirnnerven vorkommen. Besonders häufig sind Astrozytome am Sehnerven (Nervus Opticus), dort oft bei Patienten mit einer Neurofibromatose. Das Vorkommen von Astrozytomen ist aber auch bei anderen Phakomatosen gehäuft (siehe oben).

Der häufigste Hirntumor im Kindesalter ist das Medulloblastom.

Klinische Symptome sind Kopfschmerz, Schwindel, Erbrechen, Krampfanfälle und Sehstörungen, gelegentlich ein fokales neurologisches Defizit (beispielsweise eine Hemiparese). Die Diagnostik erfolgt mit den gleichen Mittel wie im Erwachsenenalter: augenärztliche Untersuchung (Nachweis eines Papillenödem als Zeichen gesteigerten intrakraniellen Drucks) und vor allem eine Kernspintomographie des Schädels. Bei Kindern ist im Rahmen der multizentrischen Behandlungsstudien mittlerweile eine Kernspintomographie der gesamten Neuraxis (Gehirn und Rückenmark) erforderlich, um Abtropfmetastasen im Rückenmark nachzuweisen oder auszuschließen (spinale Aussaat). Ausgenommen von diesem Standard sind lediglich die Optikusgliome (Astrozytome des Sehnerven), wobei auch - extrem selten - Optikusgliome in das Rückenmark metastasieren können. Bei der Diagnostik sollte immer eine Lumbalpunktion erfolgen: diese dient zum Nachweis von Tumorzellen im Liquor (Nervenwasser) und Bestimmung von Tumormarkern im Liquor. Damit sollen andere Hirntumoren des Kindesalters (intrakranielle Keimzelltumoren, Medulloblastom, Ependymom) bereits präoperativ von einem Astrozytom abgegrenzt werden. Im Falle der Keimzelltumoren ist sogar ein operativer Eingriff bestenfalls zur Gewinnung einer histologischen Diagnose mittels Probebiopsie statthaft: diese Tumoren sprechen sehr gut Radio- und Chemotherapie an und sind daher auch primär mit diesen Methoden zu behandeln.

50 % der Operations-Resektate die radiologisch diagnostizierter hemisphärischer Astrozytome sind niedrig-maligne Astrozytome Grad I. Das Zystisch Juvenile Pilocystische Astrozytom ist eine gelegentliche Unterform. Der Rest sind Astrozytome Grad II, III und IV nach WHO. Bei Optikusgliomen (Astrozytom I Sehnerv) ist eine Operation infolge der drohenden schweren Schädigung des Sehvermögens zunächst nicht angezeigt. Die Behandlung erfolgt hier primär mit einer Kombination aus Chemotherapie und Strahlentherapie.

Die Behandlung erfolgt mit maximal totaler Resektion, soweit möglich. Patienten mit Astrozytom WHO Grad I und totaler Resektion erhalten nach der Operation radiologische Kontrollen in regelmäßigen zeitlichen Abständen, zumeist mittels Kernspintomographie. Astrozytom-Patienten mit signifikanten Residuen (Überresten des Tumors) nach der Operation werden bestrahlt. Patienten mit höhergradigen Astrozytomen (WHO Grad III und IV) erhalten Bestrahlung und Chemotherapie unabhängig vom Residualtumor. Astrozytome WHO I und II bei Kindern haben eine hohe 10-Jahre-Überlebenssrate. Die Prognose eines Astrozytom WHO III (anaplastisches Astrozytom) ist deutlich schlechter, die Prognose eines Astrozytoms WHO IV (Glioblastom) sehr schlecht.

Quellen

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Nicht belegte Angaben beziehen sich im Wesentlichen auf:

  • Andrew H. Kaye und Edward R. Laws Jr. (Ed.): Brain Tumors. Churchill Livingston, Edinburgh 1995. ISBN 0-443-04840-1
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