Parlamentarische Untersuchungskommission

Parlamentarische Untersuchungskommission

Die Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) ist im politischen System der Schweiz eine von Parlamentariern gebildete temporäre Kommission, welche politische Oberaufsicht über die Verwaltung ausüben kann. Sie wird in ausserordentlichen Fällen gebildet, um kontroverse Vorkommnisse zu untersuchen, und wird nach dem Schlussbericht aufgelöst. Die Parlamentarische Untersuchungskommission existiert auf eidgenössischer, kantonaler und zum Teil auch auf kommunaler Ebene. Das Resultat ihrer Untersuchung wird in einem Bericht dargelegt. Die Einsetzung einer PUK wird auf allen Ebenen gesetzlich geregelt.

Inhaltsverzeichnis

Eidgenössische Ebene

Rechtsgrundlage und Einberufung

Auf eidgenössischer Ebene wird die Parlamentarische Untersuchungskommission im neunten Titel des Parlamentsgesetzes definiert. Demnach ist die Parlamentarische Untersuchungskommission ein Oberaufsichtsorgan, das «Vorkommnisse von grosser Tragweite» untersuchen kann. Der Einsatz einer Untersuchungskommission kann von Fraktionen, Parteien, Kommissionen oder einzelnen Ratsmitgliedern (Nationalräte oder Ständeräte) durch eine parlamentarische Initiative gefordert werden. Nach Anhörung des Bundesrates wird die Untersuchungskommission durch einen Bundesbeschluss geschaffen – er regelt insbesondere «den Auftrag und die finanziellen Mittel der Untersuchungskommission» –, dem beide Kammern zustimmen müssen. Die Kommission wird sodann mit «gleich vielen Mitgliedern jedes Rates» sowie einem Präsidium und einem eigenen Sekretariat bestückt, wobei das «notwendige Personal von den Parlamentsdiensten zur Verfügung gestellt wird».

Verfahren und Kompetenzen

Die PUK muss den betroffenen Behörden, Behördenmitgliedern, Staatsangestellten und Privatpersonen in allen Fragen der zu prüfenden Vorwürfe und der gewonnenen Erkenntnisse rechtliches Gehör leisten. Beweismittel, die der betroffenen Person nicht genannt werden, dürfen nicht gegen diese verwendet werden.

Die Kompetenzen und Handlungsmöglichkeiten einer PUK bezüglich Einsichtnahme, Befragung und Sachverhaltsabklärungen gehen deutlich über den Aufgabenbereich einer ständigen Oberaufsichtskommission, zum Beispiel der Geschäftsprüfungskommission (GPK), hinaus. Die PUK übt politische, aber keine gerichtliche Kontrolle aus (Gewaltentrennung) und kann deshalb weder die Rechtmässigkeit des Verwaltungshandelns direkt prüfen, noch einzelne Personen disziplinieren, strafen, in vermögensrechtlicher Hinsicht zur Verantwortung ziehen oder entlassen. Sie kann Sachverständige beiziehen und Zeugen und Auskunftspersonen anhören. Die Behörden müssen der PUK Amts- und Rechtshilfe leisten.

Bisher eingesetzte PUK

  • 1964: Vorgehen bei der Beschaffung von Mirage-Kampfflugzeugen («Mirage-Affäre»). Sinngemäss eine PUK, aber nicht mit dieser Bezeichnung, weil es dieses Instrument 1964 noch nicht gab.
  • 1989: Vorkommnisse im EJPD (Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement). Eine PUK im Zusammenhang mit der Amtsführung im EJPD und dem Rücktritt von Bundesrätin Elisabeth Kopp. Diese PUK löste den «Fichenskandal» aus (siehe auch PUK und Fichenskandal).
  • 1990: Klärung von Vorkommnissen von grosser Tragweite im Eidgenössischen Militärdepartement (Nachrichtendienst und Abwehr, Personendaten, Geheime Dienste – siehe auch P-26 und P-27)
  • 1996: Abklärung von Organisations- und Führungsproblemen bei der Eidgenössischen Versicherungskasse

Abgelehnte PUK-Anträge (ab 1995)

Einreichungsdatum Geschäftsnummer Zweck Eingereicht von
23. Juni 1995 95.412 Abklärung von Organisations- und Führungsproblemen bei der EVK Peter Hess (CVP)
20. März 1996 96.411 Prüfung der Amtsführung des EMD Pierre Chiffelle (SP)
18. Juni 1998 98.420 Zur Überwachung und Kontrolle der Atomenergie Grüne Fraktion
31. August 1999 99.443 Zur Untersuchung von strafbaren Handlungen des Nachrichtendienstes der Armee Christiane Jaquet-Berger (PdA)
6. Oktober 1999 99.453 Zur Untersuchung des «Falls Bellasi» Cécile Bühlmann (Grüne)
21. Juni 2001 01.427 Zur Untersuchung der Fehler der Bundesverwaltung in Bezug auf die BSE-Krise Fernand Cuche (Grüne)
4. Oktober 2001 01.448 Zur Untersuchung der Beziehung der schweizerischen Nachrichtendienste
zum südafrikanischen Geheimdienst während der Apartheidzeit
Jean-Nils de Dardel (SP)
16. Oktober 2001 01.458 Swissair-Krise CVP-Fraktion
27. Oktober 2001 01.459 Verletzung der Aufsichtspflicht im UVEK im Zusammenhang mit dem Swissair-Debakel SVP-Fraktion
26. September 2002 02.451 Finanzierung der Expo.01/02 Grüne Fraktion
3. Oktober 2002 02.455 Klärung des Bedarfs an Bundesgeldern zur Finanzierung der Expo.01/02 SVP-Fraktion
28. November 2002 02.464 Beziehungen der schweizerischen Nachrichtendienste zum südafrikanischen Geheimdienst Paul Günter (SP)
20. März 2003 03.405 Swissair-Debakel SVP-Fraktion
18. März 2004 04.416 Transparenz und Wahrnehmung der Führungsverantwortung im UVEK SVP-Fraktion
12. November 2004 04.2028
(Petition)
Schaffung einer Ombudsstelle und Einsetzung einer PUK UVEK. Bereich Zivilluftfahrt Fluglärmopfergemeinschaft
7. Oktober 2005 05.446 Untersuchung der Ursachen der Finanzprobleme der Bundes- und bundesnahen Pensionskassen SVP-Fraktion
14. März 2006 06.403 Komplizenschaft der Schweiz mit dem Apartheid-Regime in Südafrika SP-Fraktion
23. März 2007 07.421 Zur Abklärung der politischen Verantwortung im Swissair-Debakel SVP-Fraktion
5. Oktober 2007 07.482 Zur Abklärung der von der GPK erhobenen Vorwürfe gegen den Justizminister SVP-Fraktion
19. März 2008 08.405 Zur Abklärung der politischen Verantwortung bei SBB Cargo SVP-Fraktion
11. Juli 2008 08.433 Betreffend Aktenvernichtung Grüne Fraktion
11. Dezember 2009 09.512 Zur Finanzkrise und ihren Folgen SP-Fraktion
5. Februar 2010 10.401 Zur Finanzkrise/UBS Büro NR

Siehe auch

In Deutschland und Österreich entspricht die Parlamentarischen Untersuchungskommission dem Untersuchungsausschuss.

Quellen


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