Passionsspiele Waal

Passionsspiele Waal

Die Passions- und Heiligenspiele in Waal im Ostallgäu zählen zu den ältesten Passionsspielen in Bayerisch-Schwaben. Sie werden unregelmäßig aufgeführt; das Passionsspiel etwa alle 12 Jahre, Heiligenspiele alle vier Jahre.

Geschichte

Die Passions- und Volksschauspiele in Waal sind die ältesten in einer festen, bis heute betriebenen Einrichtung und ausschließlich von einheimischen Laien gespielten Aufführungen dieser Art in Bayerisch-Schwaben. Die Passionsspiele gehen nach den bisherigen Forschungserkenntnissen wahrscheinlich auf die Pestepidemien im 17. Jahrhundert zurück und die öffentliche Verehrung einer seit 1626 in der Waaler Pfarrkirche St. Anna aufbewahrten Kreuzpartikel-Reliquie, zu der zahlreiche Wallfahrten stattfanden. Eine 1655 daraus entstandene Heilig-Kreuz-Bruderschaft wird als ursprünglicher Träger der Spiele angesehen.

Mit Beginn der Aufklärung unter Kurfürst Karl Theodor und König Max Joseph I. wurden auch in Bayern 1770 sämtliche Passionsaufführungen verboten, mit Ausnahme der Oberammergauer und der Waaler Passionsspiele.

Das älteste erhaltene Dokument über die Spiele ist ein in mehreren Abschriften erhaltener Text aus dem Jahre 1791, der an eine Schauspieldichtung des spätmittelalterlichen reformatorischen Augsburger Meistersingers Sebastian Wild angelehnt ist, der auch Urheber des Oberammergauer Spiels und (nach Überarbeitung durch andere) weiterer Passionsspiele (z. B. des Mysterienspiels von „Christi Urstend“ in Erl/Tirol) gewesen sein soll.

Noch um das Jahr 1800 war Waal nur einer unter vielen Orten der Region (z. B. Türkheim, Mindelheim, Bobingen, Immenstadt), in denen in bewusster Auflehnung gegen die früheren Verbote die Passionsspiele wiederauflebten. Die Waaler Spiele sind die einzig davon übrig gebliebenen. 1813 ließ der Ortsherr in dem kleinen Dorf einen ersten festen Theaterbau errichten, in dem zunächst elf verschiedene weltliche Stücke aufgeführt wurden, bis 1815 das erste neuzeitliche Passionsspiel gespielt wurde, für das zunächst der Oberammergauer Text in der Fassung des Ettaler Benediktiners und Doktors der Philosophie Othmar Weis (1769–1843) aus dem Jahr 1811 übernommen wurde. Thema der Spiele in Waal ist auch heute nicht nur die Passion Christi (die eigentlichen Passionsspiele), sondern auch andere geistliche und weltliche Inhalte, z. B. das Leben verschiedener Heiliger (z. B. des Franz von Assisi, des Völkerapostels Paulus, der Maria, des Bischofs Ulrich von Augsburg). Die von der Passionsspielgemeinschaft Waal e. V. als Träger aufgeführten drei- bis vierstündigen Stücke werden teilweise eigens für die Waaler Bühne geschrieben und erleben in Waal daher ihre Uraufführung, teilweise sind es Adaptionen.

Die bis zu 200 Darsteller aller Altersstufen sind einheimische Laienschauspieler, die vom Vorstand des Trägervereins aus seinen Mitgliedern ausgewählt werden. Aufführungen finden in Spieljahren den ganzen Sommer über in einem 1960/61 neuerbauten Passionsspieltheater mit bis zu 800 Sitzplätzen statt, das dem Trägerverein gehört. Die Bühne ist mit einem Rundhorizont sowie fahrbaren plastischen Elementen ausgestattet und ermöglicht durch farbige Projektionen vielseitige Bühnenbilder. An die Aufführungen schließt sich seit jeher bis heute ein Gottesdienst in der Pfarrkirche an.

Seit 1791 sind in 116 Spieljahren über 150 Theaterstücke (123 verschiedene) weltlichen und geistlichen Inhalts aufgeführt worden, davon 22 Spieljahre zum Thema Passion. Die weltlichen Volksspiele fanden im 20. Jahrhundert im Schnitt alle zwei Jahre statt, früher nicht selten jährlich. Aufgeführt wurden z. B. literarische Werke (Schillers „Wilhelm Tell“, Raimunds „Der Verschwender“) geschichtliche Stoffe („Andres Hofer“, „Mordweihnacht. Bauernschlacht bei Sendling“) und anders. Regisseur und künstlerischer Leiter der Passionsspiele war über fast 50 Jahre bis zu seinem Tod Otto Kobel. Peter Pius Irl leitete 2005 das Stück Becket oder Die Ehre Gottes.

Themen der letzten Waaler Spiele waren:

  • 1976: Waaler Bauern­passion, Regie: Otto Kobel
  • 1979: Franziskusspiel, Eigenproduktion, Regie: Otto Kobel, Text: Paul Schmidkonz
  • 1985: Paulusspiele, Eigenproduktion, Regie: Otto Kobel
  • 1989: Passion, Regie: Otto Kobel
  • 1993: Ulrichsspiel, Regie: Otto Kobel, Text: Matthias Pöschl
  • 2001: Miller-Passion, Eigenproduktion, nach Arthur Maximilian Miller, Regie: Otto Kobel
  • 2005: Becket oder Die Ehre Gottes, nach Jean Anouilh, Regie: Peter Pius Irl

Nächstes Stück

Literatur

  • A. Layer: Passionsspiele in Schwaben, 1980
  • Sigrid Mayer: Passionsspiel-Tradition im Allgäu, 1957 (Dissertation)
  • A. Knorr: Die Passionsspiele im alemannischen Raum, 1990
  • E. Dünninger: Kontinuität und Erneuerung in bayerischen Passionsspielen im 19. und 20. Jahrhundert, 1990
  • Alois Sailer (Verf.), Fritz und Franz Hummel (Gestaltung und Abbildungen), Passions-Spielgemeinschaft Waal (Hrsg.): Passionsspiel Waal. Waal 1969

Weblinks


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