Paul Scherrer Institut

Paul Scherrer Institut
Logo des PSI
Verwaltungsgebäude Areal Ost des PSI in Würenlingen

Das Paul Scherrer Institut (PSI) ist ein multidisziplinäres Forschungsinstitut für Natur- und Ingenieurwissenschaften in Villigen und Würenlingen im Schweizer Kanton Aargau beidseits der Aare. Es gehört zum ETH-Bereich der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das nach dem Schweizer Physiker Paul Scherrer benannte Institut entstand 1988 aus dem Zusammenschluss des 1960 gegründeten EIR (Eidgenössisches Institut für Reaktorforschung) und dem 1968 gegründeten SIN (Schweizerisches Institut für Nuklearphysik). Direktor des PSI ist seit August 2008 Joël François Mesot.

Forschungs- und Fachbereiche

Innenansicht des Synchrotron-Gebäudes am PSI

Das PSI entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungseinrichtungen und stellt sie der nationalen und internationalen Wissenschaftsgemeinschaft zur Verfügung. Unter den Grossforschungsanlagen sind insbesondere mehrere Beschleunigeranlagen. Darunter ein 590 MeV Hochstromzyklotron, welches aktuell (2011) einen Strahlstrom von ≈ 2,2 mA liefert, eine Spallations-Neutronenquelle (SINQ), eine Synchrotronlichtquelle (SLS), die sich durch hervorragende Brillanz und Stabilität auszeichnet, sowie eine Myonquelle (SμS), um nur die wichtigsten zu nennen. Damit ist das PSI zurzeit (2011) weltweit das einzige Institut, das die drei wichtigsten Sonden zur Erforschung der Struktur und der Dynamik kondensierter Materie (Neutronen, Myonen und Synchrotronstrahlung) auf einem Campus der internationalen Nutzergemeinschaft anbietet. Das PSI ist auch das grösste von der öffentlichen Hand geförderte Energieforschungszentrum der Schweiz. Es befasst sich sowohl mit neuen erneuerbaren Energien, mit schadstoffarmer Verbrennungstechnik, Brennstoffzellenentwicklung, Energie und Stoffkreisläufen, den Umwelteinflüssen der Energieproduktion und -verbrauch, sowie mit nuklearer Energieforschung, insbesondere Reaktorsicherheit und Entsorgung.

Neben Energie-, Material- und Grundlagenforschung ist das PSI als Pionier in der Protonentherapie tätig und hat weltweit die einzige Anlage in Betrieb, welche mit einem Scanning-Verfahren tief liegende Tumoren von Patienten behandeln kann. Am PSI wird zurzeit sehr erfolgreich an Therapieanlagen zur Tumorbehandlung mittels Protonen (Projekt PROSCAN[1]) gearbeitet mit dem Ziel, diese Technik zur Marktreife zu bringen und für den Spitaleinsatz vorzubereiten.

Das Institut ist in verschiedene Forschungsbereiche aufgeteilt: Ein Bereich befasst sich mit dem Schwerpunktthema Teilchen und Materie, ein weiterer mit der Festkörperforschung mit Neutronen und Myonen. Weitere Forschungsbereiche bilden die Themen Synchrotronstrahlung und Nanotechnologie, die Biowissenschaften, die nukleare Energie und Sicherheit sowie die allgemeine Energie. Zwei weitere Bereiche sind auf Grossforschungsanlagen und Logistik ausgerichtet.

Protonenbeschleunigeranlage

Injektor-1

Technische Daten Injektor-1
Typ: Spiralrücken-Zyklotron
Magnet: H-Förmig
Gewicht des Magneten: 500 t
Polplatten Durchmesser: 250 cm
Polplatten Abstand: 20 cm
Polplatten Form: 4 auf die Polplatten geschraubte Spiralrücken
Volumen Vakuumkammer: 20 m3
Extraktionsenergie: Variabel

Das 1974 in Betrieb genommene, von der Firma Philips erbaute Injektorzyklotron erfüllte anfänglich zwei Funktionen: Zu 75 % der Strahlzeit diente es als Injektor zur Beschleunigung eines Protonenstrahls auf 72 MeV, welcher anschliessend durch das Ringzyklotron auf seine Endenergie von 590 MeV gebracht wurde. Die restlichen 25 % der Strahlzeit, diente diese Maschine zur Erzeugung von Teilchen mit variabler Energie, für Niederenergie-Experimente. Das Hochfrequenz-Beschleunigungssystem wurde für die beiden Einsatzzwecke verschieden ausgelegt. Die Beschleunigung im Injektormodus erfolgte bei 50MHz mit einer Spannung von 70 kV. Die Beschleunigung erfolgte zweimal pro Umlauf, so dass die Teilchen 500-mal kreisten, bis sie die Extraktionsenergie von 72 MeV erreicht hatten. Dieser Teil wurde jedoch 1991 ausser Betrieb genommen. Für den Betrieb mit variabler Energie kann die Frequenz mittels einer verschiebbaren Kurzschlussplatte zwischen 4,6 und 17 MHz der gewünschten Energie angepasst werden. Der Injektor-1 verfügt über drei Ionenquellen: Eine interne Quelle (RIQ) für Protonen, Deuteronen, Alpha-Teilchen und schwere Ionen; eine externe polarisierte Quelle (PIQ) für Protonen und Deuteronen (welche jedoch mittlerweile ausser Betrieb ist) und eine ebenfalls externe Mikrowellenquelle (ECR), mit welcher Protonen, Argon-Ionen und Xenon-Ionen erzeugt werden. Diese wurde jedoch erst 1997 nachträglich eingebaut. Mit dem Injektor-1 wurden Betriebsströme um 170 µA und Spitzenströme um 200 µA erreicht. Injektor-1 wurde ebenfalls für Niederenergie-Experimente, für die OPTIS-Augentherapie und für das LiSoR-Experiment im Rahmen des MEGAPIE-Projekts genutzt. Set dem 1. Dezember 2010 ist dieses Zyklotron ausser Betrieb.

Injektor-2

Technische Daten Injektor-2
Typ: Isochron-Spiralrücken-Zyklotron
Magnete: 4 Stück
Gesamtgewicht Magnete: 760 t
Beschleunigungselemente: 4 Resonatoren (50 MHz)
Extraktionsenergie: 72 MeV

Der 1984 in Betrieb genommene Injektor-2, eine Eigenentwicklung des damaligen SIN, löste den Injektor-1 als Einschussmaschine für das 590 MeV Ringzyklotron ab. Anfänglich war noch ein wechselnder Betrieb zwischen Injektor-1 und Injektor-2 möglich, inzwischen wird nur noch der Injektor-2 zur Injektion des Protonenstrahles in den Ring genutzt. Durch das neue Zyklotron wurde es möglich, den Strahlstrom auf 1 bis 2 mA anzuheben, für die 1980er Jahre ein absoluter Spitzenwert. Aktuell (2011) liefert der Injektor-2 einen Strahlstrom von ≈ 2,2 mA. Ursprünglich wurden zwei Resonatoren mit 150 MHz im Flattop-Betrieb betrieben, um eine saubere Trennung der Protonenbahnen zu erhalten, inzwischen werden jedoch auch diese mit 50 MHz zur Beschleunigung eingesetzt. Aus dem extrahierten 72 MeV Protonenstrahl kann ein Teil zur Isotopenproduktion oder für Experimente abgeschnitten werden.

Ring

Technische Daten Ring
Typ: Isochron-Spiralrücken-Zyklotron
Magnete: 8 Stück
Gesamtgewicht Magnete: 2000 t
Beschleunigungselemente: 4 (5) Kavitäten (50 MHz)
Extraktionsenergie: 590 MeV

Das 1974 in Betrieb genommene Ring-Zyklotron ist wie der Injektor-2 eine Eigenentwicklung des damaligen SIN und Herzstück der PSI Protonenbeschleunigeranlagen. Mittlerweile wird aus dem Ringzyklotron ein Protonenstrom von 2,2 mA (testweise bis zu 2,4 mA) extrahiert. Aufgrund dieses hohen Strahlstromes, wird das PSI auch als Mesonenfabrik bezeichnet. Weltweit gibt es nur deren drei, nämlich: TRIUMF in Vancouver, Kanada; LAMPF in Los Alamos, USA und das PSI in Villigen, Schweiz; wobei die ersten Beiden, nur einen Strahlstrom von 500 µA (TRIUMF) bzw. 1 mA (LAMPF) erreichten. Während der ca. 4 km langen Strecke, welche die Protonen im Ring zurücklegen, werden sie auf 80 % der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Die 1979 zusätzlich eingebaute, kleinere, fünfte Kavität wird mit 150 Megahertz als Flattop-Kavität betrieben, wodurch die Anzahl der extrahierten Teilchen deutlich gesteigert werden konnte. Seit 2008 sind alle alten Aluminiumkavitäten des Ringzyklotrons durch neue Kupferkavitäten ersetzt worden. Diese ermöglichen höhere Spannungsamplituden und somit eine grössere Beschleunigung der Protonen pro Umlauf im Zyklotron. Die Anzahl der Umläufe der Protonen im Zyklotron konnte somit von ca. 200 auf 186 verringert werden. Der im Zyklotron zurückgelegte Weg der Protonen sank somit ebenfalls von 6 km auf 4 km. Zurzeit werden routinenmässig und stabil 2,2 mA und im Testbetrieb 2,4 mA aus dem Ring extrahiert. Somit stellt diese Protonenanlage des PSI den zurzeit leistungsfähigsten Teilchenbeschleuniger der Welt dar. Der 1,3 MW starke Protonenstrahl wird durch zwei sogenannte Targets hindurch, an welchen Pionen und Myonen erzeugt werden, auf die Spallations Neutronenquelle (SINQ) gelenkt.

Spallations-Neutronenquelle

Die seit 1996 in Betrieb befindliche Neutronenquelle SINQ ist die erste und gleichzeitig die stärkste ihrer Art. Sie liefert einen kontinuierlichen Neutronenfluss von 1014 n/cm2/s. Neben thermischen Neutronen liefert ein Moderator aus flüssigem Deuterium auch langsame Neutronen, welche ein tieferes Energiespektrum besitzen.

Durch die Inbetriebnahme des MEGAPIE Targets (Megawatt Pilot-Experiment) im Sommer 2006, bei dem das Feststofftarget durch eines aus einer Blei- und Wismuth-Legierung ersetzt wurde, konnte die Neutronenausbeute um ca weitere 80 % gesteigert werden.

Das MEGAPIE-Projekt wurde durch die CEA in Cadarache und das Forschungszentrum Karlsruhe in Zusammenarbeit mit dem PSI initiiert, um die Machbarkeit eines beschleunigergetriebenen Flüssigmetall-Targets bei 1 MW Leistung zu demonstrieren. Solche beschleunigergetriebenen Systeme (ADS) stehen zur Diskussion für die Transmutation von nuklearen Abfällen.

COMET-Zyklotron

Dieses supraleitende 250-MeV-Zyklotron ist seit 2007 für die Protonentherapie in Betrieb und liefert den Strahl für die Tumorbekämpfung an Krebspatienten. In Zukunft werden 150 bis 250 Personen pro Jahr am PSI von der neuartigen Strahlentherapie tief liegender Tumoren profitieren können. Bei der Augentherapie (OPTIS) liegt die Erfolgsrate bei über 98 Prozent.

Panoramabild der SLS

Synchrotron-Lichtquelle

Die Synchrotron-Lichtquelle (Synchrotron Light Source, SLS) ist seit dem 1. August 2001 in Betrieb. Die SLS funktioniert als Röntgenapparat und Mikroskop. Die SLS bietet ein sehr breites Spektrum von Synchrotronlicht – von infrarotem Licht bis zu harten Röntgenstrahlen.

SwissFEL

Die erste Stufe des SwissFEL wurde am 24. August 2010 in Betrieb genommen. Bundesrat Didier Burkhalter durfte per Knopfdruck die ersten Elektronen durch die Anlage schicken.

Einzelnachweise

  1. Website des Projekts PROSCAN

Weblinks

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