Persönlichkeitstest

Persönlichkeitstest

Ein Persönlichkeitstest ist ein psychologisches Testverfahren zur Erfassung von Persönlichkeitseigenschaften. Im Gegensatz zu Leistungstests, welche die kognitive Leistungsfähigkeit messen, geht es in Persönlichkeitstests um die Beschreibung und Vorhersage emotionaler und motivationaler Aspekte des Verhaltens.

Inhaltsverzeichnis

Zweck

Persönlichkeitstests werden in der Personalselektion und -entwicklung eingesetzt, um die Eignung von Kandidaten abschätzen zu können (vgl. Hossiep, 2007). In der klinischen Psychologie dienen Persönlichkeitstests der besseren Abstimmung therapeutischer Interventionen auf die Persönlichkeit des Klienten. Die psychologische Grundlagenforschung setzt Persönlichkeitstests ein, um neue Erkenntnisse über interindividuelle Unterschiede im Erleben und Verhalten zu gewinnen.

In der Praxis liefern Persönlichkeitstests keine absoluten (generalisierten) Beschreibungen der Persönlichkeit einer Person, sondern lediglich Hinweise, die aufgrund weiterer Verfahren, etwa Interviews, erhärtet werden müssen. Sie dienen der Objektivierung subjektiven (individuellen) Erlebens.

Verfahren

Wie in jedem psychologischen Test provoziert der Testleiter in einem Persönlichkeitstest ein Probandenverhalten, welches aufgezeichnet wird. Der Test findet unter standardisierten Bedingungen statt, d.h., dass störende situationale Einflüsse möglichst ausgeschaltet werden sollten und dass die Instruktion genau vorgeschrieben ist. Meist beantwortet der Proband Fragen (Selbstbeurteilungen, Fremdbeurteilungen) oder zu mehrdeutigem Reizmaterial (objektive Persönlichkeitstests, wenn der Zusammenhang zwischen Antwort und der Interpretation indirekt ist). Die Erhebung und Auswertung kann manuell (paper-pencil-tests) oder computergestützt (→Online-Assessments) geschehen. Letztere bieten die Möglichkeit, große Distanzen oder Sprachgrenzen zu überwinden.

Manipulierbarkeit

Insbesondere bei der Anwendung von Persönlichkeitstests für die Auswahl von Mitarbeitern besteht das Problem der Manipulierbarkeit der Ergebnisse durch den Probanden: Die Fragen lassen fast immer erkennen, auf welche Charaktereigenschaften ihre Beantwortung schließen lässt und welche davon für die (Führungs-)Position positiv bewertet werden.

Selbst wenn durch geschickte Kontrollfragen versucht wird, die Kohärenz (innere Stimmigkeit) des Antwortverhaltens zu gewährleisten, bleibt das Problem bestehen. Allein die Tatsache, dass der Proband glaubt, er könne das Testergebnis in seinem Sinne manipulieren führt zu einer Verfälschung der Ergebnisse. Studien haben belegt, dass Testprobanden, die aufgefordert wurden, Ergebnisse zu manipulieren, dazu auch in der Lage waren. (Viswesvaran & Ones, 1999; Martin, Bowen & Hunt, 2002)

Dagegen wird angeführt, dass sich der Mensch in unterschiedlichen Rollen angepasst verhalten kann. Die Fähigkeit, die Notwendigkeit zur Anpassung zu erkennen und sich dann entsprechend zu verhalten (oder das Antwortverhalten zu zeigen) kann ebenfalls als Testergebnis gewertet werden. In einigen Tests wird daher über eine "Konsistenzkennziffer" und die Aufzeichnung des Antwortverhaltens eine Interpretation des Testergebnisses auch auf dieser Ebene ermöglicht.

Arten von Persönlichkeitstests

Psychometrische Tests werden von projektiven Tests unterschieden. Psychometrische Tests sind meist Fragebögen, mittels derer Persönlichkeitseigenschaften eines Probanden mit den durchschnittlichen Werten einer Normstichprobe verglichen werden. Im Gegensatz dazu wird der Proband in einigen projektiven Tests gebeten, schwach strukturiertes Reizmaterial zu deuten; aus der Deutung werden durch eine primär qualitative Auswertung Schlüsse auf die Persönlichkeit, intrapsychische Konflikte, oder Beziehungsstrukturen gezogen. Eine andere Form projektiver Tests lässt den Probanden selbst Material produzieren, das dann vom Testleiter, oder gemeinsam mit dem Probanden gedeutet wird. Hier sind einige Zeichentests und die graphologische Schriftanalyse zu nennen.

Viele der verbreitetsten psychometrische Persönlichkeitstests, wie z.B. das NEO-FFI (vgl. Ostendorf, 2004) oder der im ZPID-Testarchiv frei zugängliche Big-Five-Persönlichkeitstest B5T[1], beruhen auf dem Big-Five-Persönlichkeitsmodell, das fünf grundlegende Persönlichkeitsdimensionen postuliert [2]. Weitere, weniger verbreitete Tests dieser Art sind das TIPI (Trierer integriertes Persönlichkeitsinventar) von Becker (1999) und das HPI (Hamburger Persönlichkeitsinventar, vgl. Andresen, 2004). Ein seit langem in Deutschland eingesetztes Verfahren ist der Gießen-Test (Beckmann, Brähler & Richter, 1991). Für die Persönlichkeitsdiagnostik bei Kindern weit verbreitet ist der Persönlichkeitsfragebogen für Kinder zwischen 9 und 14 Jahren (PFK 9-14) von Seitz & Rausche (2003).

Psychometrische Persönlichkeitstests, die sich zum Einsatz im Wirtschaftskontext eignen, sind: das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (Hossiep & Paschen, 2003), der OPQ32, shapes und einige weitere (alle in Sarges & Wottawa, 2004). Ein weiteres Qualitätskriterium ist ein Abgleich mit der DIN 33430, die sich zwar mit dem Prozess der Personalbeurteilung und Auswahl auseinandersetzt, dennoch aber Qualitätskriterien für Persönlichkeitstests nennt und ein Testat anbietet (DIN-Check, Prof. M. Kesting). Danach sind auch ipsative sowie kriterienbezogene Tests geeignet (zum Beispiel Captain, Harrison Assessments).

Einer anderen Logik folgen projektive Tests wie zum Beispiel: der Rorschach-Test, der Thematische Auffassungstest, der Wartegg-Zeichentest und der Baumzeichentest. In der Kinder- und Jugendpsychotherapie gelten unter anderem Familie in Tieren, Familie in Bäumen als wichtige gesprächsinitiierende Verfahren. Projektive Tests werden in der Praxis, trotz nachgewiesener ungenügender Erfüllung der Gütekriterien psychodiagnostischer Verfahren, noch immer eingesetzt; inzwischen jedoch gibt es in dieser Testgattung auch schon validere Neuentwicklungen, zum Beispiel den Operanten Motiv-Test (OMT; Kuhl & Scheffer, 2004). Projektive Tests werden von manchen praktizierenden Psychotherapeuten, insbesondere tiefenpsychologisch orientierter Therapierichtungen trotz der Kritikpunkte als Unterstützung des Prozesses der Hypothesengenerierung geschätzt. Eine gründliche Einarbeitung und klinische Erfahrungsammlung werden als notwendig angesehen, um die Güte projektiver Verfahren zu erhöhen. Trotz ihres möglichen Nutzens im psychotherapeutischen Prozess sollten projektive Testverfahren aus testpsychologischer Sicht nicht zur Objektivierung und Bewertung von Persönlichkeit, zum Beispiel in Auswahlsituationen eingesetzt werden.

Persönlichkeitstests in Unternehmen

Nach mehreren Untersuchungen nutzen etwa 25 % aller Unternehmen und sogar über 50% der Großunternehmen in den westlichen EU-Staaten Persönlichkeitstests in ihren Auswahlverfahren. Für die Schweiz beträgt der Wert für alle Unternehmen nach einer Studie der Universität Zürich von 2005 etwa 33%[3] [4]. Vor allem für Führungspositionen finden solche Verfahren Anwendung. Die drei bedeutendsten Kriterien, die von Personalfachleuten laut der Untersuchung der Universität Zürich an Auswahlverfahren angelegt werden, sind Validität, Ökonomie und Akzeptanz. Die meisten Persönlichkeitstests erfüllen jedoch die Anforderungen, die Personalfachleute an Auswahlverfahren stellen, nicht, außerdem sind sie wissenschaftlich meist nicht fundiert (also valide und reliabel). Sie beruhen häufig auch nicht auf einer wissenschaftlich anerkannten Theorie.[4]. Wissenschaftliche Hauptkriterien zur Beurteilung solcher Verfahren sind:

  • Theoretischer Hintergrund
  • Wissenschaftliche Fundiertheit
  • Vorhandene Normen (die verwendete Vergleichspopulation) und
  • Übereinstimmung mit dem Anforderungsprofil.

Alleine sechs der neun in der Schweiz am häufigsten eingesetzten Verfahren (die Master Person Analysis MPA, MBTI, das DISG Persönlichkeitsprofil, Insights Discovery, Thomas System und Insights MDI) beruhen auf der Persönlichkeitstypologie von Carl Gustav Jung oder auf der Theorie „Emotions of Normal People“ von Marston, die beide über 80 Jahre alt sind. In einer Stellungnahme des Berufsverbands deutscher PsychologInnen zu einem Gutachten über Insights MDI[5] wird deutlich gemacht, „dass die Typenlehre nach C. G. Jung in Fachkreisen als „antiquiertes Modell ohne empirische Belege“ gilt. Der Ansatz von Marston wird [...] als „typologischer Ansatz ohne empirische Forschung“ bezeichnet“. Die Empfehlung der Stellungnahme in Bezug auf Insights MDI lautet: „...es basiert auf theoretisch veralteten und wissenschaftlich ungesicherten Modellen. Von seinem Einsatz bei Personalauswahl und –entwicklung, Coaching und Training muss daher abgeraten werden.“ Auch das HDI („Hirndominanzinstrument“) und 16-PF berufen sich auf veraltete Theorien und machen falsche Annahmen. Von beiden Verfahren wird von der erwähnten Studie der Universität Zürich ebenfalls abgeraten. Lediglich eines der neun untersuchten meistverwendeten Verfahren, das BIP, gilt laut der Studie als zeitgemäß und wissenschaftlich fundiert. Aber auch hier ist zu beachten, wofür das Verfahren entwickelt wurde und wofür nicht: Es wurde speziell für den Einsatz im Berufsleben entwickelt, taugt aber wegen des dazu fehlenden Messmodells nur eingeschränkt für die Potenzialanalyse.

Gesetzliche Bestimmungen

Österreich

In Österreich wäre bei Arbeitnehmern der Abschluss einer Betriebsvereinbarung (§ 96, § 96a ArbVG), und in Unternehmen ohne Betriebsrat das Einverständnis des Arbeitnehmers notwendig. Bewerber sind nicht durch das Arbeitsverfassungsgesetz geschützt. Zusätzlich muss die Datenschutzkommission vorher der Erhebung zustimmen (§ 18 Abs2 Z1, § 21 Abs2 DSG) da es sich um sog. "sensible Daten" (§ 4 Z2 DSG) handelt.

Die Kurzform des MMPI ist vorgeschrieben, wenn ein (privater) Antrag auf waffenrechtliche Dokumente gestellt wird (§ 3 Abs2 1. Waffengesetz-Durchführungsverordnung); etwa als Beschäftigter eines Wachdienstes. Bewerber die in den Polizeidienst eintreten wollen, müssen den Test ebenfalls absolvieren.[6]

Einzelnachweise

  1. Satow, L. (2011). B5T. Big-Five-Persönlichkeitstest. Skalendokumentation sowie Fragebogen mit Instruktion (PSYNDEX Tests-Nr. 9006357). In Leibniz-Zentrum für Psychologische Information und Dokumentation (ZPID) (Hrsg.), Elektronisches Testarchiv. Online im Internet
  2. Das NEO-Fünf-Faktoren-Inventar (NEOFFI): Eine Kurzübersicht
  3. Sandra Schmid: Stellungnahme Persönlichkeitstests - Ein personaldiagnostisches Instrument im Rahmen der Personalauswahl. Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften 2006
  4. a b Dr. Albrecht Müllerschön: Persönlichkeitstests auf dem Prüfstand. November 2006. Zit. nach [1]
  5. Prof. Claudia Eckstaller, Prof. Dr. Erika Spieß und Dipl. Psych. R. M. Woschée: Stellungnahme des Berufsverbands deutscher PsychologInnen (BDP) zu einem Gutachten von Prof. Dr. Jäger über Insights MDI. 2005. Zit. nach [2]
  6. Informationen für die Aufnahme in den Exekutivdienst. Landespolizeikommando für Wien, S. 4, abgerufen am 17. September 2010 (PDF).

Literatur

  • Andresen, B. (2004). HPI, Hamburger Persönlichkeits-Inventar. In W. Sarges & H. Wottawa (Hrsg.), Handbuch wirtschaftspsychologischer Testverfahren. Bd. 1: personalpsychologische Instrumente (S. 397-401). Lengerich, Pabst.
  • Beckmann, D., Brähler, E. & Richter, H.-E. (1991). Der Gießen-Test (GT). (4. erweiterte und überarbeitete Auflage mit Neustandardisierung 1990). Bern: Huber.
  • Hossiep, R. (2007). Messung von Persönlichkeitsmerkmalen. In H. Schuler & K. Sonntag (Hrsg.), Handbuch der Arbeits- und Organisationspsychologie (S. 450-458). Göttingen, Hogrefe.
  • Kanning, U.P. & Holling, H. (Hrsg.). (2002). Handbuch personaldiagnostischer Instrumente. Göttingen, Hogrefe.
  • Sarges, W. & Wottawa, H. (Hrsg.). (2004) Handbuch wirtschaftspsychologischer Testverfahren. Bd. 1: personalpsychologische Instrumente. Lengerich, Pabst.
  • Seitz, W. & Rausche, A. (2003). Persönlichkeitsfragebogen für Kinder zwischen 9 und 14 Jahren (PFK 9-14). Manual (4., überarb. und neu normierte Aufl.). Hogrefe, Göttingen.

Siehe auch


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