Pfarrkirche St. Thomas (Betzenhausen)

Pfarrkirche St. Thomas (Betzenhausen)

Die Katholische Kirche St. Thomas liegt im Freiburger Stadtteil Betzenhausen und gehört zur Katholischen Pfarrgemeinde Heilige Familie (Stadtteil Mooswald). Sie wurde 1767/68 durch den Barockbaumeister Johann Baptist Häring erbaut. Sie ist dem Heiligen Thomas, dem zweifelnden Apostel, geweiht.

Geschichte

Außenaufnahme der Pfarrkirch

Obwohl Betzenhausen seit 1391 Filiale der Freiburger Weststadtpfarrei St. Peter war, wird die Betzenhausener Ortskapelle erst 1447 zum ersten Mal erwähnt. Ein spätgotischer Speisekelch (16. Jh.) aus Betzenhausen erinnert im Augustinermuseum der Stadt an die frühen Pfarreiverhältnisse des kleinen Dorfes. 1702 beklagte sich Betzenhausen beim Freiburger Magistrat, „daß in vorkaiserl: Zeiten wir die Gemein zu Betzenhausen einen eigentumlichen Pfarrherrn gehabt, und selbiger aus der nunmehro ruinierten Pfarrkirchen St: Petri allhier zu Freiburg und der Filialkirchen St:Thomae zu Betzenhausen Einkünften investiert und erhalten worden; wegen erlittenem Ruin der Kirchen und Abgang der Mittel aber solche Pfarrei zu Lehen interimsweis und behauf besserer Zeiten inkorporiert worden."

Als die französische Armee unter dem Befehl des Marschalls Créquy am 16. November 1677 Freiburg (zusammen mit den zugehörigen Dörfern wie Betzenhausen) eroberte und 1679 der französischen Krone unterstellte, begannen die neuen Herren bald damit, die Vorstädte niederzureißen und Freiburg zu einem starken Vorposten Frankreichs auszubauen. Jenen Festungsbaumaßnahmen fiel auch die Pfarrkirche St. Peter zum Opfer. Betzenhausen bemühte sich nach der Zuordnung zur Pfarrei Lehen zwar sehr, die altgewohnte Seelsorge für die Ortschaft zu erhalten. Es sorgte sich nicht nur um Einkünfte für „einen Pfarrherrn", sondern ließ „auch zu diesem Ende die Filialkirche St. Thomas völlig erneuern und erbauen". Die Anstrengungen brachten aber weder die Loslösung von Lehen noch die Zuweisung eines eigenen Pfarrers ein.

Im 2. Weltkrieg wurde das Kirchengebäude beschädigt und war danach deshalb zeitweise vom Abriss bedroht. Aber durch das Engagement der Stadtpfarrer Fuchs, Dannenmayer und Schweizer und vieler anderer konnten 1986 die Erhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen abgeschlossen werden, um die sich vor allem auch Restaurator Michael Bauernfeind in herausragender Weise verdient gemacht hat. Seiner Unterstützung ist ein Großteil der heutigen Ausstattung der Kirche zu verdanken.

Schatz sakraler Barockkunst im Breisgau

Die Thomaskirche und der sie umgebende Friedhof bilden den idyllischen, verkehrsberuhigten Dorfmittelpunkt von Alt-Betzenhausen. Sie gehört zu den etwas versteckten, aber nicht weniger bemerkenswerten Kostbarkeiten der Stadt Freiburg.

Die schlichte Dorfkirche wird durch Lisenenmalerei in warmer Gelb-Rot-Fassung gegliedert in das rechteckige Langhaus, den halbkreisförmig geschlossenen, eingezogenen Chorraum und einen kräftigen Chorseitenturm mit leicht eingeknicktem Satteldach als zum Himmel weisendes Zeichen. Über senkrechter Fenstergliederung des Turms markiert ein Stockwerksgurt das Glockengeschoss mit Schallöffnungen und der Turmuhr. Auf dem Kirchturmdach wurde wieder ein Brutkorb für das traditionelle Storchennest aufgesetzt.

Bei den gründlichen Restaurierungsarbeiten kamen zum Teil ungewöhnlich massive Bruchsteinfundamente und (unter andersartigen Farbschichten) die jetzt wiederhergestellten Töne der Außenbemalung zum Vorschein. Im aufgegrabenen Kirchenboden wurden Fundamente und Größe der älteren Kirche sichtbar, deren geringere Länge und Höhe sich auch an dem vermauerten Türdurchbruch der südlichen Seitenwand und den Spuren dunkelgrauer Halbpilastermalerei auf den Langhauswänden abzeichnen. Chor- und Turmneubau, Verlängerung und Erhöhung des Kirchenraums durch Stadtbaumeister J. B. Häring ließen 1767/68 Baugestalt und Raumbild der heutigen Thomaskirche entstehen.

Innenausstattung

Beachtung verdient die Ausstattung des Kirchenraums. Was auf den ersten Blick so zusammengehörig wirkt, ist in Wirklichkeit jedoch erst durch die über 200 Jahre dauernden Bemühungen um eine würdige Ausgestaltung zusammengekommen. Die Kirche entpuppt sich als eine Sammlung Breisgauer Barockkunst.

Durch das einfache, von einem Vordach abgeschirmte Hauptportal betritt man den Kirchenraum. Hinter einem barock nachempfundenen Schutzgitter zeigt sich das lichte Langhaus mit drei Fensterachsen. Ein barocker Beichtstuhl (aus Unterbaldingen) und „Gegeißelter Heiland“, eine von der Pfarrgemeinde erworbene Barockstatuette des durch die Wieskirche populär gewordenen Gnadenbildes, prägen die Eingangszone unter der Orgelempore. Die geschwungene Emporenbrüstung mit naiv gemalter Szene der Verehrung des Jesuskindes durch die Heiligen Drei Könige im Hauptfeld und entsprechenden Ansichten der Thomaskirche und Freiburgs mit dem Münsterturm in den Nebenfeldern legt sich schützend vor die kleine Orgel Eduard Stadtmüllers, die als zweitälteste Orgel Freiburgs mit 6 Registern auf einem Manual, 1 Register im Pedal und ihrem weichen, romantischen Klang zum wertvollen Orgelbestand der Stadt gehört.

Im Langhaus unterstützen die gemalten Apostelkreuze (tulpenartige Kreuzstellung mit goldenen Flammen, grünen Kränzen und geschmiedeten Kerzenhaltern) den Raumtakt der Kirche. Gegenüber der einfachen, wohl noch vom Kirchenbau des beginnenden 18. Jahrhunderts stammenden Kanzel (Friedrich Steinkeller) zieht an der Südwand das große Altarblatt des hl. Thomas die Blicke auf sich. Umringt von seinen Aposteln steht Christus in der Bildmitte. Der ungläubige Thomas legt dem Auferstandenen die Hand in die rechte Seitenwunde. Unter den Aposteln fällt am Bildrand ein bartloser, sinnend auf die Szene blickender Mann auf. R. Morath deutete diesen Apostelkopf als Selbstporträt des Freiburger Malers und Kupferstechers Peter Mayer, dem 1771 das Altarblatt für den Choraltar bezahlt worden war. Zusammen mit einem von Johann Baptist Sellinger geschnitzten, aus Hochdorf erworbenen Tabernakel, Kreuz, Madonnenstatue und an der Rückwand baldachinartig aufgemalten Vorhang wurde damals ein Hochaltar gestaltet. Von hoher Qualität ist der geschnitzte Rokokorahmen des Thomasbildes. Bei der Entfernung der unschönen Mahagoniholz-Farben kam nicht nur die feine Altvergoldung des Rahmens zum Vorschein, sondern auch in der Scheitelkartusche das eingravierte Wappen der Grafen von Schauenburg, für die offensichtlich der repräsentative Bildrahmen geschaffen worden war. Weil die Stadt Freiburg als Ortsherrin Betzenhausens den „vorhandenen Rahmen" zur Verfügung stellte, überdeckt das Stadtwappen heute noch das ursprüngliche Wappenbild.

Der 1786 vom Freiburger Klarissenkloster erworbene Kreuzweg (18. Jahrhundert), dessen vielfigurig komponierte Stationsbilder (in originalen, dekorativ bemalten Rahmen) jetzt wieder vom Speicher in den Kirchenraum zurückgeholt wurden, vermittelt uns Hinweise darauf, dass man im 18. Jahrhundert versuchte, die Betzenhausener Dorfkirche mit Kunstgut aus aufgelösten Freiburger Klöstern günstig auszustatten. In den letzten Jahren kehrten außerdem die kleinen Barockstatuen des hl. Fridolin und des Viehpatrons St. Wendelin vom Kirchenspeicher zurück. Das Chorbogenkreuz mit den Assistenzfiguren Maria und Johannes zählen ebenso zum alten Eigenbestand der Thomaskirche wie der auf 1704 datierte Taufstein. Die von der Pfarrgemeinde erworbene barocke Täufergruppe des Taufsteindeckels konnte erst 1978 hinzugefügt werden.

In Schrägstellung den Chorbogen flankierend bilden die schön gefassten Barockseitenaltäre eine Überleitung vom Langhausraum zum geheiligten Bezirk des Hochaltars und Tabernakels. Den Seitenaltären ist anzusehen, dass sie wohl auch aus einem Freiburger Frauenkloster stammen. Auf der Südseite zeigt sich im Altarblatt eine ausgeprägt klösterliche Thematik mit der seltenen Kombination von Immaculata (Unbefleckte Empfängnis) und Mariens Tempelgang, während der andere Seitenaltar die Verkündigung Mariä darstellt.

Hochaltar

Absoluter Höhepunkt und Blickfang des Kircheninneren ist der 1978 eingebaute Scagliola-Hochaltar. Aus der exsekrierten, in ein Fabriklager umgewandelten ehemaligen Pfarrkirche von Illingen bei Rastatt konnte der selbst von Fachleuten unbeachtete Barockaltar, dank Michael Bauernfeind, günstig erworben werden. Ein alter Wunsch Betzenhausens ging in Erfüllung. Was Literatur und mündliche Überlieferung Illingens festhielten, bestätigte eine 1937 im Altaraufbau entdeckte Urkunde: Der wertvolle Altaraufbau, der „früher in der Hochkapelle im Kloster zu Schuttern stand", sei im Juli 1850 durch den Iffezheimer Stukkator und Altarbauer Erhard Oesterle in den Chor der Illinger Kirche versetzt worden. Bei der Entfernung unschöner Farbschichten kamen an diesem Scagliola-Altar nicht nur äußerst qualitätvolle Stuckmarmorierungen (an den Säulen mit Silber-, Kupfer- und Messing-Adern!) zum Vorschein, sondern auch in der Kartusche über der zentralen Figurennische das Wappen des Abtes Placidus II. Hinderer. Mit diesem einwandfreien Beleg für den 1708-1727 regierenden Klosteroberen der Benediktinerabtei Schuttern wurden Entstehungszeit, Auftraggeber und Herkunft des Altars gesichert. Weil Abt Placidus II. 1722/23 auch den Turm seiner schutterischen Abteikirche neu errichten ließ (vgl. Wappen am Turm) und 1772 dort eine „capella Ecclesiae nostrae sub turri sita" erwähnt wird, liegt die Vermutung nahe, dass der jetzt in die Thomaskirche eingebaute Choraltar aus jenem Bauzusammenhang stammt. Wegen Baureparaturen beseitigte man 1847 in Schuttern den „aus Gipsmarmor konstruierten" Altar der „sog. Hochkapelle" und überließ dem Stukkateur Erhard Oesterle von Iffezheim die Bestandteile zum Abbruchpreis von 50 Gulden. Deshalb gelangte Illingen drei Jahre später in den Besitz des kostbaren Barockaltars. „Scagliola" (eine Technik, die sich während des 18. Jahrhunderts nur vermögende Auftraggeber leisten konnten) ließ in den Stuckmarmorschichten der Altäre kunstvoll verarbeitete, buntfarbige Zierflächen, Bilder, Dekorationen entstehen, die wie Intarsien wirken. So sind am Antependium des Betzenhausener Altartischs auf dunkler Grundfläche farbig kontrastierend ein Bild der Grablegung Christi, Bandel- und Blattwerk, Blütengirlanden, Engelskinder und die Leidenswerkzeuge zu sehen. Die kleineren Flächen der Predella sind ähnlich mit Blumen und Vogeldarstellungen (Paradiesmotive) gearbeitet. Elegant wirkt auch das Wappen des Auftraggebers, das auf schwarzem Schild ein goldenes Einhorn mit silber-rot-silberner Schrägbinde im Schildfuß zeigt. Da Abt Placidus II. Hinderer aus Baden-Baden stammte, muss überlegt werden, ob er sich aus jenem Künstlerkreis, der im Lustschloß Favorite für die Markgräfin Sibylla Augusta die vielbewunderten Scagliola-Arbeiten schuf, einen Altarbauer nach Schuttern verpflichtet hatte. Mit Zutaten wie der alten Schmerzensmutter, barocken Statuetten der Heiligen Thomas und Laurentius, einem kopierten Dreifaltigkeitsoberbild und einem nicht ursprünglichen Tabernakel versehen, beeindruckt der ehemals schutterische Scagliola-Altar durch seine außergewöhnliche Schönheit. In der Hauptnische hat mit der von Kreszentia von Brandenstein gestifteten „Mutter unter dem Kreuz" (barocke Krone als Zutat) eine „schöne Madonna" (um 1430) von künstlerischer Qualität einen neuen prächtigen Rahmen gefunden. Baldachinmalerei an der Chorwand (1862 erneuert) und das ehemalige Unterbaldinger Chorgestühl von bäuerlicher Barockarbeit (rückseitig mit 1734 datiert) binden den Scagliola-Altar ein und steigern seine Wirkung beträchtlich.

Betzenhausen, dessen 1767/68 errichtete St. Thomaskirche schon im 18. Jahrhundert zu einem Zufluchtsort für barockes Kunstgut aus aufgehobenen Klöstern wurde, kann sich freuen, mit dem von Illingen übernommenen, aus Schuttern stammenden Altar eine sakrale Kostbarkeit mit Seltenheitswert für Südbaden erworben zu haben. Wie alle der Seelsorge dienenden Kunstwerke der Barockzeit möchte auch er mithelfen, das Heilsgeschehen zu verdeutlichen und für das tägliche Leben zu aktualisieren. Die kirchliche Kunst des 18. Jahrhunderts verstand sich als ein Medium der Frömmigkeit; sie wollte die Gotteshäuser zu einem Stück Himmelreich auf Erden werden lassen.

48.0094444444447.80777777777787Koordinaten: 48° 0′ 34″ N, 7° 48′ 28″ O


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