Pfälzische Dialekte

Pfälzische Dialekte
Pfälzisch (Pälzisch)

Gesprochen in

Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Hessen, Saarland, Frankreich, als Auswandererdialekt: USA, Kanada, Banat
Sprecher etwa 1 Million (geschätzt)
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache von -
Sprachcodes
ISO 639-1:

-

ISO 639-2:

gem

ISO 639-3:

pfl

Pfälzisch (pfälz. Pälzisch) ist ein Sammelbegriff für die Dialekte der beiden rheinfränkischen Dialektgruppen Westpfälzisch und Vorderpfälzisch. Es gehört zum westmitteldeutschen, fränkischen Dialektgebiet.

Inhaltsverzeichnis

Sprachgeographie

Von den benachbarten Mundarten kann Pfälzisch mittels folgender Isoglossen abgegrenzt werden (vgl. Rheinischer Fächer):

Die Übergänge zwischen den Mundarten sind fließend und auch innerhalb des Pfälzischen gibt es charakteristische Unterschiede, vor allem zwischen dem Vorder- und Westpfälzischen. Bei diesen beiden Dialekten kann man aber einen relativ klaren Trennstrich entlang der Grenzlinie der Landkreise Kaiserslautern und Bad Dürkheim ziehen. Wie bei allen Dialekten hat jeder Ort seine eigene Dialekttradition. So gibt es charakteristische Lautungen, die in einem Dorf, aber bereits im Nachbarort nicht mehr zu finden sind.

Zum pfälzischen Sprachgebiet zählen in erster Linie die Mundarten des ehemaligen Regierungsbezirks Pfalz in Rheinland-Pfalz. Hinzu kommen der westlich angrenzende Saarpfalz-Kreis mit Ausnahme einiger Mundarten im südlichen Teil, die lothringische Merkmale aufweisen, und weite Teile des übrigen Saarlandes, die rechtsrheinische Kurpfalz in Baden-Württemberg (Kurpfälzisch), der äußerste Norden des Elsass (südlichster Ort Selz (Elsass)), an die Pfalz grenzende Teile des Hunsrücks, der Wonnegau, sowie der größte Teil des Odenwalds und die Region Bergstraße in Hessen. Damit reicht der pfälzische Sprachraum über die Grenzen der Pfalz hinaus; allerdings werden die in der Pfalz gesprochenen Dialekte, die südöstlich der appel/apfel-Linie bzw. der pund/pfund-Linie liegen, zum Südfränkischen gezählt (Verbandsgemeinde Hagenbach).

Die gebroch-gebroche-Linie teilt das Pfälzische in Westpfälzisch und Vorderpfälzisch. Im Westpfälzischen hat das Partizip der Vergangenheit bei starken Verben keine Endung (gebroch, gesung, kumm), im Vorderpfälzischen endet es auf -e (g(e)broche, g(e)sunge, kumme).

Während der Auswanderungswellen aus Europa nach Nordamerika emigrierten von der Mitte des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts besonders viele Pfälzer. Sie pflegten ihren mitgebrachten Dialekt teilweise über zehn Generationen hinweg neben dem Englischen. Im US-Bundesstaat Pennsylvania hielt sich der Dialekt bei den Mennoniten und Amischen sogar als dominante Sprache. Mehrere hunderttausend Amerikaner und Kanadier sprechen noch heute diesen Dialekt, der dem rezenten Pfälzisch sehr ähnlich ist und den die Benutzer selbst „Deitsch“ nennen. Auf Englisch heißt er Pennsylvania German, wird aber meist unkorrekt Pennsylvania Dutch genannt. Jene Auswanderer, deren Mittel zur Weiterreise nicht reichten, siedelten am Niederrhein, daher existieren dort einige pfälzische Sprachinseln.

Die Sprachgeographie des linksrheinischen Pfälzischen wird beschrieben im Mittelrheinischen Sprachatlas.

Phonetik

Schild einer Gaststätte in Hainfeld an der Weinstraße

Im Pfälzischen wurde, wie bei allen mitteldeutschen Dialekten, die Hochdeutsche Lautverschiebung nicht vollständig durchgeführt; charakteristisch sind die erhaltenen p-Lautungen im Anlaut, wie in dem bekannten Spruch: „In de Palz geht de Parre(r) mit de Peif in die Ker(s)ch.“

Weitere Eigentümlichkeiten des Pfälzischen:

Konsonanten

  • Tendenz zur Stimmhaftigkeit bei Plosiven; im In- und Anlaut: /t/ → [d]; im Inlaut: /p; k/ → [b; g]
  • 't' im Anlaut wird zum 'd', bis auf relativ junge aus dem Hochdeutschen entlehnte Wörter
    • Tür → Diir, Deer
    • richtig → rischdisch
    • aber: Tee, Terror, Tube → Tuub
  • Zusammenfall der Phoneme /ç/ und /ʃ/ zu [ʃ] (im Raum Speyer) oder [ç] (Saarpfalz), im Rest der Pfalz werden diese jedoch unterschieden
  • Besonderheiten bei der Aussprache von intervokalischem d/t:
    • Rhotazismus (besonders bei älteren Sprechern und/oder mit zunehmender Nähe zur Saarpfalz), zum Beispiel guude → /guːrə/
    • Lambdazismus: in Teilen der Kurpfalz, der Nordwestpfalz und in vereinzelten Ortschaften in der Saar- und Vorderpfalz (beispielsweise Altrip) zum Beispiel Wedder → Weller
    • Ersetzen des d durch ein [ð] in einzelnen Ortschaften in der Vorderpfalz. Dieses Phänomen ist so gut wie verschwunden, der Laut wird von der jüngeren Generation durch d, r, l oder sogar j ersetzt.
  • in bestimmten Buchstabenkombinationen entfällt das d ganz
    • furchtbar → forschbar/furschbar, eventuell: forschdbar/furschdbar (wäre denkbar, aber dann wäre es besonders betont)
    • du bisch(d)

Vokale

  • Im Standarddeutschen sind die Mittelhochdeutschen Vokale/Diphthonge ei [] und î [] zum Diphthong ei [aɪ̯] zusammengefallen, während diese im Pfälzischen unterschieden werden. Das Mittelhochdeutsche ei entspricht im Pfälzischen ää (Kurpfälzisch aa/åå, Saarpfälzisch äi): Stein, Seife, Kleid → Schdää, Sääf, Klääd. Das Mittelhochdeutsche î entspricht im Pfälzischen ai/oi: Wein, dein, sein → Woi, doi, soi.
Der Vokal in laufen in der Pfalz
  • Genauso verhält es sich mit im Hochdeutschen zu au zusammengefallenen mittelhochdeutschen ou und û. Das Mittelhochdeutsche ou findet im Pfälzischen aa seine Entsprechung (in der Südpfalz und Teilen der Nordwestpfalz ää): Auge, Staub, Rauch → Aag, Schdaab, Raach. Das Mittelhochdeutsche û wird wie im Hochdeutschen als au gesprochen.
  • Längung und Öffnung vor r, vor allem im Westpfälzischen, zum Beispiel [] → [ɛː] (Erde → [ɛːɐ̯d]), [ʊ] → [ɔ] (Durst → [dɔɐ̯ʃd]).
  • Das im Hochdeutschem kurze o vor Nasalen wird zu u: Sunn „Sonne“ (mhd. sunne), vun „von“, Unggel „Onkel“, kumme „kommen“.
  • Verschleifung von -er im Auslaut zu [a] oder [ă] in weit stärkerer Form als in der hochdeutschen Umgangssprache üblich.
  • Nicht überall, aber zum Beispiel im Vorderpfälzischen Nasalisierung, zum Beispiel Land → [lɑ̃nd/lɔ̃nd] (gerne umschrieben als „Lånd“).
  • Im Südpfälzischen teilweise Diphthongierung, zum Beispiel groß → grouß und Vokalverschiebungen, zum Beispiel Fraa → Free.

Im Pfälzischen gibt es außerdem die Laute ö, ü, und eu/äu nicht, dieses Phänomen nennt man Entrundung. Stattdessen werden diese Laute als 'e', 'i' und 'ai' gesprochen. Beispiele:

  • Möbel → Meebel / Meewel
  • größer → greeßer
  • Löffel → Lewwel / Leffel
  • Hügel → Hischel / Hiechel
  • müde → miid
  • Häuser → Haiser

Endlaute entfallen zudem oft, der Plural bleibt aber meistens weiterhin vom Singular unterscheidbar:

  • Hund, Hunde → Hund, Hunn (Westpfalz)
  • Pfanne, Pfannen → Pann / Pånn, Panne / Pånne
  • Lampe, Lampen → Låmb, Låmbe
  • Affe, Affen → Aff, Affe

Das gleiche geschieht auch bei Zwischenlauten:

  • haben → hann (Westpfalz) / hawwe, hänn (Vorderpfalz)
  • tragen → draan (Westpfalz) / draache(draa'e) (Vorderpfalz)

Grammatik

Die verschiedenen Formen von
„ich habe“ in der Pfalz

Die Grammatik zeichnet sich gegenüber dem Hochdeutschen (wie bei anderen Dialekten) durch eine starke Reduktion des Nominal- und Verbalsystems aus.

Verbalsystem

Das Pfälzische kennt nur vier Zeiten: Präsens, Perfekt und Plusquamperfekt und die einfache, d.h. zusammengesetzte Zukunft. Das Imperfekt ist bis auf wenige Restformen bei den Hilfsverben verschwunden und wird durch das Perfekt ersetzt. Es gibt nur eine mit dem Hilfsverb „werre“ (werden) zusammengesetzte Futurzeit. Eine Zukünftigkeit wird meistens durch Präsens mit entsprechendem Kontext ausgedrückt. Ohne Zeitangabe wird die Zukünftigkeit durch besagtes Futur ausgedrückt. Das Plusquamperfekt ist selten.

Konjugation von „haben“:

Westpfalz
Präsens
Singular Plural
ich hann mir hann
du haschd ihr hann
er/sie/es hadd die hann
Infinitiv
hann
Vorderpfalz
Präsens
Singular Plural
ich hab mir hänn
du hoschd ihr hänn
er/sie/es hod die hänn
Infinitiv
hawwe
Nordpfalz
Präsens
Singular Plural
ich hunn mir hunn
du hoschd ihr hunn
er/sie/es hod die hunn
Infinitiv
hunn


Konjugationsbeispiel (schwaches Verb „gehe“ (gehen), Westpfälzisch/Vorderpfälzisch):

Präsens:
Präsens
Singular Plural
i(s)ch geh(n) mir gehn
du gehsch(d) ihr gehn
er/sie/es gehd die gehn
Imperativ
geh gehen
Perfekt: i(s)ch bin gång(e) etc.
Plusquamperfekt: i(s)ch war gång(e) etc.
Futur: i(s)ch werr gehn/gehe etc., Präsens, wenn die Zeit angegeben oder aus dem Kontext ersichtlich ist, dass die Handlung nicht in der Gegenwart erfolgen kann. Z. B.: I(s)ch geh no(ch) Ameriga (Ich gehe nach Amerika)

Wie man sieht, sind in der regelmäßigen Konjugation alle drei Pluralformen gleich, nicht nur die erste und dritte Person wie im Hochdeutschen.

Das Partizip wird häufiger stark gebildet als im Hochdeutschen, z. B. gesass statt „gesessen“ oder gestock statt „gesteckt“, aber gedenkt statt „gedacht“, gewisst statt „gewusst“.

Bei den Modi fehlen die Konjunktive, mit der Ausnahme des Konjunktivs II bei einigen Hilfs- und Modalverben:

„han/hawwe“: er hat/hott → er hätt
„sinn“: sie is → sie wär
„dun/due“: es dut → es deet
„kenne“: er kann → er kennt.

Bei anderen Verben wird das Hilfsverb modifiziert, liegt keines vor, wird „dun“ eingeschaltet:

Er sagte, sie habe nicht laut genug gerufen. → Er hot g(e)saacht, die hott net laut genuch g(e)rufe. (meist Vorderpfälzisch)
Er sagte, sie habe nicht laut genug gerufen. → Er hat gesaat, die hat net laut genuch geruf. (meist Westpfälzisch)
Er sagt, sie rufe nicht laut genug. → Er saacht, die deet net laut genuch rufe. (meist Vorderpfälzisch)
Er sagt, sie rufe nicht laut genug. → Er saat, die deet net laut genuch rufe oder Er saat, es ruft net laut genuch. (meist Westpfälzisch)

Nominalsystem

Ein Genitiv ist unbekannt; er wird durch Hilfskonstruktionen unter Zuhilfenahme des Dativs ersetzt. Beispiel:

Hochdeutsch: „Gertrud Schäfers Onkel ist Harald Webers Kollege“;

(West-)Pfälzisch: „Em Schäfer Gertrud sei Unggel is'm Wewer Harald sei Kolleech.“ (Vorder-)Pfälzisch: „De Ungel vun de Gertrud Schäfer is'm Harald Wewer soin Kolleech“ oder „De Schäfers Gertrud ihrn Ungel is'm Wewers Harald soin Kolleech.“

Relativsatz

Anstelle der Relativpronomina der, die, das (im Sinne von welcher, welche, welches) wird im Pfälzischen „wo“ bzw. „wu“ verwendet.

Beispiel: „Kennscht du den, wu do vorne laaft?“ (Kennst du den, der da vorne läuft?)

Pronomina

Die Personalpronomina weichen vom Hochdeutschen ab. Wichtig ist der Unterschied zwischen betonten und unbetonten Pronomina (Genitiv entfällt, Westpfälzisch):

Betont:

„ich“: i(s)ch, mir, misch
„du“: du, dir, disch
„er/ sie /es“: der, dem, den / die, derre, die / des, dem, des
„wir“: mir, uns, uns
„ihr“: ihr, eisch, ei(s)ch
„sie“: die, denne, die

Unbetont:

„ich“: i(s)ch, ma, misch
„du“: (d), da, disch
„er/ sie /es“: a, (e)m, (e)n / se, re, se / s, (e)m, s
„wir“: ma, uns, uns
„ihr“: (d)a, eisch, ei(s)ch
„sie“: se, ne, se

Beispiel für unbetonte Pronomina:

  • Wenn du meinst → wann (de) meensch(t)
  • Wenn er meint → wann a meent
  • Wenn ihr meint → wann a meenen
  • Wenn sie meinen → wann se meenen

Das „sie“ ist dem Pfälzischen in betonter Stellung fremd, sowohl als weibliche 3. Person Singular als auch als 3. Person Plural, und wird in dieser Stellung durch „die“ ersetzt. In unbetonter Stellung lautet „sie“ dagegen „se“. Weibliche Personen sind vor allem im Westpfälzischen grundsätzlich neutral. Aus „die“ wird meist „es“.

Die Elfriede hat angerufen → Es Elfried hat angeruf.

Artikel und grammatisches Geschlecht

Wie im gesamten süddeutschen Raum üblich, werden Personen stets unter Verwendung des Artikels genannt, und Nachnamen werden generell vorangestellt. So muss der hochdeutsche Satz „Peter Meier geht zu Müllers“ auf Pfälzisch lauten: „De Meier Peder geht zu's Millers“.

Das Pfälzische kennt drei Geschlechter (bestimmte Artikel: de, die, es). Der unbestimmte Artikel „e“ [ə] ist im Westpfälzischen für alle drei Geschlechter gleich, im Vorderpfälzischen existieren die Artikel „en“ (maskulin) und „e“/„enni“ (feminin, unbetont/betont). Weibliche Personen sind (mit Ausnahme des Vorderpfälzischen) meist neutrum und nicht feminin (wie im Moselfränkischen, im Ripuarischen und in Teilen des Hessischen)

Mädchen/Frauen sind:

  • (im Westpfälzischen) neutrum: ursprünglich immer, wenn der Vorname allein steht; bei kleinen Mädchen und jungen Frauen; wenn es sich um eine Bekannte handelt; wenn eine Beziehung als Besitzverhältnis ausgedrückt wird („em Oddo seins“)
  • feminin: wenn die Person indirekt bezeichnet wird und Genus oder Endung es erfordern („die Müllersch“, „em Oddo sei Freindin“); wenn man das Gefühl hat, die neutrale Form sei nicht angemessen („die Elfriede“); wenn es sich um eine fernstehende und/oder prominente Person, vor allem aus dem nichtpfälzischen Sprachraum handelt (dann wird auch die fremde Voranstellung des Vornamens verwendet: „die Uschi Glas“ statt „es Glase Uschi“)

Auch an der Westpfalz ist die Emanzipation nicht spurlos vorbei gegangen. So beobachtet man zunehmend und vor allem im städtischen Bereich (Kaiserslautern, Pirmasens) die Verwendung von „die“ statt „es“ vor weiblichen Vornamen.

Dies erfordert ein wenig Fingerspitzengefühl, denn die Verwendung von „die“ ohne Vorname hat einen abfälligen Anklang und wird in der reichen Palette Westpfälzischer Beschimpfungen stets an Stelle von „es“ verwendet. In Folge dessen schleicht sich zunehmend das wertneutrale Fremdwort „sie“ in den Sprachgebrauch.

es Uschi → die Uschi
es hat gesaat → sie hat gesaat

Wortschatz

Der Wortschatz des Pfälzischen wird im Pfälzischen Wörterbuch beschrieben. Im Wortschatz finden sich (vor allem bei der älteren Bevölkerung) manche Worte aus dem Französischen wie das 'Lawabo' für Waschschüssel (von lavabo), der 'Bottschamber' (von pot de chambre = Nachttopf) oder der 'Hussjeh' (von huissier = Gerichtsvollzieher) bzw. aus dem Jiddischen wie 'Kazuff' für Metzger oder 'Zores' für Streit. Diese Lehnwörter lassen sich auf die geographische Lage der Pfalz zwischen vielfältigen Regionen und insbesondere die Nähe zu Frankreich und die wiederholte französische Besatzung bzw. Annexion zurückführen. Dies spricht auch für die stark assimilierende Kraft der Region und ihres Dialekts.

Charakteristisch sind weiterhin die pfälzischen Redewendungen „Ah jo“, hochdeutsch „ja, klar“ (Bsp: „Ah jo, nadierlich tringge ma noch en Schobbe“) und „Alla hopp“/„Alla guud“, hochdeutsch „na dann“ (Bsp.: „Alla hopp, enner geht noch.“). Vergleichbare Redewendungen wären das Eifeler „da jeeh“ oder das badische „Ha noi“.

Sprachsoziologie

Wegen der ländlichen Struktur des Verbreitungsraumes ist der Dialekt stark in der Bevölkerung verwurzelt. Auch in Unternehmen, Verwaltung und Politik wird Dialekt gesprochen. Vor allem in der West- und Südpfalz ist Pfälzisch entgegen der Weisungen inoffizielle Unterrichtssprache an vielen Schulen. Auch bei Gerichtsverhandlungen (z. B. Amtsgericht Pirmasens) wird noch Pfälzisch benutzt.

Viele Westpfälzer Kinder sprechen im Grundschulalter Hochdeutsch und wechseln in der Pubertät, vermutlich durch gruppendynamische Prozesse, zum Dialekt. Die Hochsprache galt besonders früher als die Sprache der Gebildeten und speziell ansässigen Hochdeutschsprechern wurde mitunter skeptisch begegnet („Du haltscht disch wohl fa was Besseres?“). Durch die zunehmende gesellschaftliche Mobilität sind diese Vorbehalte inzwischen stark abgeklungen. Neben dem Dialekt lernen durch die steigende Mobilität viele Pfälzer heute die Hochsprache. Allerdings ist die Aussprache oft nicht aktzentfrei, wofür der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl ein bekanntes Beispiel ist.

Pfälzische Dichtung

In der ehemaligen Emichsburg treffen sich die Teilnehmer nach dem Pfälzischen Mundartdichterwettstreit Bockenheim.

Es existiert eine vielfältige pfälzische Lyrik- und Prosadichtung. Diese wurde traditionell vor allem von volkstümlichen „Heimatdichtern“ getragen, von denen etliche große Popularität genossen. Da das Pfälzische zahlreiche Elemente, die für eine Schriftsprache unverzichtbar sind, vermissen lässt, sind die Ergebnisse in der Rückschau manchmal von unfreiwillig humoristischer Qualität, vor allem, wenn zum umständlichen Umgang mit der Mundart auch noch eine klischeehafte Themenwahl aus dem Bereich „Weck, Worscht un Woi“ kommt.

Beim alljährlichen Bockenheimer Mundartdichterwettstreit und den drei weiteren bedeutenden Konkurrenzen in Dannstadt, Gonbach und Wallhalben/Herschberg lässt sich jedoch feststellen, dass die Reformbemühungen in der pfälzischen Mundartdichtung Früchte getragen haben. Die moderne Dialektlyrik bringt vermehrt Gedichte von hohem literarischem Niveau und teilweise avantgardistischer Formgebung hervor. Zudem gibt es Ansätze zu modernen Dialektdramen, so bei der Sparte „szenische Darbietung“, die der Mundartwettbewerb Dannstadter Höhe ab 2001 für einige Jahre ins Programm aufgenommen hatte.[1]

Mundartliteratur ist entstehungsgeschichtlich Volks- und Heimatdichtung mit den Hauptgattungen Gedicht, Schwank und mündliche Erzählung. Dem Dialekt als reiner gesprochener Sprache fehlen außerdem die Mittel, um zum Beispiel kompliziertere Zeitstellungen in befriedigender Weise zu verschriftlichen. Versuche, lange Prosaformen wie Romane im pfälzischen Dialekt abzufassen, hat es gegeben, wenn auch keine davon nennenswerten Bekanntheitsgrad erlangt haben. Auch sonstige Langformen sind selten. Es überwiegen Anthologien besinnlichen und/oder humoristischen Inhalts.

Franz von Kobell (1803–1882), der in München geborene, aus einer Mannheimer Malerfamilie stammende Altmeister der pfälzischen Mundartdichtung, hat die Problematik, in der Mundart zu schreiben, in einer Strophe über die „Pälzer Sprooch“ so ausgedrückt:

Wer kann 'n liewe Glockeklang
so schreiwe, wie er klingt.
Un wer kann schreiwe mit de Schrift,
wie schee e Amsel singt?
Des kann mit aller Müh kee Mensch,
denk nor e bißche nooch.
Un wie mit Glock un Vochelsang
is 's mit de Pälzer Sprooch.

Bekanntestes Werk der pfälzischen Mundartliteratur ist wohl Paul Münchs (1879–1951) „Die Pälzisch Weltgeschicht“ (1909), formal irgendwo zwischen humoristischem Lyrikband und Versepos anzusiedeln. Die durchaus selbstironische Darstellung des Pfälzers als Krone der Schöpfung und der Pfalz als Mittelpunkt der Welt hat stilistisch und inhaltlich bis heute den Löwenanteil aller nachfolgender Mundartdichtung geprägt. Zu den zeitgenössischen Autoren, die den Dialekt auch als Ausdrucksmöglichkeit für anspruchsvolle literarische Texte nutzen, zählen der in Mannheim geborene Arno Reinfrank (1934–2001), Michael Bauer, Albert H. Keil (beide * 1947), Walter Landin (* 1952) sowie Bruno Hain (* 1954). Sie haben u. a. versucht, die Zeit des Nationalsozialismus auch über pfälzische Texte begreifbar zu machen und zum Beispiel mit der Verlegung von Stolpersteinen zu verbinden. Die bosener gruppe, benannt nach ihrem Gründungs- und Versammlungsort Bosen im nordöstlichen Saarland, hat sich zum Ziel gesetzt, die Mundartliteratur aus dem rhein- und moselfränkischen Sprachraum zu fördern.

Sprachbeispiele

Das Vaterunser

Südpfälzisch (beispielhaft):

Unser Vadder im Himmel / Dei(n) Name sell heilich sei, / Dei Kenichsherrschaft sell kumme, / Dei(n) Wille sell gschehe / uf de Erd genauso wie im Himmel. / Geb uns heit das Brot, was mer de Daach brauchen, / un vergeb uns unser Schuld / genauso wie mir denne vergewwe, wo an uns schuldich worre sin. / Un fiehr uns nit in Versuchung, / rett uns awwer vum Beese. / Dir gheert jo die Herrschaft / un die Kraft / un die Herrlichkeit / bis in alli Ewichkeit. / Amen.

Westpfälzisch (beispielhaft):

Unser Babbe im Himmel / Dei Nåme soll heilich sinn, / Dei Reich soll komme, / Was de willsch, soll basseere / uf de Erd grad wie im Himmel. / Geb uns heit es Brot, was mer de Daach iwwer brauche, / un vergeb uns unser Schuld / genauso wie mer dene vergewwe, wo uns Unrecht geduhn hann.* / Un fiehr uns net in Versuchung, / sondern* erlees uns vum Beese. / Weil der jo es Reich geheert / un die Kraft / un die Herrlichkäät / bis in alli Ewichkäät. / Amen.

Westpfälzisch (Zweibrücken) sowie, ähnlich klingend, Saarpfälzisch (Homburg und Umgebung):

Unser Vadder owwe im Himmel / Geheilichd soll dei Name sinn / Dei Reich soll komme / Was de willsch, soll basseere / Im Himmel genau wie uff de Erd / Gebb uns heit ess Brod, wo mer de Daa iwwer brauche / Unn ve(r)gebb uns unser Schuld, / Wie a mer unsre Schuldicher ve(r)gebbe. / Unn fehr uns nedd in Vesuchung / sonnern* erlees uns vum Beese / Weil deer jo es Reich geherd / unn die Kraft / unn die Herrlichkääd / biss in all Ewichkäät / Ame

Vorderpfälzisch (beispielhaft):

Unser Vadder im Himmel / Doi(n) Nåme soll heilisch soi, / Doi Reisch soll kumme, / Des wu du willschd, soll bassiere / wie im Himmel, so aach uff de Erd / Unser däglisch Brod geb uns heid, un vergebb uns unser Schuld / genauso wie mer denne vergewwe, wo an uns schuldisch worre sin. / Un duh uns ned in Versuchung fihre, / sondern* erlees uns vum Beese. / Weil dir es Reisch g(e)heerd / un die Kraft / und die Herrlischkeid / in Ewischkeid. / Aamen.

Anzumerken ist, dass „Name“ kein genuin pfälzisches Wort ist und sich die Endsilbe daher ausnahmsweise nicht abschleift. „Geschehen“ hat im Vorder- und Westpfälzischen keine direkte Realisierung, darum die Umschrift mit „passieren“. Gleiches gilt im Westpfälzischen für das Wort „Schuldiger“, weshalb es durch die oben genannte Wendung ersetzt wurde. „Sondern“ ist in der pfälzischen Umgangssprache sehr unüblich, meist wird der Ausdruck mit „aber“ („awwer“) umschrieben.

Literatur

  • Pfälzisches Wörterbuch. Begründet von Ernst Christmann, fortgeführt von Julius Krämer, bearbeitet von Rudolf Post. 6 Bände und 1 Beiheft, Franz Steiner Verlag, Wiesbaden/Stuttgart 1965–1998, ISBN 3515029281 (Standardwerk; angesichts des Preises von über 1000 € wird das Werk hauptsächlich in den Lesesälen größerer pfälzischer Bibliotheken und deutscher Universitätsbibliotheken eingesehen).
  • Rudolf Post: Pfälzisch. Einführung in eine Sprachlandschaft. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Pfälzische Verlagsanstalt, Landau/Pfalz 1992, ISBN 3876291836.
  • Rudolf Post: Kleines Pfälzisches Wörterbuch. Edition Tintenfaß, Neckarsteinach 2000, ISBN 393746705X.
  • Michael Konrad: Saach blooß. Geheimnisse des Pfälzischen. Rheinpfalz Verlag, Ludwigshafen 2006, ISBN 3-937752-02-1.
  • Michael Konrad: Saach blooß 2. Noch mehr Geheimnisse des Pfälzischen. Rheinpfalz Verlag, Ludwigshafen 2007, ISBN 978-3937752037.
  • Michael Konrad: Saach blooß 3. Neue Geheimnisse des Pfälzischen. Rheinpfalz Verlag, Ludwigshafen 2009, ISBN 978-3937752099.

Weblinks

 Commons: Pfälzisch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Pfälzisch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Veranstalter-Website des Mundartwettbewerbs Dannstadter Höhe: Zur Geschichte des Mundartwettbewerbs „Dannstadter Höhe“. Abgerufen am 24. September 2010 (abwärts scrollen bis zur Teilüberschrift).
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