Philister (Studentenverbindung)

Philister (Studentenverbindung)
Georg Mühlberg 'O alte Burschenherrlichkeit' - Philister einer Studentenverbindung denken beim Trinken und Singen an ihre Jugendzeit zurück.

Philister im Zusammenhang mit dem Begriff Studentenverbindung ist die Bezeichnung für Alte Herren (Altherrenschaft, auch: Philisterium) oder Hohe Damen. Den Status Philister oder Alter Herr/Hohe Dame erreicht man mit Beendigung des Studiums.

Mit dem Begriff des Philisters war auch immer eine aus Sicht der Studenten besonders verachtenswerte Geisteshaltung verbunden, die der Lebensfreude und dem Sinn für das Schöne nicht den richtigen Stellenwert einräumte. Diese Geisteshaltung bezeichnete der Student als „philiströs“ im Gegensatz zur „burschikosen“ Lebenseinstellung eines echten Burschen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Begriff Philister lässt sich aus den Hebräischen pelischtim herleiten und zwar von dem Streit zwischen den Philistern und Hebräern, der im Alten Testament der Bibel oft thematisiert wird. In der Studentensprache wurden zuerst die Stadtwachen oder die Polizei, mit denen sich die Studenten häufig stritten, im 18. Jahrhundert in den Universitätsstädten beispielsweise in Leipzig oder Halle (Saale) mit dem Namen belegt, dann schließlich alle kleinbürgerlichen engstirnigen Einwohner der Universitätsstädte, also alle Spießbürger.

Heinrich Heine, als junger Jurastudent (und Mitglied des Corps Guestphalia) wegen eines Duellvergehens von der Universität Göttingen relegiert, später aber wieder zurückgekehrt, um hier zu promovieren, setzte seiner Meinung über „Philister“ in seinem Werk Die Harzreise ein Denkmal:

„Im allgemeinen werden die Bewohner Göttingens eingeteilt in Studenten, Professoren, Philister und Vieh; welche vier Stände doch nichts weniger als streng geschieden sind. Der Viehstand ist der bedeutendste. [...]
Die Zahl der Göttinger Philister muß sehr groß sein, wie Sand, oder besser gesagt, wie Kot am Meer; wahrlich, wenn ich sie des Morgens, mit ihren schmutzigen Gesichtern und weißen Rechnungen, vor den Pforten des akademischen Gerichtes aufgepflanzt sah, so mochte ich kaum begreifen, wie Gott nur so viel Lumpenpack erschaffen konnte.“

Der Ausdruck Philister wurde dann auch – zuerst despektierlich, dann offiziell – für die im Berufsleben stehenden Mitglieder (Alte Herren) einer Studentenverbindung verwandt. Der Begriff tauchte im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts in vielen Studentenliedern auf, in denen aus der Sicht des „Alten Herren” der eigene Zustand des „Philistertums” wehmütig bedauert und der alten Zeiten als Student gedacht wird. So auch im Lied Als ich schlummernd lag heut' Nacht von Adolf Katsch 1883:

„Gold’ne Burschenzeit entflog,
schnell - daß Gott erbarme! –
Ledern Philistertum zog
mich in dürre Arme.“

Oder in dem berühmtesten Lied der Gattung, O alte Burschenherrlichkeit, anonym publiziert 1825:

„Wo sind sie, die vom breiten Stein
Nicht wankten und nicht wichen,
Die ohne Spieß bei Scherz und Wein
Den Herrn der Erde glichen?
Sie zogen mit gesenktem Blick
In das Philisterland zurück.
Oh jerum, jerum, jerum, o quae mutatio rerum!“

Der „breite Stein“ war die in der Mitte einer Straße ausgeführte Pflasterung, links und rechts davon war der Weg nicht befestigt und im Besonderen bei Regenwetter durch die Fuhrwerke dementsprechend aufgewühlt und schlammig. Derjeneige, „der nicht wich“ zwang also folglich alle Entgegenkommenden in den Matsch zu steigen, was zugegebenermaßen eine gewisse Präpotenz in der Haltung der Studiosi widerspiegelt.

Der Begriff des Philisters als Bezeichnung für einen Menschen mit kleingeistiger Lebensauffassung griff später über den universitären Sprachgebrauch hinaus und wurde zur Vokabel des Bildungsbürgertums (Siehe auch: Philister (Ästhetik)).

Gegenwart

Bezeichnung

Heute ist Philister die offizielle Bezeichnung für die Alten Herren in vielen Studentenverbindungen z. B. in christlichen Studentenverbindungen. In anderen Dachverbänden, z.B. den Corps oder Landsmannschaften, wird die Bezeichnung Alter Herr vorgezogen. Als Hohe Damen werden Mitglieder von Damenverbindungen nach Abschluss ihres Studiums bezeichnet. Bei geschlechtlich gemischten Studentenverbindungen variieren die Bezeichnungen sehr stark.

Verbindungstyp Bezeichnung (Sg.) Bezeichnung (Pl.) Gruppenbezeichnung
Christliche Studentenverbindungen, baltische Verbindungen Philister (Phil.) Philister
(Eigenbezeichnung: Conphilister)
Philisterium
(dt. Philisterschaft)
Corps, Landsmannschaft (Studentenverbindung), Burschenschaften Alter Herr (AH) Alte Herren (AHAH od. AH²) Altherrenschaft
Gemischte Studentenverbindungen Alte Dame (AD) bzw. Hohe Dame (HD) / Alter Herr (AH) Alte Damen (ADAD od. AD²) bzw. Hohe Damen in Kombination mit Alten Herren auch ADAH Philisterium
Damenverbindungen Hohe Dame (HD) Hohe Damen (HDHD od. HD²) Hohe-Damenschaft
selten in Bayern und Österreich: Corpsphilister Corpsphilister Corps-Philisterschaft

Philistrierung

Philistrierung ist, in Anlehnung an die Aufnahme in die aktive Verbindung, der Übergang aus der Aktivitas in die Altherrenschaft. Im Wingolfsbund ist die Philistration eine Veranstaltung, bei der ein Bundesbruder nach abgeschlossenem Studium und Aufnahme des Berufs in den Altherren-Verband aufgenommen wird. Nach einer Philistrationskneipe, die vom Philistrandi selbst geleitet wird, zerschlägt dieser seinen Krug am Bemoosten Stein. In Zukunft gehört er symbolisch nicht mehr zu den fröhlich zechenden Aktiven, sondern zum Philisterium.

Vielfach muss der Aktive, der nach seinem Studium philistriert werden möchte, beim Altherrenverband einen Antrag auf Aufnahme stellen. Lehnt der Altherrenverband die Aufnahme in seine Reihen ab, so ist damit die Mitgliedschaft in der Verbindung beendet.

Organisation

Die Philister einer Verbindung organisieren sich üblichweise in einem Altherrenverein. Dieser wird je nach Verbindung und Dachverband unterschiedlich bezeichnet (z. B. Philisterverein, Brüderverein, Altherrenverein (AHV)). Ziel eines solchen Vereins ist es, den Zusammenhalt untereinander und mit den studierenden Mitgliedern (Aktivitas) aufrechtzuerhalten. Die Philister sind aber auch tätig bei gesellschaftlichen Anlässen der Studentenverbindung oder bei der finanziellen Unterstützung. Die Philister sind als Zusammenschluss die organisatorische Auswirkung des Lebensbundprinzips. Sie sind in den Altherrenverbänden meist wieder auf Verbandsebene zusammengeschlossen. Teilweise bilden studierende und nicht mehr studierende Mitglieder einer Korporation aber auch eine organisatorische Einheit.

Neben ihrer Einbindung in eigene Altherrenvereine organisieren Philister sich vielfach verbindungsübergreifend in örtlichen Zusammenschlüssen nach Verbandszugehörigkeit (z. B. AHSC, VACC). Dabei sind die örtlichen Zusammenschlüsse die älteren und setzten um 1860 ein. Die Altherrenvereine entstanden hingegen erst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts als feste Zusammenschlüsse, um die Finanzierung der Korporationshäuser an den Hochschulorten strukturieren zu können.

Bandaufnahmen

Neben dem üblichen Übergang in die Altherrenschaft nach abgeschlossenem Studium haben sich weitere Formen der Bandaufnahme (Beitritt zur Verbindung/Altherrenschaft) unter den Studentenverbindungen entwickelt. Handelt es sich um bisher nicht-korporierte Interessierte, so spricht man nach Aufnahme in einigen Bünden von einem Ehrenphilister (EPh). Meistenteils sind Ehrenphilister von den Beiträgen des Altherrenvereins befreit.

Ein anderer Fall ist die Bandaufnahme einer Person, die bisher schon Mitglied in einer Verbindung des gleichen Dachverbandes oder einer anderen befreundeten Verbindung war, in diesem Fall sprechen manche Verbindungen von Bandphilistern oder Zweitbandträgern. Allgemein üblich werden sie im Alltag aber gleichwohl einfach als Philister genannt.

Die allermeisten Studentenverbindungen knüpfen Bandaufnamen in beiderlei Fällen an Bedingungen, wie zum Beispiel eine rege Teilnahme am Verbindundunsleben. Im Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV) ist es üblich, bekannten öffentlichen Persönlichkeiten, üblicherweise Bischöfen der röm.-kath. Kirche, ein Ehrenband anzutragen. Eine solche „Ehrenmitgliedschaft“ ohne eine persönliche Beteiligung am Aktivenleben wird von anderen Studentenverbindungen abgelehnt.

andere Verwendungen

Abweichend von den unter Studentenverbindungen üblichen Bezeichnungen nannten sich in der Zeit des Nationalsozialismus die Zusammenschlüsse der ehemaligen Mitglieder einer NS-Kameradschaft Altherrenschaften (AHS) und bewegten sich, aufgrund der demokratischen Auffassung der Verbindungen, im verbotenen Kreis.

In einigen mitteldeutschen katholischen Studentengemeinden (KSG) werden ehemalige Studenten oder Promotionsstudenten ebenfalls Philister genannt, wie z. B. in der KSG Ilmenau und der KSG Mittweida.

Siehe auch


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