Phrygier

Phrygier

Phryger ist die griechische Bezeichnung eines indoeuropäischen Volkes, das spätestens im 8. Jahrhundert v. Chr. in Anatolien ein großes Reich errichtet hatte. Seine Hauptstadt war Gordion am Sangarios (dem heutigen Sakarya), etwa 80 km westlich vom heutigen Ankara.

Inhaltsverzeichnis

Ursprung der Phryger

Schriftquellen

Mann in einem phrygischen Anzug aus der hellenistischen Epoche (3.-1. Jh v Chr). Fundort Zypern

Homer (8. Jh. v. Chr.), erwähnt in der Ilias an verschiedenen Stellen Phryger als Verbündete der Trojaner. Sie lebten ihm zufolge zur Zeit des Trojanischen Kriegs in der Troas, sowie jenseits der Dardanellen in Thrakien. An einer Stelle heißt es, dass in Priamos' Jugend Phryger ihr Lager am Sangarios aufgeschlagen hatten. Nicht nur wegen Homer, sondern auch wegen ihrer Bestattungsweise in Tumuli wurde als Urheimat der Phryger Thrakien angenommen.

In Zusammenhang mit der Frühgeschichte der Phryger sind auch die „Muschki/Muški“ zu erwähnen, die in den Annalen von Tiglat-pileser I. (ca. 1115-1077 v. Chr.) genannt werden. Im ersten Jahr seiner Herrschaft kämpfte er gegen Muschki am Euphrat. Ob hier – wie in knapp vier Jahrhunderte späteren Quellen (s. u.) – die Muschki mit den Phrygern gleichgesetzt werden können, ist strittig. Tut man dies, hätten sich die (‚Proto‘-)Phryger im 12. Jh. v. Chr. bis nach Ostanatolien ausgebreitet.

Archäologische Ausgrabungen

Phrygische Trachten

Bis vor wenigen Jahrzehnten fehlten jedoch Hinterlassenschaften der Phryger aus der Zeit vor 750 v. Chr. völlig. Daher lag die Frühgeschichte dieses Volks im Dunkeln. Mittlerweile zeichnet sich ein klareres Bild ab: so ist Gordion bereits im 12. Jh. v. Chr. - nur kurz nach der Aufgabe der Stadt durch die Hethiter wieder besiedelt worden. Die Keramik der neuen Bewohner weist teilweise starke Ähnlichkeiten zur ungefähr gleichzeitigen sog. Handmade Knobbed Ware aus Troja Schicht VIIb1 (12. Jh. v. Chr.) auf. Ein anderer in Gordion aus jener Zeit anzutreffender Keramik-Typus gilt als Vorläufer der sog. "phrygischen polierten Ware" des 8. Jh. v. Chr. Ähnliche Befunde scheinen sich mittlerweile auch für andere Orte Zentralanatoliens (z. B. Hattuscha, Kemal Kalehüyük), in denen aktuell Grabungen stattfinden, zu ergeben. Damit ist durch Keramikfunde belegt, dass sich im 12. Jh. v. Chr. Menschen in Zentral-Anatolien (vor allem auch in Gordion) niederließen, die Keramik in nordwestanatolischer (Gebiet von Troja) Tradition anfertigten. Im Laufe der nächsten Jahrhunderte entwickelte sich - wohl auch durch Vermischung mit anatolischen Elementen - das, was wir als phrygische Kultur bezeichnen, deren Träger spätestens im 8. Jh. ein Grossreich beherrschten. Die Neuankömmlinge errichteten Grubenbauten sowie Gebäude in Fachwerkbauweise. Letztere ist für die Architektur Gordions in späterer Zeit charakteristisch. Die eingetieften Bauten und die vergesellschaftete grobe Keramik lassen sich schwer zuordnen. Möglicherweise stehen sie in alt-anatolischer Tradition. Da in Gordion zu Beginn der Eisenzeit offenbar verschiedene Elemente siedelten, sind die historische fassbaren Phryger und deren Kultur wahrscheinlich aus einer Verschmelzung verschiedener Bevölkerungsgruppen hervorgegangen.

Phrygisches Großreich

Nach Ausweis griechischer und assyrischer Quellen muss das Phrygerreich in der 2. Hälfte des 8. Jh. von großer Bedeutung gewesen sein. Legendär sind mehrere Könige mit den Namen Gordios und Midas in griechischen Schriften. Der historische Midas von Phrygien ist aus griechischen Quellen gut bekannt. Er heiratete eine Griechin und spendete in Delphi einen kostbaren Thron. In assyrischen Annalen taucht erstmals 738 v. Chr. ein gewisser "Mita von Muschki" auf. Eine Gleichsetzung mit Midas von Phrygien ist - im Gegensatz zu den Muschki zur Zeit Tiglatpilesars I. (s. o.) - allgemein akzeptiert. In den Annalen Sargons (ca. 722-05) begegnet Mita an verschiedenen Stellen. Zwar wird er letztlich tributpflichtig, doch bemerkenswert ist die Tatsache, dass das Phrygerreich sowohl geographisch (Ostanatolien) in den Blickpunkt der Assyrer gerät, als auch, dass Mita als bedeutender Herrscher und Taktierer gilt. Man kann daher mit Fug und Recht von einem Phrygischen Großreich sprechen.

Gegen Ende des 8. Jh. fielen die Kimmerier aus dem nordöstlichen Schwarzmeergebiet über den Kaukasus in Kleinasien ein. Zunächst bedrängten sie das Reich von Urartu. Dann wandten sie sich gen Westen und griffen das Phrygerreich an. 696 oder 675/4 - neuerdings wird in der Forschung wieder das letztere Datum favorisiert - fiel Gordion. Midas starb dabei den Freitod - der Überlieferung nach durch Trinken von Stierblut. Das Ende des Phrygischen Großreichs war besiegelt.

Zeit nach 675 v. Chr.

Relief in Midasstadt

Nach der Eroberung Gordions existierten sehr wahrscheinlich phrygische Fürstentümer. Indizien dafür sind zahlreiche Phrygische Monumente, Felsenreliefs und Heiligtümer aus dem 7./6. Jh. v. Chr. Beeindruckende Zeugnisse finden sich u. a. in Midasstadt in der westanatolischen Hochenbene. Auch die phrygische Kunst lebt ohne erkennbaren Bruch weiter. Über die damaligen machtpolitischen Verhältnisse in Kleinasien sind wir ausgesprochen schlecht informiert. Die Kimmerier waren zwar bis Ende des 7. Jh. in Kleinasien, haben aber vermutlich keinen zusammenhängenden Staat gebildet. Ab der 2. Hälfte des 7. Jh. begann das Reich der Lyder zu expandieren. Ob die phrygischen Staaten dabei unter lydische Vorherrschaft kamen oder zumindest teilweise autonom blieben, ist nicht klar. 585 v. Chr. fiel das ganze Gebiet östlich des Halys an die Meder und 546 v. Chr. wurde ganz Phrygien durch die Perser erobert.

Phrygische Kultur

Architektur

Die teils mehrstöckigen Gebäude des 8./7. Jh. v. Chr. in der Oberstadt von Gordion waren zumeist in Megaron-Form gebaut. Charakteristisch ist eine Pfostenbauweise der Gebäude sowie der Stadtmauer, die als phrygische Fachwerkbauweise bezeichnet wird. Auffallend sind ferner die in Anatolien sonst unüblichen Schrägdächer.

Bestattungssitten

Felskammergrab Aslantaş

In der Gegend um Gordion sind Reste von Tumuli gefunden worden, die teils sehr reich ausgestattet waren. Der bedeutendste Tumulus gilt als "Midas-Grab". In ihm wurden sterbliche Reste eines 60-70 jährigen Mannes gefunden. Es könnte sich tatsächlich um das Grab des bekanntesten Phrygers handeln. Viele Metallgegenstände, oft kostbar gearbeitet, zeugen einerseits vom Reichtum der Phryger, andererseits vom regen Handel mit den Metallzentren, vor allem über Urartu. In der Kunst entsteht aus Vermengung von urartäischen, iranischen und hethitischen Einflüssen ein eigener phrygischer Stil. Imposant ist eine Reihe reich verzierter Felsendenkmäler (siehe Arslankaya oder Maltaş), darunter auch Kammergräber (Aslantaş und Yilantaş).

Keramik

Die bemalte Keramik zeigt deutlich griechische Einflüsse. Neben geometrischen Verzierungen waren Tiermotive sehr beliebt. Die Phryger verwendeten in Inschriften das Alphabet, das sie sehr wahrscheinlich von den Griechen übernommen hatten.

Religion

In der Religion nahm Kybele eine herausragende Stellung ein. Wichtigstes Kulturzentrum war Pessinus (130 km südwestlich von Ankara) mit dem Kybele-Heiligtum. Die Galater übernahmen im 3. Jahrhundert v. Chr. die Verwaltung in Pessinus. Über Pergamon gelangte der Kybele-Kult, durch Überbringung des schwarzen Meteoriten als Symbol der Göttin, nach Rom . Später wurde Kybele als Magna Mater im römischen Reich verehrt. Manche sprechen von einem phrygischen Ursprung des Adonismythos.

Siehe auch

Literatur

  • Ekrem Akurgal: Phrygische Kunst. Archaeologisches Inst. der Univ., Ankara 1955.
  • Ekrem Akurgal: Anadolu uygarliklari, Istanbul 3.Aufl. 1990.
  • Dietrich Berndt:Midasstadt in Phrygien. Zabern, Mainz 2002. ISBN 3-8053-2855-9
  • E.L. Kohler: The Lesser Phrygian Tumuli I. The Inhumations. The University Museum, Philadelphia 1995. ISBN 0-934718-39-3
  • Rodney S. Young: Gordion. Univ. Museum, Philadelphia 1969.
  • Rodney S. Young: Three Great Early Tumuli. Univ. Museum, Philadelphia 1981.
  • Gustav Körte: Gordion. Ergebnisse der Ausgrabung im Jahre 1904. Berlin 1904.

Fast jährlich gibt es Kurzberichte über die laufenden Ausgrabungen in Gordion im

  • American Journal of Archeology (AJA).

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