Pierre Klossowski

Pierre Klossowski

Pierre Klossowski (* 9. August 1905 in Paris; † 12. August 2001) war ein französischer Schriftsteller, Übersetzer und Maler.

Pierre Klossowski verfasste zahlreiche Abhandlungen, u.a. über Marquis de Sade und Friedrich Nietzsche, mehrere Essays über literarische und philosophische Konzepte und fünf Erzählungen. Er übte mit seinen Schriften einen nachhaltigen Einfluss auf französische Denker aus, beispielsweise Jean-François Lyotard, Jacques Derrida, Gilles Deleuze und Michel Foucault. Er ist der ältere Bruder des Malers Balthazar Klossowski, besser bekannt als Balthus. Klossowski übersetzte zahlreiche Werke aus dem Deutschen und Lateinischen ins Französische, arbeitete an mehreren Filmen und illustrierte als Maler zahlreiche Szenen seiner Werke. Klossowski trug in den späten 1930er Jahren inhaltlich zu den meisten Ausgaben von George Batailles Magazin Acéphale bei.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Pierre Klossowski wurde 1905 in Paris geboren. Die Familie seines Vaters Erich war in der Mitte des 19. Jahrhunderts aus Ostpreußen eingewandert, die Mutter Elisabeth Doroteha Spiro ("Baladine") war Malerin und stammte aus Breslau. Sein Bruder Balthazar (besser bekannt als der Maler "Balthus") wurde 1908 geboren. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wird ihr Vermögen eingezogen und die Familie des Landes verwiesen. Sie reisen erst nach Zürich und lassen sich schließlich in Berlin nieder. 1917 trennt sich das Ehepaar, die Mutter zieht mit den Söhnen erst nach Bern, dann nach Genf. 1920 beginnt sie eine intime Beziehung mit Rainer Maria Rilke, der gewissermaßen zum Ersatzvater der Söhne wird. Rilke verschafft Pierre eine Stelle als Sekretär bei André Gide in Paris, die er 1923 antritt. Gide wird ebenfalls zu einer Art Vaterfigur für Pierre. 1924 übersiedeln die Mutter Baladine und der Bruder Balthus nach Paris zu Pierre. Ende 1926 stirbt Rilke, an seine Stelle als Mentor tritt Pierre Jean Jouve und Pierre Klossowski befreundet sich mit Jean Cocteau.

Pierre beginnt seine schriftstellerische Arbeit 1930 mit einer Übersetzung von Hölderlin-Gedichten und der Übersetzung von Franz Kafkas Der Prozeß. 1933 besucht er die Hegel-Seminare von Alexandre Kojève, zusammen mit Maurice Merleau-Ponty, Georges Bataille, Jacques Lacan, Raymond Aron und André Breton. 1936 übersetzt er als erster Walter Benjamins Aufsatz Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Weiter übersetzt er Max Schelers Vom Sinn des Leidens und Robespierre von Friedrich Sieburg. Pierre schließt sich der Geheimgruppe Acéphale von Bataille, Georges Ambrosino und André Masson an und beginnt, Beiträge für die gleichnamige Zeitschrift zu verfassen.

Im Winter 1939/1940 durchlebt Klossowski eine religiöse Krise. Er geht nach Lyon, wo er sich auf ein Mönchsdasein vorbereitet. Er schließt sich erst den Benediktinern an, dann den Dominikanern. 1941 trennt er sich von den Dominikanern und reist nach Lyon zurück. 1943 kehrt er nach Paris zurück und trifft sich wieder mit Bataille und Lacan. 1944 tritt Klossowski der Gruppe Dieu Vivant bei, der auch Maurice Blanchot, Albert Camus und Jean-Paul Sartre angehören. Ein Jahr später konvertiert er vorübergehend zum Protestantismus, bevor er 1946 katholischer Priester wird. 1946 lernt er auch die 28-jährige Witwe und Widerstandskämpferin Denise Marie Roberte Morin-Sinclaire kennen, die er am 31. Juli 1947 heiratet. Sie bringt ihre zwei Kinder Frédérique und Jean Charles in die Ehe. 1949 stirbt sein Vater Erich.

1950 veröffentlicht Klossowski seinen Roman La vocation suspendue. Im Jahr darauf stirbt sein Freund und Mentor André Gide. Nachdem sich Gallimard geweigert hat, Roberte, ce soir zu verlegen, kann Klossowski 1952 den Roman bei Éditions de Minuit unterbringen. 1955 zeigt er in einem privaten Rahmen in Paris sechs Kohlezeichnungen und er veröffentlicht Le bain de Diane ou la proie pour l'ombre. 1957 gibt er das Zeichnen vorerst auf und fokussiert auf das Schreiben. Er vollendet seine Roberte-Trilogie, veröffentlicht Essays und Übersetzungen. Der zweite Teil der Trilogie, La révocation de l'édit de Nantes wird 1959 erscheinen, der dritte Teil, Le souffleur ou le théâtre de société 1960.

1961 ernennt André Malraux Balthus zum Direktor der Académie de France in Rom, wo ihn Pierre mehrmals besuchen wird. 1965 bezieht Pierre mit Denise eine Wohnung in Paris, in der das Paar bis zum Lebensende wohnen wird. Les lois de l'hospitalité wird als Trilogie nachgedruckt, allerdings wird die Reihenfolge umgestellt, so dass Roberte, ce soir in der Mitte kommt. Er veröffentlicht den Roman Le Baphomet, der Michel Foucault gewidmet ist und wofür er den Prix de la Critique erhält. 1967 findet in der Pariser Galerie Le Cadran Solaire Klossowskis erste öffentliche Ausstellung statt. 1968 unterzeichnet er gemeinsam mit Jean-Paul Sartre, Maurice Blanchot und Jacques Lacan ein Manifest zur Unterstützung der Studentenrevolte. Gilles Deleuze verweist in seinen Werken Differenz und Wiederholung und Logik des Sinns auf Klossowskis Vortrag über Nietzsche. Klossowskis 1969 erschienenes und Deleuze gewidmetes Buch Nietzsche et le cercle vicieux enthält Nietzsche-Vorträge und beeinflusst die zeitgenössische Denker stark. Foucault bezeichnet es als das "bedeutendste philosophische Werk, das ich - Nietzsche inklusive - gelesen habe." Im September 1969 stirbt seine Mutter Baladine.

Die 1970er-Jahre sind vor allem geprägt durch das Zeichnen und seine Arbeit am Film. Mit dem Regisseur Pierre Zucca arbeitet er 1970 an einer Luxusausgabe von La monnaie vivante, eine Zusammenarbeit, die in Zuccas Filmen Roberte (1978) Roberte interdite (1979) kulminiert. Ebenfalls in diese Periode fallen die Fernsehproduktionen La vocation suspendue und L'Hypothèse du Tableau volé von Raoul Ruiz, sowie Ausstellungen in Paris, Mailand, Turin und Antwerpen. Jean-François Lyotards Économie libidinale (1974) und Gilles Deleuzes und Félix Guattaris L'Anti-Oedipe: capitalisme et schizophrénie (1972) verweisen auf Klossowskis Schriften.

In den 1980er-Jahren sind Klossowskis Zeichnungen in zahlreichen Ausstellungen zu sehen, darunter Paris, Bern, Kassel, Nizza, Zürich, New York, Nantes, Tokyo und Köln. Theatertruppen führen Stücke auf: Roberte, ce coir, das Klossowski missfällt, und Le bain de Diane. Es erscheinen Essays zu und Sonderhefte über Klossowski. Helmut Newton fotografiert das Ehepaar Klossowski in der Rolle der Roberte. 1987 veröffentlicht Pierre Roberte et Gulliver suivi de fragments d'une lettre à Michel Butor.

Ab 1990 finden zahlreiche weitere Ausstellungen statt, in der Klossowski auch Skulpturen zeigt. 1994 wird L'adolescent immortel publiziert. Er gibt das Zeichnen aufgrund seiner abnehmenden Sehkraft auf. 1995 und 1996 finden internationale Klossowski-Konferenzen in Wien und Genf statt, an denen das Ehepaar Klossowski teilnimmt. 1998 erleidet Pierre Klossowski zwei Schlaganfälle, die zur vollständigen Erblindung führen.

Pierre Klossowski starb am 12. August 2001 und wurde auf dem Friedhof von Montparnasse bestattet.

Bibliografie

  • Sade mon prochain Seuil Paris 1947 (erw. NA: ebd. 1967)
  • La Vocation suspendue Gallimard Paris 1950
    • Deutsch: Die aufgehobene Berufung Übers. Peter Süß, Nachwort Andreas Pfersmann. Matthes & Seitz, Berlin 1997, 2002 ISBN 3-88221-271-3
  • Le Bain de Diane Jean-Jacques Pauvert, Paris 1956
    • Deutsch: Das Bad der Diana Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1970 (NA: Brinkmann & Bose Berlin, 1982)
  • Un si funeste désir ebd. 1963
  • Les Lois de l'hospitalité - La Révocation de l'Édit de Nantes / Roberte ce soir / Le Souffleur 1959, 1953, 1960 (Roberte als Grafikmotiv von Kl. zweifach enthalten in der dt. Ausgabe von La ressemblance), Gallimard, Paris 1965
    • Deutsch: Die Gesetze der Gastfreundschaft, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1966 (NA: Kadmos, Berlin 2002)
  • Roberte Ce Soir and the Revocation of the Edict of Nantes Dalkey Archive Press 2002 ISBN 1-56478-309-X
  • Le Baphomet Mercure de France Paris 1965
    • Deutsch: Der Baphomet Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1968
  • Origines cultuelles et mythiques d'un certain comportement des dames romaines Editions Fata Morgana, Montpellier 1968
    • Deutsch: Kultische und mythische Ursprünge gewisser Sitten der römischen Damen, Berlin, Merve Verlag 1979. ISBN 978-3-88396-005-0
  • Nietzsche et le cercle vicieux Mercure de France, Paris 1969
    • Deutsch: Nietzsche und der Circulus vitiosus deus Nachwort Gerd Bergfleth. Matthes & Seitz, München 1986 ISBN 3-88221-231-4
  • La Monnaie vivante Eric Losfeld, Paris 1970
    • Deutsch: Lebendes Geld Bremen 1982 (Neuübersetzung: Die lebende Münze Kadmos 1998)
  • La Ressemblance Editions Ryôan-ji, Marseille 1984
    • Deutsch: Die Ähnlichkeit Gachnang & Springer, Bern 1986 (darin farbige Grafiken von Kl.: "Milady et le bourreau de Lille" 1972 - "Gulliver marchandant avec Roberte" 1980 - "Roberte ce soir. Seconde version" 1984. - Und eine s/w Grafik: "Grande Esquisse pour Les barres parallèles" 1975) ISBN 3-906127-11-7
  • Écrits d'un monomane. Essais 1933-1939 Gallimard, Paris 2001
  • Tableaux vivants. Essais critiques 1936-1983 ebd. 2001
  • L'adolescent immortel ebd. 2001
  • Divertimento für Gilles Deleuze Berlin, Merve Verlag 2005. ISBN 978-3-88396-206-1
  • Unter dem Diktat des Bildes. Ein Gespräch mit Rémy Zaugg Turia & Kant, Wien 2009 ISBN 978-3-85132-546-1

Übersetzungen von Klossowski (Auswahl)

Klossowski übersetzte Vergil, Sueton, Augustinus und Tertullian aus dem Lateinischen. Aus dem Deutschen übersetzte er Wittgenstein, Martin Heidegger, Sören Kierkegaard, Hölderlin, Franz Kafka, Friedrich Nietzsche, Max Scheler, Otto Flake, Johann Georg Hamann, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Paul Klee, Li-Yu, Rainer Maria Rilke, Lou Andreas-Salomé und Walter Benjamin ins Französische.

Literatur

  • Pierre Klossowski oder Die Sprache des Körpers - Marginalien zu Die Gesetze der Gastfreundschaft Beiträge von Michel Foucault, Gilles Deleuze, Maurice Blanchot, André Pieyre de Mandiargues, Michel Butor, Georges Bataille, Maurice Nadeau, Marion Luckow. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1966 (NA: Merve, Berlin 1979)
  • Pierre Klossowski, Cahiers pour un temps - Editions du Centre Pompidou, Paris 1985
  • Ian James: Pierre Klossowski. The Persistence of a Name Legenda 1999
  • Leslie Hill: Bataille, Klossowski, Blanchot. Writing at the Limit Oxford University Press 2001
  • A. Marroni: Klossowski e la comunicazione artistica, Centro Internazionale Studi di Estetica, 39, Palermo 1993;
  • Gabriele Sorgo: Gnosis und Wollust. Zur Mythologie des Pierre Klossowski Turia & Kant, Wien 1994
  • A. Marroni: Pierre Klossowski. Sessualità, vizio e complotto nella filosofia, Costa & Nolan, Milan 1999, ISBN 9788876483837;
  • A. Marroni: Laws of perversion and hospitality in Pierre Klossowski, "Journal of European Psychoanalysis", 25, 2007;
  • A. Marroni, L'arte dei simulacri. Il dèmone estetico di Pierre Klossowski, Costa & Nolan, Milan 2009, ISBN 9788874371242.

Theater

  • Pierre Klossowsk - Lebendes Geld, Uraufführung Berlin 2008. Inszenierung: Christian Bertram [1]

Weblinks


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