46. Sinfonie (Haydn)

46. Sinfonie (Haydn)

Die Sinfonie Nr. 46 in H-Dur komponierte Joseph Haydn im Jahr 1772.

Inhaltsverzeichnis

Zur Musik

Besetzung: zwei Oboen, zwei Hörner, zwei Violinen, Viola, Cello, Kontrabass. Zur Verstärkung der Bass-Stimme wurden damals auch ohne gesonderte Notierung Fagott und Cembalo (sofern im Orchester vorhanden) eingesetzt, das Cembalo jedoch wahrscheinlich nicht am Hofe von Esterháza.[1]
Aufführungszeit: ca. 20 Minuten.

Die Sinfonie Nr. 46 ist die einzige Sinfonie Haydns in der damals ungewöhnlichen Tonart H-Dur. Sie wird aufgrund von Gemeinsamkeiten (verwandte Tonarten, ungewöhnliche Gestaltung des Schlusssatzes) bzw. Gegensätzlichkeiten (starke motivsche Arbeit im Kopfsatz von Nr. 46) oft als Gegenstück oder Schwesterwerk zur Sinfonie Nr. 45 angesehen.[2] [3] [4]

Bei den hier benutzten Begriffen der Sonatensatzform ist zu berücksichtigen, dass dieses Modell erst Anfang des 19. Jahrhunderts entworfen wurde (siehe dort). – Die hier vorgenommene Gliederung der Sätze ist als Vorschlag zu verstehen. Je nach Standpunkt sind auch andere Abgrenzungen und Deutungen möglich.

1. Satz: Vivace

H-Dur, 4/4-Takt, 151 Takte

Beginn des Vivace

Der Satz beginnt mit einem signalartigen Motiv im Forte-Unisono, das aus einer Sexte abwärts und einer Terz aufwärts besteht („Signalmotiv“).[5] Nach einer Pause schließt sich eine Piano-Antwort der Streicher an. Das Thema wird nun einmal variiert wiederholt, wobei das Signalmotiv in Gegenbewegung auftritt, die Streicher-Antwort mit einer Auf- und Abbewegung auf insgesamt sechs Takte verlängert ist und ohne Zäsur in die Überleitung (Takt 12-21) hineinführt. Hier moduliert Haydn mit einem aufsteigenden Motiv in den Streichern (Motiv A) und synkopischen Einwürfen der Bläser von der Tonika H-Dur zur Dominante Fis-Dur, unterlegt von einem vorwärtstreibenden „Trommelbass“ auf H. Am Schluss greift er das Motiv der Streicher-Antwort vom Satzanfang wieder auf.

Im zweiten, wiederum motivartigen Thema (Takt 22 ff.) spielt die 1. Violine anfangs eine (verkürzte) Umkehrung des Signalmotivs vom ersten Thema, begleitet lediglich von einer gegenstimmenartigen Staccato-Achtelfigur der 2. Violine, und beantwortet dann ihre „Frage“ selbst mit einer analog dazu formulierten „Antwort.“ Im Forte-Tutti folgt nun eine Fortspinnung des Gedankens, der in Takt 31 in einen schlussgruppenartigen Achtellauf mit charakteristischem Halbtonschritt (Motiv B) übergeht. Unerwartet setzt dann jedoch in Takt 36 ein Fortissimo-Ausbruch von Motiv A in fis-Moll ein[6], unterlagert mit Synkopen. Ab Takt 42 klingt der Ausbruch mit einem Streicherbrummen wieder ab, das mit seiner ruhigen Bewegung in Halben Noten (Motiv C) etwas an das Signalmotiv erinnert. Mit einem weiteren Anlauf über Motiv B kann dann die Exposition mit Motiv A in der „richtigen“ Tonart Fis-Dur schließen.

In der Durchführung werden das Signalmotiv, Motiv A und Motiv C verarbeitet. Zunächst spielen die Streicher das Signalmotiv mit versetztem Einsatz in Engführung. In Takt 70 setzt eine Schein- Reprise des Signalmotivs in der Tonika H-Dur ein, auf die dann aber ab Takt 76 Motiv A in Fis-Moll mit Synkopen in der 2. Violine folgt. Wie in der Exposition, kommt die Bewegung dann durch Motiv C zur Ruhe. Nach Oktavsprüngen der beiden Violinen tauschen diese ihre Rolle: ab Takt 99 spielt die 2. Violine Motiv C, die erste Violine die begleitende Achtelfigur.

Die Reprise setzt in Takt 105 mit dem Signalmotiv auf H ein. Sie weist einige durchführungsartige Elemente auf, so wird z. B. das Signalmotiv bei der Wiederholung des ersten Themas wieder enggeführt und mündet direkt in die Passage mit Motiv B, gefolgt von dem Fortissimo-Ausbruch mit Motiv A in h-Moll. Das zweite Thema fehlt. Exposition sowie Durchführung und Reprise werden jeweils einmal wiederholt.

2. Satz: Poco Adagio

h-Moll, 6/8-Takt, 66 Takte, Violinen mit Dämpfern
Die Streicher beginnen den Satz mit einer klagenden Melodie, die in taktweisem Wechsel mit fortspinnenden Staccato-Sechzehntelläufen steht (erstes Thema). Bei der dritten Variante ist die Sechzehntelfigur verlängert und mündet in ein strahlendes, aufsteigendes Motiv im D-Dur – Tutti (zweites Thema), unter dem die Sechzehntelbewegung weiterläuft und anschließend im Unisono wieder dominant hervortritt, um zu einem Abschluss in D-Dur (Tonikaparallele) zu führen. Nach zwei Takten mit ausholender, klagend-sanglicher Legato-Bewegung folgt eine Hoquetus-Passage, die wieder in die Klagebewegung übergeht, nun im energischen Forte-Unisono. Die Sechzehntelbewegung läuft dann auch bis zum Schluss der Exposition durch, am Ende als Staccato-Bewegung im Bass.

Der Mittelteil (Durchführung) beginnt mit einer Variante des ersten Themas und spinnt dieses dann modulierend als ausholende Legato-Bewegung fort, unterlagert von der abgesetzten Bewegung aus der Hoquetus-Passage. Die Reprise (Takt 39 ff.) variiert das zweite Thema, bei dem nun die 2. Violine mit einer sequenzierenden Abwärtsbewegung stimmführend ist, und auch die schlussgruppenartige Klagefigur ist gegenüber der Exposition erweitert. Der Satz verhaucht im Pianissimo.

3. Satz: Menuet. Allegretto

H-Dur, 3/4-Takt, mit Trio 54 Takte
In recht schnellem Tempo beginnt das Menuett mit einer tänzerischen, strahlenden Melodie, die auf einem aufsteigenden H-Dur-Dreiklang basiert, wobei die Töne des Dreiklangs durch eine abgesetzte Bewegung verbunden werden. Eine wörtliche „Reprise“ im zweiten Teil erfolgt nicht, stattdessen setzen die Streicher in einer Piano-Passage (Takt 15 ff.) mit einer freien Umkehrung der ursprünglich aufstrebenden Melodielinie ein, dies zudem in der Dominante Fis-Dur und nicht in H-Dur („ersterbendes Absinken“[7]). Dies wird dann vom Tutti aufgegriffen.

Für die Begleitung des Basses im Menuett ist teilweise eine abgesetzte Bewegung auf den letzten beiden Vierteln charakteristisch, die im Trio mit seiner atmosphärischer Klangfarbe in h-Moll wiederkehrt: Beide Violinen spielen eine langsame, getragene Melodie, die um den Ton D kreist, untermalt von der bereits im Menuett vorhandenen Bassfigur. Der erste Teil des Trios wird nicht notengenau wiederholt, sondern mit der Veränderung, dass die Melodie auf die beiden stimmführenden Violinen (Viola nun parallel zur 2. Violine) derart aufgeteilt ist, das jeweils durch Hinzutreten eines neuen Tones bzw. Liegenlassen eine charakteristische Dissonanz entsteht. Im zweiten Abschnitt kommen auch noch die Bläser dazu, wobei die Oboen in Terzen die getragene Hauptmelodie aufgreifen, während Fagott und Viola die abgesetzte Bassbewegung verstärken.

4. Satz: Presto e Scherzando

H-Dur, 2/2-Takt (Alla breve), 214 Takte
Der Satz beginnt mit einem tänzerisch-abgesetzten Thema, dass zunächst nur von den Violinen im Piano gespielt wird, ab Takt 8 treten in einer abwärts verlagerten Variante auch Bass und Bläser begleitend hinzu. Kennzeichnend ist eine zweifache Tonrepetition. Das Thema wird dann nochmals aufgegriffen, endet aber über energisches Unisono halbschlussartig auf der Dominante Fis. Nun setzt Haydn anstelle eines regulär erwarteten zweiten Themas in Fis-Dur mit einer Variante des Hauptthemas in fis-Moll ein (ähnlich im Vivace) und sequenziert anschließend im Forte mit dem Tonrepetitions-Motiv vom Thema nach Cis-Dur, wo der Kopf des Themas nochmals in der stimmführenden Oboe betont wird.

Anschließend (Takt 49 ff.) greifen zunächst die Violinen (ohne übrige Begleitung, piano) und dann der Bass (mit Tutti, forte) das „Sequenz-Motiv“ wieder auf. Zum Ende der Exposition nimmt Haydn die Instrumente allmählich zurück, bis schließlich nur noch die 1. Violine, die in ihren Wiederholungen hängen bleibt, übrig ist, und das Orchester letztendlich ganz verstummt (zwei Takte Generalpause).

Auch die Durchführung beschränkt sich anfangs auf die Verarbeitung des Kopfes vom Hauptthema: Nach einer abgebrochenen Vorstellung des Themas auf Dis wird es in veränderter Form wiederholt, nun aber nur noch von den Streichern, bis dann ab Takt 83 wiederum lediglich die Violinen übrig geblieben sind. Hier fällt auch eine in Halben Noten fallende Linie als stimmführendes Element auf, die das erstes Mal bereits während der Sequenzgruppe von Takt 35 ff. aufgetreten war, und nun neu fortgesponnen wird. Die Reprise (Takt 104 ff.) geht vom Hauptthema direkt in die Sequenzpassage. Nach einem zehn Takte langen Orgelpunkt auf der Fis und einer erneuten Generalpause bricht das Geschehen abrupt ab.

Nun folgt bis Takt 181 ein Abschnitt im 3/4-Takt, der mit „L´istesso Tempo die Menuet“ überschrieben ist und einen Ausschnitt aus dem zweiten Teil des Menuetts darstellt (ab dessen „Reprise“). Danach wird der Kopf vom Hauptthema im ursprünglichen Tempo wieder aufgegriffen, die Bewegung bleibt aber gleich wieder in Wiederholungen des Hauptmotivs hängen, und wie zum Ende der Exposition ist schließlich nur noch die 1. Violine übrig, worauf das Orchester erneut ganz verstummt (zwei Takte Generalpause).

Wie im Echo setzt dann im Pianissimo über einem zehntaktigen Orgelpunkt auf H nochmals das Thema ein, diesmal mit einer schließenden Wendung. Zwei kräftige Akkorde (Dominante – Tonika) im Fortissimo beenden den Satz.

Der Einschub des Menuetts ist möglicherweise als Pendant zum Schluss-Adagio der Sinfonie Nr. 45[4] [8] zu interpretieren, Haydns konkrete Intention ist jedoch nicht bekannt. Vielleicht handelt es sich bei den beiden ungewöhnlichen Schlusssätzen der Sinfonien Nr. 45 und 46 um „einen ironischen Abschluss der sinfonischen Experimente bis 1772“[4].

Einzelnachweise

  1. Die Haydn-Festspiele Eisenstadt (http://www.haydn107.com/index.php?id=21&pages=besetzung, Stand September 2009, schreiben hierzu: „Haydn setzte, außer in London, für seine Symphonien höchstwahrscheinlich kein Tasteninstrument ein. Diese Ansicht, die von früheren Meinungen abweicht, wird heute unter Musikwissenschaftlern weithin anerkannt.“
  2. Ludwig Finscher: Joseph Haydn und seine Zeit. Laaber-Verlag, Laaber 2000, ISBN 3-921518-94-6
  3. Hans-Joseph Irmen: Joseph Haydn. Leben und Werk. Böhlau Verlag, Köln 2007, ISBN 978-3-412-20020-6
  4. a b c Michael Walter: Haydns Sinfonien. Ein musikalischer Werkführer. C. H. Beck-Verlag, München 2007, ISBN 978-3-406-44813-3
  5. ähnlich zu Beginn des 1. Satzes der Sinfonie Nr. 44
  6. von Walter (2007) als zweites Thema angesehen
  7. James Webster: Hob.I:46 Symphonie in H-Dur. Informationstext zu Joseph Haydns Sinfonie Nr. 46 auf der Website des Projektes „Haydn 107“ der Haydn-Festspiele Eisenstadt. www.haydn107.com/index.php?id=2&sym=46, Stand November 2009
  8. Irmen (2007) schreibt zum Einschub: „ein Moment resignierten Nachsinnens, gleichsam eine wehmütige Erinnerung an vergangenes Glück“

Siehe auch

Weblinks, Noten


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