Plaggendüngung

Plaggendüngung
Besenginsterheide in der Eifel - die Besenginsterheide verdankt ihr Entstehen einer Wechselwirtschaftsform mit Plaggendüngung

Als Plaggendüngung oder Plaggenhieb bezeichnet man eine Form der Düngung von Ackerland. Dabei werden Heide- und Waldsodenböden abgetragen und im Stall als Einstreu genutzt. Hierauf werden die mit tierischen Ausscheidungen angereicherten Einstreuböden wieder ausgebracht und als Dünger eingesetzt. Die Plaggenwirtschaft oder Eschkultur ist eine in Norddeutschland und den angrenzenden Gebieten vom Mittelalter bis zur industriellen Revolution verbreitete Form der Bewirtschaftung von leistungsschwachen Böden.

Inhaltsverzeichnis

Verbreitung

Das hauptsächliche Verbreitungsgebiet der Plaggenwirtschaft liegt in Oldenburg, Ostfriesland und dem Emsland, sowie den angrenzenden niederländischen Provinzen. Hier erreichen die Eschböden ihre größte Mächtigkeit, von zum Teil über 1 m. In geringerer Dichte und mit geringerer Mächtigkeit der Esch wurde Plaggendüngung allerdings in einem weit größeren Raum durchgeführt. Plaggenböden treten im Süden bis in den belgischen Raum, das Ruhrgebiet, Braunschweig und die Altmark, im Norden bis Jütland hin auf. Begonnen wurde die Plaggendüngung im engeren Sinne in den meisten Gebieten sehr plötzlich in der Mitte des 10. Jahrhunderts, wohl unter dem Druck starker Grundherren. Vor dem 10. Jahrhundert wurde wahrscheinlich meist Sommergerste, im Wechsel mit Hülsenfrüchten, Lein angebaut, was im Gegensatz zum "Ewigen Roggenanbau" eine längere Beweidung der Äcker ermöglicht hatte und damit eine Plaggendüngung unnötig machte. Aufgegeben wurde die arbeitsintensive Plaggenwirtschaft mit dem Verfügbarwerden industrieller mineralischer Düngemittel.

Düngergewinnung

Plaggenstecher in der Senne

Vor der Einführung mineralischer Handelsdünger litt der Ackerbau auf den Sandböden der norddeutschen Geest und angrenzender Gebiete unter einem Mangel an Düngestoffen. Man behalf sich durch den Auftrag von Heide- und Waldbodensoden auf die zum Ackerbau genutzte Fläche des sogenannten Eschfeldes. Die Plaggen wurden den umliegenden, häufig in Gemeinbesitz (Allmende) befindlichen, Heide- und Waldflächen entnommen. Sie wurden dann als Einstreu, an Stelle von oder in Kombination mit Stroh, im Stall genutzt, verkompostiert und schließlich auf die Äcker ausgebracht. Auf diesen Eschfeldern wurde meist Dauerfeldbau mit Winterroggen betrieben. Diese Wirtschaftsform wird auch als "Ewiger Roggenanbau" bezeichnet, da teilweise über 20 Jahre, in Ausnahmefällen sogar über 40 Jahre auf einem Feld Jahr für Jahr, ohne Unterbrechung durch Brache oder Fruchtwechsel, Roggen angebaut wurde.

Durch diese Wirtschaftsform zeichnen sich zum Teil bis heute die entstandenen Eschfelder durch ein manchmal über 1 m erhöhtes Bodenniveau und einen bis zu 7%igen Humusgehalt aus. Heute erreichen Plaggenböden Bodenwertzahlen von 30 bis 40 und damit um das doppelte höhere als der ursprüngliche Boden. Das hohe Bodenniveau begünstigte zudem die Entwässerung.

Heidewirtschaft

Gleichzeitig verarmten allerdings die siedlungsfernen, „entplaggten“ Böden. In der Heide bildete sich ein Eisen-Humuspodsol. Die Regeneration der abgeplaggten Flächen dauerte 20 bis 40 Jahre. Kurz nach dem Abplaggen waren sie ohne schützende Pflanzendecke und daher der Winderosion ausgeliefert. Verwehungen und sogar Dünenbildung waren die Folge. Es entstanden Heidelandschaften, die sich bis heute nicht zur Landwirtschaft eignen.

In der Spätzeit der Heidewirtschaft waren vermutlich nur noch etwa ein Drittel der Heideflächen als Schafweiden geeignet, der Rest war mehr oder weniger durch die Plaggengewinnung verwüstet und bestand aus teilweise offenen Sanden. Auch war die Gewinnung des Plaggendüngers so aufwändig, dass auf den Heidehöfen etwa die Hälfte der Arbeitszeit dafür aufgebracht werden musste.

ähnliche Formen

„Konzentrationswirtschaft“, bei der Pflanzennährstoffe aus siedlungsfernen Arealen bewusst entnommen und auf Ackerfluren ausgebracht wurde, wurde auf nährstoffarmen Böden bereits in der Jungsteinzeit betrieben. So wurde in der Eisenzeit auf der Halbinsel Eiderstedt Schlick aus dem nahen Watt auf die Felder aufgebracht. Auch auf die sogenannten Celtic Fields wurde in großem Umfang Boden aufgetragen. Im Mittelalter kannte man in der Eifel, dem Sauerland und dem Rheinischen Schiefergebirge eine abgewandelte Form der Plaggendüngung: Auf den als Allmende genutzte Grünflächen wurde der Boden in größeren Zeitabständen abgeplaggt und gemeinsam mit gleichfalls entfernten Sträuchern verbrannt. Die Asche wurde dann auf den Ackerparzellen aufgebracht, um für einen Zeitraum für zwei bis drei Jahre ackerbaulich genutzt zu werden. Diese Feld-Heide-Wechselwirtschaft ließ eine Form der Heide entstehen, die man als Besenginsterheide bezeichnet.

Siehe auch

Literatur

  • Karl-Ernst Behre: Zur mittelalterlichen Plaggenwirtschaft in Nordwestdeutschland und angrenzenden Gebieten nach botanischen Untersuchungen. In: Heinrich Beck, Dietrich Denecke, Herbert Jankuhn (Hrsg.): Untersuchungen zur eisenzeitlichen und frühmittelalterlichen Flur in Mitteleuropa und ihrer Nutzung. 2. Teil. (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften Göttingen. Philologisch-Historische Klasse, Dritte Folge Nr. 116). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1980, ISBN 3-525-82396-7, S. 30-44.
  • Helmut Jäger: Bodennutzungsysteme (Feldsysteme) der Frühzeit. In: Heinrich Beck, Dietrich Denecke, Herbert Jankuhn (Hrsg.): Untersuchungen zur eisenzeitlichen und frühmittelalterlichen Flur in Mitteleuropa und ihrer Nutzung. 2. Teil. (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften Göttingen. Philologisch-Historische Klasse, Dritte Folge Nr. 116). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1980, ISBN 3-525-82396-7, S. 197-228.
  • Helmut Kroll: Vorgeschichtliche Plaggenböden auf den nordfriesischen Inseln. In: Heinrich Beck, Dietrich Denecke, Herbert Jankuhn (Hrsg.): Untersuchungen zur eisenzeitlichen und frühmittelalterlichen Flur in Mitteleuropa und ihrer Nutzung. 2. Teil. (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften Göttingen. Philologisch-Historische Klasse, Dritte Folge Nr. 116). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1980, ISBN 3-525-82396-7, S. 22-29.
  • Fritz Scheffer: Der Boden – ein dynamisches System. In: Heinrich Beck, Dietrich Denecke, Herbert Jankuhn (Hrsg.): Untersuchungen zur eisenzeitlichen und frühmittelalterlichen Flur in Mitteleuropa und ihrer Nutzung. 2. Teil. (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften Göttingen. Philologisch-Historische Klasse, Dritte Folge Nr. 116). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1980, ISBN 3-525-82396-7, S. 7-21.

Internet


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