Pleomorphismus

Pleomorphismus

Der Pleomorphismus (griechisch pleion = mehr, morphe = Gestalt) ist eine historische wissenschaftliche Lehrmeinung, derzufolge sich Zellen, Viren und Bakterien ineinander umwandeln und in unterschiedlicher Erscheinungsform auftreten können. Während das Konzept des Auftretens unterschiedlicher Erscheinungsformen einer bestimmten Bakterienart sich unter dem Begriff Pleomorphie heutzutage etabliert hat, gilt das historische Pleomorphismuskonzept allgemein als unzutreffend: Es galt bereits in den 1930er Jahren als widerlegt[1] und wird von der modernen wissenschaftlichen Medizin oder Biologie vollständig abgelehnt.

Ein Teil der Pleomorphismusanhänger geht davon aus, dass Zellen oder vielmehr deren Bestandteile sogar noch nach dem Absterben der Zelle als kleinste Partikel weiterleben können und später sich zu neuen Lebensformen zusammensetzen könnten. Der französische Forscher Antoine Béchamp führte dazu den Begriff der sogenannten Mikrozyme ein, die er auch granulations moleculaires nannte und sich auf den bereits vorher eingeführten Begriff der unbelebten Zymasen bezog. Theodor Schwann hatte jedoch bereits 1837 bewiesen,[2] dass eine Erhitzung von biologischem Material dazu führt, dass Lebensprozesse beendet werden. Die erfolgreiche Anwendung der Erhitzung durch Louis Pasteur (das Pasteurisieren) im Jahre 1863 bestätigte dies ebenso.

Der Streit um die Nachweisbarkeit

Anhänger der Pleomorphismustheorie behaupten, der Monomorphismus sei widerlegt [3]. Demgegenüber stehen die Erkenntnisse der Zell-, Molekular- und Mikrobiologie. Diese belegen eindeutig, dass die Grundannahmen, auf denen der Pleomorphismus beruht, falsch sind.

Der auf den französischen Chemiker und Biologen Pierre Jacques Antoine Béchamp (1816-1908) zurückgehende Pleomorphismus erreichte in Deutschland zum Beginn des 20. Jahrhunderts ein gewisses Maß an Akzeptanz innerhalb der Mikrobiologie, vor allem beruhend auf den späteren Arbeiten von Günther Enderlein. Diese wurden jedoch bereits zu seinen Zeiten von der Mehrheit der mikrobiologisch forschenden Naturwissenschaftler abgelehnt. So schrieb Emmy Klieneberger 1931 in einer Arbeit, die den Pleomorphismus mit der Pettenkoferien-Hypothese und der mehrheitlich akzeptierten Monomorphismus-Theorie vergleicht:

„... Ein nicht auf getreuen Beobachtungen, sondern mehr auf theoretischen Spekulationen fußendes systematisches Gebäude eines Bakterienentwicklungskreislaufs hat G. ENDERLEIN aufgestellt. ... So müssen die Enderleinschen Spekulationen völlig abgelehnt werden, da sie jede reale Grundlage vermissen lassen. ...“[1]

Analog dazu schrieben Carl Stapp (1888−1984), später Direktor des Instituts für Bakteriologie und Serologie der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) in Braunschweig, und Herbert Zycha (1903−1998), später Direktor des Instituts für Forstpflanzenkrankheiten der BBA in Hann. Münden, ebenfalls 1931 in einer experimentellen Arbeit zur Morphologie von Bacillus mycoides:

„... Auf die meist theoretischen Abhandlungen Enderleins (1925, 1930) hier einzugehen, erscheint uns unnötig, da dieser Autor von gänzlich anderen Gesichtspunkten ausgeht und eine Diskussion jeder gemeinsamen Basis entbehrt. ...“[4]

Die Pleomorphismus verlor nach der Veröffentlichung entsprechender Forschungsergebnisse schnell an Bedeutung und wird heute nur noch von einer Minderheit vertreten, insbesondere im alternativmedizinischen Bereich.

Quellen

  1. a b Emmy Klieneberger: Die heutigen Auffassungen der verschiedenen Formen der Bakterienzellen einer Art. In: Klinische Wochenschrift. 10/1931, S. 31ff
  2. Theodor Schwann: Vorläufige Mitteilung betreffend Versuche über Weingährung und Fäulniss. In: Annalen der Physik und Chemie. XLI/1837, S. 184ff
  3. Laut Helmut Körner, einem Anhänger des Pleomorphismus, sei der Monomorphismus widerlegt
  4. Carl Stapp und Herbert Zycha: Morphologische Untersuchungen an Bacillus mycoides; ein Beitrag zur Frage des Pleomorphismus der Bakterien. In: Archiv für Mikrobiologie. 2/1931, S. 33ff

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