Politische Haft (DDR)

Politische Haft (DDR)
Haftbeschluss aus dem Jahr 1955 gegen Karl Wilhelm Fricke, unterzeichnet durch Erich Mielke

Mit Politische Haft (DDR) werden politisch motivierte Inhaftierungen in der DDR bezeichnet. Die DDR-Behörden selbst haben den Begriff Politische Haft nicht gebraucht, sondern die Existenz politischer Häftlinge geleugnet. [1]

Amnesty International verwendet den Begriff, allerdings nicht länderspezifisch bezogen, in seiner Forderung nach der Freilassung von

„gewaltlosen politischen Gefangenen, d.h. von Männern und Frauen, die irgendwo auf der Welt wegen ihrer Überzeugung, Hautfarbe, ethnischen Herkunft, Sprache, wegen ihres Glaubens oder ihres Geschlechts inhaftiert sind und Gewalt weder angewandt noch zu ihrer Anwendung aufgerufen haben.“ [2]

Ziel z. B. Amnesty Internationals ist es dabei

„ … eine Welt zu schaffen, in der alle Menschen die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und anderen internationalen Menschenrechtsinstrumenten festgeschriebenen Rechte genießen.“ [3]

Diese Definition von politischer Haft passt auf viele Fälle, die in allen Erdteilen und von den unterschiedlichsten Regierungsformen angeordnet werden. In ihrer Beurteilung der Menschenrechtssituation in der DDR hat Amnesty aber auch konkrete Beispiele politischer Inhaftierungen kritisiert.[4] [5]

Den Begriff des „politischen Gefangenen in der DDR“ verwendete auch Erich Honecker erstmals 1981 in einem Interview mit dem britischen Verleger Robert Maxwell: „Seit der letzten Amnestie im Jahre 1979 gibt es bei uns keine politischen Gefangenen mehr!"[6] Durch die Amnestie 1979 wurden 21.928 Personen entlassen,[7] davon rund 1.500 in die Bundesrepublik.

Es kam im Wesentlichen nur im Zusammenhang mit Verhaftungen „Republikflüchtiger“ an den Westgrenzen anderer Ostblock-Staaten vor, dass von anderen Ländern Haft auf Ansuchen von DDR-Behörden vorgenommen wurde. Diese Personen wurden in der Regel nach zwei bis drei Wochen in die DDR überstellt. Deshalb ist mit dem Begriff „Politische Haft (DDR)“ hier von der Haft die Rede, die von DDR-Justizbehörden angeordnet wurde. Die Zahl der politischen Häftlinge wird für die DDR zwischen 150.000 Personen [8] und 250.000 Personen [9] angegeben. Nach Angaben des ehemaligen Staatssekretärs Ludwig A. Rehlinger wurden im Rahmen des Häftlingsfreikaufs von 1963 bis 1989 insgesamt 33.755 Häftlinge der DDR durch die Bundesrepublik Deutschland für über 3,5 Milliarden DM freigekauft.[10]

Inhaltsverzeichnis

Untersuchungshaft

Politische Haft wurde in der DDR in der Regel durch das Ministerium für Staatssicherheit eingeleitet. Insgesamt 17 Untersuchungshaftanstalten in Ost-Berlin sowie den Bezirkshauptstädten wurden von der Abteilung XIV des Ministeriums für Staatssicherheit unterhalten.

Die Bundeszentrale für politische Bildung stellt dazu fest: „Das MfS unterhielt eigene Untersuchungshaftanstalten, in denen physische und psychische Misshandlungen politischer Gefangener keine Ausnahme bildeten. Auch nach der Entlassung mussten politische Gefangene mit Restriktionen rechnen, z. B. Berufsverboten.“ [11]

Wachpersonal

Als Wachposten waren Angehörige des Wachregiment Feliks Dzierzynski eingesetzt, die dem Bezirks-Leiter der Abteilung XIV des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) unterstanden. [12]

Untersuchungsführung

Die Untersuchungsführung (Vernehmung) oblag der Abteilung IX des Ministerium für Staatssicherheit. Diese nahm gemäß § 88 der Strafprozessordnung der DDR neben Polizei und Zoll die Aufgabe des „Untersuchungsorgans“ wahr. [13] Unterstützt wurden die Organe des MfS dabei vor allem von der politischen Abteilung 1A innerhalb der Kriminalpolizei des MdI.

Straf(Vollzugs-)haft

Politische Gefangene wurden in der DDR nicht gesondert verwahrt, sondern im Justizvollzug (in der DDR: „Strafvollzug“) inhaftiert, somit Kriminellen gleichgestellt (kriminalisiert). Viele Politische wurden in Haftarbeitslager ( HAL) oder Strafvollzugskommandos (STVK) gebracht. In der Realität wurden die politischen Häftlinge jedoch von Anfang an schlechter gestellt und behandelt als die kriminellen Gefangenen. [14] Die Bewachung erfolgte (außer in Bautzen 2) durch Mitarbeiter des Strafvollzugsdienstes der Volkspolizei. Diese unterstanden dem Ministerium des Innern.

Haftbedingungen und Haftfolgen

Die Jahre 1949 bis 1953 waren gekennzeichnet von gehäuften Todesfällen unter den Häftlingen - vor allem durch Hunger und Folgekrankheiten. 1954 bis 1970 erfolgte eine Verbesserung dieser extremen Haftbedingungen. Seit 1971 war den Strafvollzugsbeamten, die jetzt „Erzieher“ hießen, die Anwendung von Gewalt verboten, woran sich aber einige nicht hielten. Die hygienischen Verhältnisse verbesserten sich. Während der Gesamtzeit aber war besonders die Zeit der Untersuchungshaft gekennzeichnet von Schikanen wie Einzelhaft, Verhören zur Nachtzeit und damit verbunden Schlafentzug bzw. Schlafmangel, Isolierung und Informationssperren für Häftlinge, das heißt jegliche Kontakte zur Außenwelt wurden untersagt. Zu den Folgen der Haft bei vielen ehemaligen Häftlingen gehören Ängste und Depressionen sowie neben körperlichen Erkrankungen auch Schlaf- und Konzentrationsstörungen. Auch berufliche Nachteile durch aufgrund der Haft versäumte oder mangelhafte Ausbildung kommen hinzu. [15]

Strafvorschriften

Das Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz - StrRehaG) zählt eine Reihe von Normen des DDR-Strafrechts auf, die in der Regel der politischen Verfolgung dienten. [16] Diese Regelvermutung ist widerlegbar. Weitere Normen des DDR-Strafrechts können der politischen Verfolgung gedient haben. Der Regelkatalog beinhaltet aus dem Strafgesetzbuch der DDR:

  • § 96 – „Hochverrat
  • § 97 – „Spionage
  • § 98 – „Ungesetzliche Sammlung von Nachrichten“
  • § 99 – „Landesverräterische Nachrichtenübermittlung“
  • § 100 – „Staatsfeindliche Verbindungen“
  • § 105 – „Staatsfeindlicher Menschenhandel
  • § 106 – „Staatsfeindliche Hetze“
  • § 213 – „Ungesetzlicher Grenzübertritt
  • § 219 – „Ungesetzliche Verbindungsaufnahme“
  • § 220 – „Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung“
  • §§ 245,246 – „Geheimnisverrat
  • § 256 – Wehrdienstentziehung/-verweigerung


Amnesty International fasst in seinem Jahresbericht 1989 zusammen:

„Es bestand allerdings Anlaß zu der Befürchtung, daß weitaus mehr Menschen auf der Grundlage von Gesetzen inhaftiert worden sind, die das Recht auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit und Freizügigkeit in hohem Maße einschränken. Die Behörden bedienten sich verstärkt des Mittels der Kurzzeitinhaftierung, um Mitglieder von Friedens- und Umweltgruppen, kirchlichen und Menschenrechtsvereinigungen sowie Ausreisewillige zu schikanieren.“[17]

Literatur

Weblinks

Quellen

  1. Auf den Spuren einer Diktatur : "Politische Haft" (Bundeszentrale für politische Bildung)
  2. amnesty international, Anliegen [1].
  3. § 2 Abs. I der Satzung der Deutschen Sektion,[2].
  4. ai Jahresbericht 1978
  5. ai Jahresbericht 1983
  6. Interview E. Honecker mit R. Maxwell zur Autobiographie 1981
  7. ai Jahresbericht 1980
  8. Raschka: Justizpolitik, ebenda
  9. Werkentin: Politische Strafjustiz, ebenda
  10. Ludwig A. Rehlinger: Freikauf, ebenda
  11. Auf den Spuren einer Diktatur. Politische Haft (Bundeszentrale für politische Bildung)
  12. so auch: [3]
  13. [4]
  14. Karl Wilhelm Fricke Politik und Justiz in der DDR. Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1979, ISBN 3804685684.
  15. Bayern Radio Als Staatsfeind in DDR-Haft
  16. § 1 Nr.1 StrRehaG vom 29. Oktober 1992 [5]
  17. Amnesty International Jahresbericht 1989

Siehe auch


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