Polyurethane

Polyurethane
Haushaltsschwämme aus weichem PUR-Schaum

Polyurethane (PU, DIN-Kurzzeichen: PUR) sind Kunststoffe oder Kunstharze, welche aus der Polyadditionsreaktion von Diolen beziehungsweise Polyolen mit Polyisocyanaten entstehen. Charakteristisch für Polyurethane ist die Urethan-Gruppe.

\mathrm{{-}NH{-}CO{-}O{-} \ }

Polyurethane können je nach Herstellung hart und spröde, aber auch weich und elastisch sein. Besonders die Elastomere weisen eine vergleichsweise hohe Reißfestigkeit auf. In aufgeschäumter Form ist Polyurethan als dauerelastischer Weichschaum (z. B. für Sportschuhsohlen) oder als harter Montageschaum bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

1937 synthetisierte eine Forschergruppe um Otto Bayer in den Laboratorien der I.G. Farben in Leverkusen zum ersten Mal Polyurethane. 1940 begann die industrielle Produktion in Leverkusen. Aufgrund des Zweiten Weltkriegs und der damit verbundenen Knappheit an Rohstoffen entwickelte sich der Markt für Polyurethane jedoch zunächst nur sehr langsam. So waren 1952 weniger als 100 t pro Jahr des wichtigen Polyisocyanats Toluylendiisocyanat (TDI) verfügbar. Von 1952 bis 1954 wurden Polyester-Schaumstoffe entwickelt, wodurch das kommerzielle Interesse an Polyurethanen weiter gesteigert wurde. Mit dem Einsatz von Polyetherpolyolen wuchs die Bedeutung der Polyurethane rasch an. Die größeren Variationsmöglichkeiten bei der Herstellung von Polyetherpolyolen führten zu einer erheblichen Ausdehnung der Anwendungen. So wurden 1960 bereits über 45.000 t an Schaumstoffen produziert.

Weitere technische Verbesserungen haben immer wieder neue Anwendungsfelder erschlossen. So ermöglichte die Einführung von Treibmitteln und der Einsatz von Diphenylmethan-4,4'-diisocyanat (MDI) die Herstellung von Polyurethan-Hartschäumen. In den letzten Jahren wurde mit dem Verbot von FCKW-haltigen Treibmitteln eine Wende in der Herstellung dieser Hartschäume eingeleitet. In letzter Zeit werden daher verstärkt Pentane, Methylenchlorid oder reines Kohlendioxid als Treibmittel verwendet. Ihre hervorragende isolierende Wirkung wird nur von wenigen Stoffen oder Systemen übertroffen.

Bis zum Jahr 2002 ist der weltweite Verbrauch auf rund 9 Millionen Tonnen Polyurethan angestiegen, bis 2007 stieg er weiter auf über 12 Millionen Tonnen. Die jährliche Zuwachsrate beträgt ca. 5 %.[1]

Eigenschaften

Strukturformel verschiedener auf Polyolen basierender Polymere

Polyurethane können je nach Wahl des Isocyanats und des Polyols unterschiedliche Eigenschaften aufweisen. Die Dichte von ungeschäumtem Polyurethan variiert zwischen rund 1000 und 1250 kg/m3.

Im Wesentlichen werden die späteren Eigenschaften durch die Polyolkomponente bestimmt, weil zum Erreichen gewünschter Eigenschaften üblicherweise nicht die Isocyanatkomponente angepasst (chemisch verändert) wird, sondern die Polyolkomponente. Es kommen nur wenig verschiedene Isocyanatkomponenten zum Einsatz:

Abhängig von Kettenlänge und Anzahl der Verzweigungen im Polyol können mechanische Eigenschaften beeinflusst werden. So führt ein Einsatz von Polyesterpolyolen zusätzlich zu den üblicheren Polyetherpolyolen zu besserer Standfestigkeit, weil Polyesterpolyole einen höheren Schmelzpunkt haben und somit beim Applizieren des Polyurethans erstarren.

Das eigentliche Aufschäumen der Polyurethanschäume kommt durch die Zugabe von Wasser zustande. Bei der Reaktion von Wasser mit Isocyanat wird Kohlenstoffdioxid abgespalten, welches den Schaum auftreibt. Durch die Menge des zugegebenen Wassers kann das Raumgewicht des entstehenden Schaumes variiert werden. Typische Dichten sind rund 5 bis 40 kg/m3 für weichen Blockschaum oder 30 bis 90 kg/m3 für harten Blockschaum.

Toxizität

Wenn Polyurethane ausreagiert sind und keine Monomere mehr enthalten, besitzen sie in der Regel keine gesundheitsschädlichen Eigenschaften. Isocyanate können Allergien auslösen und stehen im Verdacht, Krebs zu verursachen. Das für einige Polyurethane verwendete Toluylendiisocyanat verdampft bei Raumtemperatur und kann beim Einatmen Schäden in der Lunge verursachen. Richtlinien und Merkblätter für den sicheren Umgang mit Polyurethan-Rohstoffen können bei den Herstellern oder der ISOPA (Europäischer Verband der Diisocyanat- und Polyolhersteller) abgerufen werden.[2]

Synthese

Polyurethane entstehen durch die Polyadditionsreaktion von Polyisocyanaten mit mehrwertigen Alkoholen, den Polyolen. Die Verknüpfung erfolgt durch die Reaktion einer Isocyanatgruppe (–N=C=O) eines Moleküls mit einer Hydroxygruppe (-OH) eines anderen Moleküls unter Bildung einer Urethangruppe (–NH–CO–O–). Dabei erfolgt keine Abspaltung von Nebenprodukten wie bei der Polykondensation.

Das Kohlenstoffatom der Isocyanatgruppe (–N=C=O) ist wegen der benachbarten elektronegativeren Sauerstoff- und Stickstoffatome positiviert. Ein freies Elektronenpaar des Sauerstoffatoms der Hydroxygruppe (–OH) „klappt“ zum positivierten Kohlenstoffatom und bildet mit diesem eine Bindung aus. Gleichzeitig wird ein Bindungselektronenpaar der N=C-Doppelbindung zum Stickstoffatom verschoben. Dadurch trägt das Stickstoffatom eine negative Ladung und das Sauerstoffatom eine positive Ladung. Zum Ladungsausgleich wird das Proton der ursprünglichen Hydroxygruppe auf das Stickstoffatom der ursprünglichen Isocyanatgruppe übertragen, wobei die Urethangruppe entsteht.

Polyaddition

Die Polyurethanbildung erfordert mindestens zwei verschiedene Monomere, im einfachsten Fall Diol und Diisocyanat. Sie verläuft in Stufen. Zunächst entsteht aus Diol und Diisocyanat ein bifunktionelles Molekül mit einer Isocyanatgruppe (–N=C=O) und einer Hydroxygruppe (–OH). Dieses kann an beiden Enden mit weiteren Monomeren reagieren. Dabei entstehen kurze Molekülketten, sogenannte Oligomere. Diese können mit weiteren Monomeren, anderen Oligomeren oder bereits gebildeten Polymere reagieren.

Polyaddition von 1,6-Hexandiisocyanats mit 1,4-Butandiol. (n ≈ 40)

Je nach Ausgangsstoffen können lineare oder vernetzte Polymere erhalten werden. Lineare Polyurethane können beispielsweise aus Diolen und Diisocyanaten erhalten werden. Durch Zugabe von weiterem Diisocyanat können lineare Polyurethane nachträglich vernetzt werden. Alternativ können vernetzte Polyurethane auch durch die Reaktion von Di- oder Triisocyanaten mit Polyolen hergestellt werden.

Wird der Reaktionsmischung eine kleinere Menge Wasser zugefügt, so reagiert dieses mit einem Teil der Isocyanatgruppen, dabei wird Kohlenstoffdioxid frei, wodurch der noch weiche Kunststoff aufgeschäumt wird. Die gleichzeitig entstandene primäre Aminogruppe reagiert mit einer Isocyanatgruppe zu einem substituierten Harnstoff, so dass hierdurch kein Kettenabbruch auftritt.

\mathrm{O{=}C{=}N{-}R^1{-}N{=}C{=}O + H_2O \longrightarrow H_2N{-}R^1{-}N{=}C{=}O + CO_2 \uparrow}
Reaktion von Isocyanat mit Wasser unter Entstehung von CO2

Soll in der Praxis ein bestimmtes Polyurethan hergestellt werden, so bieten sich zwei Wege an [3]:

  • Direkte Reaktion eines Polyols mit einem Polyisocyanat (ein Einstufen-Verfahren)
  • Herstellen eines funktionalisierten kleineren Polymers (sogenanntes Präpolymer) als Zwischenprodukt, welches in einem zweiten Schritt durch Verlinken der funktionellen Gruppen zum gewünschten Polymer reagiert (ein Zweistufen-Verfahren)

Der Polymerisationsprozess wird oft durch Zugabe von Katalysatoren wie etwa 3-(Dimethylamino)propionitril verbessert.

Biogene Polyole

Im Regelfall entstammen sowohl die Polyole wie auch die Polyisocyanate der Produktion aus petrochemischen Rohstoffen, es können jedoch auch Polyole auf der Basis von Pflanzenölen eingesetzt werden. Vor allem Rizinusöl ist hierfür geeignet, da es selbst über Hydroxygruppen verfügt und so direkt mit Isocyanaten umgesetzt werden kann. Weiterhin werden Derivate des Rizinusöls verwendet.[4] Des Weiteren können Polyole auf Basis von Pflanzenölen zum einen durch Epoxidierung der Pflanzenöle mit anschließender Ringöffnung wie auch über eine Umesterung von Pflanzenölen mit Glycerin hergestellt werden.[5] Polyurethane auf Basis von Pflanzenölen werden aufgrund der biogenen Herkunft eines Teils der Rohstoffe auch als „Bio-Polyurethane“ vermarktet.

Biogene Polyole liegen in ihrem Preis derzeit oberhalb petrochemischer, wodurch ihre Anwendung auf spezielle Zwecke eingeschränkt ist. International wird an Polyolen auf der Basis von Soja-, Raps-, Sonnenblumen- gearbeitet, unter anderem als Basis für die Herstellung von Matratzenschäumen. Einzelne Unternehmen arbeiten an der Gewinnung von biogenen Polyolen aus Lignin.[5] Große Nutzungspotenziale werden u. a. für die Herstellung von Polyurethanen als Kunststoffe, Schäume oder Kunstharze sowie von hochwertigen, lichtbeständigen Polyestern und Polyurethanen für die Lackrohstoffindustrie gesehen.[6]

Verwendung

Dämmschicht aus Polyurethan-Hartschaum beim Hausbau

Aus Polyurethan werden Matratzen, Schuhsohlen, Dichtungen, Schläuche, Fußböden, Lacke, Klebstoffe, Dichtstoffe, Skier, Autositze, Laufbahnen in Stadien, Armaturenbretter, Vergussmassen, latexfreie Kondome (Präservative), Gussboden und vieles mehr hergestellt.

  • In der optischen Industrie wird mit bestimmten Poliermitteln (z. B. Cerdioxid) getränktes Polyurethan als Poliermittelträger für die CNC-Politur von optischen Funktionsflächen verwendet
  • In der Druck-Weiterverarbeitung werden Buchrücken mit Polyurethan geklebt.
  • Polyurethan wird im Bauwesen als 1- oder 2-Komponenten-Schaum (Montageschaum, Expansionsschaum) zum Abdichten von Fugen im Beton vor dem Vergießen, zum Stabilisieren von Fundamenten, zum Anheben von Gebäudeteilen, Fußböden etc. verwendet und beim Einbau von Fenstern und Türen benutzt. Auch wird es benutzt als Bodenbelag in Wohnhäusern, vor allem in den Niederlanden.
  • Polyurethan-Hartschaum wird als Isolier- und Dämmschicht in Sandwich-Elementen eingesetzt. Die Elemente bestehen aus einem inneren und äußeren Blech (Alu oder beschichtetes Stahlblech), wobei der Zwischenraum durch den aufquellenden PU-Schaum ausgefüllt wird. Überwiegend werden diese Sandwichelemente im Industriebau bei Systemhallen eingesetzt, da sie vorgefertigt werden und auch schnell montiert werden können. So entstehen in kurzer Zeit Wand- und Dachkonstruktionen, die gedämmt und innen wie außen sofort fertig sind. Auch bei gedämmten Roll- und Schiebetoren (Garagentore) werden Sandwichelemete verbaut. Außerdem wird PUR Hartschaum im Kälteschutz verwendet, da dieser Schaum Dampfdiffusion bremst oder verhindert. Üblicherweise werden die Rohre ähnlich wie im Sandwichverfahren mit Blech ummantelt (Edelstahl, verzinkter Stahl, Aluminium, verzinktes Aluminium oder aluminiertes Stahlblech) und anschließend mit dem Zweikomponentenschaum befüllt.
  • PU-Elastomer wird häufig für Textilfasern eingesetzt. Diese Fasern bestehen nicht unbedingt zu 100 % aus Polyurethan. Ebenfalls eingesetzt wird Polyurethan als Mikroschaum für atmungsaktive Membranen für Regenbekleidung.
  • Aufgrund der hervorragenden mechanischen Eigenschaften eignen sich bestimmte Polyurethane für Anwendungen, die eine hohe Verschleißfestigkeit verlangen. So z. B. beim Transport von Schüttgütern durch Polyurethanschläuche, oder als Schutzschicht in Rohren und Rohrbögen. Auch als Ummantelung für elektrische Leitungen (z. B. Verlängerungsleitungen) wird es eingesetzt, beispielsweise in der verbreiteten Leitung H07BQ-F.
  • Ein weiteres spezielleres industrielles Verarbeitungsspektrum findet sich im Prototypen- und Musterbau sowie in der Gießereiindustrie. Hier werden Produkte aus Polyurethan eingesetzt, um Modelle und Werkzeuge vielerlei Art, aber auch Serienteile herzustellen.
  • Bei der Herstellung von multifilen Tennissaiten wird Polyurethan als Füllstoff verwendet.
  • Moderne Fußbälle (z. B. Roteiro) werden komplett aus Polyurethan gefertigt.
  • Der äußere Mantel einer Bowlingkugel besteht aus Polyurethan
  • hochwertige Gummistiefel werden heute ebenfalls häufig aus Polyurethan hergestellt, da diese viel leichter und kälteelastischer sind als solche aus PVC. Außerdem bietet das geschäumte Polyurethan eine weit bessere Isolation gegen Kälte.
  • Kondome/Präservative ohne Latex werden aus Polyurethan hergestellt. Diese sind dünner und sollen gefühlsechter sein und sind für Personen mit Latex-Allergie gut verträglich. Im Vergleich zu den üblichen Kondomen aus Latex sind sie jedoch oft teurer (Stand Anfang 2011).
  • Als Ummantelung von Silikonimplantaten kommt es immer häufiger zum Einsatz, da das Gewebe sich gut damit verbindet.
  • Das erste Serienfahrzeug mit vollständiger Polyurethan-Karosserie ist der Artega GT.[7]
  • Für die Herstellung von Halbleiterwafern sind viele Prozesschritte nötig. Um eine ebene Oberfläche zu gewährleisten werden die Wafer zwischenzeitlich immer wieder poliert (siehe CMP, chemisch mechanisches Polieren). Die Polierplatte besteht dabei in den meisten Fälle aus einem Polyurethan-beschichteten Kunststoff. Für den Abrieb sorgen kleine Polierpartikel, die man zwischen Polierpad und Wafer bringt.
  • In der herstellenden Schmuckindustrie wird PU als Einlage für verschiedene Ketten (Hals-, Hand- und Fußkettchen) verwendet, wodurch eine besondere Optik erzielt wird.
  • Die Laufflächen von Inlineskate- und Skateboardrollen werden aus PU hergestellt, Das PU bestimmt maßgeblich die Laufeigenschaften der Rollen.
  • Lenkgummis (Bushings) von Skateboardachsen bestehen ebenso aus PU.

Polyurethan-Lacke, Beschichtungen und Klebstoffe

Eine der wichtigsten Anwendungen von Polyurethanen ist der Einsatz in Lacken und Beschichtungen. Hier werden Polyurethane wegen ihrer guten Haftungseigenschaften als Grundierungen und wegen ihrer hohen Beständigkeit gegen Lösemittel, Chemikalien und Witterungseinflüsse als Deck- und Klarlacke in vielen Anwendungsbereichen verwendet. Hierzu gehören z. B. auch Coil-Coating-Lacke und Beschichtungen für Fußböden. Des Weiteren zu nennen sind Textilbeschichtungen und -Ausrüstungen sowie Lederzurichtungen. Flächige Anwendungen zur Verklebung von unterschiedlichen, vorzugsweise flexiblen Materialien (im Bereich Schuhe, Holz/Möbel, Automobilinnenraum) sind ebenfalls ein wichtiges Anwendungsgebiet von Polyurethansystemen. In der Medizin werden Polyurethane als Liner in der Prothetik der unteren Extremitäten verwendet.

Zur Anwendung kommen flüssige Systeme, wie feuchtigkeitshärtende Präpolymere, 2-Komponenten-Systeme, High Solids, Polyurethan-Lösungen und Polyurethandispersionen, aber auch Feststoffe, z. B. Granulate (TPUs) oder Pulver, die aufgeschmolzen oder gelöst werden.

Vergussmassen

  • PU-Vakuumgießharze: Verschiedene Produkte mit kurzer Topfzeit, meist für Prototypen oder Vorserien, die z. B. Serienmaterialien (Thermoplast-Spritzguss: ABS, PP, POM, PS, PC, PMMA etc.) ähnelnden mechanischen und thermischen Spezifikationen oder optischen Aspekten entsprechen. Sie werden in einer Vakuumgießanlage verarbeitet. Formen in der Regel aus polyadditionsvernetzendem Silikon. Stichwort: Duplizierung von mit Rapid-Prototyping-Techniken gefertigten Teilen.
  • PU-Schnellgießharze: relativ einfach zu verarbeitende Produkte für Gussteile, Modelle und Werkzeuge, die eine kurze Topfzeit besitzen und nicht unter Vakuum verarbeitet werden müssen.
  • Elastomer aushärtende PU-Gießharze: Produkte mit verschiedenen im Shore-A- und Shore-D-Bereich angesiedelten Härtegraden. Für elastische bis hartelastische Teile, Formen und Werkzeuge.
  • Elektrische Vergussmassen: zum Umgießen/Ummanteln von elektrischen und elektronischen Bauteilen (Potting) zum Zwecke der elektrischen Isolation und dem Schutz vor aggressiven Umgebungsbedingungen (chemisch, Temperatur, Vibrationen, mechanisch)
  • Kantenvergussmassen: zum Umgießen /Ummanteln von Holz /MDF. Mit Polyurethan als Kantenvergussmaterial besteht sicherer Schutz vor Schlägen, Kratzern etc. Kantenvergussysteme können lichtecht oder lichtbeständig eingestellt sein. Auch Flammschutz spielt vor allem bei Anwendungen im öffentlichen Personenverkehr eine wichtige Rolle. Die Kantenvergusssysteme sind auch beständig gegen chemische und mechanische Einflüsse.

RIM

Bei der RIM-Technik werden die Reaktionskomponenten mit hohen Drücken von 100 bis 200 bar in kleine Mischkammern dosiert und dort unter Nutzung ihrer kinetische Energie miteinander vermischt (Gegenstrominjektion). In der Regel wird das Reaktionsgemisch über einen selbstreinigenden Anbaumischkopf und Anguss in eine geschlossene Form gefüllt, in der es zum Formteil aushärtet.

Die RIM-Technik kann auch dazu verwendet werden, Polyurethan direkt zu verspritzen. Zum Beispiel zur Versiegelung von Flachdächern, Auffangwannen, Brücken,… oder zur Wärme- und /oder Schallisolation von Bauten und Fahrzeugen (Schaum). Besonders in den USA werden mit dem Verfahren ganze Gebäude gedämmt, in dem der Schaum großflächig zwischen die Sparren der üblichen Holzwände und Dächer gespritzt wird. Im Zuge der verstärkten Nachfrage nach ökologischen Baustoffen wird der Polyurethan-Schaum in den USA von einigen Herstellen aus über 70 % nachwachsenden Rohstoffen produziert, üblicherweise Sojabohnen.[8] Nach europäischen Maßstäben würde man diese Produkte allerdings nicht als Bio bezeichnen. Baubiologisch einwandfreie Produkte mit ähnlichen Eigenschaften wie Polyurethan sind bisher nicht bekannt geworden.

Eine weitere Variante der Verwendung von RIM ist die Herstellung von Bauteilen aus PUR- Harzen. Solche RIM-Teile können in Vor- und Kleinserien Teile aus Thermoplasten bzw. FVW ersetzen. Anwendungsbeispiele: Verkleidungsteile Motorrad, Verkleidungsteile (innen/außen) Kfz/Nfz/SdKfz, Profildichtungen, Gehäuse für elektronische Geräte etc.. Hierzu werden Anlagen verschiedener Größe verwendet, vom Tischgerät mit 1 bis 2 kg Ausstoßleistung pro Minute bis zu größeren Anlagen, mit denen z. B. die Fertigung von Lkw-Stoßstangen möglich ist.

Schaumstoffe

Spraydosen mit PU-Hartschaum

Aus Polyurethan lassen sich sehr einfach Schaumstoffe herstellen. Das Besondere an PUR-Schaumstoffen ist, dass sie für den verarbeitenden Betrieb sowohl als Halbzeug (Schaumstoff in zugeschnittener Form) verfügbar sind, aber auch vor Ort aus flüssigen Komponenten an Ort und Stelle hergestellt bzw. in oder auf Industrieteile gebracht werden können („Ortschaum“, „Formed-in-Place-Foam“, FIPFG).

Weiche PUR-Schaumstoffe werden für extrem vielfältige Zwecke verwendet, vor allem aber als Polstermaterial, d. h. Matratzen oder Sitzkissen für Möbel bzw. Autositze, als Teppichrückenmaterial, zur Textilkaschierung, als Reinigungsschwamm oder als Filtermaterial benutzt. PUR-Weichschäume sind zumeist offenzellig und sind in einem breiten Härte- und Dichtebereich verfügbar.

PUR-Hartschäume werden vor allem zur Wärmedämmung z. B. in Gebäuden, Kühlgeräten, Wärme- und Kältespeichern sowie einigen Rohrsystemen (Kunststoffmantelverbundrohr, flexible Verbundrohre) eingesetzt.

Seit einiger Zeit werden weitere Anwendungsgebiete für PUR-Schäume erschlossen, z. B. im Fahrzeugbau (Lenkrad, Armauflage, Softbeschichtung von Handgriffen, Innenraumverkleidung, Armaturenbrett, Schalldämmung, Klapperschutz, Abdichtungen, Transparentbeschichtung von Holzdekoren).

Polyurethan-Schäume, die als Wärmedämmung konzipiert sind, sind geschlossenzellig aufgebaut, damit die Zellgase mit ihren niedrigen Wärmeleitfähigkeiten in den Schaumzellen verbleiben. Früher kam häufig R 11 (Trichlorfluormethan) als Zellgas zum Einsatz. Wegen der ozonschädigenden Eigenschaft dieses halogenierten Kohlenwasserstoffs wurde dieser weitgehend zunächst durch Kohlendioxid und aktuell durch Cyclopentan ersetzt, wobei dann in den Schaumzellen ein Gemisch aus Cyclopentan (ca. 10 bis 35 %) und Kohlendioxid enthalten ist. Wenn der Polyurethan-Schaum nicht diffusionsdicht gegenüber der Umgebung eingekapselt ist, werden die ursprünglich vorhandenen Zellgase unter irdischen Bedingungen jedoch durch Diffusionsvorgänge nach und nach durch Luft und Wasserdampf ersetzt, wodurch die Wärmeleitfähigkeit des Polyurethan-Schaums zunimmt. Nach der Herstellung erreichen Polyurethan-Schäume mit Kohlendioxid als Zellgas Wärmeleitfähigkeiten von ca. 0,029 bis 0,033 W·m−1·K−1, Polyurethan-Schäume mit Cyclopentan als Zellgas Wärmeleitfähigkeiten von ca. 0,022 bis 0,027 W·m−1·K−1. Die Polyurethan-Schäume können sowohl hart als auch flexibel mit unterschiedlichen Dichten eingestellt werden.

PU-Hartschaumplatten sind in verschiedenen Dichten verfügbar. Die Produkte sind teils mit Füllstoffen versehen (Glasmikroballons, Aluminiumpulver). Einsatzzweck sind Dämmstoffe sowie der Modell- und Vorrichtungsbau. Der Schaum wird dazu meist spanend bearbeitet.

Früher wurden Polyurethan-Schaumstoffe mit Pentabromdiphenylether flammgeschützt. Aufgrund der Toxizität dieses Stoffs kommen heute andere Flammschutzmittel wie beispielsweise TCPP zum Einsatz.[9][10]

Handelsnamen

  • Blockmaterial: Necuron, Obomodulan, Ureol
  • Dichtungsmasse: Betamate, Sikaflex, Dymonic NT
  • Elastomer: Baytec, Cellasto, Vulkollan, Elasturan, Sylomer, Sylodyn
  • Fasern: Elastan (Spandex), Lycra, Dorlastan
  • Hartschäume: BauderPIR, Baytherm, Baydur, Elastolit
  • Klebstoffe: Baycoll, Beli-Zell, Desmocoll, Sikaflex
  • Kosmetik: Baycusan
  • Lacke und Beschichtungen: Lupranol, Lupranat, Bayhydrol, Bayhydur, Sikafloor Desmodur/Desmophen (=DD-Lacke), Voranol, Voranate, Suprasec, Basonat, Sovermol, Tolonate
  • Membranen: Dermizax
  • PU-Folien: Walopur, Walotex, Platilon
  • Thermoplastische Polyurethane: Elastollan
  • Vergussmassen: WEVO-Vergussmasse (Elektronik), Arathane (Elektronik), Bectron (Elektronik), Elastocoat, Baygal/Baymidur (Elektro- und Elektronikvergussmassen), Fermadur
  • Weichschäume: Bayflex, Elastoflex, Elastofoam, Fermapor K31

Weblinks

Siehe auch

Literatur

  • Reinhard Leppkes: Polyurethane – Werkstoff mit vielen Gesichtern. 5.Auflage. Verlag Moderne Industrie, 2003 ISBN 3-478-93100-2.
  • Karl Oberbach: Saechtling Kunststoff-Taschenbuch. 28.Auflage. Hanser, 2001 ISBN 3-446-21605-7.
  • Günter Oertel (Hrsg.): Kunststoff-Handbuch - Bd. 7 Polyurethane. 3. Auflage. Carl Hanser Verlag, 1993 ISBN 3-446-16263-1.
  • D. C. Allport, D. S. Gilbert, S. M. Outterside (Hrsg.): MDI and TDI: safety, health and environment. A source book and practical guide. John Wiley & Sons Ltd., 2003, ISBN 0-471-95812-3.
  • Karl F. Berger, Sandra Kiefer (Hrsg.): Dichtungstechnik Jahrbuch 2007. ISGATEC, Mannheim 2006, ISBN 978-3-9811509-0-2.

Einzelnachweise

  1. G. Avar: Polyurethane (PUR). In: Kunststoffe. Nr. 10, 2008, S. 205–211.
  2. ISOPA [1]
  3. Walter Kaiser: Kunststoffchemie für Ingenieure. 2. Auflage, Hanser, München 2006, ISBN 978-3446413252.
  4. Hans Kittel, Walter Krauß: Lehrbuch der Lacke und Beschichtungen. Band 2: Bindemittel für lösemittelhaltige und lösemittelfreie Systeme. 2. Aufl. Hirzel Verlag 1998, ISBN 3-7776-0886-6.
  5. a b Hans-Josef Endres, Andrea Siebert-Raths: Technische Biopolymere. Hanser-Verlag, München 2009, S. 113–114. ISBN 978-3-446-41683-3
  6. U. Buller, T. Hirth: Vom Rohstoff zum Produkt - Industrielle Biotechnologie und stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe als Beispiel für die verfahrenstechnische Forschung in der Fraunhofer-Gesellschaft. In: Chemie Ingenieur Technik - CIT. 81 (11); S. 1689–1696.
  7. Artega-GT.de:Infos über den Artega GT Auf: http://www.Artega-gt.de, 3. Juli 2008, 14 Uhr
  8. Beispiel: Seite von Iowa-Foam, die auf drei Hersteller von „Bio“-Schäumen verweist.
  9. Flame Retardants Center: Organic Phosphorus Compounds Center.
  10. Dämmstoff: Polyurethan-Hartschaum (PUR) und PUR-Ortschaum, Montageschaum auf www.waermedaemmstoffe.com.

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