Potenzflaschenzug

Potenzflaschenzug
Flaschenzug an einem Baukran

Ein Flaschenzug ist eine einfache Maschine, die den Betrag der aufzubringenden Kraft z. B. zum Bewegen von Lasten verringert. Der Flaschenzug besteht aus festen und/oder losen Rollen und einem Seil. Ein Kettenzug verfolgt dasselbe Prinzip, nur dass hier eine Kette statt einem Seil verwendet wird. Bei komplizierten Flaschenzügen sind die Rollen mittels Scheren zum Block zusammengefasst.

Inhaltsverzeichnis

Teile des Flaschenzugs

Block eines Flaschenzuges

Ein Flaschenzug besteht aus mindestens einer Rolle (Scheibe), meist aber aus zwei Blöcken zu mehreren Rollen, sowie einem Seil.

Flaschen wurden dabei die Halterungen der Rollen genannt und waren meist als Block (mhd. plock, ploch „großes“ oder „zusammenhängendes Stück“) aus einem Stück Hartholz (Esche, Rüster) gearbeitet. Heute nennt man die flachen Teile beiderseitig am Rand (Backe, Wange) und zwischen den Rollen (Damm) insgesamt Scheren. In der Seemannssprache wird der Flaschenzug als Talje bezeichnet.

Die Rollen eines Flaschenzuges wurden früher ebenfalls Flaschen genannt. Der Begriff entstand etwa im 18. Jahrhundert: Bei Webmaschinen, speziell bei Bandwebmaschinen, werden die Spannrollen, die die Kettfäden immer gespannt halten, als Flaschen bezeichnet.

Die Art und Weise, wie das Seil über die Rollen geführt ist, wird als Einscherung bezeichnet.

Anwendungen

Für die Geschichte des Krans, siehe Kran.
Römischer Baukran, Rekonstruktion

Bereits in der Antike war die Kraftminderung durch Anwendung der Hebelgesetze bekannt. Die erste bildliche Darstellung der Kombination von Seil und einfacher Rolle findet sich bereits auf einem assyrischen Relief um 970 v. Chr.. Im alten Rom, unter der regen Bautätigkeit der Cäsaren, war der Baukran unentbehrlich zur Errichtung der Arenen. Dank verschiedener Umlenkrollen konnten die Bedienungsmannschaften bis zu sieben Tonnen schwere Steinblöcke heben. Auch Leonardo da Vinci machte sich in seinen Erfindungen den Flaschenzug zunutze.

In der Renaissance, 1586, fand der Flaschenzug seine spektakulärste Anwendung beim Transport und der Aufrichtung der Obelisken auf dem Petersplatz in Rom durch den Ingenieur Domenico Fontana. Bis 1861 blieb der Flaschenzug und seine Anwendung weitgehend unverändert. Erst mit dem Differentialflaschenzug, zum ersten Male in London eingesetzt, konnte eine Effizienzsteigerung erreicht werden. Bei diesem Flaschenzug beträgt die Kräfteverstärkung 1:1000, das heißt, mit einem Kilo (ungefähr 10 N) Zugkraft kann man 1 t (etwa 10.000 N) Gewicht anheben. Heute werden Flaschenzüge vor allem bei Kränen oder Spannvorrichtungen für Fahrdrähte eingesetzt.

Schweizer Flaschenzug

Ein Schweizer Flaschenzug ist ein Verfahren der Spaltenbergung bei Unfällen am Gletscher mit Hilfe eines kombinierten Potenz- und Faktorenflaschenzugs.

Münchhausentechnik

Die Münchhausentechnik ist zur Selbstrettung geeignet, wenn beispielsweise der vorausgehende Bergführer in eine Spalte stürzt und der Partner keine Rettungstechniken beherrscht.[1]

Bauformen

Faktorenflaschenzug

verschiedene Flaschenzüge, n=1, 2, 3 und 4

Die Rollen bei einem Flaschenzug können sehr unterschiedlich angeordnet sein. Für die Zugkraft entscheidend ist aber immer die Anzahl der tragenden Seile, auf die sich die Last verteilt. In der rechts abgebildeten Grundform des Flaschenzugs ist die Spannung σ an jeder Stelle des Seils gleich. Die Gewichtskraft FL der Masse wird daher gleichmäßig auf alle n Verbindungen zwischen den unteren und den oberen Rollen, den tragenden Seilen, verteilt. Die Zugkraft am Ende des Seils ist proportional zur Spannung im Seil und somit gilt

F_\mathrm{Z}=\frac{F_\mathrm{L}}{n}=\frac{m\cdot g}{n}.

Nach der Goldenen Regel der Mechanik bedeutet das allerdings, dass der Haken eine längere Strecke s bewegt werden muss, um die gleiche Höhenänderung h zu erreichen:

s=n\cdot h

Es lässt sich leicht zeigen, dass die dazu benötigte Energie von n unabhängig ist:

E = F_\mathrm{Z} \cdot s= \frac{F_\mathrm{L}}{n}\cdot n\cdot h = F_\mathrm{L} \cdot h=m\cdot g \cdot h.

Potenzflaschenzug

Potenzflaschenzug

Beim Potenzflaschenzug wird die Krafteinsparung ausschließlich mittels loser Rollen erzielt: Das Seil jeder Rolle ist an der Stütze und der nächsten Rolle befestigt. Während auf die untere lose Rolle noch die volle Gewichtskraft wirkt, wird diese beim unteren Seil schon halbiert, sodass an der oberen losen Rolle nur noch die halbe Kraft angreift. An dieser Rolle wird die Kraft nochmals halbiert. Am Seil der letzten Rolle wirkt schließlich die Zugkraft, die durch eine feste Rolle nach unten umgelenkt wird. Dadurch potenziert sich die Wirkung mit der Anzahl n der losen Rollen:

F_\mathrm{Z} = \frac{F_\mathrm{L}}{2^n}

Differenzialflaschenzug

Differenzialflaschenzug

Der Differenzialflaschenzug besteht aus zwei festen Rollen, die fest miteinander verbunden sind und unterschiedliche Durchmesser haben. Die Last hängt an einer losen Rolle. Bei diesem Flaschenzugtyp wird ein durchgehendes (d. h. an den Enden verbundenes) Seil verwendet, in dem die Spannung nicht überall gleich ist. Das Seil wird von der größeren Rolle zur Last und auf der anderen Seite über die kleinere Rolle zurückgeführt. Durch die Anordnung wirkt das Drehmoment der kleinen Rolle dem der großen Rolle entgegen, sodass nur die Differenz als Zugkraft aufgewandt werden muss; hinzu kommt die Halbierung der Lastkraft durch die lose Rolle. Je kleiner der Durchmesserunterschied zwischen den beiden Rollen ist, desto effektiver arbeitet der Differentialflaschenzug:

F_\mathrm{Z} = \frac{F_\mathrm{L}}{2} \cdot \frac{R - r}{R}

Ein wichtiger Vorteil dieses Flaschenzugtyps ist die Material- und Gewichtsersparnis. Durch das umlaufende Seil ist dessen Länge vom Übersetzungsverhältnis des Flaschenzugs fast unabhängig. Weiterhin sind immer nur drei Rollen erforderlich. Da für die Funktion ein (rutsch-)fester Kontakt der beiden Seile mit den Rollen erforderlich ist, wird bei einem Differenzialflaschenzug statt des Seils auch oft eine Kette verwendet, deren Glieder über verbundene Zahnräder laufen.

Reibungsverluste/Wirkungsgrad

Alle oben genannten Gleichungen gelten nur unter der Voraussetzung, dass keine Verluste durch Reibung auftreten. In der Praxis jedoch sind die Reibungsverluste des Seils an den Umlenkrollen bzw. die der Umlenkrollen selbst sowie die Tatsache, dass die beweglichen Umlenkrollen, die untere Aufhängung und nicht zuletzt auch das nun längere Seil eine Masse besitzen, die mit angehoben werden muss, nicht zu unterschätzen und F_\mathrm{Z} > \frac{F_\mathrm{L}}{n}. Daher erscheint die Definition eines Wirkungsgrades für den Flaschenzug sinnvoll

\eta=\frac{W_\text{nutz}}{W_\text{zu}}=\frac{F_\mathrm{L} \cdot h}{F_\mathrm{Z} \cdot s}.

Siehe auch

Weblinks

Belege

  1. Die Münchhausentechnik - Der Lügenbaron als Bergretter

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  • Flaschenzug — (Rollenzug), Vorrichtung zum Heben von Lasten. Der einfachste F. besteht in der Verbindung zweier Rollen durch ein Seil oder eine Kette, von denen jede in einem oft gehäuseartig ausgebildeten Konstruktionsteile, der Flasche (Kloben, Schere),… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Flaschenzug — Fla|schen|zug [ flaʃn̩ts̮u:k], der; [e]s, Flaschenzüge [ flaʃn̩ts̮y:gə]: Vorrichtung zum Heben von Lasten, bei der ein Seil oder eine Kette über eine oder mehrere Rollen geführt wird: die Heuballen wurden mit dem Flaschenzug hochgezogen. * * *… …   Universal-Lexikon

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