Poverty Point

Poverty Point
Poverty Point State Historic Site
Mound A, der größte Mound in Poverty Point
Mound A, der größte Mound in Poverty Point
Poverty Point (USA)
Paris plan pointer b jms.svg
Lage: Louisiana, Vereinigte Staaten
Besonderheit: Einzigartige Erdwerke vom Ende der Archaischen Periode
Nächste Stadt: Ebbs, Louisiana
Fläche: 1,6 km²
32.637496-91.407194

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Poverty Point ist ein archäologischer Fundort im Nordosten des US-Bundesstaates Louisiana nahe der Ortschaft Epps im West Carroll Parish. Das etwa 160 ha große Gelände auf einer Hangkante über der Talebene des Mississippi birgt in Größe und Komplexität einzigartige Erdwerke einer präkolumbischen Indianerkultur, die auf das 18. bis 10. Jahrhundert v. Chr. datiert werden, und damit am Ende der Archaischen Periode liegen. Die Bauten bestehen aus sechs als Mounds bezeichneten künstlichen Hügeln und sechs konzentrischen halben Ringen an einem Hangabbruch zu einem Wasserlauf. Ihre Erbauer gehörten zu einer Jäger-, Sammler- und Fischer-Kultur, die bereits einfache Keramiken herstellte und das Material für ihre steinernen Werkzeuge über Entfernungen von zum Teil über 2000 km bezog. Poverty Point war das Zentrum der und namensgebend für die Poverty Point Culture, eine archäologische Kultur, die in Teilen des heutigen Louisiana und in angrenzenden Gebieten in Mississippi und Arkansas belegt ist und die bis nach Florida ausstrahlte.

Die Anlage wurde im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert als Fundort prähistorischer Artefakte entdeckt, aber erst in den 1950er Jahren wurde die Struktur der Erdbauten auf Luftbildern erkannt. Seitdem finden fast durchgehend Ausgrabungen statt. Die Anlage ist als State Historic Site ausgewiesen und wird vom Louisiana Department of Culture, Recreation and Tourism verwaltet.[1] Seit 1962 ist der Fundort von der Bundesregierung als National Historic Landmark anerkannt,[2] Anfang 2008 schlug das US-Innenministerium Poverty Point als Weltkulturerbe der UNESCO vor, mit der Begründung, Poverty Point sei ein herausragendes Bauwerk einer Jäger- und Sammler-Kultur, die größte Siedlung im Nordamerika seiner Zeit und möglicherweise „die größte Siedlung von Jägern und Sammlern aller Zeiten“.[3]

Der Name Poverty Point stammt von einer gleichnamigen Plantage aus dem 19. Jahrhundert, auf deren Grund die Erdbauten gefunden wurden.

Inhaltsverzeichnis


Die Anlage

Plan der Anlage heute. Motley Mound liegt noch nördlich des gezeigten Ausschnitts.

Poverty Point liegt auf der Marçon Ridge, einer in Nord-Süd-Richtung etwa 200 km langen und bei Poverty Point rund 15 km breiten Flussterrasse, die sich zwischen dem Boeuf River und dem Bayou Marçon erstreckt, zwei Flussläufe, die sich aus Altarmen am Unterlauf des Mississippi gebildet haben. Das heutige Bett des Mississippi verläuft etwa 25 km östlich. Die Terrasse liegt knapp 30 m über dem Meer[4] und ragt etwa 10 bis 12 m über das umgebende Schwemmland. Sie war damit auch in prähistorischer Zeit dauerhaft vor Überflutung geschützt. Die Erdwerke liegen auf dem östlichen, senkrechten Hangabbruch, während die Flussterrasse auf ihrer Westseite flach in das umgebende Sumpfland übergeht. Das Erdreich der Terrasse besteht im Kern aus Schwemmmaterial und Lehm, der von einer mehrere Meter dicken Löss-Schicht überdeckt ist.[5]

Die Ringe

Die Erdbauten bestehen aus sechs konzentrischen halben Ringen, die eine Freifläche an der Abbruchkante einschließen. Die größte Ausdehnung der Ringe in Nord-Süd-Richtung beträgt etwa 1200 m, die Freifläche im Zentrum ist etwa 600 m lang und rund 14 ha groß.[6] Die Ringe waren ursprünglich vermutlich rund 1,6 bis 2 m hoch, sie erreichen heute noch etwas über 1 m. Die sechs Ringe mit linsenförmigem Querschnitt waren durch rund 30 m breite Unterbrechungen radial in sechs Segmente geteilt. Der Abstand zwischen den Kämmen der äußeren Ringe beträgt zwischen 45 und 55 m, die beiden inneren Ringe liegen etwa 80 m auseinander. Im Südwesten führt ein aufgeschütteter Damm über die Ringe und eine Mulde außerhalb, er ist grob auf den südlichsten äußeren Hügel ausgerichtet.[7]

Alle Erdbauten bestehen weit überwiegend aus dem Erdreich der Umgebung, das Material für die Ringe wurde teilweise direkt zwischen ihnen entnommen, so dass sich dort flache Gräben bildeten. Die klumpige Struktur lässt heute noch erkennen, dass das Material in Körben transportiert wurde. Aus der unterschiedlichen Größe der Klumpen zwischen wenigen Kilogramm bis über 25 kg wird abgeleitet, dass Männer, Frauen und Kinder gemeinsam an der Anlage bauten.[8]

Die Mounds

Um die Ringe gruppieren sich sechs als Mounds bezeichnete künstliche Hügel, von denen zwei innerhalb und vier außerhalb der Ringe liegen. Ein weiterer Hügel knapp 2 km südlich ist heute als wesentlich älter erkannt und stand wohl in keinem direkten Zusammenhang, könnte aber als Landmarke für die Ausrichtung der Anlage gedient haben. Der größte Mound (Mound A) liegt im Westen außerhalb der Ringe, nahezu in Flucht mit der mittleren Unterbrechung. Er besteht aus einer halbhohen vorgelagerten Plattform im Osten, aus der nach Westen eine Rampe auf einen Kegel aufsteigt, die an der Spitze eine kleine Plattform erreicht. Die Gesamtform wurde von frühen Ausgräbern als Vogel mit dem Kopf an der Spitze, der Rampe als Rücken, der Plattform als Schwanz und dem Kegel als ausgebreitete Flügel angesehen, so dass Mound A auch als Bird Mound bezeichnet wird. Die Interpretation gilt heute als rein spekulativ. Der nächstkleinere ist Motley Mound, mehr als 1 km entfernt im Norden. Er könnte ebenfalls in der Form von Mound A angelegt worden sein, ist aber schlecht erhalten oder wurde nie fertiggestellt. Die beiden Mounds im Inneren der Ringe waren grob oval, Sarah’s Mound (Mound D) ist linsenförmig, während Dunbar Mound (Mound C) zu einer umlaufenden Plattform aufsteigt, in deren Mitte sich eine Kuppe erhebt. Mound B, außerhalb im Nordwesten, war rund, Ballcourt Mound (Mound E), außerhalb im Südwesten, hatte eine rechteckige Grundform und war oben abgeflacht. Die Hügel maßen ursprünglich etwa 20 m Höhe für den größten Mound A, vermutlich 15 m für Motley Mound, 7 m für Mound B und gut mannshoch für die anderen.[7]

Die drei äußeren Mounds nahe den Ringen sind nahezu exakt auf einer Nord-Süd-Achse angeordnet. Motley Mound liegt genau nördlich von Dunbar Mound. Bei früheren Vermessungen ging man davon aus, dass sie jeweils eine perfekte Flucht bilden und diskutierte über die verwendete Vermessungstechnik. Inzwischen wurden die Annahmen über die Symmetrie und Exaktheit der Anlage und den Stand der Vermessungstechnik ihrer Erbauer relativiert.

Gesamtbild

Die sechs Ringe, sechs Segmente, sechs Mounds gelten als Modell der gesamten Welt. Sechs ist die Zahl der Richtungen, also der vier Richtungen der Sonne, dazu das Oben des Himmels und das Unten der Erde. Die Halbkreise lagen auf der Hangkante, ausgerichtet auf den und offen zum Sonnenaufgang im Osten. Die gesamte Anlage strahlte Harmonie aus und das gilt als ihre Aufgabe: die Harmonie zwischen ihren Erbauern und allen Menschen und den Kräften der Natur herzustellen und zu besiegeln. Die Symmetrie sollte Gefahren abweisen.[9] Die Erdwerke sollten die Kräfte von Leben und Tod beeinflussen. Die „harmonischen Proportionen“ der Gesamtanlage, ihre Ausrichtung zur Sonne und die Ringform, die „den Umlauf der Sonne am Tag und im Jahreskreis“ aufnimmt, versprachen „Schutz vor Tod, Leid, Krankheit und anderen Übeln“.[10] Außerdem schufen sie, folgt man Jon Gibson, Heimat; die Zusammenarbeit bei der Herstellung trug seiner Meinung nach zur Gemeinschaftsbildung bei.[11]

Das Gesamtvolumen der Bauten betrug zwischen 650.000 und über 750.000 m³ Erdreich[8] oder nach jüngeren Schätzungen 750.000–1.000.000 m³.[12] Dies entspricht etwa einem Viertel bis einem Drittel des Volumens der Cheops-Pyramide. Vergleichsversuche mit menschlicher Arbeitskraft erlauben Schätzungen, wie viele Menschen mit den damaligen technischen Mitteln wie lange an den Erdbauten arbeiten mussten. 100 Männer hätten die Anlage in 21–24 Jahren errichten können, wenn sie in Vollzeit daran gearbeitet hätten. Diese Verteilung ist jedoch unrealistisch. In drei Generationen hätten hundert Männer nur sechs oder sieben Tage pro Monat dafür aufwenden müssen, 500 Menschen hätten das Werk in einer Generation erbauen können, wenn sie pro Jahr ein bis zwei Monate dafür eingesetzt hätten. In 300 Jahren hätten 100 Menschen nur wenige Tage pro Monat benötigt. Diese Zahlen erlauben die Aussage, dass eine prähistorische Kultur auf dem Niveau von Poverty Point die Bauten in realistischen Zeiträumen errichten konnte.[8] Es ist jedoch nicht möglich zu sagen, ob über den ganzen Zeitraum daran gearbeitet wurde oder vielleicht nur eine Generation die Hauptleistung getragen hat.[13]

In das Baumaterial vorwiegend der Ringe und in kleinerem Umfang auch in die Mounds sind hunderttausende Artefakte eingelagert. Dabei handelt es sich weit überwiegend um Überreste der Zubereitung von Nahrungsmitteln, Anzeichen der Werkzeugherstellung, aufgegebene, abgenutzte steinerne Werkzeuge selbst, sowie Scherben keramischer Gefäße. Es wurden aber auch einige wenige Schmuckgegenstände gefunden, vorwiegend steinerne Perlen und vereinzelt Anhänger aus Kupfer. Daher wird angenommen, dass die Bewohner in Hütten oder Zeltkonstruktionen auf den Ringen lebten und arbeiteten, obwohl keine eindeutigen Nachweise von Pfostenlöchern gefunden werden konnten.[14] Gesicherte Pfostenlöcher wurden auf der Freifläche im Zentrum der Anlage nachgewiesen. Sie sind ungewöhnlich groß und mit fast drei Metern auch auffallend tief, trotz umfassender Grabungen ließ sich jedoch kein Muster erkennen, so dass Grundriss und Zweck der Konstruktion auf der Freifläche bislang unbekannt sind.[6]

Datierung

Zwischen den 50er Jahren des 20. und Anfang des 21. Jahrhunderts wurden viele Radiokohlenstoffdatierungen an Proben aus Ringen und Mounds durchgeführt. Die Ergebnisse variieren erheblich, so dass eine Datierung der Anlage schwierig ist. In den Anfängen der Radiokohlenstoff-Datierung wurden noch zu wenige Proben genommen und diese nicht ausreichend gegen Verunreinigung geschützt. Für die Mounds wurden in den Jahren 2001 bis 2006 neue 14C-Datierungen erhoben. Durch Ausschluss von Proben, die kalibriert mehr als 100 Jahre aus dem sonstigen Konfidenzintervall herausfallen, wurde daraus 2006 eine grobe Datierung auf die Zeit vom 18. bis zum 10. Jahrhundert v. Chr. vorgenommen.[14]

Mound B wurde als erster Mound radiokohlenstoff-datiert, diese Daten wurden allerdings schon früh und mit unzuverlässigen Methoden ermittelt, gemeinsam und unmittelbar benachbart erhobene Proben weichen um über 1800 Jahre[15] voneinander ab und sind grob fehlerhaft. Jüngere Untersuchungen aus dem Jahr 2001 erlauben die Annahme, dass Mound B im Norden das älteste Bauwerk der Anlage ist und innerhalb einer sehr kurzen Bauzeit von Wochen oder wenigen Monaten zu einem unbekannten Zeitpunkt zwischen 1738 und 1522 v. Chr. errichtet wurde. Mound E im Süden wurde fast gleichzeitig oder kurz darauf aufgebaut. Mound C ist schwierig zu datieren, weil der Bauplatz zwischen dem Abtragen der obersten Bodenschicht zum Herstellen einer ebenen Fläche und dem Beginn der Aufschüttungen als Wohnplatz verwendet wurde. Er folgte aber vermutlich nach den beiden erstgenannten Mounds. Für Mound A, den größten der künstlichen Hügel, liegen seit 2007 gute Daten vor. Eine plausible Interpretation im Zusammenhang mit Daten der Gesamtanlage nimmt einen Baubeginn nach 1431 v. Chr. an. Die Konfidenzintervalle weisen darauf hin, dass er wohl erst nach Abschluss von Mound C begonnen wurde. Auch er wurde innerhalb einiger Wochen oder weniger Monate erbaut.[12] Mound D ist der jüngste Teil der Anlage, er wurde am Ende der archaischen Periode und vielleicht erst in der Woodland-Periode erbaut, weil Woodland-Artefakte in den obersten Schichten des Mounds eingelagert gefunden wurden. Das deutet darauf hin, dass dort möglicherweise ursprünglich kein Mound angelegt worden war, sondern er erst nachträglich auf und an die Ringstruktur an der Hangkante aufgeschüttet wurde.[14]

Die Datierung der Ringe ist aufgrund der Probennahme nach heute überholten Methoden unzuverlässig. Neuere systematische Daten liegen hier bisher nicht vor. Sie wurden wohl im 18. oder 17. Jahrhundert v. Chr. begonnen,[14] wobei die Daten so über die Ringe verteilt sind, dass die Fehlermarge keine Aussagen über die Reihenfolge der Bauten erlaubt.[7]

Tradition und Vorläufer

Die Marçon Ridge wurde vor rund 11.000 Jahren von Paläo-Indianern besiedelt. Die frühesten Funde im Gebiet zählen zur Clovis-Kultur und bestehen in Projektilspitzen und Faustkeilen.[16] Während die Angehörigen der Clovis-Kultur im gesamten Verbreitungsgebiet in kleinen Verbänden als Jäger und Sammler je nach Saison den Nahrungsquellen folgend durch große Gebiete streiften, war die Marçon Ridge ein so attraktiver Lebensraum, dass sie ganzjährig bewohnt wurde. Der Rücken im Sumpfland war locker mit Baumarten bewaldet, die Eicheln, Pekannüsse und andere Früchte trugen. Die Wälder waren reich an jagbarem Wild, das zur Flutsaison aus der ganzen Region auf dem Rücken konzentriert war. Allerdings fehlten auf dem Rücken aus Sedimenten und Löss jegliche Steine. Die Clovis-Kultur bezog das Material für ihre Werkzeuge aus rund 800 km entfernten Steinbrüchen auf dem Edwards Plateau in Texas wo Hornstein in guter Qualität vorkam, der bereits dieser ersten flächendeckenden amerikanischen Kultur bekannt war. Ebenfalls bekannte Fundstellen für qualitativ gleichwertigen Feuerstein bei Fort Payne in Alabama waren zwar nur rund 400 km entfernt, lagen aber auf dem anderen Ufer des Mississippi. Dessen Unterlauf war kurz nach dem Ende der letzten Eiszeit (in Nordamerika als Wisconsin Glaciation bezeichnet) durch den über viele Jahrhunderte langsam abschmelzenden Laurentidischen Eisschild ganzjährig so angeschwollen, dass er höchstens in harten Wintern passierbar war, wenn er vollständig zugefroren war.

Die Dalton- und die San-Patrice-Kultur am Beginn der Archaischen Periode bis etwa 5500 v. Chr. unterschieden sich im Stil der Steinwerkzeuge und es wurden neue Quellen für verschiedene Werkzeugsteine erschlossen. Die Bevölkerungszunahme führte dazu, dass sich Gruppen bildeten, die bestimmte Gebiete besiedelten, so dass es „die größte Veränderung war, Nachbarn zu haben.“[17] Die Menschen wachten über die Grenzen ihrer Territorien. Die Beschaffung von Stein für Werkzeuge wurde für die Bewohner der Marçon Ridge zunehmend schwieriger, so dass sie auf Hornstein-Kies auswichen, der nur rund 50 bis 80 km westlich zwischen dem Ouachita und dem Red River gefunden wurde. Die Steine waren zwar kleiner, ließen sich aber genauso bearbeiten.

In der Archaischen Periode, um 5500 v. Chr., trat eine Klimaveränderung ein. Für mehrere Jahrtausende wurde der Südosten Nordamerikas trockener. Wälder gingen etwas zurück, Wiesen breiteten sich aus, die Strömung des Mississippi verringerte sich, so dass er mehr Sedimente ablagerte, wodurch die Flusssohle und in der Folge der Wasserspiegel stiegen und sich das Bett häufiger umlagerte. Die Bewohner der Marçon Ridge entwickelten neue Techniken zur effizienteren Nutzung von Baumfrüchten und Ölsamen und der Fischfang nahm an Bedeutung zu. Die Bevölkerungsdichte stieg weiter an und die Menschen bauten einen bescheidenen Austausch von Gütern auf. Arkansasstein aus den 200 km entfernten Ouachita Mountains und Quarz wurden in kleinem Rahmen herbeigeschafft. Die Mengen waren so gering, dass es sich um persönliche Geschenke oder Brautpreise handeln kann.[18]

Im Norden des Südostens, am Ohio River und seinen Nebenflüssen, wie dem Green River entstanden um 4000 v. Chr. große und systematisch angehäufte Strukturen aus Muschelschalen, die so genannten shell middens. In der nach dem Fundort Indian Knoll benannten Indian Knoll phase errichteten die dortigen Bewohner runde, halbkreis- oder ringförmige Strukturen aus den Überresten der Nahrungszubereitung. Ob dafür bereits eine planvolle Zusammenarbeit und Leitung erforderlich war oder ob die Grundstruktur aus der Nutzung entstand und dann über längere Zeit ohne Plan oder Führung ausgebaut wurde, ist bislang nicht zu beantworten.[19]

Ebenfalls um 4000 v. Chr. begannen die Menschen gemeinsam Bauprojekten zu arbeiten, die nach Art, Material und Umfang nur als planvoll angenommen werden können. Die ersten Mounds entstanden am Unterlauf des Mississippi. Sie waren klein und rund; um 1,50 m hoch und mit höchstens 15–20 m Durchmesser. Daraus entwickelten sich wesentlich größere Erdbauten, auch solche, die aus mehreren Elementen zusammengesetzt wurden. Die älteste große Anlage war Watson Brake, beim heutigen Monroe in Louisiana, etwa 95 km von Poverty Point entfernt und rund 2000 Jahre älter. Watson Brake ist schlecht erhalten und bestand aus einem großen Mound und neun oder zehn kleinen, die einen Kreis von der Größe eines Fußballfeldes bildeten. Im Norden von Poverty Point wurden bei frühen Ausgrabungen im äußersten Ring mehrere Proben genommen, die bereits in die mittelarchaische Zeit datiert wurden. Sie wurden zumeist als Messfehler aufgrund der noch unzureichenden Technik interpretiert, könnten aber auch auf eine kleine Vorgänger-Konstruktion hindeuten.[14]

Über die Motivation der ersten Mound-Bauer gibt es eine Vielzahl von Spekulationen. Demnach waren die Bauten Symbole oder sie veränderten das Aussehen der Landschaft. Sie schufen Heimat, wie Gibson mutmaßt. Erzählungen heutiger und historischer Indianer-Kulturen bringen die Mounds mit ihrer Schöpfungsgeschichte und ihrem Schöpfer in Verbindung.[20] Sicher kann angenommen werden, dass die Mounds magisch und ihr Bau eine ehrenvolle Tat der Gemeinschaft war, um die Kräfte des Universums positiv zu beeinflussen, und an oder auf den Mounds fanden rituelle Handlungen statt. Die Zeremonien werden als Zusammenkünfte verstreut lebender Gruppen angesehen, mit Bedeutung für den Austausch von Legenden, praktischem Wissen und als Heiratsmarkt.[20]

Verschiedene Steingewichte, teilweise mit Gravuren
Weibliche Figuren aus Löss und Ton
Poverty Point Objects: Lössballen. Hier ungewöhnlich aufwändig geformte und verzierte Exemplare

Poverty Point Culture – die Erbauer

Am Ende der Archaischen Periode traten am Unterlauf des Mississippi zwei simultane Veränderungen auf: Die Bewohner bezogen gewaltige Mengen exotischen Gesteins auch aus weit entfernten Quellen und sie begannen mit dem Bau der größten bekannten Anlage aller Jäger- und Sammler-Kulturen. Als Anstoß wurde die Einführung von Hämatit und Magnetit aus den Boston Mountains auf dem Nordufer des Arkansas Rivers beschrieben.[11] Beide Gesteine sind Eisenerze und haben ein besonders hohes spezifisches Gewicht. Daher eignen sie sich für Steingewichte an Fischernetzen, insbesondere Stellnetze und Wurfnetze. In Gewässern mit nennenswerter Strömung müssen diese beschwert werden, um nicht aufzutreiben.

Die Verwendung von kleinen, handhabbaren Gewichten aus dem exotischen Material könnte den Fischfang wesentlich ertragreicher gemacht haben. Wenige spezialisierte Fischer konnten so eine größere Bevölkerung ganzjährig mit den Grundnahrungsmitteln versorgen. Da Fisch, zumal im warmen Klima Louisianas, nicht aufbewahrt werden kann, konnten sie den Ertrag auch nicht sinnvoll für individuelle Zwecke nutzen, sondern stellten ihn der Allgemeinheit zur Verfügung. Dadurch wurde erhebliche Arbeitskraft frei, die für Gemeinschaftsprojekte genutzt werden konnte, um eine Anlage vom Umfang Poverty Points zu errichten.[21] Das Vorbild der Fischer könnten auch die Mitglieder der Gemeinschaft, die über Beziehungen zu anderen Sippen in Gebieten mit Steinvorkommen verfügten, veranlasst haben, ihre Ressource nicht individuell zu nutzen, sondern der Gemeinschaft zugänglich zu machen. Die Gesellschaft muss als egalitär gelten, da sich keine Anzeichen für eine soziale Schichtung erkennen lassen. In Poverty Point und den Außenstellen der Poverty-Point-Kultur wurden keinerlei Horte von exotischem Gestein gefunden und keine Hinweise darauf, dass sich Individuen Steine über den eigenen Bedarf hinaus aneigneten. Stattdessen scheint das Material nach den Aufgaben verteilt worden zu sein; wer für seine Tätigkeit ein Werkzeug aus speziellem Stein brauchte, der bekam es.[11]

Artefakte

Die Lage von Poverty Point am Unterlauf des Mississippi bot die Möglichkeit, per Boot gewaltige Steinmassen aus dem gesamten Flusssystem zu beziehen. Bleiglanz kam vom oberen Mississippi im heutigen Missouri, Wisconsin und Iowa, besonders hochwertiger Feuerstein (grey northern flint) vom Nebenfluss Ohio, einzelne Stücke Hornstein von dessen Zufluss, dem Tennessee River. Speckstein wurde aus dem heutigen Süden Tennessees bezogen, entweder über den Tennessee River oder vom Fundort zum Golf von Mexiko und dann auf dem Meer bis zur Mündung des Mississippis. Aus dem Speckstein wurden Schüsseln und Schalen geschnitten, die aber selten und vermutlich kostbar waren. Kupfer wurde in kleinen Mengen von den Großen Seen im heutigen Ontario im Süden Kanadas bezogen. Daneben wurden weiterhin die bisherigen Quellen für gewöhnlichere Gesteine in der Nähe genutzt.[22] Die Gesamtmenge importierten Gesteins wird auf etwa 70 Tonnen geschätzt.[23]

Je nach Zweck wurden aus den unterschiedlichen Gesteinen vielfältige Werkzeuge angefertigt. Grobe Grabstöcke mit Steinkopf dienten dazu, essbare Wurzeln auszugraben, Faustkeile wurden zu Erdarbeiten eingesetzt, Projektilspitzen auf Wurfspeeren waren die Jagdwaffe. Polierte Steingewichte waren an als Atlatl bezeichneten Speerschleudern befestigt, kleine Formen waren vermutlich an Fischernetzen befestigt. Schaber und verschiedenste Klingen aus scharfkantig und flach abgesplittertem Stein dienten zur Zerkleinerung von Nahrung und der Bearbeitung von Leder. Typische Artefakte für Poverty Point selbst, nicht aber für alle peripheren Orte, sind als Microblades bezeichnete Klingen aus sehr schmalen Abschlägen. Sie weisen häufig nur an einer Seite Abnutzungsspuren auf. Daher wird diskutiert, ob sie in nicht erhaltene hölzerne oder knöcherne Griffe eingelassen waren und zum Abschaben von Wurzeln wie des Wasser-Lederhülsenbaums (Gleditsia aquatica) dienten. Dies könnte eine wichtige Quelle von Kohlenhydraten der Bevölkerung dargestellt haben.[24]

Gefäße sind seltene Funde, sie bestanden überwiegend aus Speckstein, teilweise aus Sandstein, daneben aus Keramik. Die Keramik war einfach, jedoch wurden Scherben mit verschiedenen Magerungsmittel gefunden. Umstritten ist, ob die Keramik an Ort und Stelle produziert oder importiert wurde. Materialanalysen lassen vermuten, dass höchstens ein kleiner Teil der wenigen keramischen Scherben aus lokalem Material bestand.[25] Dabei wird vermutet, dass zunächst in Poverty Point die Herstellung von einfacher Keramik aus lokalem Material erfunden wurde, bevor Keramiktechniken mit Pflanzenfasern als Magerungsmittel importiert wurden.

Schmuckstücke wurden in Form von Kettenanhängern aus Keramik, Stein und Kupfer gefunden. Kultischer Charakter kann kleinen Figuren unterstellt werden, die Tiere beziehungsweise androgyne oder eindeutig weibliche Menschen abbilden. Aus Jaspis wurden kleine Tierfiguren gefertigt, die als Eulen gedeutet werden. Sie wurden auch an anderen Orten der Poverty-Point-Kultur gefunden und gelten als charakteristische Artefakte auch wenn ihre spezifische Bedeutung unbekannt ist.[26] In Steinen und keramischen Gefäßen wurden Ritzungen gefunden. Die meisten stellen Tiere (Vögel, Schildkröten und selten nicht identifizierbare, vierfüßige Tiere) dar oder sind geometrisch dekorativ. Einige bestehen aus komplizierten Glyphen, die runde und geschwungene Formen der Natur mit geometrischen Figuren kombinieren.[27] Die kleinen figürlichen Darstellungen werden als Fetische oder Talismane interpretiert, die eigene Kräfte entwickeln oder diese symbolisieren.[11]

Die häufigsten Fundobjekte und charakteristischen Artefakte für die Poverty-Point-Kultur sind die so genannten Poverty Point Objects, kurz PPO, aus Löss geformte und getrocknete Erdballen von 2,5 bis 5 cm Größe in mehreren typischen Formen. Sie dienten zum Kochen in Erdöfen, indem sie im Feuer erhitzt und dann in teilweise mit Ton ausgeformte Erdgruben zusammen mit der Nahrung gelegt wurden. Die Erdballen gaben die Hitze kontrolliert ab und mit etwas Übung war es möglich, die Temperatur und Garzeit zu steuern.

Kulturraum

Die eigentliche Poverty-Point-Kultur erstreckte sich über ein Gebiet von rund 1800 km². Die Poverty-Point-Anlage war das kulturelle Zentrum und lag auch geografisch zentral. In allen Richtungen außer im Osten, der Flutebene, lagen auf der Marçon Ridge im Umkreis von etwa vier bis sechs Kilometern mehrere kleine Siedlungen, die den Kern der Kultur bildeten. Weitere kleine Siedlungen und dutzende Wohnplätze lassen sich in Entfernungen bis etwa 33 km nachweisen. Sie werden als Peripherie angesehen, die den Kern mit Lebensmitteln versorgte. Entlang der Marçon Ridge und vereinzelt auch in den Sümpfen westlich davon wurden weitere Siedlungen gefunden, die der Poverty-Point-Kultur zugerechnet werden. Ihre Entfernung zum Zentrum betrug mehrere Tagesreisen, sie waren sehr unterschiedlich stark an das Zentrum gebunden. Gemeinsamkeiten und Unterschiede existieren bei Materialien, Werkzeugformen und Stilen im künstlerischen Ausdruck.[11]

Die Kultur strahlte weit über dieses Gebiet hinaus: Entsprechende Funde wurden gleichermaßen an der Yazoo site in der östlichen Flutebene des Mississippis gemacht, wie in Grand Marais am Mittellauf des Ouachita Rivers. Ein Mound mit Poverty-Point-Bezug, allerdings wesentlich kleiner als im Kerngebiet, wurde in Catahoula am Unterlauf des Ouachita erkannt.[10] Gut erforscht ist die Claiborne site an der Küste des Golf von Mexico östlich des heutigen New Orleans.[28] Als entfernteste Region mit Povery-Point-Einfluss gilt der Elliot’s Point Complex an der Nordwest-Küste Floridas. Er besteht aus über 90 einzelnen Fundorten[29] im Florida Panhandle, die durch exotisches Gestein und Koch-Bällchen aus Ton sowie charakteristische Siedlungsstrukturen dem Poverty-Point-Kulturraum zugeordnet werden. Allerdings sind dort die Nachweise der Steinbearbeitung weit seltener als im Kerngebiet der Kultur und in den Küstengebieten liegen die Fundorte an shell middens statt Mounds.[30]

Motivation und Austausch von Gütern

Es gibt verschiedene Theorien, wie die Erbauer von Poverty Point den Bezug der Gesteine von weit entfernten Fundorten organisierten und motivierten. Jon Gibson diskutiert den Austausch mit Handelsgütern, die keine archäologischen Spuren hinterlassen haben, wie Salz und Federn des Nashornpelikans, die als Schmuck und zu zeremoniellen Zwecken verwendet worden sein könnten. Er verwirft dies jedoch und nimmt an, dass alle Bewohner des Südostens Nordamerikas im Einzugsgebiet des Mississippis und darüber hinaus das Projekt Poverty Point unterstützen wollten. Die Gegenleistung für den Bezug der Steine war die Errichtung der Anlage, die durch ihre Form und Ausrichtung eine globale Harmonie der Welt herstellen sollte. Er glaubt, die zentrale Motivation der Lieferungen sei die „Macht der Güte“ gewesen.[11] Allgemeinere Deutungsansätze sprechen davon, dass Poverty Points Einfluss „in symbolischer Macht begründet lag, nicht in der Ausweitung von wirtschaftlicher oder politischer Macht.“[10]

Andere Ansätze sehen Poverty Point als Gemeinschaftsprojekt und Symbol für das Aufeinandertreffen und Zusammenwirken von Vorgängerkulturen, also der im Norden und den Mississippi flussaufwärts gelegenen Kulturen mit den Küstenkulturen im Süden und Südosten. Sie hätten demnach ihre jeweiligen Fähigkeiten in das gemeinsame Vorhaben eingebracht. Analog früheren Kulturen der Archaischen Periode hätten auch die Angehörigen der Poverty-Point-Kultur Reisen zur Initiation in die Gemeinschaft unternommen. Sie hätten jedoch die Entfernungen dieser Fahrten deutlich erweitert und von den realen oder mythischen Orten ihrer Herkunft Materialien mitgebracht.[10]

Das Ende der Poverty-Point-Kultur

Das Ende der Poverty-Point-Kultur war zugleich der Umbruch von der Archaischen Periode zur Woodland-Periode. Die Ursachen sind unklar. Neben klimatischen Veränderungen mit Folgen für die Nahrungsversorgung wird auch diskutiert, ob der Aufwand für die Anlage von Poverty Point mit dem damit verbundenen Sozialsystem und den Wirtschaftsformen die Möglichkeiten der Kultur mittel- und langfristig überforderte. Möglicherweise ließen sich die sozialen Organisationen nicht mehr aufrechterhalten, Handel und überregionale Kontakte wären demnach zusammengebrochen. Der kulturelle und soziale Neuanfang im Poverty-Point-Gebiet wird als Tchefuncte-Kultur bezeichnet, die bereits der Woodland-Periode zugerechnet wird. Sie ist nicht nur durch die weite Verbreitung und lokale Herstellung von Keramik gekennzeichnet, sondern zeichnet sich durch neue soziale Strukturen aus, die sich in den Artefakten und Siedlungsformen niederschlagen.[31] Im Verlauf der Woodland-Periode wurde der Ackerbau am Unterlauf des Mississippi eingeführt. Mounds wurden auch in der Woodland-Periode errichtet, jedoch keine komplexen Anlagen wie Poverty Point.

Als indirekte Nachfolger der Poverty-Point-Kultur gelten die Koroa und weitere Angehörige der Tunica-Sprachfamile.[32]

Schräg-Luftbild von Poverty Point 1938
Orthorektifizierte Luftaufnahme von Poverty Point 1938. Auf diesen Bildern wurden die Zusammenhänge der Erdbauten erkannt.

Forschungsgeschichte

1832 zogen der Pflanzer Phillip Guier und seine Frau Sarah aus Kentucky ins nördliche Louisiana und kauften einen Teil des Geländes, um eine Baumwollfarm zu errichten. Ab 1851 ist der Name Poverty Point für seine Plantage nachgewiesen. Etwa zu diesem Zeitpunkt muss er auch weitere Flächen angekauft haben, so dass die gesamte, noch nicht als solche entdeckte Fundstätte in seinem Besitz war. Trotz der Namensgebung, poverty heißt Armut, war Guier wirtschaftlich erfolgreich, für 1860 gab er ein Vermögen von 120.000 Dollar an. Seine Frau Sarah und einige spätere Familienangehörige wurden auf Mound D begraben, der deshalb auch als Sarah’s Mound bezeichnet wird.[33] Die flachen Ringe fielen den Guiers nicht als künstliche Strukturen auf und wurden durch die Bodenbearbeitung mit dem Pflug über Jahrzehnte langsam abgetragen und partiell eingeebnet.

In den 1830er Jahren notierte ein Siedler namens Jacob Walter seine Beobachtung des großen Mounds A und der an der Oberfläche zu findenden Erdbällchen, den heute so genannten Poverty Point Objects. 1873 fand die erste Vermessung der Region statt, Poverty Point wurde nicht als auffällig erkannt.[34]

Im Winter 1911/12 entdeckte der Archäologe Clarence B. Moore, der auch zahlreiche andere Mounds erforschte, die Anlage und publizierte seinen Bericht von mehreren Mounds, den Erdbällchen und anderen Artefakten.[35] 1926 entsandte die Smithsonian Institution einen Mitarbeiter, der Bruchstücke einer Specksteinschale fand. 1933 versuchte der Archäologe James A. Ford eine Zeittafel der Kulturen am unteren Mississippi zu erstellen. Obwohl er Poverty Point kannte, er war sogar dort gewesen, ließ er den Fundort aus, weil er die Befunde nicht einordnen konnte. 1935 grub der Arzt und Amateur-Archäologe Clarence Webb einen Graben am Fuß eines Mounds aus, in dem tausende Bruchstücke von Gefäßen aus Speckstein lagen. Sein Fund wurde 1944 publiziert, Webb blieb der Fundstelle verbunden und arbeitete an späteren Grabungen mit. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Region nach Erdöl und -gas erkundet, ein Ölunternehmer sammelte an Poverty Point große Mengen an Artefakten und arbeitete in den 1950er Jahren mit den Archäologen zusammen.

Bei den Ausgrabungen der Works Progress Administration im Rahmen des New Deals der 1930er Jahre und in weiteren umfassenden Publikationen zur Siedlungsgeschichte der Region in den 1940er und frühen 1950er Jahren wurde Poverty Point völlig ignoriert. Die Artefakte passten stilistisch zu keiner bekannten Kultur, Form und Größe der bis dahin erkannten Mounds ließen sich nicht einordnen.

In den 1950er Jahren finanzierte das American Museum of Natural History in New York die erste groß angelegte Ausgrabung. James A. Ford besorgte zur Vorbereitung Luftaufnahmen, die das United States Army Corps of Engineers in den 1930er Jahren für den Deichbau angefertigt hatte. Er erkannte auf den Bildern erstmals, dass die Geländerippen, die bis dahin für unregelmäßig und natürlichen Ursprungs gehalten worden waren, eine geometrische Anlage darstellten und dass sie, nicht die Mounds, die eigentliche Besonderheit Poverty Points waren. Ford und sein Kollege Robert Neitzel diskutierten, ob es sich ursprünglich um eine geschlossene, achteckige Anlage handelte, die teilweise mit dem Gelände erodiert war, oder ob die Ringe als Halbkreise zu einem schon bei der Erbauung vorhandenen Hangabbruch orientiert waren und darüber, ob alle Mounds zur Anlage mit den Ringen gehörten.[14] Bei den Grabungen fanden sie hunderttausende PPOs in Feuergruben, daraufhin begannen sie mit den wahrscheinlich ersten Ansätzen experimenteller Archäologie in Amerika und formten selbst Bällchen aus Löss, experimentierten mit ihnen und wiesen so ihren Zweck nach. Außerdem nahmen sie die ersten 14C-Datierungen vor, noch mit unzulänglichen Methoden, was in großen Konfidenzintervallen resultierte.

Bis zu Fords Tod Ende der 1960er Jahre arbeiteten Ford und Webb zusammen und entwarfen Konzepte der Kultur von Poverty Point und der Anlage. Sie gingen noch davon aus, dass es sich um eine Siedlung handeln müsse, die bereits Ackerbau betrieb und nahmen an, dass Mais die Ernährungsgrundlage der Menschen gewesen sei. Außerdem spekulierte Ford über Einflüsse aus Mesoamerika, die chronologischen Zusammenhänge und eine Invasion von Angehörigen der erst in der Folge als wesentlich jünger erkannten Hopewell-Kultur aus dem Norden, die den Anstoß zum Bau der Anlage gegeben hätte.[36]

In den 1970er Jahren stieß Jon Gibson zu den Archäologen um Webb und wurde für die nächsten dreißig Jahre der einflussreichste Experte für die Kultur von Poverty Point. Er entwickelte die Theorie, dass hier das erste Häuptlingstum auf dem nordamerikanischen Kontinent entstanden wäre. Die These brach in den frühen 1980ern zusammen, als deutlich wurde, dass Poverty Point keine agrarische Gesellschaft war und auch keine Anzeichen für Gesellschaftliche Schichten und eine Struktur mit Häuptlingen gefunden wurden. Der Ausbau des Fundortes zu einer Gedenkstätte des Staates Louisiana mit Museum ermöglichte neue Grabungen und 14C-Datierungen. In den 1980 und 90er Jahren wurden auf der Marçon Ridge und in der umliegenden Region eine Vielzahl peripherer Siedlungen und Lager gefunden, die in engem Austausch mit Poverty Point standen. Die Forschung konzentrierte sich auf die Beziehungen zwischen den Orten der Poverty-Point-Kultur einerseits und dem Austausch, insbesondere von Gestein, mit Menschen außerhalb der Kultur.

Neuere Probennahmen und Grabungen an den Mounds erlauben seit 2001 eine Überprüfung früherer Datierungen und dadurch weitgehend gesicherte Daten zur Erstellung der Anlage. Neben 14C-Daten liegen auch Thermolumineszenz-Daten von in den Mounds gefundenen keramischen Objekten vor.[14] 2001 wurde punktuell eine geomagnetische Prospektion vorgenommen. Damit konnte nachgewiesen werden, dass Unterschiede in der Zusammensetzung der verbauten Erde, Ansammlungen von organischem Material als Siedlungsabfall und Kochgruben auch zerstörungsfrei von der Oberfläche gefunden werden können.[6] Seit 2002 liegt auch ein detailliertes digitales Geländemodell vom heutigen Zustand der Anlage vor.[6]

Poverty Point heute

Die Anlage wurde 1962 auf Initiative der Archäologen als National Historic Landmark ausgewiesen.[37] Der Bundesstaat Louisiana kaufte das Gelände 1972 an und widmete es als State Historic Site. Auf der Freifläche im Zentrum der Ringe steht seit 1975 ein kleines Besucherzentrum mit Museum, von dem aus täglich mehrmals Führungen, auch mit einer Wegebahn angeboten werden. Ein etwa vier Kilometer langer Rundweg führt durch das Gelände, vorbei an den am besten erhaltenen Ringen und den großen Mounds.[1] Im Norden liegen jenseits eines kleines Wasserlaufs Unterkünfte und Werkstätten für Archäologen. 1988 schuf der Kongress die Voraussetzungen für eine Übernahme durch den Bund als National Monument.[38] Der Staat Louisiana hätte die Flächen jedoch kostenlos abgeben müssen, was von Louisiana abgelehnt wurde.[38] Das National Monument ist daher nur eine formale Hülle. Seit 2008 steht Poverty Point auf der Tentativliste für die Ausweisung als UNESCO-Welterbe.[3] Die Smithsonian Institution nahm die Anlage 2010 in ihren Forschungsverbund auf.[39] Das erleichtert dem State Historic Site den Zugang zum Verleih von Sammlungsgegenständen für Ausstellungen, zu Fortbildungsveranstaltungen und der Zusammenarbeit bei Forschungs- und Bildungsprogrammen.[40]

Literatur

  • Jon Gibson: The Ancient Mounds of Poverty Point. University of Florida Press, Gainsville et al, 2000, ISBN 0-8130-1833-1
  • Kathleen M. Byrd (Hrsg.): The Poverty Point Culture – Local Mainfestations, Subsistence Practices, and Trade Networks, Volume 29 of Geoscience & Man, Geoscience Publications, Louisiana State University, Baton Rouge, 1991, ISBN 0-938909-50-9
  • Jon Gibson: Poverty Point – A Terminal Archaic Culture of the Lower Mississippi Valley, Department of Culture, Recreation and Tourism, Louisiana Archaeological Survey and Antiquities Commission, 1996 (auch in Kurzfassung online: Poverty Point)
  • James A. Ford, Clarence H. Webb: Poverty Point, a Late Archaic Site in Louisiana. Anthropological Papers Vol. 46, Pt. 1. American Museum of Natural History, New York, 1956 (die Erstbeschreibung der Ausgrabungen von 1953 bis 1955, auch online, PDF, 55 MB, 150 Seiten einschließlich Bildtafeln)
  • George R. Milner: The Moundbuilders – Ancient Peoples of Eastern North America. Thames & Hudson Inc., New York und London, 2005, ISBN 0-500-28468-7
  • Kathleen O'Neal Gear, W. Michael Gear: People of the owl – a novel of prehistoric North America. New York, Forge, 2003, ISBN 0-312-87741-2 (historischer Roman, der in der Poverty-Point-Kultur spielt)

Weblinks

 Commons: Poverty Point – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Louisiana Office of State Parks: Poverty Point State Historic Site
  2. National Park Service: National Historic Landmarks in Louisiana
  3. a b UNESCO: Poverty Point State Historic Site auf der Vorschlagsliste des Weltkulturerbes
  4. Poverty Point im Geographic Names Information System des United States Geological Survey
  5. Gibson 2000, S. 67
  6. a b c d Michael L. Hargrave, Tad Britt, Matthew Rynolds: Magnetic Evidence of Ridge Construction and Use at Poverty Point. In: American Antiquity, Volume 72, No 4 (2007), Seiten 757–769
  7. a b c Soweit nicht anders angegeben, stammen die Beschreibung der Anlage und alle Zahlen aus Gibson 2000, Kapitel 5.
  8. a b c Gibson 2000, S. 109 f.
  9. Gibson 2000. S. 185
  10. a b c d Kenneth E. Sassaman: Poverty Point as Structure, Event, Process. In: Journal of Archaeological Method and Theory, Volume 12, No 4 (Dezember 2005), Seiten 335–364, 337
  11. a b c d e f Gibson 2000, Kapitel 14
  12. a b Tristam R. Kidder, Anthony L. Ortmann, Lee J. Arco: Poverty Point and the Archaeology of Singularity. In: SAA Archaeological Record, Volume 8, Issue 5 (November 2008), Seite 10
  13. Gibson 2000, S. 96
  14. a b c d e f g Anthony L. Ortmann: Placing the Poverty Mounds in their temporal context. In: American Antiquity, Vol 75, No. 3 (2010) ISSN 00027316, Seiten 657–678
  15. Kalibrierte Daten aus fünf 14C-Proben von der südlichen Hälfte des Mound B variieren zwischen 1733 v. Chr. und 52 n. Chr.; Anthony L. Ortmann: Placing the Poverty Mounds in their temporal context. In: American Antiquity, Vol 75, No. 3 (2010), Seite 659
  16. Gibson 2000, S. 45
  17. Gibson 2000, S. 49
  18. Gibson 2000, S. 58 f.
  19. George M. Crothers: The Green River in Comparison to the Lower Mississippi Valley during the Archaic: To Build Mounds or not to Build Mounds? In: Jon L. Gibson, Philip J. Carr (Hrsg.): Signs of Power – The Rise of Cultural Complexity in the Southeast. University of Alabama Press, 2004, ISBN 0-8173-1391-5, Seiten 86–96
  20. a b Gibson 2000, S. 62 ff.
  21. Gibson 2000, S. 220ff.
  22. Gibson 2000, S. 172 f.
  23. Jon Gibson, Philip Carr: Signs of power – the rise of cultural complexity in the Southeast. University of Alabama Press, 2004, ISBN 978-0817350857, Seite 130
  24. Kathleen M. Byrd 1991, Seite 5 f.
  25. James B. Stoltman: Did Poverty Pointers make Pots? In: Rebecca Saunders, Christopher Tinsley Hays: Early pottery – technology, function, style, and interaction in the lower Southeast, Society for American Archaeology, University of Alabama Press, 2004, ISBN 978-0817351274, Seiten 210 ff.
  26. Gibson 2000, Kapitel 6
  27. Gibson 2000, S. 189, 192
  28. James E. Bruseth: Poverty Point Development as Seen at the Cedarland and Claiborne Sites, Southern Mississippi. In: Kathleen M. Byrd 1991, Seiten 7–25
  29. Nancy Marie White: Late Archaic Fischer-Foragers in the Apalachicola-Lower Chattahoochee Valley, Northwest Florida-South Georgie/Alabama. In: Jon L. Gibson, Philip J. Carr (Hrsg.): Signs of Power – The Rise of Cultural Complexity in the Southeast. University of Alabama Press, 2004, ISBN 0-8173-1391-5, Seite 16
  30. Prentice M. Thomas, Jr., L. Janice Campbell: Elliot’s Point Complex: New Data Regarding the Localized Poverty Point Expression on the Northwest Florida Gulf Coast, 2000 B.C. – 500 B.C.. In: Kathleen M. Byrd 1991, Seiten 103–119
  31. Tristam R. Kidder: Climate Change and the Archaic to Woodland Transition (3000–2500 cal B.P.) in the Mississippi River Basin. In: American Antiquity, Volume 71, No 2 (2006), Seiten 195–231, 198
  32. Gibson 2000, S. 273
  33. West Carroll Gazette: The history of Poverty Point now uncovered, 21. Oktober 1992
  34. Die Darstellung der Forschungsgeschichte stützt sich auf Gibson 2000, Kapitel 2
  35. Zu den Forschungen Moores: Richard A. Weinstein, David B. Kelley, Joe Saunders (Hrsg.): The Louisiana and Arkansas expeditions of Clarence Bloomfield Moore, Bd. 1, University of Alabama Press 2001.
  36. Gibson 2000, S. 24
  37. National Park Service: National Historic Landmarks Programm – Poverty Point, abgerufen am 20. Dezember 2010
  38. a b Public Law 100–560 vom OCT. 31, 1988 (Online: Seite 617 f.)
  39. Louisiana Department of Culture, Recreation and Tourism: Poverty Point State Historic Site Designated as an Affiliate of the Smithsonian Institution, Pressemitteilung vom 9. November 2010
  40. Smithsonian Institution: Affiliate Network – Overview
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