Preßglas

Preßglas
Weißbierglas (Berliner Weiße) und Humpen, nach 1900

Industriell hergestelltes Pressglas, also in mechanisierten Prozessen in Form geblasenes oder gepresstes Glas, gibt es seit Anfang des 19. Jahrhundert. Die ersten Fertigungslinien wurden 1825 und 1828 offenbar gleichzeitig in der Nähe von Boston von zwei neuenglischen Glashütten - der New England Glass Company in Cambridge und der Sandwich Glass Company in Sandwich - entwickelt, wobei Deming Jarves in Sandwich der entscheidende Schritt zugeschrieben wurde. Vor allem seine Glasfabrik wurde für ihr Pressglas bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Althergebrachtes Formblasen

In Form geblasenes Glas kennt man schon aus der Antike. In neuerer Zeit war das Blasen in eine Form nicht nur eine technische Vereinfachung, sondern bot auch die Möglichkeit gleich geformte und gleich große Gläser herzustellen. Diese Methode war in allen europäischen und amerikanischen Glashütten gängige Praxis. Die meist in zwei Hälften geteilten Formen bestanden aus Holz und wurden nach dem fertigen Aufblasen des Glases geöffnet. Bei rotationssymmetrischen Formen konnte der Glasbläser mit Hilfe der vorher gewässerten Holzform das Teil dauernd drehen, so dass das Glas möglichst rund und glatt wurde. Die Oberfläche von Gläsern, die aufgrund ihrer Form nicht gedreht werden konnten, wurde zum Beispiel durch erneutes Erhitzen im Glasofen geglättet.

Mechanisierte Produktion

Glas aus den 1920er Jahren mit Fuß aus Pressglas

Besondere Bedeutung für die industrielle Herstellung von Pressglas hatten der Luftkolben bzw. die Pressluft und vor allem die in den 1820er Jahren erfundene Handhebelpresse. Weil die Gläser nicht mehr gedreht werden konnten, ging man sehr bald von den verschleißanfälligen Holzformen auf Formen aus Metall über. Die Pressform trägt in der Regel ein Muster, während der Stempel, der das Glas an die Wand der Form drückt, glatt bzw. eben ist. Beim Einblasen mit Pressluft ist die innere Oberfläche zwar auch glatt, folgt aber den äußeren Formen des Glases. Die mehrteiligen Pressformen hinterlassen außen am fertigen Produkt sichtbare Pressnähte.

Pressglas hat eine stumpfere Oberfläche und weichere Konturen als geschliffenes Glas. Diese Nachteile wurden zunächst durch „gekörnte“ Muster - unzählige kleine erhabene Punkte und somit entstehende Lichtbrechungen - ausgeglichen, was auch Unebenheiten des Glases kaschierte. Ab etwa 1840 erhielten Pressgläser ihren Glanz durch eine „Feuerpolitur“.

Gebrauchsglas für jedermann

Die industrielle Massenproduktion brachte dem Pressglas auch den Beinamen „Glas der armen Leute“ ein. Hergestellt wurden zum Beispiel Trinkbecher aller Art, Biergläser, Teller, Glasschüsseln, Dosen sowie Glasdachziegel. In der Zeit um 1870 begann man, das kostbare und teure europäische Kristallschliffglas zu imitieren, z. B. Fußbecher im Stil des böhmischen Biedermeiers. In den 1880er und 1890er Jahren nahm die Glashütte Vallérystal in Elsaß-Lothringen vor allem Dosen mit Tier- und Pflanzenmotiven in ihr Pressprogramm auf.

Die Zeit des Art Déco nach dem 1. Weltkrieg wurde von einfachen Formen sowie auf farbige Flächen und Linien reduzierten Dekoren bestimmt. Eine Verzierungsart, die in den 1930er Jahren insbesondere für Vasen und ähnliche Gegenstände Verwendung fand, war das Oralit (auch Achat-Kunstglas, Marmorglas, im englischen Sprachraum Cloud glass oder Slag glass genannt).

Literatur

  • Marlene Reidel: Glück mit Glas - Von der Bierflasche bis zur Prunkvase. Mosaik-Verlag, Grafenau 1988, ISBN 3-87553-325-9, S. 102.

Weblinks


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