Prophet Jona

Prophet Jona
Nevi'im (Prophetenbücher) des Tanach
„Vordere“ Propheten
„Hintere“ Propheten

„Große“:

„Kleine“ (Zwölfprophetenbuch):

Das Buch Jona (griech.-lat. Jonas) ist eine vier Kapitel umfassende und damit relativ kleine Schrift des jüdischen Tanach bzw. des Alten Testaments der christlichen Bibel, die zu den „Zwölf kleinen Propheten" (Dodekapropheton) gehört.

Innerhalb dieser Gruppe kommt ihr dadurch eine Sonderstellung zu, dass es sich nicht um eine Sammlung von Prophetenworten handelt, sondern um eine Erzählung über die Sendung des Propheten Jona nach Ninive. Seine engeren Parallelen hat das Jonabuch damit nicht in den anderen Schriften der Zwölfprophetensammlung, sondern in den Berichten über die Propheten Elija und Elischa im 1. Buch der Könige.

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsangabe

Die biblische Erzählung beginnt ohne Einleitung damit, dass Jona von Gott den Auftrag erhält, nach Ninive zu gehen und gegen die Stadt und ihre Bewohner zu predigen, weil die Bosheit Ninives vor Gott gekommen ist. Jona macht sich auch tatsächlich auf den Weg, aber nicht nach Ninive (heutiger Irak), sondern nach Jaffa, wo er ein Schiff nach Tarsis (vermutlich heutiges Spanien) besteigt, also von Israel aus gesehen in die entgegengesetzte Richtung. Gott entfacht aber einen gewaltigen Sturm, durch den das Schiff in Seenot gerät. Durch das Los wird Jona als Verantwortlicher entlarvt und von den Seeleuten ins Meer geworfen. Im Meer wird er von einem großen Fisch verschlungen und an Land wieder ausgespien.

An dieser Stelle beginnt die Geschichte wieder von vorn: Jona erhält noch einmal denselben Auftrag wie zu Beginn, und diesmal geht er tatsächlich nach Ninive, um dort zu verkündigen, dass nur noch vierzig Tage bis zur Zerstörung der Stadt bleiben. Diese Ankündigung - es ist nur ein einziger Satz ohne Begründung - löst bei den Niniviten eine Bußbewegung aus, die die ganze Bevölkerung einschließlich der Tiere umfasst. Die Buße führt dazu, dass Gott die Stadt begnadigt, das angekündigte Gericht also nicht vollstreckt.

Für Jona ist die Begnadigung der Stadt Anlass zu großem Zorn. Er begründet sein ablehnendes Verhalten von Anfang an: Er sei zur Flucht nach Tarsis aufgebrochen, weil er wusste, dass Gott ein gnädiger und barmherziger Gott ist, der das Gericht über die Stadt letztlich nicht vollstrecken wird. Nun, nach der Begnadigung Ninives, wünscht er sich sogar den Tod.

Offenbar in einer Rückblende wird daraufhin erzählt, wie Jona nach der Verkündigung in Ninive die Stadt verlassen und sich außerhalb eine Laubhütte erbaut hatte, um das Kommende abzuwarten. Gott hatte über diese Hütte eine Rizinusstaude wachsen lassen, Jona damit Schatten verschafft und ihn erfreut. Aber schon am nächsten Morgen hatte Gott den Rizinus wieder verdorren lassen. Zusätzlich hatte er einen Ostwind aufkommen lassen, der bei Jona Ohnmacht und den Wunsch zu sterben hervorrief. Im Blick auf diese Rückblende, die „Rizinusepisode“, fragt Gott abschließend den über die Begnadigung Ninives erzürnten Propheten:

„Dich jammert die Staude, um die du dich nicht gemüht hast, hast sie auch nicht großgezogen, die in einer Nacht ward und in einer Nacht verdarb; und mich sollte nicht jammern Ninive, eine so große Stadt, in der mehr als 120.000 Menschen sind, die nicht wissen, was rechts und links ist, dazu auch viele Tiere?“ (Jona 4,10f. nach der revidierten Luther-Übersetzung von 1984).

Die Erzählung endet, ohne dass eine Antwort oder anderweitige Reaktion Jonas auf diese Frage berichtet würde.

Zur historischen Einordnung

Mit der Hauptperson ist zweifellos der Jona Ben Amittai gemeint, der nach (2. Könige 14,25) die Wiederherstellung der alten israelitischen Nordgrenze durch König Jerobeam II. (787-747 v. Chr.) vorhergesagt hatte. Jonas Lebens- und Wirkungszeit muss dementsprechend vor oder während der ersten Hälfte des 8. Jh.s v. Chr. angesetzt werden. Seine Heimat war der Ort Gat-Hefer in Galiläa. Sprachliche, religions- und motivgeschichtliche Beobachtungen sprechen allerdings so deutlich für eine sehr viel spätere Entstehung, dass die überwiegende Mehrheit der Fachleute das Buch in die persische oder hellenistische Zeit, also in das 5.-3. Jh. v. Chr., datieren. Frühere Datierungen werden nur noch selten vertreten. Nach unten hin ist der Datierung eine klare Grenze gezogen: Auf Grund von Sirach 49,10, wo die „Zwölf Propheten“ als Sammlung erwähnt sind, ist eine Datierung des Jonabuches in die Zeit nach ca. 190 v. Chr. nicht mehr möglich.

Zur literarischen Gattung

Die unbeantwortete Schlussfrage in 4,10f. spricht dafür, dass es sich beim Jonabuch um eine religiöse Lehrerzählung handelt. In der Forschung ist diese Gattungsbestimmung heute fast allgemein akzeptiert. Wäre es dem Erzähler in erster Linie darum gegangen, vergangene Ereignisse zu berichten, etwa ein dramatisches Erlebnis aus dem Leben des Propheten Jona, hätte er sicher einen abgerundeten Abschluss gewählt und klargestellt, wie Jona auf Gottes Frage reagiert.

Dass das Jonabuch keine geschichtliche Darstellung bietet, geht abgesehen vom offenen Schluss auch aus einer Reihe historischer Ungereimtheiten hervor.

Dazu zählt nicht nur die Verschlingung Jonas durch den großen Fisch, die schon im Altertum bei Kritikern der frühen Kirche Spott hervorrief, und deren Historizität in der neuzeitlichen Forschung durch teilweise sehr merkwürdige Erklärungen gesichert werden sollte. So vermuteten einige Forscher des 18. Jahrhunderts, Jona sei von einem Schiff mit dem Namen „großer Fisch“ aufgenommen worden oder habe in einer Herberge übernachtet, die „Zum Walfisch“ hieß. Die auch schon im 18. Jahrhundert vertretene Erklärung der Verschlingung als Traumerlebnis ist zwar sehr viel weniger skurril, aber auch sie hat keinen Anhalt am Text. Auch Versuche, die Verschlingung Jonas durch Verweis auf Parallelfälle historisch wahrscheinlich zu machen, haben die Mehrheit der Forschung nicht überzeugt. Im angelsächsischen Raum wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Fall eines gewissen James Bartley diskutiert, eines amerikanischen Waljägers, von dem erzählt wurde, dass er im Jahre 1892 vor den Falklandinseln von einem Pottwal verschlungen, später aber von seinen Kameraden aus dem Magen des erlegten Wals lebend gerettet wurde. Immerhin soll Bartley bei seiner Rettung bewusstlos und teilweise vom Magensaft des Wals angegriffen gewesen sein. Mit der Darstellung des Jonabuches (2. Kap.), nach der Jona im Magen des großen Fisches einen Psalm betet und nachher offenbar unverletzt an Land gespuckt wird, hat das wenig zu tun. Der Verweis auf Parallelfälle ist ein Randphänomen der Forschung geblieben. Angemessener lässt sich die Verschlingungsepisode verstehen, wenn man darauf verzichtet, ihre Historizität zu erweisen und ihr stattdessen eine bildhaft vermittelte Aussage über Gott entnimmt (vgl. unten den Absatz „Zur Verschlingungsepisode“).

Ein weiterer unhistorischer Zug, der freilich weniger spektakulär ist, findet sich im Ninivebild der Erzählung. Ninive gilt im Jonabuch deutlich als Residenz eines Königs (Kap. 3), tatsächlich war die Stadt aber erst seit Sanherib die zentrale assyrische Residenz, die auch in Israel als solche wahrgenommen wurde, d. h. nach 705 v. Chr. und damit lange nach dem historischen Jona. Abgesehen davon lassen sich in der Ninivedarstellung des Jonabuches neben den assyrischen Elementen solche wiederfinden, die ursprünglich zu der antiken Vorstellung von den Persern gehören. Die Verbindung von assyrischen und persischen Elementen spricht dafür, dass keine historisch zutreffende Ninive-Darstellung vorliegt, sondern ein deutlich späteres Ninivebild, das aus einer Zeit stammt, in der sowohl das Assyrerreich wie auch das alte Perserreich schon Vergangenheit waren. Bei der Auslegung ist zu berücksichtigen, wofür dieses Ninivebild steht, in dem Elemente mehrerer Großmächte verbunden sind.

Die Erklärung des Buches Jona als Lehrerzählung - und nicht etwa als Geschichtsdarstellung, die wenigstens ihrem eigenen Anspruch nach Ereignisse berichtet, die in der Vergangenheit geschehen sind - ist nicht nur im Bereich der historisch-kritischen Bibelwissenschaft vorherrschend. Auch in evangelikalen Kreisen, die üblicherweise der historisch-kritischen Bibelforschung skeptisch gegenüberstehen, findet sich eine gewisse Offenheit für dieses Grundverständnis der Jonaerzählung.

Zur Interpretation

Durch die offene Schlussfrage werden Leser und Leserinnen dazu angeregt, auf der Grundlage des Erzählten die Berechtigung des Mitleids Gottes mit Ninive nachzuvollziehen. Soweit ist das Anliegen des Textes eindeutig nachvollziehbar. Das eigentliche Problem ist damit aber noch nicht erfasst, da noch nicht klar ist, welche Schwierigkeit mit dieser Begnadigung verbunden sein könnte. Auf die Figurenebene der Erzählung bezogen heißt das: Die Interpretation hat zu klären, warum Jona sich zuerst der Sendung nach Ninive zu entziehen sucht, und warum er nach erfolgter Begnadigung Ninives zu Tode verärgert ist. Zur Erklärung der extremen Reaktionen Jonas sind verschiedene Interpretationsansätze vorgeschlagen worden:

a) Jona will die Begnadigung Ninives nicht, weil er nichtisraelitischen Völkern die gnädige Zuwendung Gottes nicht gönnt. Die Niniviten stehen dabei als Symbol für die nichtisraelitischen Völker („Heiden“) überhaupt, die Jonafigur ist als Repräsentant eines israelitischen Exklusivismus aufgefasst, der die Gnade Gottes auf das von Gott erwählte Volk Israel eingeschränkt sehen möchte. Freilich muss Jona anhand des Rizinus lernen, dass diese Einschränkung nicht gilt. Gott ist nicht nur für Israel da, er sorgt sich um alle Völker. Die Jonaerzählung kann bei diesem Ansatz als Satire aufgefasst werden, in deren Mittelpunkt die Jonagestalt als bornierte Witzfigur steht. An ihren Erlebnissen wird die Unmöglichkeit einer engstirnigen religiösen Grundhaltung entlarvt.

b) Ein zweiter Interpretationsansatz geht davon aus, dass Jona nicht als falscher Prophet dastehen will, weil er von Anfang an ahnt, dass das Gericht, das er ankündigen soll, nicht wirklich eintrifft. Nach dem Nichteintreffen des Gerichts, zu dessen Ankündigung Gott ihn letztlich gezwungen hat, sieht er sich von Gott desavouiert und will deshalb sterben.

c) Ein dritter Ansatz glaubt, dass Jona die Begnadigung Ninives nicht will, weil er für die Gerechtigkeit Gottes eifert und ihm daher seine Gnade zuwider ist.

d) Wenn man stärker als bei den Interpretationsansätzen b) und c) berücksichtigt, dass Jona in eine ferne Metropole geschickt wird (das Problem von wahrer und falscher Prophetie sowie das von Gerechtigkeit und Gnade Gottes könnte auch - im alttestamentlichen Umfeld weniger auffällig - an einer Sendung zu einem israelitischen König verhandelt werden), und wenn man zugleich im Unterschied zu Interpretationsansatz a) Ninive nicht als pars pro toto für die Nichtisraeliten überhaupt auffasst, sondern dem sonstigen alttestamentlichen Befund entsprechend zunächst als Hauptstadt Assyriens, also einer Weltmacht, die für Israel ein gefährlicher Gegner war und die Israel letztlich unter ihre Vorherrschaft brachte, dann bietet sich ein vierter Interpretationsansatz an: Jona sucht sich der Sendung nach Ninive zu entziehen, weil er nicht durch eine Gerichtswarnung dazu beitragen will, dass das gefährliche Ninive Buße tun kann. Er weiß nämlich, dass der gnädige Gott in diesem Fall die Feinde Israels begnadigen wird, und dass so eine mögliche Gefährdung Israels weiter besteht. Dieser Interpretationsansatz geht davon aus, dass das Jonabuch eine tiefe Enttäuschung verarbeitet, die in Israel vorhanden gewesen sein muss, nachdem es Jahrhunderte lang unter der Vorherrschaft fremder Großmächte stand. Dies war der Fall in der Zeit nach dem babylonischen Exil, als Israel erst unter persische, dann unter hellenistische Vorherrschaft geriet. Die wechselnde Vorherrschaft fremder Großmächte spiegelt das Jonabuch insofern, als in seinem Ninivebild nicht nur assyrische, sondern auch persische Elemente vorhanden sind. Das Ninivebild des Jonabuches steht damit als Symbol für sämtliche Großmächte, die über Israel herrschten. Für fromme Israeliten musste sich angesichts der bleibenden Vorherrschaft fremder Mächte die Frage stellen, warum Gott diese Vorherrschaft über das von ihm erwählte Volk nicht beendet. Die Tragweite dieses Konflikts zeigt sich, wenn man bedenkt, dass Israel ja durch die babylonische Eroberung Jerusalems und die Exilierung weiter Bevölkerungsanteile erlebt hatte, wie existenzbedrohend die Vorherrschaft fremder Großmächte sein kann.

Alle vier Interpretationsansätze sind in verschiedenen Variationen vertreten worden und bedenkenswert. Darüber hinaus liegen exegetische Stellungnahmen vor, nach denen das Jonabuch bewusst mehrdeutig gehalten ist, so dass die Festlegung auf einen bestimmten Interpretationsansatz der Sinfülle des Textes nicht gerecht wird.

Die Lösung des Konfliktes muss sich bei allen vier Ansätzen vom Bedenken der Schlussfrage (4,10f.) her ergeben.

Für Interpretationsansatz a) ergibt sich aus der Schlussfrage, dass Gott der Schöpfer der ganzen Welt ist, der sich um alle seine Geschöpfe sorgt, also auch um die Nichtisraeliten, für die die Leute von Ninive stehen, und auch um ihre Tiere. Eine Begrenzung der gnädigen Zuwendung Gottes auf Israel ist auf Grund seines allumfassenden Schöpferseins nicht möglich.

Für Interpretationsansatz b) lässt sich aus der Schlussfrage entnehmen, dass Gott als Schöpfer Mitleid mit allen seinen Geschöpfen hat, so dass er nicht auf der Erfüllung einer Prophezeiung besteht - auch dann nicht, wenn er, wie in Jonas Fall, den Propheten selbst mit der Verkündigung dieser Prophezeiung beauftragt hatte.

Dass Gott Mitleid mit allen seinen Geschöpfen hat, ist auch bei Interpretationsansatz c) wichtig; auf Grund dieses Mitleids ist Gott die Begnadigung schuldig gewordener Menschen wichtiger als die prinzipielle Durchsetzung seiner Gerechtigkeit.

Bei Interpretationsansatz d) ist wie bei Interpretationsansatz a) wichtig, dass die Schlussfrage die Begnadigung Ninives damit begründet, dass Gott der Schöpfer aller Lebewesen ist; damit sind auch die Großmächte, die über Israel herrschen, als seine Geschöpfe bezeichnet. Daraus ergibt sich allerdings noch keine Lösung des Problems. Die grundlegende Fragestellung, warum Gott die Vorherrschaft fremder Großmächte über sein erwähltes Volk nicht beendet, verlangt eine Auskunft darüber, worin trotz dieser Vorherrschaft das bleibende Vorrecht Israels besteht. Ein Hinweis dazu findet sich wahrscheinlich in der auffälligen Bemerkung, dass die Leute von Ninive nicht wissen, wo rechts und links ist (Jona 4,11). Indem Ninive dieses Wissen abgesprochen wird, soll wohl indirekt daran erinnert werden, dass Israel ein Wissen um Rechts und Links hat. Von anderen alttestamentlichen Stellen her ist diese Aussage als Anspielung darauf zu erkennen, dass Israel das von Gott offenbarte Gesetz, die Tora, kennt. Daraus ergibt sich, dass Israel auch unter der Vorherrschaft fremder Großmächte, deren Symbol Ninive ist, als Gottes erwähltes Volk weiter existieren wird, wenn es sich an das Gesetz hält, das ihm Gott durch Mose gegeben hat.

Zur Verschlingungsepisode

Die wirkungsvollste Episode der Erzählung ist die Verschlingung und Ausspeiung durch den großen Fisch in Kapitel 2. Die isolierte Betrachtung der Episode ist für die Christenheit von großer Bedeutung gewesen, die in Verschlingung und Rettung Jonas ein Symbol für den Tod und die Auferstehung Jesu sah. Dieser Aspekt der Wirkungsgeschichte beginnt mit dem in Matthäus 12,40 überlieferten Wort Jesu

„Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde sein“ (revidierte Luther-Übersetzung von 1984).

Als Auferstehungssymbol ist Jona auf vielen antiken christlichen Sarkophagen dargestellt, ebenso auf Taufsteinen.

Die hervorgehobene Bedeutung der Verschlingungsepisode in der Wahrnehmung der Jona-Erzählung zeigt sich auch darin, dass Jona im Koran „der Mann des Fisches“ (Sure 21,87) oder „der mit dem Fisch“ (Sure 68,48) genannt wird. Auch in der Forschung zum Jonabuch hat die Verschlingungsszene ein besonderes Interesse auf sich gezogen. Im Absatz über die literarische Gattung (vgl. oben) wurde schon erwähnt, dass sich die neuzeitliche Erforschung des Buches von Anfang an um den Erweis ihrer Historizität bemühte, die ihrerseits schon in der Antike bestritten worden war. Nachdem sich dieses Vorhaben als fruchtlos erwiesen hatte und die Forschung mehr und mehr dazu überging, das Jonabuch literarisch und traditionsgeschichtlich (als Ergebnis bestimmter Sagen- oder Erzähltraditionen) zu verstehen, wurde viele Parallelen aus Mythen, Sagen und Erzählungen in aller Welt gesammelt, und die Verschlingungsepisode wurde vor diesem Hintergrund als Verarbeitung eines weit verbreiteten Sonnenmythos gesehen. Auch wurden tiefenpsychologische Deutungen unternommen. Dass gerade die Verschlingungsepisode in der Wahrnehmung der Jonaerzählung eine so bedeutende Rolle einnimmt, obwohl sie im Buch selbst eher eine Durchgangsszene ist, liegt zweifellos daran, dass sie sich mit menschlichen Grunderfahrungen von Ende und Neubeginn verbinden lässt. Ein weiteres Beispiel dafür bieten die Verschlingungsriten, die mit den Initiationsriten mancher Völker verbunden sind. Betrachtet man die Verschlingungsepisode motivgeschichtlich, legt es sich freilich kaum nahe, an die Verarbeitung eines ursprünglichen Sonnenmythos zu denken; vielmehr scheint ein Einfluss durch indische Stoffe plausibel, die in den östlichen Mittelmeerraum gelangten, nachdem Alexander der Große seinen Indienzug unternommen hatte. Im Zusammenhang des Jonabuches drückt die Verschlingungsepisode die Macht Gottes als Schöpfer von Himmel und Erde aus (vgl. dazu Jonas Bekenntnis in Jona 1,9): Indem die Erzählung schildert, dass Gott Jona durch den großen Fisch rettet, lässt sie den flüchtigen Propheten in den Tiefen des Meeres Gottes Macht erfahren (diese Beschreibung lässt Mythen anklingen) - zugleich lässt die Geschichte Jona erfahren, welcher Übermacht er sich entgegenzustellen suchte.

Zur Wirkungsgeschichte

„Jona predigt zu den Nineviten“, von Gustave Doré.

Das Jonabuch ist nicht nur im Christentum eine der beliebtesten biblischen Geschichten, sondern wurde auch zur Quelle für jüdische und islamische Legenden. Darüber hinaus hat es Literatur und bildender Kunst zahlreiche Anregungen geboten.

Literatur

Exegetische Fachliteratur

a) Forschungsbericht:

  • Claude Lichtert: Un siècle de recherche à propos de Jonas, Revue biblique 112 (2005), 192-214; 330-354.

b) Zur Einführung und weiteren Literaturerschließung:

  • Erhard Blum: Das Buch Jona, in: H.V. Geppert (Hrsg.), Große Werke der Literatur II, Augsburg 1992, 9-21.
  • Meik Gerhards: Studien zum Jonabuch, Biblisch-theologische Studien 78, Neukirchen-Vluyn 2006. ISBN 3-7887-2181-2
  • Hans Walter Wolff: Studien zum Jonabuch, mit einem Anhang von Jörg Jeremias: Das Jonabuch in der Forschung seit H.W. Wolff. Dritte erweiterte Auflage der Monographie von Wolff, Neukirchen-Vluyn 2003. ISBN 3-7887-1865-X

c) Kommentare (seit 1990):

  • Friedemann W. Golka, Jona, Stuttgart 1991 = 2. Auflage Stuttgart 2007. ISBN 978-3-7668-3949-7
  • Jörg Jeremias: Die Propheten Joel, Obadja, Jona, Micha, ATD 24/3, Göttingen 2007, 75-112. ISBN 978-3-525-51242-5
  • Jack M. Sasson: Jonah, Anchor Bible, New York (u. a.) 1990.

d) Sonstige exegetische Literatur:

  • Hartmut Gese: Jona ben Amittai und das Jonabuch, in: ders., Alttestamentliche Studien, Tübingen 1991, 122-138. (Abweisung der Interpretation als Satire bzw. einer bornierten Interpretation der Jona-Gestalt)
  • Klaus Koenen: Biblisch-theologische Überlegungen zum Jonabuch, in: Zeitschrift für Neues Testament 6 (2000), 31-39. (klare Ablehnung einer Entscheidung für einen einzelnen Interpretationsansatz)
  • W.S. La Sor/D.A. Hubbard/F.W. Bush: Das Alte Testament. Entstehung, Geschichte, Botschaft, hrsg. v. H. Egelkrauth, Gießen (u. a.) 1989. ISBN 3-7655-9344-3 (Hierbei handelt es sich um eine evangelikale „Einleitung“ in das Alte Testament, die im Kapitel über das Jonabuch [S. 409-418] gegenüber dem Grundverständnis als Lehrerzählung - und nicht als Geschichtsbericht - offen ist)
  • Rüdiger Lux: Jona. Prophet zwischen „Verweigerung“ und „Gehorsam“. FRLANT 162. Göttingen 1994.

e) Zur Verschlingungsepisode

  • Meik Gerhards: Zum motivgeschichtlichen Hintergrund der Verschlingung des Jona, in: Theologische Zeitschrift (Basel) 59 (2003), 222-247.
  • Hans Schmidt: Jona. Eine Untersuchung zur vergleichenden Religionsgeschichte, Forschungen zur Religion und Literatur im Alten und Neuen Testament 9, Göttingen 1907. (geht unter Voraussetzung eines in der heutigen Erzählforschung überholten evolutionistischen Denkens davon aus, dass das Verschlingungsmotiv des Jona-Buches eine Spielart eines uralten, weit verbreiteten Sonnenmythos sei; als Materialsammlung für Parallelen zur Verschlingungsepisode ist das Buch bis heute wichtig)
  • A.J. Wilson: The Sign of Jonah and its modern Confirmation, in: Princeton Theological Review 35 (1927), 630-642. (Versuch, die Historizität der Verschlingung unter Verweis auf Parallelfälle, u. a. J. Bartley, zu untermauern)

Zur Wirkungsgeschichte

  • Uwe Steffen, Das Mysterium von Tod und Auferstehung. Formen und Wandlungen des Jona-Motivs, Göttingen 1963. (materialreiche Sammlung zur Motiv- und Wirkungsgeschichte des Verschlingungsmotivs mit tiefenpsychologischer Deutung)
  • ders., Die Jona-Geschichte. Ihre Auslegung und Darstellung im Judentum, Christentum und Islam, Neukirchen-Vluyn 1994.

Belletristik

  • Simone Frieling, Der rebellische Prophet. Jona in der modernen Literatur, Sammlung Vandenhoeck, Göttingen 1999, ISBN 3-525-01225-X (Sammlung von Texten und Textauszügen sowie zwei Essays : Jona und die Dichter von D. Lamping und Jona-eine unendliche Geschichte von R. Lux)
  • Ulrich Karger: Kindskopf - Eine Heimsuchung. Novelle / Jona-Paraphrase, 2002, ISBN 3-928832-12-3 (Eng an Reihung und Dynamik der vier Jona-Kapitel gebunden, sucht der Protagonist hierin dem Kinderwunsch seiner Ehefrau zu entfliehen.)

Siehe auch

Weblinks


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