Prothese

Prothese
Armprothesen

Eine Prothese (von altgriechisch: πρό (pro) „vor, anstatt“ und ϑέσις (thesis) „das Setzen, Stellen“)[1] bezeichnet in der Medizin den Ersatz von Gliedmaßen, Organen oder Organteilen durch künstlich geschaffene, funktionell ähnliche Produkte. Befindet sich die Prothese außerhalb des Körpers, spricht man von einer Exoprothese (wie z. B. bei künstlichen Gliedmaßen, Arm-, Bein- oder Handprothese), andernfalls von einer Endoprothese oder einem Implantat. Künstliche Hüftgelenke sind beispielsweise klassische Endoprothesen, gelten aber auch als ein Implantat. Das Besondere an diesem Implantattyp ist, dass es ein geschlossenes Implantat ist und vollständig von Körpergewebe umgeben ist (daher auch die Bezeichnung „Endo-“). Es gibt auch Prothesen, die sind zu einem Teil im Körpergewebe und ragen zu einem anderen Teile aus dem Körpergewebe heraus, die sogenannten offenen Implantate. Bekanntestes Beispiel ist das Zahnimplantat. Weitere offene Implantate sind: Implantate zur Befestigung von Ohrmuschelimitationen, Bein-, Nasen- oder Augenprothesen, (Epithesen). Bei diesen wird das Implantat in den jeweiligen Schädelknochen eingesetzt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die ersten einfachen Prothesen für Gliedmaßen gab es schon im 20. Jahrhundert v. Chr. in Ägypten; der Nachbau einer aus der Zeit um 600 v. Chr. stammende Prothese einer Großen Zehe, die in einer Mumie entdeckt worden war, erwies sich in Experimenten als funktionell.[2] Ab dem Mittelalter verwendete man Prothesen aus Holz oder Eisen. Für die vielen verstümmelten Opfer des Ersten und Zweiten Weltkrieges, die Gliedmaßen verloren hatten, wurden die ersten modernen Prothesen, die auch einfache Bewegungen ermöglichten, entwickelt.

Führende Chirurgen wie Ferdinand Sauerbruch oder Konrad Biesalski erfanden Prothesen wie den so genannten Sauerbruch-Arm oder die Fischer-Hand, die wegen der Kosten jedoch nur wenigen Personen zur Verfügung standen.

Moderne Prothesen

Während mit den ersten Prothesen kaum Funktionen des ursprünglichen Organs oder Körperteils hinreichend ersetzt wurden (man denke an Glasaugen), ermöglichen heute mikroprozessorgesteuerte Arm- oder Bein-Prothesen komplexere Bewegungen und sportliche Betätigung. Bei Armprothesen mit Greiffunktion (im Gegensatz zu passiven Schmuckprothesen, die lediglich eine kosmetische Wirkung haben), die der menschlichen Hand nachempfunden sind (im Gegensatz zu funktionalen Greifern bzw. Hook-Prothesen), besteht die Außenhaut heutiger handelsüblicher Prothesen aus PVC, welches robuster ist und der Haut mehr ähnelt als andere Stoffe, wie Holz oder Leder-Stahlprothesen. Der Nachteil von PVC-Außenhäuten, sog. Kosmetikhandschuhen, besteht darin, dass sie leicht verschmutzen. Der Kunststoff verfärbt sich und muss nach ca. 3- bis 4-monatiger Tragezeit gewechselt werden. Eine Alternative sind Kosmetikhandschuhe aus Silikon. Sie sind schmutzabweisend, verfärben sich nicht, aber reißen leicht ein. Außerdem haben sie einen starken Abrieb und sind deutlich teurer als PVC-Handschuhe. Ein neuerer Ansatz besteht darin, Silikonhandschuhe mit einem verstärkenden Gewebe aus Nylon zu durchziehen. Solche Handschuhe halten ca. sechs Monate, kosten aber doppelt so viel wie herkömmliche aus PVC. Bei Beinprothesen wird auch häufig eine Kosmetik aus in Form des Körperteils geschliffenem Schaumstoff mit übergezogenem Kosmetikstrumpf verwendet.

Prothesen der unteren Extremität können außerdem in Fußprothesen für Amputationen und Exartikulationen unterhalb des Sprunggelenkes, in Unterschenkelprothesen für Amputationen unterhalb des Knies und Oberschenkelprothesen für Amputationen oberhalb des Knies, sowie für Exartikulationen des Knies unterschieden werden. Für die prothetische Versorgung bei Hüftexartikulationen oder Hemipelvektomien baut man Ganzbeinprothesen.

Prothesen der oberen Extremität können in Oberarm- und Unterarmprothesen eingeteilt werden.

Die Kniegelenk-Unterschenkelkonstruktion besteht bei leichten Prothesen aus einem Rohrskelett. Dennoch kommen ältere Techniken noch zum Einsatz, in Abhängigkeit von der physischen und psychischen Befindlichkeit des Patienten. Nicht unberücksichtigt bei der Auswahl der Versorgung darf der Beruf des Patienten dabei bleiben, weil durch berufsspezifische Belastungen auch entsprechende Belastungen auf die Prothese einwirken können. Prothesenschäfte für Prothesen der unteren sowie der oberen Extremität werden immer individuell für den jeweiligen Patienten vom Orthopädietechniker bzw. vom Prothetiker hergestellt. Als Grundlage für die Herstellung dient in den meisten Fällen ein Gipsabdruck des jeweiligen Amputationsstumpfes.

Prothesen ersetzten aber auch Sinnesorgane sowie Gehörknöchelchen, Gelenke, Herzklappen und sogar das gesamte Herz. Derzeit wird daran geforscht, mittels „Tissue Engineering“ aus eigenem Gewebe Ersatzteile wie zum Beispiel Herzklappen zu züchten. Diese als Implantat verwendeten Prothesen fallen unter die Kategorie Endoprothese.

Epithesen dienen dem Ersatz von Weichteilgeweben (zum Beispiel Nasenteilen nach Tumoroperation).

Augenprothesen: Siehe Hauptartikel: Glasauge.

Prothesen in der Zahnmedizin

Siehe Hauptartikel: Zahnersatz

Prothesen im Sport

Im Sport wurden Prothesen lange Zeit als Behinderung angesehen. Bis vor nicht langer Zeit waren Athleten mit Prothesen gegenüber Athleten ohne Prothesen im Nachteil. Das ändert sich zur Zeit. Durch die Qualität moderner Prothesen werden diese heute zum Teil sogar als unerlaubte Hilfsmittel angesehen. Es ist umstritten, ob ein Leichtathlet mit Unterschenkelprothesen an Sportwettkämpfen für nicht-behinderte Sportler teilnehmen darf. Je nach Sportart können verschiedene Prothesen benutzt oder die alten „umgebaut“ werden.

Bauteile

Nach dem Ersten Weltkrieg entwarf der deutsche Unternehmer Otto Bock Prothesen, die industriell hergestellt werden können. Er teilte die damaligen Holzprothesen in drei Baugruppen ein, die in Werkstätten durch Orthopädiemechaniker zusammengefügt und an den Patienten individuell angepasst werden sollten.

Die Baugruppen waren:

  • der Schaft,
  • das Knie-/Wadenpassteil,
  • und der Fuß.

Diese Einteilung gilt immer noch, auch wenn sich die Herstellung von Prothesen inzwischen zur Rohrskeletttechnologie revolutioniert hat.

Rohrskelettprothesen werden in

  • Schaft
  • Rohr
  • und Fuß

eingeteilt. Bei Oberschenkelprothesen kommt das Kniegelenk als Bauteil noch hinzu.

Register

Zur Erfassung von Langzeiterfahrungen mit den Prothesen und der Erfolgsquote von Operationen kann die Einrichtung eines entsprechenden Registers dienen. Nach offensichtlichen Problemen mit Hüftprothesen wurden 1979 in Schweden und Finnland die ersten Endoprothesenregister angelegt, Norwegen folgte 1987 diesem Beispiel. Das Anlegen eines solchen Registers kann zu einer Senkung von nachträglich notwendigen Operationen und zur Aufdeckung von problematischen Prothesenmodellen führen.[3]

Siehe auch

Quellen/Literatur

  1. GEMOLL: Griechisch-deutsches Schul- und Handwörterbuch
  2. Jacqueline Finch: The ancient origins of prosthetic medicine. In: The Lancet, Band 377, Nr. 9765, 2011, S. 548–549, doi:10.1016/S0140-6736(11)60190-6 Volltext
    Mummies' false toes helped ancient Egyptians walk
  3. Harro Albrecht: „Gefährliche Ersatzteile.“ In: Die Zeit, 27. Oktober 2011, Nr. 44, S. 51 (online-Version)
  • Zur Geschichte der Prothetik: Martin Friedrich Karpa: Die Geschichte der Armprothese unter besonderer Berücksichtigung der Leistung von Ferdinand Sauerbruch (1875-1951), Dissertationsschrift, Bochum 2005 als Volltext (PDF, ca. 4,65 MB)

Weblinks

 Commons: Prosthetics – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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