Provencalische Sprache

Provencalische Sprache

Provenzalisch (französisch provençal, Eigenbezeichnung pro(u)vençau) ist die Bezeichnung einer im Süden Frankreichs gesprochenen romanischen Sprache oder Gruppe von Sprachen. Der Ausdruck wird in verschiedenen Bedeutungen gebraucht:

  1. „Provenzalisch“ in der weiteren Bedeutung ist gleichbedeutend mit „Okzitanisch“ (ISO 639-1: oc; ISO 639-2: oci) und bezeichnet als Oberbegriff die Gesamtheit der Sprachen Südfrankreichs, die nach ihrem Bejahungspartikel „òc“ (von lateinisch „hoc“) als Langues d’oc von den langues d’oïl (altfranzösisch „oïl“ von lateinisch „hoc ille“, heute „oui“), den französischen Sprachen Nordfrankreichs, unterschieden werden. Diese übergreifende Verwendung des Namens „Provenzalisch“ war vor allem in der älteren Romanistik üblich, wird jedoch in der neueren Romanistik zunehmend durch den eindeutigeren Begriff „Okzitanisch“ abgelöst.
  2. „Provenzalisch“ in der engeren Bedeutung (ehemaliger SIL-Code aus Ethnologue 14: PRV) bezeichnet nur eine der Untergruppen des Okzitanischen, nämlich die in der Landschaft Provence gesprochenen Varietäten des Okzitanischen. Provenzalisch in dieser engeren Bedeutung wird untergliedert in die vier Unterdialekte Rhodano-Provenzalisch (Vaucluse und nördliches Bouches-du-Rhône einschließlich Arles und Marseille), Maritimes Provenzalisch (südliches Bouches-du-Rhone, Var und westliches Alpes-Maritimes), Alpinprovenzalisch (auch vivaro-alpin oder gavot genannt: provenzalische Alpen und einige Sprachinseln in Norditalien) und Nissart (oder Niçois: Nizza und Umgebung). Die Provenzalische Dialektgruppe wird im Osten durch das Italienische, im Norden durch das Frankoprovenzalische, im Nordwesten durch das Auvergnatische und im Westen und Südwesten durch das Languedokische begrenzt.
  3. Die Sprache der mittelalterlichen Trobadordichtung Südfrankreichs wird häufig als „Altprovenzalisch“ (in der neueren Romanistik als Altokzitanisch) bezeichnet, ist aber nicht mit der älteren Sprachstufe des Provenzalischen im engeren Sinn (Nr. 2) gleichzusetzen, sondern es handelt sich um eine Schriftsprache hauptsächlich auf der Basis des Limousinischen und Languedokischen (Tolosanischen), in die Wörter und Wortformen verschiedener Varianten des Okzitanischen Eingang gefunden haben, und die bis zum 13. Jahrhundert als eine verhältnismäßig einheitliche Schriftsprache der Dichtung und Verwaltung gebraucht wurde, in der Folgezeit aber dann als Amtssprache durch das Französische bis zum 16. Jahrhundert vollständig verdrängt wurde und im übrigen Schriftgebrauch wieder einer starken Regionalisierung unterlag.

Das Provenzalische in der engeren Bedeutung (Nr. 2) bildete seit dem 19. Jahrhundert den Ausgangspunkt für die Wiederbelebungsversuche durch den Schriftsteller und Nobelpreisträger Frédéric Mistral, der mit seinen Mitstreitern durch die Herausgabe eines Wörterbuches (Trésor dou Felibrige) und literarische Werke in dieser Sprache eine Literatursprache auf der Basis des Provenzalischen zu etablieren versuchte, während in jüngerer Zeit Wiederbelebungsversuche vorwiegend auf das Languedokische zurückgreifen.


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Provençalische Sprache — u. Literatur. Die Provençalische Sprache ist unter allen Romanischen Sprachen diejenige, welche in der Provence (daher der Name) am frühesten auch literarisch ausgebildet wurde u. sich in Bezug auf ihre Laut u. Formenverhältnisse am nächsten u.… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Limosinische Sprache — Limosinische Sprache, so v.w. Provençalische Sprache, vgl. Spanische Sprache …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Südfranzösische Sprache — Südfranzösische Sprache, s. Provençalische Sprache …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Occitanische Sprache — Occitanische Sprache, so v.w. Provencalische Sprache, s.d …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Französische Sprache — Französische Sprache. Sie ist eine romanische, auf der Grundlage eines röm. gallischen Dialects ruhend, welcher zur Zeit der fränk. Einwanderung gesprochen wurde; die jetzige s. S. entwickelte sich aus dem Nordfranzösischen des Mittelalters, der… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Spanische Sprache — Spanische Sprache. Die S. S. ist eine der Romanischen Sprachen, welche viele fremde Elemente von den zu verschiedenen Zeiten Spanien beherrschenden Völkern aufnahm, so von den Vandalen, Sueven, Westgothen u. Arabern, s. Spanische Literatur S. 450 …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Sieilische Sprache — Sicilische Sprache. Die S. S. ist ein Dialekt der Italienischen Sprache, welcher sich bes. durch die leichte Verwandlung des a, e, o in i u. u u. durch die Verdoppelung der Consonanten auszeichnet; von fremden Elementen finden sich im Süden bes.… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Spanische Sprache — Spanische Sprache, die, war im 16. und 17. Jahrh. in Folge politischer Verbindungen sammt der span. Literatur bei uns ziemlich bekannt, wurde uns im 18. Jahrh. fremd und erst im laufenden durch die Romantiker sowie durch das wachsende Interesse… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Portugiesische Sprache und Literatur — Portugiesische Sprache, Portugiesische Literatur. Das Portugiesische, eigentlich ein Dialekt des Spanischen, dem Galicischen am nächsten stehend, ist weder so volltönend wie das Castilianische noch so ausgebildet, sondern hat mehr Zisch u.… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Troubadours — (spr. Trubaduhr, ital. Trovatori), die Ritterdichter des 12. u. 13. Jahrh. in Südfrankreich u. Nordspanien (während die in[872] Nordfrankreich Trouvères hießen), so genannt von der Kunst ihrer poetischen Erfindungen; auch Provençalen, weil sie… …   Pierer's Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”