Präzisionsschütze

Präzisionsschütze
Combined Joint Task Force (Horn von Afrika) im Übungseinsatz mit einem PSL (Nachbau des Dragunow- Scharfschützengewehrs) in Äthiopien

Als Scharfschützen werden Soldaten bezeichnet, die durch selektiven, gezielten Schusswaffeneinsatz ihren Kampfauftrag, beziehungsweise Einsatzzweck, erreichen.

Eine prinzipiell ähnliche Rolle kommt den Präzisionsschützen bei Polizei und Antiterror-Einheiten zu. Die operativen Rahmenbedingungen (Ablauf, Ziele und Rechtsgrundlagen) unterscheiden sich dabei jedoch grundlegend.

Gemeinsam ist Scharf- und Präzisionsschützen, dass sie eine hochspezialisierte Ausbildung durchlaufen und auf besondere Einsatzmittel (insbesondere Scharfschützenwaffen) zurückgreifen. Beide Schützenarten erfüllen auch eine Reihe weiterer wichtiger Funktionen als Aufklärer und Beobachter, beim Identifizieren und Sichern potenzieller Stellungen von Heckenschützen und in Sonderrollen, zum Beispiel als Artilleriebeobachter.

Inhaltsverzeichnis

Etymologie

Das Wort „Schütze“ entstand im deutschen Sprachraum als ein Ausdruck für „Sender für Geschosse“, wobei kein Bezug zu der Form des Projektils oder der Schusswaffe bestand. Die Brüder Grimm als Autoren des Deutschen Wörterbuches leiten die Entwicklung dieses Begriffes aus dem althochdeutsch „scuzzo“ ab und verweisen auf die verwandten Worte in anderen Sprachräumen, „skut“ im Angelsächsischen, „skytt“ und „skytte“ im schwedischen und dänischen. In Anlehnung daran verweisen spätere Sprachforscher auf die enge Beziehung zum friesischen „sketta“ und dem niederdeutschen „schütte“, aus dem dann im mittelhochdeutschen „schütze“ entstand.

Die französische Sprache bezieht ihr Wort für Schütze, „tireur“ aus dem Verb „tirer“, d. h. „ziehen“, und beschreibt damit die Tätigkeit beim Abfeuern eines Bogen, einer Armbrust (Sehne) oder einer Schusswaffe (Abzug), während der lateinische Schütze nach seiner Waffe oder dem Geschoss als „sagittarius“ (Pfeilschießer) oder „ballistarius“ (Schleuderer) bezeichnet wurde.

Die Bezeichnung für einen besonders guten Schützen entstand in der deutschen Umgangssprache in Verbindung mit dem Wort „scharf“, welches auch mit „Scharfblick“, „scharfes Auge“, aber auch mit „scharfe Munition“ eine besondere Bedeutung erhält. Das Französische kennt nur die Steigerung des „tireur d’elite“, des Meisterschützen oder Eliteschützen. Am aufschlussreichsten sind die im Englischen entstandenen Begriffe: So bezeichnet „marksman“ jemanden, der mit Genauigkeit das „mark“ (Ziel) trifft.

Der „sharpshooter“, entstanden als eine direkte Weiterführung des deutschen Begriffs, ist spätestens seit dem 17. Jahrhundert bekannt. Auch die Herleitung von den amerikanischen „Sharpshooters“, den Schützeneinheiten mit weitreichenden Sharps-Gewehren, ist möglich.

Zusätzlich kam der Begriff „Sniper“ für den militärischen Spezialisten auf. In diesem Fall stammt er aus dem Bereich der Jagd. Jemand, der eine „snipe“ (Schnepfe) mit einer Büchsenkugel, also nicht mit dem dafür sonst üblichen Schrotgewehr treffen konnte, musste schon ein sehr guter Schütze sein, da diese Vögel äußerst scheu, gut getarnt und im Flug sehr gewandt sind. Sniper ist inzwischen auch in Deutschland und z. B. im russischen SnajperСнайпер eine gebräuchliche Bezeichnung für Scharfschützen.

Das Schimpfwort „Heckenschütze“ entwickelte sich aus der Umgangssprache des Mittelalters und steht in Beziehung zu den im Hinterhalt lauernden „Heckenräuber“. Es fand in den militärischen Sprachgebrauch noch in einem anderen Zusammenhang Eingang: Das preußische Exerzierreglement von 1714 sah zur Abwehr umherstreifender Kavallerie das „Heckenfeuer“ vor. Aus jedem halben Peloton (Aufstellungsart beim Gefecht) traten zwei Rotten hervor, gaben ihre gezielte Salve ab und traten wieder zurück. Sie traten dabei oft an die „Hecke“ heran, ein „Abatis“ genanntes Gewirr von Holzgestrüpp, gefällten Bäumen und Ästen, das dem Feind als erstes Hindernis in den Weg gelegt wurde. Das Heckenfeuer war kein Einzelfeuer, sondern Salvenschießen, wobei das Zielen eher sekundär war.

Geschichte

Wurzeln und erste Anfänge

Die historischen Wurzeln der Scharfschützen reichen bis in das 18. Jahrhundert zurück, zu den Jäger- und Schützenbataillonen in den deutschen Armeen. Diese mit gezogenen Waffen ausgerüsteten Einheiten wurden zumeist unter den Söhnen von Förstern und Jägern rekrutiert und verfügten über eine bessere Schießausbildung als die reguläre Linieninfanterie.

Im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg standen Soldaten aus solchen Einheiten in britischen Diensten den auch mit gezogenen Büchsen ausgerüsteten aufständischen Siedlern gegenüber. Auf diese Erfahrung und Vorbilder griff die britische Armee auch während der napoleonischen Kriegen zurück.

So wurde in England bereits im Jahr 1800 eine eigene experimentelle Scharfschützeneinheit aufgestellt, die 1802 in das reguläre Feldheer als 95th (Rifle) Regiment of Foot aufgenommen wurde. Bewaffnet wurde sie mit dem Baker Rifle, einer gezogenen Büchse im Stil deutscher Jägerbüchsen. Sie trugen dunkelgrüne Uniformröcke und dunkelgrüne oder graue Hosen, anstatt der auffälligen roten Uniformröcke und weißen Hosen der Linieninfanterie.

Ähnliche Einheiten finden sich mit den Tirailleurs auch auf französischer Seite, die jedoch nach anfänglicher Ausrüstung mit Büchsen carabine de Versaille aus organisatorischen und taktischen Gründen später wieder mit glatten Gewehren bewaffnet wurden. Jäger- und Schützeneinheiten gab es in allen deutschen Armeen und auch im Russischen Zarenreich. Im österreich-ungarischen Heer wurde sogar ein Druckluftgewehr als Scharfschützengewehr ausgegeben.

In Frankreich konnte sich die Scharfschützenrolle im 19. Jahrhundert nicht durchsetzen. Auch in den südeuropäischen Heeren, wie zum Beispiel in Spanien und Italien maß man der Entwicklung zunächst keine besondere Bedeutung bei. In Italien gab es innerhalb der Bersaglieri Scharfschützen mit gezogenen Büchsen. Im portugiesischen Heer (Exército Português) wurden Jägereinheiten (Caçadores) nach britischem Muster aufgestellt.

Im Amerikanischen Bürgerkrieg wurden erneut eigenständige Scharfschützeneinheiten aufgestellt, so etwa die Freiwilligen der „Berdan-Sharpshooters“ der Nordstaaten. Sie trugen dunkelgrüne Uniformröcke, Hosen und Feldmützen, anstatt der üblichen dunkelblauen Uniformröcke und hellblauen Hosen der Linieninfanterie.

Im Burenkrieg erlitt die britische Armee starke Verluste durch Scharfschützenfeuer irregulärer burischer Kämpfer.

Beginn des modernen Scharfschützenwesens

Die Entwicklung des modernen Scharfschützenwesens im eigentlichen Sinne beginnt mit dem Ersten Weltkrieg. Zunächst wurden hier noch mit Zielfernrohren bestückte Jagdwaffen verwendet, aber bereits ab 1916 beginnt in England und Deutschland die gezielte Auswahl besonders geeigneter Läufe aus der aktuellen Gewehrproduktion.

Erster Weltkrieg

Zuerst dachten die britischen Truppen ihre Männer würden von Zufallsschüssen getroffen, erst nach und nach begriffen sie, dass deutsche Scharfschützen die Ursache waren. Die deutschen Scharfschützen wechselten nach einigen Schüssen ihre Position, was es besonders schwierig machte sie auszumachen. Als Antwort auf die deutschen Scharfschützen, die besonders im Grabenkrieg zum Einsatz kamen, gründete der britische Major H. Hesketh-Pritchard im ersten Weltkrieg eine Schule für Scharfschützen (Sniper School) in Frankreich. Um gegen die Deutschen trotzdem eine Chance zu haben, entwickelte Major H. Hesketh-Pritchard eine neue Taktik. Er führte ein, dass die Scharfschützen der Alliierten in Zweiergruppen arbeiten; ein Beobachter mit Fernglas/Fernrohr der Ziele zuweist und ein Schütze der diese neutralisiert. Diese Taktik gilt bis heute.

Zweiter Weltkrieg

Im Zweiten Weltkrieg wurden Scharfschützen in allen Streitkräften der kriegsbeteiligten Nationen eingesetzt, am massivsten jedoch von der Roten Armee und der US-Army. Der Roten Armee wurde der Wert dieser Spezialisten besonders im Finnisch-sowjetischer Winterkrieg 1939–1940 bewusst, als taktisch besonnen eingesetzte finnische Scharfschützen den sowjetischen Einheiten schwere Verluste zufügten. Als Konsequenz aus diesen Erfahrungen wurde das Scharfschützenwesen fortan in den sowjetischen Streitkräften besonders gefördert.

Scharfschützenabzeichen der Wehrmacht in Gold
Sowjetische Briefmarke von 1943

Im Deutschen Reich hingegen wurde dieser Waffengattung zunächst noch wenig Bedeutung beigemessen. Aber durch die erlittenen Verluste im Krieg gegen die Sowjetunion 1941–1945 durch gegnerische Scharfschützen besann man sich eines besseren und begann mit der Einrichtung spezieller Scharfschützenschulen im „angeschlossenen“ Österreich. Im Dritten Reich war das Scharfschützenabzeichen hochangesehen, und das NS-Regime instrumentalisierte die Scharfschützen, in dem sie hervorstechende Soldaten dieser militärischen Spezialisierung durch Ehrungen propagandistisch ausnutzte. So ließ es sich Reichsmarschall Hermann Göring in seiner Funktion als „Reichsjägermeister“ nicht nehmen, Scharfschützen nach ihrem fünfzigsten bestätigten Abschuss persönlich zur Jagd einzuladen, natürlich nicht ohne die entsprechenden Fotos und Filmaufnahmen für die Wochenschau. Ein bestätigter Abschuss musste von einem Offizier mit eigenen Augen gesehen und bestätigt worden sein. Da die Scharfschützen aber meist einzeln und auf sich gestellt operierten, dürfte die tatsächliche Abschusszahl weit höher liegen als die Anzahl der bestätigten Abschüsse.

Besonders bekannt geworden sind neben den Angehörigen der Wehrmacht und der Waffen-SS die weiblichen Scharfschützen der Roten Armee.

Neuere Entwicklung bis heute

Im Korea- und im Vietnamkrieg setzte sich die Einsicht in die Bedeutung spezialisierter Scharfschützen durch, als man erkannte, dass das Verhältnis zwischen abgefeuerter Munition und tatsächlichen Treffern zu groß war. So schuf man in den Vereinigten Staaten so genannte Sniper schools, um die Soldaten im effektiven Schießen auszubilden.

Mit der Anpassung der deutschen Streitkräfte an die Erfordernisse der Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges ist auch in der Bundeswehr die Bedeutung der Scharfschützen deutlich gewachsen und es werden entsprechende Bemühungen um eine entsprechende Ausbildung und Ausrüstung unternommen.

Einsatzkonzepte

Militärscharfschützen

US-Marine-Corps-Scharfschützen beim Training
Scharfschütze im Ghillie-suit

Militärische Scharfschützen (engl. Sniper) sind Soldaten, die als Spezialisten im Schießen auf weite Entfernungen und bei Tag und Nacht vielfältige militärische Aufgaben wahrnehmen. Scharfschützen operieren allein, im Zweierteam, im Fünf-Mann-Team oder eingebunden in ihre Einheit. Sie überwachen und sichern Räume und Objekte, beschaffen Informationen, wirken im offenen Auftreten als Abschreckung, und lokalisieren, identifizieren und eliminieren feindliche Ziele. Scharfschützen operieren überwachend im eigenen Hinterland, eingebunden in die Truppe im Frontverlauf oder nicht selten auch hinter feindlichen Linien, teilweise sogar tief im feindlichen Hinterland.

Bei der Ausübung ihrer Aufgaben ist die Tarnung besonders wichtig, Scharfschützen sind hier deshalb besonders geschult und ausgerüstet. Es gilt die Regel: 80 % Material der Natur (Äste, Gras, Erde) und 20 % künstliche Tarnung (Decken, Tarnanzüge) als Tarnmaterial verwenden. Sie beschaffen und übermitteln Informationen über gegnerische Truppenbewegungen, bekämpfen wertvolle Einzelziele (Weich- und Hartziele, also ungepanzerte Ziele und Personen oder Material) und demoralisieren die gegnerische Truppe.

In Paaren operieren sie vergleichsweise unabhängig. Diese Paare bestehen aus zwei Scharfschützen: einem Schützen (engl. Shooter oder Sniper) und einem Beobachter (engl. Spotter), der den ersten Schützen unterstützt. Schütze und Beobachter tauschen in bestimmten Abständen die Rollen. Ziel ist, die Kampfmoral des Feindes zu mindern, Feindkräfte zu binden oder zu behindern (wie etwa beim Transport) und wertvolles Material oder Schlüsselpersonal auszuschalten. Dazu zählen in erster Linie gegnerische Scharfschützen, feindliche Führer, Bedienungspersonal von Geschützen u. Ä., Maschinengewehr-Schützen, Funker und Bediener von Kommunikationseinrichtungen, aber auch Radaranlagen und elektronische Zielfindungseinrichtungen.

Das Überleben des militärischen Scharfschützen hängt in erster Linie von seiner Tarnung und Geländeausnutzung bei Annäherung und Absetzen, sowie vom Vorhandensein ausreichend getarnter und gedeckt erreichbarer Wechselstellungen ab. So fertigt normalerweise jeder Scharfschütze seine Tarnanzüge selbst.

Die Reichweite von Militärscharfschützen kann bis zu 2.500 Meter betragen. Sie ist von Waffe, verwendeter Munition und Witterungsverhältnissen abhängig. Die übliche Einsatzreichweite beträgt etwa 600 bis 800 Meter. Die geringste Distanz hängt von den Versteck- und Tarnmöglichkeiten ab. Es wurden schon erfolgreiche Einsätze mit nur 90 Metern Entfernung durchgeführt. Die besten Maßnahmen gegen Scharfschützen sind der sofortige Einsatz von Rauchkörpern und eigenen Scharfschützen (counter-sniping). Probate Gegenmaßnahme kann auch das Verbergen von äußerlichen Hinweisen auf militärische Ränge sein. In solchen Fällen sollte das militärische Grüßen und das Tragen von Offiziersuniformen unterbleiben. Horatio Nelson wurde von einem französischen Scharfschützen erschossen, weil er an der Uniform als kommandierender Admiral erkannt wurde.

Der weiteste bekannte Treffer liegt bei 2.430 Metern auf einen MG-Schützen, ausgeführt von dem kanadischen Scharfschützen Corporal Rob Furlong in Afghanistan mit einem McMillan Tac-50 im Kaliber 12,7 × 99 mm NATO. [1]

Designated Marksman

Designated Marksmen der Marines bei einer Übung

Als Squad Designated Marksman werden in der United States Army und dem United States Marine Corps Schützen bezeichnet, die ihren Squad direkt unterstützen, indem sie Ziele in 200–600 Metern Entfernung mit gezieltem Einzelfeuer bekämpfen.

Diese Soldaten agieren als regulärer Teil ihrer Gruppe, haben aber einen zusätzlichen Lehrgang absolviert und sind mit der modifizierten Variante Mk 12 SPR des regulären M16 (Zielfernrohr, schwerer Lauf, Zweibein) oder, wie z. B. bei den Marines, mit speziellen Gewehren, so genannte Designated Marksman Rifle (DMR), ausgerüstet. In der israelischen Armee heißen diese ZF-Schützen Kalat Saar. Als deutsche Übersetzung wird manchmal das Wort „Gruppenscharfschütze“ verwendet.

„Erfunden“ wurde der Designated Marksman wahrscheinlich während des Zweiten Weltkrieges, als man auf deutscher Seite Scharfschützen in Infanteriegruppen einband, damit diese sich besser gegen sowjetische Scharfschützen verteidigen konnten. Dasselbe wurde dann auch von den Amerikanern als Antwort auf deutsche Scharfschützen an der Westfront getan. Nach dem Krieg wurde dieses Prinzip nur von der Sowjetunion standardmäßig weitergeführt. Dort gab es in jeder Gruppe einen Schützen, der mit einem Dragunow-Scharfschützengewehr im Kaliber 7,62 × 54R ausgerüstet war.

Präzisionsschützen

Präzisionsschütze der Polizei von Honolulu (Hawaii)

Als Präzisionsschütze wird im allgemeinen ein Schütze bezeichnet, der durch seine Ausrüstung und Ausbildung in der Lage ist, auf größere Distanz Ziele präzise zu bekämpfen. Er verfügt jedoch nicht über die „Einzelkämpferausbildung“ eines militärischen Scharfschützen.

Präzisionsschützen der Polizei haben den Auftrag, durch gezielte Schüsse eine extreme Gefahrensituation abzuwenden, also z. B. Verbrechensopfer zu retten. Außerdem dienen sie als Beobachter, was in den meisten Fällen ihre einzige Funktion bleibt, und helfen bei der Planung von Sicherungsmaßnahmen bei gefährdeten Ereignissen. Im Vergleich mit militärischen Scharfschützen ergeben sich für ihren Einsatz völlig andere Beschränkungen und Rechtsgrundlagen bedingt durch die Unterschiede von Polizeirecht und Kriegsrecht.

Auch der eigentliche Einsatz unterscheidet sich grundlegend: Polizeischützen schießen auf vergleichsweise kurze Entfernungen zwischen 50 und 120 Meter, während militärische Scharfschützen Distanzen von bis zu 2.500 Metern abdecken. Sie stehen dabei in ständigem Kontakt zur Einsatzleitung, die auch das Ziel und den Zeitpunkt des Schusses klar festlegt. Außerdem müssen Präzisionsschützen der Polizei mit dem ersten Schuss unbedingt den Straftäter an der Fortsetzung seiner Tathandlung hindern. Hierzu wird nach Möglichkeit der Hirnstamm des Straftäters anvisiert. Bei Zerstörung des Hirnstammes wird der Getroffene augenblicklich handlungsunfähig (Mannstoppwirkung) und ist auch zu keinen reflexartigen Reaktionen mehr fähig. Beispielsweise kann er so die Drohung nicht mehr wahrmachen, eine Geisel zu ermorden, falls auf ihn geschossen wird.

Viele Probleme für militärische Scharfschützen entfallen im Polizeieinsatz: Tarnung spielt keine so maßgebliche Rolle wie bei den Streitkräften, da Polizeischützen in der Regel nicht durch Feindaufklärung und Beschuss bedroht sind und nach der Schussabgabe nicht verborgen bleiben müssen. Ebenso dauert ein polizeilicher Präzisionsschützeneinsatz nur wenige Stunden, in denen sich die Schützen abwechseln können. Ein Problem für zivile Präzisionsschützen in Deutschland ist jedoch die teilweise unterschiedliche Gesetzeslage hinsichtlich des finalen Rettungsschusses (siehe dort) in den einzelnen Bundesländern. Auch bei polizeirechtlich vorgesehenem finalen Rettungschuss muss die Verhältnismäßigkeit anschließend von der Justiz geprüft werden.

Die Entwicklung des polizeilichen Scharfschützenwesens lässt sich mit dem Aufkommen des Terrorismus und ähnlicher Schwerstkriminalität in den 1970er Jahren ansetzen.

Psychologisches Anforderungsprofil

Marines bei einer Übung im Jahr 2000 in Slunj (Kroatien)

Scharfschützen sollen besonders stressresistent, ausgeglichen, geduldig und intelligent sein. Diese Fähigkeiten werden benötigt, da Scharfschützen im Einsatz meistens auf sich gestellt sind, häufig einer sehr monotonen Aufgabe nachgehen und unabhängig in kleinen Gruppen bzw. alleine operieren. Deshalb müssen sie in der Lage sein Entscheidungen selber zu treffen, auf neue Situationen zu reagieren und zahlreiche Informationen auszuwerten.

Die besondere Einsatzart des Scharfschützen, aus dem Hinterhalt zu töten und nicht aus einer konkreten Notwehrsituation, kann besondere psychische Probleme verursachen.[2]

Beispielsweise lernt der Schütze während einer Observation, die Stunden oder Tage dauern kann, das Ziel mit all seinen menschlichen Eigenheiten (Lachen, Essen und anderen Dingen des normalen Lebens) kennen und kann dessen Mimik sehen. Gleichzeitig stellen die beobachteten Personen keine persönliche Bedrohung dar und wissen im Normalfall nicht von der Gegenwart des Schützen. Dabei kann eine Subjektivierung einsetzen, bei der die Zielperson zu einem Menschen wird, den man zu kennen glaubt. Deshalb muss der Schütze fähig sein, auch bei vermeintlicher Individualisierung der Zielperson abzudrücken ohne dabei übermäßig unter dem von ihm verursachten Tod des getöteten Menschen zu leiden. Nicht selten ist wegen dieser Individualisierung psychologische Betreuung nach einem Einsatz erforderlich.[3]

Bekannte Scharfschützen

Ljudmila Michailowna Pawlitschenko

Wassili Grigorjewitsch Saizew

Rosa Jegorowna Schanina

Matthäus Hetzenauer

Simo Häyhä

Zvezdan Jovanovic

Randall Shughart

Rob Furlong

Mediale Rezeption

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Macleans.ca „We were abandoned“
  2. Intelligence. A sniper’s duties require a wide variety of skills. […] Emotional balance. The sniper must be able to calmly and deliberately kill targets that may not pose an immediate threat to him. It is much easier to kill in self-defense or in the defense of others than it is to kill without apparent provocation. The sniper must not be susceptible to emotions such as anxiety or remorse. Candidates whose motivation toward sniper training rests mainly in the desire for prestige may not be capable of the cold rationality that the sniper’s job requires.” Auf US-Army Field Manual 23–10: Sniper Training and Deployment
  3. Eric L. Haney: Delta Force – Im Einsatz gegen den Terror. Ein Soldat der amerikanischen Elite-Einheit berichtet. Goldmann, München 2003, ISBN 3-442-15215-1, S. 164. 

Literatur

Monographien

  • Charles Henderson: Todesfalle. Die wahre Geschichte eines Scharfschützen in Vietnam (über Carlos Hathcock). Heyne, München 1993, ISBN 3-453-03687-5
  • Jan Boger: Jäger und Gejagte. Die Geschichte der Scharfschützen. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 1987, ISBN 3-87943-373-9
  • Eric L. Haney: Delta Force – Im Einsatz gegen den Terror. Ein Soldat der amerikanischen Elite-Einheit berichtet. Goldmann, München 2003, ISBN 3-442-15215-1 (zum Thema psychologisches Anforderungsprofil auf S. 162 ff)
  • Peter Brookesmith: Scharfschützen. Geschichte, Taktik, Waffen. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 2004, ISBN 3-613-02247-8
  • Ian V. Hogg (Text), Ray Hutchins (Fotos): Moderne Scharfschützengewehre. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 2004, ISBN 3-613-02014-9
  • David L. Robbins: Krieg der Ratten (über den Aufbau einer Scharfschützen-Schule in Stalingrad während des 2. Weltkrieges). Heyne, München 2001, ISBN 3-453-190-01-7
  • Peter Senich: Deutsche Scharfschützen-Waffen 1914–1945. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 1996, ISBN 3-613-01732-6
  • Mark Spicer: Scharfschützen. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 3-613-30586-0
  • Siegfried F. Hübner: Scharfschützen-Schiesstechnik: Schiessausbildung der Scharfschützen. Verlag Kienesberger 1999, ISBN 3-923995-16-4
  • Jack Coughlin: Shooter: The Autobiography of the Top-Ranked Marine Sniper. Amistad 2005, ISBN 0-06-447290-6
  • Martin Pegler: Out of Nowhere: A History of the military sniper. Osprey Publishing 2004, ISBN 1-84176-854-5
  • Sniping In France 1914-18 - With Notes on the Scientific Training of Scouts, Observers, and Snipers von Major H. Hestketh-Prichard, Helion and Company Ltd. Verlag (August 2004), 176 Seiten, englische Sprachausgabe, ISBN 1-874622-47-7

Zeitschriften

  • Visier: Scharfschützen, Visier-Magazin, Bad Ems, Sonderausgabe 34. September 2004, ISBN 3-9809243-2-7

Dienstvorschriften

  • US Army Field Manual 23-10 Sniper Training
  • Bundeswehr Zentrale Dienstvorschrift (ZDv) 3/132 Das Scharfschützengewehr G22
  • Bundeswehr Heeresdienstvorschrift (HDv) 216/721 Der Scharfschütze
  • Nachdruck der Dienstvorschrift MB-60/6 der ehemaligen Nationalen Volksarmee: Einsatzgrundsätze für Scharfschützen. Enforcer 1997, ISBN 3-939700-00-2

Weblinks


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