Psychotherapeutisch

Psychotherapeutisch
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Die Bezeichnung Psychotherapie griech. ψυχοθεραπεία, psycho Seele und therapía – Heilen) steht als Oberbegriff für alle Formen psychologischer Verfahren, die ohne Einsatz medikamentöser Mittel auf die Behandlung psychischer und psychosomatischer Krankheiten, Leidenszustände oder Verhaltensstörungen abzielen.

Dabei finden psychologische, d.h. wissenschaftlich fundierte Methoden verbaler und nonverbaler Kommunikation systematische Anwendung.[1] Es gibt verschiedene Psychotherapieformen. Die Verhaltenstherapie beinhaltet Veränderungen der sozialen Umgebung und Interaktion. Das Ziel ist hierbei die Ausbildung und Förderung von Fähigkeiten und die Ermöglichung einer besseren Selbstregulation. Beispielsweise versucht die kognitive Verhaltenstherapie dem Betroffenen seine Gedanken und Bewertungen bewusst zu machen, diese gegebenenfalls zu korrigieren und in konkrete Verhaltensweisen umzusetzen.

In der Tiefenpsychologie (z. B. der Psychoanalyse) findet eher eine Auseinandersetzung mit "dem Unbewussten" (oder Nichtgewussten) statt, um die Hintergründe und Ursachen des Leidens zu klären.

In Europa ist der Zugang zur Berechtigung zur Ausübung von Psychotherapie unterschiedlich geregelt. In Deutschland sind dazu Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sowie ärztliche und psychologische Psychotherapeuten und in beschränktem Ausmaß auch Heilpraktiker befugt, die allerdings die Berufsbezeichnung Psychotherapeut nicht führen dürfen. In Österreich ist die Ausbildung und Berufsberechtigung im Sinne des geltenden Psychotherapiegesetzes weiter geregelt.[2] Insgesamt ist Psychotherapie nur in elf EU-Staaten gesetzlich geregelt.

Inhaltsverzeichnis

Der Begriff Psychotherapie

Wissenschaftliche Definitionen

Aus der Perspektive wissenschaftlicher Psychologie oder Psychotherapieforschung ist Psychotherapie die auf wissenschaftlichem Wege gefundene, besondere Form einer kontrollierten menschlichen Beziehung, in der der Therapeut die jeweils spezifischen Bedingungen bereitstellt, um für einen oder mehrere Patienten Veränderungen in Richtung einer Verminderung/Heilung von seelischem/körperlichem Leiden zu ermöglichen. Auch eine gleichzeitige persönliche Weiterentwicklung kann mit Psychotherapie verbunden oder sogar ihr ausdrückliches Ziel sein. Durch die jeweils besondere Beziehungsgestaltung und die ausgewählten Anregungen des Psychotherapeuten, die „Methoden“ genannt werden, steigert der Patient die Fähigkeit, besser mit sich und seinen Problemen umgehen zu können, um ein Mehr an geistigem/seelischem und körperlichem Wohlbefinden zu erreichen.

Gleichzeitig erfährt er auf unterschiedlichen Ebenen die verursachenden Zusammenhänge für sein Leiden.

Eine weitere Definition stammt aus dem Jahre 1978 vom Wiener Psychotherapeuten Hans Strotzka:

„Psychotherapie ist ein bewusster und geplanter interaktioneller Prozess zur Beeinflussung von Verhaltensstörungen und Leidenszuständen, die in einem Konsensus (möglichst zwischen Patient, Therapeut und Bezugsgruppe) für behandlungsbedürftig gehalten werden, mit psychologischen Mitteln (durch Kommunikation) meist verbal aber auch averbal, in Richtung auf ein definiertes, nach Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel (Symptomminimalisierung und/oder Strukturänderung der Persönlichkeit) mittels lehrbarer Techniken auf der Basis einer Theorie des normalen und pathologischen Verhaltens.“[3]

Abgrenzung von anderen professionellen Beziehungen

Das psychotherapeutische Setting wird wegen seiner juristischen wie theoretischen Rahmenbedingungen von anderen Formen der professionellen (Arbeits-) Beziehung formal deutlich, aber von Land zu Land unterschiedlich unterschieden. So sind in Deutschland z. B. Beratungsgespräche mit Lehrern, Sozialarbeitern, und auch Seelsorgegespräche keine Psychotherapie.

Inhaltlich überschneiden sich Therapie, Beratung, Seelsorge, Selbsterfahrung oft bis in Kernbereiche. Auf dem Kontinuum zwischen der „Behandlung von Krankhaftem“ bis zur „Entwicklung von Ressourcen“ ist Psychotherapie nur unbefriedigend abzugrenzen. Verschiedene Therapie-Richtungen integrieren zusätzlich zu Psychischem auch Spiritualität, Soziales, Politisches, etc.

Formal handelt es sich dann nicht um Psychotherapie,

  • wenn keine Störungen oder Krankheiten beeinflusst werden sollen,
    wie z. B. in Selbsterfahrungsgruppen, Supervisionen, Trainings- oder Coachinggruppen, in allgemeiner Lebensberatung;
  • wenn dem therapeutischen Handeln keine wissenschaftliche Theorie und keine überprüfbaren Anschauungen zugrundeliegen,
    sondern die „Behandlung“ sich ausschließlich auf die persönlich gewonnenen oder in einer bestimmten Gruppe tradierten Erfahrungen stützt, wie in manchen paramedizinischen und esoterischen Kontexten;
  • wenn keine (schriftliche oder mündliche) Vereinbarung zu einer Psychotherapie vorliegt;
  • wenn die Ziele des Therapieprozesses nicht festgelegt werden oder diese Ziele nicht offen besprochen werden;
  • wenn ausschließlich Behandlungen mit Medikamenten erfolgen;
  • wenn also keine persönliche Interaktion zwischen dem Patienten oder Klienten und dem Psychotherapeuten vorliegt (wenn z. B. „therapeutische Mitteilungen“ ausschließlich in der Form von Rundbriefen, Audio- oder Videokassetten etc. verbreitet werden);
  • wenn an die Stelle therapeutischer Techniken lediglich die charismatische Persönlichkeit des Behandelnden als therapeutisches Wirkprinzip tritt.

Wissenschaftlicher Beirat Psychotherapie (WBP)

Der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie (WBP), verantwortlich für Gutachten zur wissenschaftlichen Anerkennung von Psychotherapieverfahren (§ 11 Psychotherapeutengesetz), arbeitet auf Grundlage folgender Definition:

Psychotherapie ist die Behandlung von Individuen auf der Basis einer Einwirkung mit überwiegend psychischen Mitteln. Die Definition wissenschaftlicher Psychotherapie fordert eine Reihe von weiteren Bedingungen, z. B. das Anstreben der positiven Beeinflussung von Störungs- und Leidenszuständen in Richtung auf ein nach Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel (z. B. Symptomminimalisierung und/oder Strukturveränderungen der Persönlichkeit) sowie einen geplanten und kontrollierten Behandlungsprozess, der über lehrbare Techniken beschrieben werden kann und sich auf eine Theorie normalen und pathologischen Verhaltens bezieht. Wissenschaftliche Psychotherapie sollte als Heilbehandlung im Rahmen des jeweiligen Gesundheitssystems zu bestimmen sein.

Psychotherapieverfahren

Es besteht eine Vielzahl von Schulen und Methoden, manche sind in erster Linie historisch bedeutsam, bei anderen handelt es sich um Weiterentwicklungen, Spezialisierungen oder Abspaltungen. Nicht alle Ansätze nehmen in Anspruch, zur Heilung psychischer Störungen beitragen zu können. Es gibt auch Methoden, die nicht für die Psychotherapie konzipiert wurden, sondern für Beratung und Coaching oder als Selbsterfahrungstechnik.

Insgesamt gibt es zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine Fülle psychotherapeutischer Ansätze und Methoden. Im Gesundheitswesen der deutschsprachigen Länder spielen aber nicht alle davon eine Rolle.

Aus der wissenschaftlichen Psychologie (insbesondere der Klinischen Psychologie) wird angestrebt, sich allgemeinen wissenschaftlichen Standards der empirischen medizinischen Forschung anzupassen und Psychologische Therapie / Psychologische Psychotherapie als eine von Therapieschulen losgelöste Psychotherapieform zu etablieren, in der, soweit möglich, wissenschaftlich-fundiert nach Gesichtspunkten der evidenz-basierten Medizin behandelt (und evaluiert) wird. Es wird also das angewendet, was bei einem bestimmten Störungsbild und unter Berücksichtigung der Situation des Patienten wissenschaftlich als am besten wirksam belegt angesehen werden muss (was nicht mit dem in der Praxis oft anzutreffenden Eklektizismus verwechselt werden sollte). Die Tendez geht in die Richtung einer Integration der verschiedenen Richtungen. Ref: (Grawe 1994)

Psychotherapieschäden

Als Psychotherapieschaden ist anzusehen, wenn Klienten sich nach der Psychotherapie seelisch schlechter und/oder weniger funktionsfähig fühlen als vor der Psychotherapie, oder wenn neben einigen Verbesserungen der seelischen Gesundheit in anderen Bereichen Verschlechterungen eintreten, besonders dann, wenn die Verbesserungen eher in den seelischen Nebenbereichen gegeben sind, und nicht in dem Hauptbereich der seelischen Beeinträchtigungen, derentwegen die Klienten zur Psychotherapie kamen. Ein Therapieschaden liegt auch vor, wenn keine, nur geringfügige oder nur kurzzeitige Verbesserungen eintreten, obwohl bei qualifizierteren Psychotherapeuten größere konstruktive Änderungen durchaus möglich gewesen wären. Die Rate für Psychotherapieschäden wird bei zehn Prozent angesetzt.

Es gibt negative Prädiktoren und Ausschlusskriterien, die eine Psychotherapie vorab nicht zweckmäßig erscheinen lassen können. Hierzu gehören neben schweren Depressionen und Psychosen weitere unterschiedliche Kriterien in Abhängigkeit vom Verfahren der Psychotherapie. (Quelle:Psychotherapeut 2007; aop: 10.1007/s00278-007-0578-2)

Psychotherapieschäden entstehen z. B., wenn ein Patient angenommen wird, ohne dass sich der Therapeut dem Fall ausreichend gewachsen fühlt, oder wenn bezüglich der Problematik keinerlei Erfahrungen vorliegen, ebenso in Fällen mangelhafter Diagnostik und Therapieplanung. Möglicherweise werden angebotene Symptome nicht kritisch hinterfragt oder es wird versäumt, ein nachprüfbares, dem Realitätsrahmen entsprechendes Behandlungskonzept zu entwickeln. Ein beträchtlicher Fehler kann darin bestehen, dass dem spezifischen Einzelfall, auch vor dem Hintergrund des sozialen Umfeldes und der konkreten Lebenssituation, nicht angemessen Rechnung getragen wird. Ein Therapieschaden entsteht auch dadurch, dass Therapiemethoden oder -techniken nicht angewendet werden, obwohl allgemein bekannt ist, dass sie für ein umschriebenes Problem sehr wirkungsvoll sind.

Ein weiteres Problem ist der mangelhafte Aufbau einer tragfähigen therapeutischen Beziehung, oder der Aufbau einer unnötig starken Bindung, und damit ein Abhängigmachen mit den entsprechenden Ablösungsproblemen. Kritik, negative Rückmeldungen und verstärktes negatives Befinden von Patienten führen häufig nicht zu verstärkter Reflexion, Supervision oder einer notwendigen Veränderung der Therapiemethode. Behandlungsziele dürfen auch nicht gegen den Willen von Patienten verfolgt werden und es darf nicht zu sehr oder sogar gewaltsam in die Persönlichkeit eingedrungen werden, ohne dass dies nach den Therapiezielen erforderlich wäre.

Durch die für den Patienten besondere Bedeutung der Beziehung zum Therapeuten können auch leichte Unaufmerksamkeiten zu ernsthaften Verletzungen führen (Mikrotrauma), insbesondere wenn sie wiederholt auftreten und unbemerkt und ungeklärt bleiben. Beispiele sind: unpünktlicher Behandlungsbeginn, Details falsch wiedergeben, Ablenkung der Aufmerksamkeit, Vergessen von Absprachen und ähnliches.

Des Weiteren sind persönliche Defizite und Probleme der Psychotherapeuten Ursache von Therapieschäden: Häufig ausgebrannt sein, auch eigene psychische Störungen, die zu schwerwiegenden Verstrickungen führen können, wie z. B. zu narzisstischem, wirtschaftlichem oder sexuellem Missbrauch.

Rolle in den gesetzlichen Gesundheitssystemen

Nicht alle Psychotherapieverfahren sind überall staatlich anerkannt und werden von allen Krankenkassen finanziert. Dahinter stehen berufsständische Interessenskämpfe (zwischen Medizinern, Psychologen und andere Berufe), sowie die Konkurrenz der Psychotherapie-Schulen untereinander und uneinheitliche Wirksamkeitsuntersuchungen. In der Schweiz und in Österreich ist die methodische Freiheit und Verantwortung des Therapeuten sehr viel weiter gefasst als in Deutschland.

In der Schweiz wird nicht nach Methoden unterschieden. Entscheidend ist die Qualifikation des Therapeuten. Zugelassen sind psychotherapeutisch ausgebildete Ärzte, die ihrerseits psychotherapeutisch ausgebildete Psychologen anstellen können. Diese Therapien werden von der obligatorischen Krankenversicherung finanziert. Private Versicherungen unterliegen keinen Beschränkungen.[4]Die Zulassung von Therapiemethoden erfolgt durch die Schweizerische CHARTA für Psychotherapie[5], den Schweizerischen Berufsverband für angewandte Psychologie (SBAP)[6], den Schweizerischen PsychotherapeutInnen-Verband (SPV)[7] sowie die Föderation Schweizerischer Psychologen (FSP)[8].

In Österreich besteht keine Beschränkung auf Quellberufe, wie Arzt oder Psychologe. Entscheidend für die Eintragung als Psychotherapeut ist eine zweistufige Ausbildung, die mindestens fünf Jahre dauert und aus einem allgemeinen Teil, dem Psychotherapeutischen Propädeutikum, und einem Fachspezifikum besteht. Zugelassen sind derzeit 22 Verfahren, die in der untenstehenden Tabelle gelistet sind. [9][10]

In Deutschland ist die Psychotherapie streng reglementiert und stark an die ärztliche Versorgung gekoppelt. Außer Ärzten dürfen – im eingeschränkten Ausmaß – nur Psychologen und Heilpraktiker psychotherapeutisch arbeiten. Jährlich werden etwa 900 Mio. Euro über das KV-System, also im Rahmen der GKV, an die psychologischen Psychotherapeuten verteilt.[11] Die anerkannten Verfahren sind im wesentlichen drei, die im Einzel- und im Gruppensetting für Erwachsene und auch für Kinder und Jugendliche angeboten werden dürfen: Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie als Kurztherapie, Fokaltherapie oder dynamische Psychotherapie, Analytische Psychotherapie nach Sigmund Freud, C.G. Jung oder Alfred Adler, sowie Verhaltenstherapie mit verschiedenen Schwerpunkten. Außerdem können Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung und Hypnose als Einzelbehandlung genehmigt und finanziert werden. Die Heilmittelverordnung erkennt auch Ergotherapie an, innerhalb der Gestaltungstherapie und Arbeitstherapie stattfinden kann.


Richtung Methode Gründer Deutschland Österreich Schweiz
analytisch Psychoanalyse Sigmund Freud
Individualpsychologie Alfred Adler
Analytische Psychologie C. G. Jung
Gruppenpsychoanalyse Pratt, Burrow, Schilder
tiefenpsychologisch Autogene Psychotherapie J.H. Schultz
Daseinsanalyse Ludwig Binswanger
Dynamische Gruppenpsychotherapie Raoul Schindler
Hypnosepsychotherapie Milton Erickson (1)
Katathym-Imaginative Psychotherapie Hanscarl Leuner
Konzentrative Bewegungstherapie Gindler, Stolze, Cserny
Transaktionsanalyse Eric Berne
humanistisch Existenzanalyse und Logotherapie Viktor Frankl
Gestalttherapie Perls, Perls, Goodman
Gesprächspsychotherapie[12] Carl R. Rogers (2)
Psychodrama Jakob L. Moreno
behavioristisch Verhaltenstherapie Kanfer, Lazarus, Ellis u.a.
systemisch Systemische Therapie Satir, Haley, Jackson u.a. (2)
kombinatorisch Integrative Therapie Hilarion Petzold
Neuro-Linguistische Psychotherapie Peter Schütz
körperorientiert Bioenergetische Analyse Wilhelm Reich, Alexander Lowen
Biosynthese David Boadella
Körperpsychotherapie verschiedene Schulen
kunstorientiert Kunst- und ausdrucksorientierte Therapien verschiedene Schulen
  • (1) Hypnosetherapie: in Deutschland Einzelbehandlung für Erwachsene anerkannt, muss von einem Arzt durchgeführt werden
  • (2) Gesprächstherapie und Systemischetherapie: in Deutschland für Erwachsene anerkannt (nach Berufsrecht), wird allerdings von den Kassen noch nicht finanziert (nach Sozialrecht)


Deutschland

Berufsrecht

Psychotherapie wird in Deutschland ausschließlich von Ärzten (mit einer entsprechenden psychotherapeutischen Zusatzausbildung) oder von Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut) sowie von Heilpraktikern für Psychotherapie durchgeführt.

Seit 1999 gilt in Deutschland das Psychotherapeutengesetz, welches die Berufsbezeichnung „Psychotherapeut“ erstmals gesetzlich geschützt hat (nicht jedoch die Gebietsbezeichnung „Psychotherapie“). Neben Ärzten, für die eigene berufsrechtliche Regelungen gelten, können nur Diplom-Psychologen (für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie auch Musiktherapeuten, Kunsttherapeuten, Diplom-Pädagogen und Sozialpädagogen) nach erfolgreicher Absolvierung einer staatlich anerkannten Ausbildung, bei Vorliegen bestimmter, im Psychotherapeutengesetz festgelegter Voraussetzungen, die staatliche Approbation erhalten.

  • Psychologische Psychotherapeuten haben zunächst Psychologie (Diplom-Psychologie) studiert (dabei müssen sie während des Hauptstudiums den Schwerpunkt Klinische Psychologie belegen) und absolvieren anschließend eine mehrjährige theoretische und praktische Psychotherapieausbildung, bevor sie die entsprechende staatliche Zulassung (Approbation, „Bestallung“ zur Ausübung der Heilkunde) erhalten. Die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten beinhaltet etwa doppelt so viele theoretische Stunden wie die Facharztausbildung. Somit haben Psychologische Psychotherapeuten ein größeres theoretisches Wissen über Psychotherapie und insbesondere Psychotherapieforschung. Die ärztlichen Psychotherapeuten haben hingegen ein größeres theoretisches Wissen in der Pharmakotherapie.
  • Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten studieren zunächst Psychologie, Medizin, Musiktherapie, Kunsttherapie, Pädagogik oder Sozialpädagogik. Nach dem Studium erfolgt analog zu den Psychologischen Psychotherapeuten eine mehrjährige Zusatzausbildung mit anschließender Approbation.
  • Ärzte bilden sich nach Abschluss ihres Medizinstudiums entweder zum „Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie“, zum „Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie“ (oft in Kombination mit dem „Facharzt für Neurologie“) oder „Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie“ weiter, oder sie erwerben – nach einer beliebigen (nicht psychotherapie-gebundenen) Spezialisierung oder Facharztausbildung – zusätzlich die berufsbegleitenden Zusatzqualifikationen „Psychotherapie“ oder „Psychoanalyse“.
  • Heilpraktiker für Psychotherapie haben sich heute weniger autodidaktisch (aufgrund der Prüfungsanforderungen nicht mehr möglich), sondern im Rahmen einer schulischen Fortbildung bei Instituten oder Akademien, oftmals auch aufgrund ihrer lebenspraktischen Berufserfahrung als Gesundheits- und Krankenpfleger, psychologische Berater, Coach, auf die amtsärztliche Überprüfung zur Zulassung als Heilpraktiker bei ihrem zuständigen Gesundheitsamt vorbereitet, um die „staatliche Zulassung zur Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung auf dem Gebiet der Psychotherapie“ zu erhalten. Hierzu gehören auch Diplom-Psychologen, Musiktherapeuten und Kunsttherapeuten die keine Approbation gemacht haben. Diese können ebenfalls eine Zulassung nach dem HPG beantragen, wenn sie klinische Psychologie als Hauptfach hatten und eine Ausbildung in einem Psychotherapieverfahren nachweisen können. Dann kann von einem Überprüfungsverfahren abgesehen werden. Bei manchen Gesundheitsämtern muss eine Prüfung abgelegt werden.

Sozialrecht

Die gesetzliche Krankenversicherung und damit auch deren Verfahrensweise bezüglich der Psychotherapie ist im Fünften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V) geregelt. § 92 bestimmt, dass der so genannte Gemeinsame Bundesausschuss „Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten“ beschließt. Diese Richtlinien regeln für die Psychotherapie insbesondere:

  • behandlungsbedürftige Krankheiten
  • zur Krankenbehandlung geeignete Verfahren
  • Antrags- und Gutachterverfahren
  • probatorische Sitzungen
  • Art, Umfang und Durchführung der Behandlung sowie den ärztlichen Konsiliarbericht

Dabei können Leistungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, „wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind“.

Erkrankungen

Erste Voraussetzung für eine Psychotherapie zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ist, dass „eine seelische Krankheit“ (auch psychische Erkrankung oder psychische Störung genannt = F-Diagnose nach ICD-10) vorliegt. Im Einzelfall kann es hier schwierig sein, z. B. zwischen normaler Traurigkeit nach Verlusterlebnissen (ICD-10-Diagnose ist nicht möglich, nur, wenn eine Anpassungsstörung vorliegt!) und depressiver Verstimmung (ICD-10 z. B.: F32 oder F43.21) zu unterscheiden. Liegt ein normales Erleben vor, wäre die Anwendung von Methoden der Psychotherapie als Beratung zu werten und fiele nicht in die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung. Liegt hingegen eine psychische Erkrankung nach den Kriterien der ICD-10 vor, so ist eine Indikation zur Psychotherapie zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung möglich.

Therapieverfahren

Bislang gilt die Einschränkung auf drei Therapieverfahren: Verhaltenstherapie als Verfahren, sowie die tiefenpsychologischen Verfahren: Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und Analytische Psychotherapie in der es drei generelle theoretische Richtungen gibt: einmal die Psychoanalyse nach Sigmund Freud, die Analytische Psychologie nach Carl Gustav Jung und die Individualpsychologie nach Alfred Adler. Der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie empfahl im Mai 2002 die Gesprächspsychotherapie als „wissenschaftlich anerkanntes Verfahren“ mit aufzunehmen. Die Behandlung mit Gesprächspsychotherapie wird derzeit nicht von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Die hierfür notwendige sozialrechtliche Anerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, welche Voraussetzung für die Kostenerstattung ist, steht noch aus. Für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie ist die Gesprächspsychotherapie nicht anerkannt.

Unter den in Deutschland nicht anerkannten Verfahren finden sich zwar einige nutzlose, fallweise sogar gefährliche Entwicklungen, aber auch traditionsreiche, neue oder etablierte Ansätze mit vielversprechenden Ideen, die in anderen europäischen Ländern bereits anerkannt sind.

Behandler

Leistungserbringer der Psychotherapie im System der gesetzlichen Krankenversicherung sind als Vertragsärzte oder -psychotherapeuten in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassene Psychotherapeuten. Voraussetzungen für diese Kassenzulassung ist eine berufsrechtliche Zulassung (Approbation). Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sind dabei den entsprechend qualifizierten Fachärzten gleichgestellt. Für den Patienten besteht Wahlfreiheit.

Bei mutmaßlicher Psychotherapie-Unterversorgung kann auch ohne Kassenzulassung im Einzelfall ein fachlich geeigneter approbierter Psychotherapeut oder auch ein HP-Psychotherapie zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung außervertraglich Psychotherapie erbringen; in solchen Fällen wird i. d. R. vorab der Medizinische Dienst der Krankenversicherung beratend von der Krankenkasse hinzugezogen, dieser hat aber nur zu entscheiden, ob eine psychotherapeutische Behandlung angezeigt ist und ob das angegebene Psychotherapieverfahren den Richtlinien des Bundesausschusses entspricht.

Pflichten
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Ergänzende Anmerkung: Gespräche von niedergelassenen Kollegen mit psychisch Kranken, die den o.a. Kriterien nicht entsprechen und die z. B. im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung erbracht werden, haben eher stützenden oder die weitere Therapie (z. B. Psychotherapie) anbahnende Funktion. Sie können eine Psychotherapie nicht ersetzen.

Es besteht für die niedergelassenen Kollegen nach § 95d SGB V die Verpflichtung zur kontinuierlichen Fortbildung (Erwerb von derzeit 250 CME-Punkten in fünf Jahren), sonst droht Honorarabzug oder im nächsten Schritt der Entzug der Zulassung durch die zuständige Krankenkasse. Im Bereich der Psychotherapie stellt das vorgeschriebene Gutachterverfahren eine qualitätssichernde Maßnahme dar.

Schon das in § 12 SGB V festgeschriebene Wirtschaftlichkeitsgebot impliziert, dass eine zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbrachte Leistung eine ausreichende Qualität haben muss; ansonsten wäre ihre Erbringung nicht zweckmäßig, nicht ausreichend und in der Konsequenz unwirtschaftlich. §§ 73c, 135a, 136, 136a und 136b SGB V und § 11 des BMV-Ä regeln – allerdings recht allgemein gehalten – die Qualitätssicherung im vertragsärztlichen Bereich. Es besteht eine Verpflichtung zur Einrichtung eines Qualitätsmanagement-Systems in der Praxis, allerdings keine Pflicht zur Erlangung eines Zertifikats, d. h. der Bestätigung der Qualität durch qualifizierte Dritte.

Antrags- und Gutachterverfahren

Weitere Voraussetzung für Psychotherapie sind Psychotherapie-Fähigkeit des Patienten (der Patient muss intellektuell und motivational dazu in der Lage sein, von Psychotherapie zu profitieren) und das Vorliegen einer adäquaten Diagnostik und eines angemessenen Behandlungsplanes. Anders als bei anderen Verfahren im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ist in der Langzeittherapie, z. T. auch in der Kurzzeitherapie bei unerfahreneren Therapeuten durch ein vorgeschaltetes Gutachterverfahren seit Jahren eine Qualitätssicherung implementiert (Antragsverfahren). Jede Langzeittherapie erfordert einen Antrag, in dem Anamnese, Diagnostik, Krankheitsgenesemodell und eine detaillierte Therapieplanung aufgeführt sind. Der Antrag wird von einem qualifizierten externen Gutachter (i. d. R. niedergelassener Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie oder für Psychosomatik und Psychotherapie) geprüft. Erst nach Zustimmung durch den Gutachter kann eine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung erfolgen (siehe hierzu auch § 11, Anlage 1 zum Bundesmanteltarifvertrag).

Probatorische Sitzungen, Art, Umfang und Durchführung der Behandlung

Sowohl Einzeltherapie als auch Gruppentherapie ist im ambulanten Bereich möglich. Die Abrechnung erfolgt über den Einheitlichen Bewertungsmaßstab.

Die Zeitkontingente für Psychotherapie sind festgelegt. Nach fünf (Verhaltenstherapie und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie) oder acht (analytische Psychotherapie) probatorischen Sitzungen, die zur Indikationsprüfung dienen, kann eine Kurzzeittherapie mit bis zu 25 Stunden erfolgen. Bei nichtärztlichen Therapeuten ist außerdem vor Beginn der Therapie ein ärztlicher Konsiliarbericht erforderlich, der u.a. das Nichtvorhandensein einer körperlichen Erkrankung bescheinigt und Fragen der Medikamenteneinnahme klärt. Besteht Bedarf für eine längere Therapie, kann eine Langzeittherapie erfolgen (eine Kurzzeittherapie kann ggf. in eine Langzeittherapie auf Antrag umgewandelt werden). Die Höchstgrenzen für Langzeittherapien sind bei Erwachsenen (für Kinder und Jugendliche gelten etwas niedrigere Stundenzahlen):

  • Bei Verhaltenstherapie bis zu 45 Stunden, dann erfolgt in Einzelfällen nach Begründung eine Verlängerung auf 60 Stunden.
  • bei analytischer Psychotherapie bis zu 160 Stunden, in besonderen Fällen bis zu 240 Stunden.
  • bei tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie bis zu 50 Stunden, in besonderen Fällen bis zu 80 Stunden.

In begründeten Einzelfällen können diese Zeiten überschritten werden und zwar

  • bei Verhaltenstherapie auf 80 Stunden, in Einzelfällen mit einem weiteren Antrag auf 100 Stunden,
  • bei analytischer Psychotherapie bis zu 300 Stunden,
  • bei tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie bis zu 100 Stunden.

Bedingungen der privaten Krankenversicherungen

Die Bedingungen der privaten Krankenversicherungen sind unterschiedlich. Grundsätzlich orientieren sie sich an den gesetzlichen Verfahrensweisen, haben aber im einzelnen oft etwas großzügigere Regelungen, so bei Behandlern und Therapieverfahren. Vor Beginn einer Therapie muss jedoch in der Regel eine schriftliche Zustimmung der Versicherung eingeholt werden.

Verbraucherschutz

Es empfiehlt sich, den Therapeuten oder die Therapeutin vor Beginn der Therapie in einem Erstgespräch kennenzulernen. Bei Therapie im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung sind bis zu fünf (bei tiefenpsychologisch fundierter PT und Verhaltenstherapie) oder acht (bei analytischer PT) Schnupper-Sitzungen („probatorische Sitzungen“) pro Psychotherapeut möglich, um zu prüfen, ob eine tragfähige Arbeitsbeziehung aufgebaut werden kann. Dabei sollten die Kosten und Dauer der Therapie, sowie die sonstigen Rahmenbedingungen abgestimmt werden. Erst nach dieser Phase, in der auch die Therapieziele und der Behandlungsplan besprochen werden, wird ein Antrag auf Psychotherapie gestellt und die eigentliche Therapie beginnt. Eine übereilte oder falsche Entscheidung für einen Therapieplatz kann das ursprüngliche Problem auch verschärfen. Nach einem Therapieabbruch kann die Bewilligung einer Nachfolgetherapie durch die Krankenkasse in Frage gestellt sein.

Beim Verdacht auf einen Behandlungsfehler können Psychotherapieklienten, die sich durch eine Therapie geschädigt fühlen, an die Patientenberatung einer Verbraucherzentrale wenden. Sie erhalten dort eine Einschätzung aus juristischer Sicht sowie Hinweise, wie sie mit den Folgen einer aus ihrer Sicht erfolglosen Therapie umgehen können.

Österreich

In Österreich kann Psychotherapie nach dem Ärztegesetz, näheres siehe PSY-Diplome und weiter unten im Text, oder dem Psychotherapiegesetz von 1990[13] durchgeführt werden. Das regelt den Beruf des Psychotherapeuten. Es legt etwa die Voraussetzungen für die Ausbildung, die Ausbildung selbst, die Berufsbezeichnung, die Berufspflichten, den Listeneintrag, den Psychotherapiebeirat sowie Strafbestimmungen und das Verhältnis zu anderen Vorschriften fest.

Der Zugang zur Ausbildung erfolgt über im Gesetz angeführte zuvor absolvierte Studien und/oder Ausbildungen (Quellenberufe): etwa das Studium der Medizin, der Pädagogik, der Philosophie, der Publizistik- und Kommunikationswissenschaften, der Theologie, an einer Akademie oder Fachhochschule für Sozialarbeit oder an einer Pädagogischen Akademie, die Ausbildung zur Diplom Gesundheits- und Krankenpflege. Zudem können Personen „Auf Grund besonderer Eignung“ auf Basis eines Gutachten des Psychotherapiebeirats zugelassen werden.

Die Grundausbildung („Psychotherapeutisches Propädeutikum“) dauert etwa 2 1/2 Jahre. Das „psychotherapeutische Fachspezifikum“ dient der Ausbildung in einer der anerkannten Methoden und dauert mindestens vier Jahre.

Ausschließlich Ärzte können die Berechtigung zur selbständigen Ausübung von Psychotherapie mit dem ÖÄK-Diplom für Psychotherapeutische Medizin der Österreichischen Ärztekammer erlangen. Dieses Diplom wird Ärzten nach Absolvierung der vorgeschriebenen Seminare und Veranstaltungen von der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) verliehen. Inhaber dieses Diploms können auf ihrem Ärzteschild die Bezeichnung ÖÄK-Diplom für Psychotherapeutische Medizin anführen. Nähere Informationen zu diesen Fortbildungsdiplomen finden sich auf der Homepage des PSY-Referates der Österreichischen Ärztekammer oder der Homepage der ÖGPPM, der Österreichischen Gesellschaft für Psychosomatische und Psychotherapeutische Medizin.

In Österreich sind derzeit 22 psychotherapeutische Methoden anerkannt. [14] Ein unmittelbarer Vergleich mit den in Deutschland zugelassenen Verfahren ist dabei schwer möglich, da das österreichische Anerkennungssystem bei den Methoden stärker differenziert als das deutsche.

Schweiz

In der Schweiz wird die Krankenkassen-Zulassung von psychotherapeutischen Methoden wie oben dargestellt durch die Schweizer CHARTA für Psychotherapie, den Schweizer Berufsverband für angewandte Psychologie SBAP, den Schweizer PsychotherapeutInnen-Verband SPV sowie die Föderation Schweizer Psychologen FSP organisiert. Eine gültige Methoden-Zulassung erfolgt daher bis heute nach den Aufnahme-Kriterien dieser vier Verbände. Für die Zulassung zur Führung einer Psychotherapie-Praxis (Praxisbewilligung) sind die Kantone zuständig. Seit einigen Jahren gibt es eine Diskussion über die Zulassung aller Psychotherapiemethoden, die vom Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BBT[15] ausgelöst wird.

Geschichte

Obwohl die Geschichte der „modernen“ Psychotherapie erst Anfang des 20. Jahrhunderts begann und Sigmund Freud zugeschrieben wird, findet sich eine „Beziehungsgestaltung mit dem Ziel der Linderung seelischer/emotionaler Leiden“ in allen bekannten Kulturen. Die unten genannten Psychotherapeutischen Paradigmen sind die in der heutigen akademischen sowie der außerakademischen Forschung, in der Versorgung von Menschen mit psychischen Krankheiten die gängigsten und anerkanntesten.

Frühgeschichte

In vielen Kulturen war und ist die Idee der psychischen Störung nicht vorhanden oder – weit häufiger – in religiöse Kontexte eingebunden. Manche psychischen Störungen wurden als Folge (dämonischer) Besessenheiten oder Flüche verstanden. Dementsprechend wurden die „Psychotherapien“ oft von Priestern, Schamanen oder Philosophen durchgeführt. Einige der genannten Kriterien treffen auf die damaligen „Behandlungen“ durchaus zu, wie z. B. dass Störungen/Krankheiten behandelt werden sollten, dass entsprechende (explizite oder implizite) Vereinbarungen vorlagen und die Behandlungsmethoden auf dem Hintergrund der kulturell gültigen Theorien erfolgten.

Nicht immer klar davon abzugrenzen waren die „medizinischen Behandlungen“ der Frühzeit. Von den Jägern und Sammlern bis zum heutigen Tage wurde aus schamanischer Medizin, die tief in Religion und Mystizismus verankert war, die „moderne Medizin“ und als Ziel die evidenzbasierte Medizin (siehe Medizingeschichte). Die medizinische Behandlung psychischer Störungen umfasste über viele Jahrtausende sowohl die Ausführung bestimmter Rituale oder Verhaltensweisen, als auch die Verabreichung von Wirkstoffen (Drogen) aus Pflanzen (Phytopharmaka), Tieren oder Mineralien. Erste Darstellungen von psychischen Störungen verfasste bereits ca. 400 Jahre vor unserer Zeitrechnung der griechische Arzt Hippokrates. Sein Werk enthält Beschreibungen von Depressionen und Wahnvorstellungen, aber auch von Betrunkenheit und Delirien. Zur Ursache für all diese Störungen erklärte er, wie für alle anderen Krankheiten auch, ein Ungleichgewicht zwischen den Körperflüssigkeiten.

Wenige Jahrhunderte später, im Mittelalter, war das Wissen um die Existenz von psychischen Erkrankungen nahezu komplett verloren gegangen. Stattdessen hielt man die Erkrankten für vom Teufel oder Geistern besessen, sperrte sie ein und traktierte sie mit meist wirkungslosen, teilweise grausamen Behandlungsmethoden. Erst im späten 18. Jahrhundert belebte der französische Arzt Philippe Pinel mit neuen Methoden die medizinische Behandlung „seelischer“ Störungen neu. Aus diesem Neuanfang entwickelte sich die Tradition der modernen Psychiatrie, bei der heute deutliche Überschneidungen mit der erst später entstandenen Psychotherapie bestehen. →Geschichte der Psychiatrie

Psychotherapiegeschichte

  • Psychoanalyse: Aus der Medizin und insbesondere der Psychiatrie entwickelte sich die Psychotherapie etwa zeitgleich mit der „modernen (empirischen) Psychologie“, deren Anfang in Wilhelm Wundts psychophysikalischen Experimenten ab ca. 1860 gesehen wird. Die ersten genuin psychotherapeutischen Methoden werden Sigmund Freud zugeschrieben (obwohl er auf den Arbeiten von Franz Anton Mesmer, Jean-Martin Charcot und Pierre Janet aufbaute, siehe den Artikel Die Entdeckung des Unbewussten). Freud begann Ende des 19. Jahrhunderts, sich mit psychischen Störungen zu befassen, und entwickelte aus seinen Forschungen die Psychoanalyse. Er lehrte seine Methodik und bildete im Laufe der Zeit viele Psychoanalytiker aus, die die Psychoanalyse weiterentwickelten oder zum Teil auch veränderten (u. a. Alfred Adler, Wilhelm Reich [siehe auch unter „Körperpsychotherapie“] und C. G. Jung).
  • Verhaltenstherapie: Ebenfalls am Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich vor allem an amerikanischen Universitäten aus einem radikal positivistischen Standpunkt der sogenannte Behaviorismus, der spekulative Konstrukte wie z.B. „psychische Struktur“ und „psychische Dynamik“ kategorisch ablehnte. Die „Behavioristen“ (u. a. Edward Thorndike, John B. Watson und später Burrhus Frederic Skinner) entwickelten anhand von experimentell entwickelten Lerntheorien die ersten Vorläufer der Verhaltenstherapie (siehe Konditionierung). In den 1980er Jahren fand in den verhaltenstherapeutischen Instituten die sogenannte „kognitive Wende“ statt, bei der erstmals auch in der Verhaltenstherapie Introspektion, Gedanken und Emotionen stärker in die Therapie einbezogen wurden. Daraus entwickelte sich neben spezifischen Richtungen der Verhaltenstherapie (Rational Emotive Therapie nach Ellis, Kognitive Therapie nach Beck) eine insgesamt erweiterte Verhaltenstherapie.
  • Klientenzentrierte Psychotherapie: Bereits 1938 begann der amerikanische Psychologe Carl Rogers in seinen Psychotherapien die sogenannte Klientenzentrierte Psychotherapie zu praktizieren (die auch vielfach zu den humanistischen Psychotherapieverfahren gezählt wird). Im deutschsprachigen Raum wurde die Gesprächspsychotherapie, wie sie auch genannt wurde, vor allem durch das Ehepaar Reinhard und Annemarie Tausch bekannt.
  • Humanistische Psychotherapie, Gestalttherapie und Körperpsychotherapie: Im Jahr 1951 begründeten Fritz und Laura Perls und Paul Goodman die eher hermeneutisch-phänomenologisch orientierte und auf eine Förderung der Selbstwahrnehmung und Aufmerksamkeit des Patienten sich selbst gegenüber (im Engl.:„awareness“) abzielende Gestalttherapie. Diesem und nachfolgend entwickelten Therapieverfahren gemeinsam ist ein Menschenbild, das die Annahme auch „innerpsychischer“ oder unbewusster Prozesse beinhaltet. Sie gründen sich auf der sog. „humanistischen Psychologie“. Diese bemüht sich, in ihre Theorien den Menschen als ganzes einzubeziehen, sieht ihn als Beziehungswesen sowie als für sich selbst verantwortliches und entscheidendes Individuum. Aus diesem Grund ist das Ziel aller humanistischen Psychotherapien, das „gute Wesen“ des Menschen zu fördern. Eine Weiterentwicklung dieses Ansatzes besteht in der Einbeziehung des Körpers in die Diagnose und den psychotherapeutischen Prozess, wie sie schon der Psychoanalytiker Wilhelm Reich praktizierte. Modernste neurologische Forschungen (Spiegelneuronen, Damasio) erhärten diesen Ansatz der Körperpsychotherapie.
  • Systemische Therapie: Etwa parallel zur Entwicklung des Behaviourismus forschten Psychotherapeuten und auch Sozialpädagogen weltweit an den Zusammenhängen zwischen psychischen Störungen und familiären Bedingungen. Vor allem in der Behandlung der Schizophrenien wurde in den 1960er Jahren in unterschiedlichen Instituten an familientherapeutischen oder „systemischen“ Konzepten gearbeitet. Hieraus entwickelte sich die Systemische Therapie und Familientherapie, mit ihren unterschiedlichen Ausprägungen (Strukturelle oder Strategische Familientherapie, Mehrgenerationenfamilientherapie, Lösungsorientierte Therapie). Der gemeinsame Nenner der Systemischen Therapien liegt in der Annahme, Psychische Probleme entstünden als Symptom in größeren menschlichen Systemen (z. B. Familien) und seien am einfachsten auch in diesem Zusammenhang versteh- und veränderbar, auch wenn Einzelpersonen (Indexpatienten) als „Symptomträger“ auftreten. Inzwischen werden systemische Therapien sowohl als eigenständige Behandlungsmethode gelehrt, als auch in andere Therapieformen integriert. So gibt es sowohl tiefenpsychologische als auch humanistische als auch verhaltenstherapeutische Formen der Familientherapie.
  • Neuere Entwicklungen: In den 1980er Jahren entstanden mehrere neue Therapieverfahren, vor allem für die Behandlung von Ängsten und traumatischen Erinnerungen (z. B. EMDR nach Shapiro und Somatic Experiencing nach Levine). Zum Teil beruhen diese Methoden, die meist der Körperpsychotherapie zugeordnet werden, auf dem Bemühen, die „Achtsamkeit“ (im engl. Sprachgebrauch: „Awareness“, vergl. Gestalttherapie) des Klienten auf seine emotionalen und körperlichen Reaktionen zu stärken, zum Teil – unter anderem beeinflusst durch asiatische Philosophien (Zen Buddhismus, Traditionelle Chinesische Medizin [="TCM"]) – arbeiten sie mit der Annahme eines „Energiesystems“ im menschlichen Körper (die sogenannte „Energetische Psychologie“), und zum anderen nutzen sie neuere Erkenntnisse der bildgebenden Neurophysiologie, um psychotherapeutische Veränderungen zu erleichtern. Diese neuen Therapieverfahren sind teilweise wissenschaftlich noch nicht abgesichert und teilweise umstritten.

Literatur

Einführung
  • Jürgen Kriz: Grundkonzepte der Psychotherapie. Beltz, Weinheim 2001, ISBN 3-621-27451-0.
  • Bärbel Schwertfeger und Klaus Koch: Der Therapieführer. Die wichtigsten Formen und Methoden. Heyne, München 2002, ISBN 3-453-09133-7.
  • Friedrich Beese: Was ist Psychotherapie? Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-45706-5.
  • Rosemarie Piontek: Wegbegleiter Psychotherapie. 2. Auflage. Psychiatrie-Verlag, Bonn 2005.
  • Gerhard Stumm und Beatrix Wirth: Psychotherapie, Schulen und Methoden. Falter, Wien 2006, ISBN 3-85439-378-4.
Geschichte
  • Klaus Grawe, R. Donati und F. Bernauer: Psychotherapie im Wandel. Hogrefe, Göttingen 1994.
  • Regine Lockot: Erinnern und Durcharbeiten. Fischer, Frankfurt 1985. Nachdruck vom Psychosozial-Verlag, Gießen 2003, ISBN 3-89806-171-X.
  • Henri Ellenberger: Die Entdeckung des Unbewußten. Diogenes, Stuttgart 2005, ISBN 3-257-06503-5.
Kritik
  • Francoise Castel, Robert Castel und Anne Lovell: Psychiatrisierung des Alltags. Suhrkamp, Frankfurt 1982.
  • Johanna J. Danis: Das Strukturfeld der Psychotherapie, München 1990, ISBN 3-925350-35-7.
  • Dieter Kleiber und Armin Kuhr (Hrsg.): Handlungsfehler und Misserfolge in der Psychotherapie. dgvt, Tübingen 1988.
  • Jeffrey M. Masson: Die Abschaffung der Psycho­therapie. Bertelsmann, München 1991.
  • James Hillman und Michale Ventura: 100 Jahre Psychotherapie – und der Welt geht’s immer schlechter. Walter, Olten 1999, ISBN 3-530-70005-3.
  • Michael Märtens und Hilarion Petzold (Hrsg.): Therapieschäden. Mainz 2002.
  • Rolf Degen: Lexikon der Psycho-Irrtümer. 3. Auflage. Eichborn, Frankfurt 2005, ISBN 978-3-492-24020-8.
  • Marie Faber: Seelenrisse auf Rezept. Mammendorf 2005, ISBN 3-86611-092-8.
  • Albert Krölls: Kritik der Psychologie. VSA, Hamburg 2006 ISBN 3-89965-213-4.
  • Martin Wollschläger (Hrsg.): Hirn – Herz – Seele – Schmerz. Psychotherapie zwischen Neurowissenschaften und Geisteswissenschaften. dgvt, Tübingen 2008, ISBN 978-3-87159-073-3.
Nachschlagewerke
  • Gerhard Stumm, Alfred Pritz und Paul Gumhalter (Hrsg.): Personenlexikon der Psychotherapie. Springer, Wien 2005, ISBN 3-211-83818-X.
  • Gerhard Stumm und Alfred Pritz (Hrsg.): Wörterbuch der Psychotherapie. Springer, Wien 2007, ISBN 3-211-70772-7.

Einzelnachweise

  1. Ingo-Wolf Kittel: Mundwerk – Psychotherapie vom Standpunkt des Praktikers. In: Martin Wollschläger (Hrsg.): Hirn – Herz – Seele – Schmerz. Psychotherapie zwischen Neurowissenschaften und Geisteswissenschaften. dgvt-Verlag, Tübingen 2008, S. 25–40 ISBN 978-3-87159-073-3
  2. Psychotherapiegesetz von 1990
  3. Hans Strotzka (Hrsg.): Psychotherapie. München 1978, 2. Auflage, S. 4
  4. Bundesamt für Gesundheit
  5. http://www.psychotherapiecharta.ch
  6. http://www.sbap.ch
  7. http://www.psychotherapie.ch
  8. http://www.psychotherapie.ch
  9. Das Bundesministerium unterscheidet bei Existenzanalyse, Gestalttherapie und bei Gesprächspsychotherapie zusätzlich – je nach Anbieter der Ausbildung – zwei verschiedene Unterrichtungen, die in der Tabelle nicht angeführt werden. Quelle: Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend
  10. Bescheid des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen vom 10. januar 2007, Geschäftszahl BMGF-93500/0002–1/7/2007.
  11. Fernab vom kranken Gemüt, Ärzte-zeitung, 3. Juli 2008, S. 5
  12. Wird in Österreich als Klientenzentrierte Psychotherapie oder als Personenzentrierte Psychotherapie bezeichnet
  13. Volltext des Psychotherapiegesetzes
  14. Österreichisches Bundesministerium für Gesundheit und Frauen
  15. http://www.bbt.admin.ch/ Bundesamt für Berufsbildung und Technologie

Weblinks


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