Quartgeige

Quartgeige
Violino piccolo
engl.: + ital.: Violino piccolo
Klassifikation
Chordophon
Streichinstrument
Verwandte Instrumente
Gambe, Bratsche, Violine

Der Violino piccolo (auch Diskantgeige oder Quartgeige) ist eine Geigenvariante, die eine Terz oder Quarte über der Normalstimmung der Violine steht. Korpus und Mensur sind entsprechend kleiner dimensioniert.

Chronologie

Bereits 1596 werden in einem Inventar aus Schloss Ambras (Tirol) unter den viol de braz eine discant und zwei kleine discant aufgelistet. Ebenso sind unter den Instrumenten des Freiberger Doms von etwa 1593 zwei Diskantgeigen unterschiedlicher Größe zu finden.

Claudio Monteverdi verwendete im Instrumentarium seiner Oper L’Orfeo violini piccoli francese. Diese Bezeichnung ist bis heute nicht geklärt. Es handelt sich nach der Notation um oktavierte Instrumente, die wegen dieser Eigenschaft von kleinem Format gewesen sein müssen. Monteverdi schreibt nur bis klingend es'''. Dies lässt eher auf eine von Michael Praetorius beschriebene dreisaitige Pochette schließen, welche er in der oktavierten Stimmung g' und a' angibt. Praetorius erwähnt im Syntagma musicum eine Discant-Geig ein Quart höher (c'-g'-d''-a''). Des weiteren schreibt er in Kapitel 22 von einer Diskantgeig welche Violino, oder Violetta piccola oder auch Rebecchino genannt wird. Es scheint sehr wahrscheinlich, dass dies den Violino piccolo bezeichnet.

Johann Jacob Prinner empfiehlt 1677 für das khleine Halbgeigl oder Halbviolin dieselbe Stimmung wie bei Praetorius und rät, die höchste Saite aus klanglichen Gründen und wegen der Gefahr des Reißens nur auf g'' zu stimmen. Diese Aussage wird 1697 auch von Daniel Speer gemacht.

Johann Sebastian Bach gebrauchte den Violino piccolo im ersten Brandenburgischen Konzert und in zwei Kantaten:

In beiden Kantaten und im Brandenburgischen Konzert Nr. 1 haben die Violini piccoli die Stimmung b-f'-c''-g''. Die Partien sind transponierend notiert, so dass Notenbild und Applikatur wie auf einer gewöhnlichen Violine gelesen werden können. Diese Eigenheit wird schon von Prinner beschrieben. Der silbrig-scharfe Klang setzt sich im Brandenburgischen Konzert und auch im vollbesetzten Choralsatz am Schluss der Kantate mühelos durch.

Der Grund der Beliebtheit der kleinen Instrumente liegt wohl in der leichter erreichbaren Höhe. Dies führte zu der missverständlichen Bezeichnung Oktavgeige. Das ist nicht ganz korrekt, da die Instrumente nicht eine Oktave höher gestimmt waren, sondern nur eine Oktave höher gespielt wurden.

Weitere Werke für Violino piccolo stammen von Johann Joseph Fux (Rondeaux C-Dur für Violino piccolo, Fagott, Streicher und B.c.) Karl Heinrich Graun und Johann Georg Albrechtsberger.

Für Leopold Mozart sind die Quart- und Halbgeiglein nur noch für gar kleine Knaben von Nutzen. Er erwähnt weiterhin, dass früher Konzerte für Violino piccolo komponiert wurden und dieser sonderbar bey musikalischen Nachtstücken Verwendung fand. Das lag wohl an dem etwas leisen Klang.

Es existierten auch volkstümliche Varianten des Violino piccolo. Während des siebzehnten und frühen achtzehnten Jahrhunderts wurde in der mitteleuropäischen Volksmusik immer häufiger auf dem böhmischen Dudelsack und einer diesen begleitenden Geige gespielt. Um, egal in welcher Tonart, eine Spielweise in erster Lage mit leeren Begleitsaiten zu ermöglichen (dadurch wurde der Borduncharakter der Dudelsackmusik kopiert), wurden die Geigen oft entweder mit Schnüren kapodastriert oder kleiner gebaut. Häufig war auch die Bespannung mit nur drei Saiten.

Instrumente dieser Art finden sich von Oberösterreich über Böhmen bis nach Polen. In Oberösterreich wurde das Instrument „Heohgeign“ (=Hochgeige) genannt, in Böhmen und dem Sorbenland findet sich die Bezeichnung „husličky“. Im Gegensatz zur Kurzhalsgeige wurde bei den volkstümlichen Violini piccoli die Quintenstimmung beibehalten.

Bau

Im Verlauf des 18. Jahrhunderts ist nur schwer zu entscheiden, ob Instrumente der entsprechenden Ausmaße nun als Violini piccoli oder Kindergeigen gedacht waren. Anhaltspunkt können Hälse und Griffbretter mit normalen Abmessungen bieten, die den Kinderhänden nicht angepasst sind. Die Mensuren liegen häufig bei 25 bis 28 cm.

Hersteller Korpuslänge
in cm
Deckenmensur
in cm
schwingende Saitenlänge
in cm
Standort
Klemm (?) 1593/94 24,2 24,1 24 Freiberg, Sachsen, Dom
A.&H. Amati, Cremona 1613 26,6 15,3 26,8 Vermillion (South Dekota), Shrine to Music Museum
Michael Praetorius 1620 (errechnet, ca.) 26 13,6 22,5 Michael Praetorius 2, Sciagraphia, Taf. XXI
Rudolf Höß München 1690(?) 23 12,3 25 Berlin, SIM PK, Musikinstrumenten-Museum, Nr. 4130
Michael Pfatner Rom 1738 27,5 15,3 26,8 Privatbesitz
Pietro Antonio Cati, Florenz 26,2 13,8 25,2 Leipzig, Musikinstrumentenmuseum, Nr. 756
Leopold Widhalm Nürnberg 1769 28,2 15,3 28,2 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, MI 26
J.&A. Gagliano 24,3 12,8 25,8 Privatbesitz
Georg (II) Klotz, Mittenwald 1780 33,3 14,7 29,8 Privatbesitz
Diskantgeige im Größenvergleich zu anderen Instrumenten der Geigenfamilie

Siehe auch: Syntagma musicum, noch kleiner: Tanzmeistergeige

Weblinks


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