Rache der Natur

Rache der Natur

Unter dem Begriff Rache der Natur wird eine Reihe von Filmen zusammengefasst, in denen die Natur – meist in Form von Tieren – sich plötzlich gegen die Menschen wendet und sie angreift. Dies wird entweder gar nicht erklärt oder ist als Rebellion gegen die Menschen zu sehen, die die Natur nicht achten und „unrechtmäßig“ in sie eingreifen. Eine Welle dieser Filme gab es in den 1970ern; sie wird auf das zu dieser Zeit anwachsende Interesse an der Ökologie und den Gefahren der Umweltzerstörung zurückgeführt. Manchmal gelten diese Filme als eigenes Filmgenre, oft als Subgenre der Gattungen Science Fiction und Horror. Sie gelten fast durchgängig als B-Movies.

Inhaltsverzeichnis

Vorläufer

Als Vorläufer dieser Filme können Formicula (Them!, 1954) und dessen Nachfolger Tarantula (1955), The Deadly Mantis (1957) und The Black Scorpion (1959) gelten. Diese Filme haben gemein, dass riesige Gliederfüßer Menschen angreifen. Sie werden jedoch nicht zu den eigentlichen Rache-der-Natur-Filmen gezählt, da nicht plötzlich „normale“ Tiere gegen die Menschheit rebellieren; vielmehr sind es hier abnormal große, meist durch ionisierende Strahlung mutierte Tiere, die auch mehr oder weniger ihren natürlichen Verhaltensweisen folgen. Wo Formicula noch innovativ war, gelten die weiteren Filme als erfolg- und ideenlose Fortsetzungen.

Einflussreich war der Hitchcock-Film Die Vögel von 1964. Zum ersten Mal sind es hier äußerlich normale Tiere, nämlich Vögel, die ohne erkennbaren Anlass eine abnormale Verhaltensweise erkennen lassen und Menschen attackieren. Im Gegensatz zu den oben genannten Filmen sind es hier auch nicht einzelne Tiere (oder, wie in Formicula, nur eine mutierte Kolonie), sondern zumindest eine ganze Gattung scheint sich gegen die Menschheit verschworen zu haben. Freilich ist auch dieser Film nicht vorbehaltlos unter die Rache der Natur-Filme zu zählen; dagegen spricht schon, dass er eindeutig kein B-Movie ist. Auch sind die Vögel hier meist als Allegorie auf unterdrückte menschliche Leidenschaften und Gefühle verstanden worden. Die Idee, dass die Vögel sich an den Menschen rächen – für ihr Eingesperrtsein oder den Verzehr ihrer Artgenossen – lässt sich dennoch an einigen Stellen des Films belegen.

In Willard von 1971 dressiert ein Außenseiter Ratten zu Waffen gegen seine Mitmenschen. Auch dies ist kein Rache-der-Natur-Film, aber die beiden Einzelmotive „Rache“ und „angreifende Tiere“ sind zu finden.

Die 1970er

Die tatsächlichen Rache der Natur-Filme entstanden in den 1970er Jahren. 1972 erschien Frösche (Frogs), in dem diverse Tiere unterschiedlicher Arten und Gattungen Menschen angreifen und dabei sogar Planung und Intelligenz zeigen. Ein Grund für dieses Verhalten wird nicht genannt. Der im selben Jahr erschienene Rabbits (Night of the Lepus), der später dadurch Bekanntheit errang, dass er in verschiedenen Listen der „schlechtesten Filme aller Zeiten“ auftauchte, handelt von mutierten Riesenhasen. Insofern ist er nur teilweise zu dem Genre zu zählen und hat eher Ähnlichkeit mit den Vorläuferfilmen um Formicula.

Phase IV von 1973 und Feuerkäfer (Bug) von 1975 setzten beide von Ken Middleham gedrehtes Dokumentarfilm-Material ein. Ersterer – in dem Ameisen angreifen – gilt als interessant und eindrucksvoll, zweiterer verlässt das Subgenre, als er einen verrückten Wissenschaftler (ebenfalls ein beliebtes Filmmotiv) einführt, der den titelgebenden feuerproduzierenden Käfer mit einer Kakerlake kreuzt.

Im 1976 erschienenen Squirm – Invasion der Bestien (Squirm) sind es Würmer, die eine einsame Farm belagern und angreifen. Als Grund für ihr geändertes Verhalten wird ein heruntergefallenes Stromkabel präsentiert. In In der Gewalt der Riesenameisen (Empire of the Ants, 1977) sind es dagegen wieder durch radioaktiven Abfall mutierte Ameisen. Ebenso wie in Piranha (1978) sind die Tiere also hier durchaus mutiert. Anders als in den oben genannten Vorläuferfilmen wird den Menschen aber die Schuld dafür gegeben: sie haben unrechtmäßig in die Natur eingegriffen, nicht bloß leichtsinnig oder unwissend. Die Rache der Natur wirkt als gerechte Rebellion, die Menschen sind die Bösen und werden auch so charakterisiert (die Piranhas wurden etwa als Waffe für den Vietnamkrieg gezüchtet).

Zu erwähnen ist auch eine Reihe von Filmen über tödliche Bienen, von denen Der tödliche Schwarm (The Swarm, 1978) wohl der bekannteste ist. Sie profitierten von einigen Zeitungsmeldungen über afrikanisierte Honigbienen, die von Süd- nach Nordamerika wanderten und deren Gefährlichkeit natürlich übertrieben wurde. Nachdem sie in den 1990ern die USA erreicht hatten, erschienen dort erneut einige Fernsehfilme über „Killerbienen“.

Als einer der besten Rache der Natur-Filme gilt Mörderspinnen (Kingdom of the Spiders) von 1977. Die plötzliche Verhaltensänderung der Spinnen ist hier schließlich auf ein Schädlingsbekämpfungsmittel zurückzuführen. Der Film ragt auch deswegen hervor, weil die Spinnen schließlich siegreich sind; zumindest deutet das Ende dies an.

Auch der überaus erfolgreiche Film Der weiße Hai (1975) kann im Kontext der Rache der Natur-Filme gesehen werden, wenn er auch – ähnlich wie Die Vögel – inhaltlich darüber hinaus geht und sicherlich kein B-Movie ist.

Der bekannte Angriff der Killertomaten (1978), der zunächst kein unfreiwillig komischer Film, sondern der unfreiwillig eher unkomische Versuch einer Parodie ist, orientierte sich ebenfalls an den Rache der Natur-Filmen.

Grenzfälle in den 1980ern

In den 1980ern konzentrierten sich SF- und Horrorfilme wieder eher auf phantastische Monster oder Außerirdische (bahnbrechend Alien von 1979), wenn sie nicht ohnehin im Gefolge von Krieg der Sterne (1977) familienfreundliches Unterhaltungskino waren. Das 1986er Remake von Die Fliege, das zumindest in Grundzügen das Thema Rache der Natur streift, zog vielleicht Das Nest (The Nest, 1988) nach sich, in dem neben außer Kontrolle geratenen, vom Militär gezüchteten Kakerlaken auch ein Insekt-Mensch-Hybride auftritt. In Slugs (Slugs – The Movie, 1988) greifen durch Giftmüll mutierte Schnecken an. 1989 erschien mit Tremors – Im Land der Raketen-Würmer (Tremors) eine Parodie der frühen Monsterfilme.

Eine gewisse Nähe zum Thema Rache der Natur hatten allerdings Star Trek IV von 1986 und Abyss von 1989/93. In ersterem erscheint im 23. Jahrhundert eine außerirdische Sonde und droht die Menschheit durch einen plötzlichen Umschwung des Klimas zu vernichten. Sie wird erst besänftigt, als die Helden zwei Buckelwale aus dem 20. Jahrhundert holt; die Spezies war vom Menschen ausgerottet worden. Im Gegensatz zu anderen Rache der Natur-Filmen kommt der Rückschlag hier aber eben nicht von der Natur selbst, sondern von einer außerirdischen Sonde; zudem wird die Botschaft für Umwelt- und Tierschutz hier dem Publikum sogar vergleichsweise plump präsentiert, zumal der Film eben vor allem ein Star Trek-Film ist.

Auch in Abyss wird das Thema angeschnitten, allerdings vor allem im Director's Cut von 1993. Auch hier ist es allerdings nicht die Natur als ganzes oder bekannte Tiere, sondern eine intelligente Unterwasserspezies, die die Menschheit für ihre Verfehlungen zu vernichten droht – diesmal durch Tsunamis. Damit entfernt sich der Film schon weit von den klassischen Rache der Natur-Filmen. Star Trek IV und Abyss rücken von der Idee ab, der Natur oder bekannten Lebensformen eine heimliche oder plötzlich auftretende Intelligenz zuzuschreiben; nicht die Natur rebelliert, sondern eine unbekannte, dritte Macht schlägt sich auf die Seite der ansonsten untätigen Natur. In Abyss werden nicht einmal die ökologischen Verfehlungen der Menschheit, sondern deren Kriege und Barbarei untereinander als größte Anklage hervorgebracht.

1990er und heute

In den 1990ern kam es, unter anderem bedingt durch die Mystery-Horror-Welle um die Fernsehserie Akte X, zu einigen neuen Verarbeitungen des Themas. Einige Folgen der Serie selbst zeigten das klassische Muster. Bereits 1990 war mit Arachnophobia ein Film erschienen, der sich an die Klassiker anlehnte, wenngleich ihm die ökologische Botschaft fast ganz fehlte. Neben den schon erwähnten Neuauflagen der „Killerbienen“ waren C2 – Killerinsekt (Ticks, 1993) oder Bats – Fliegende Teufel (Bats, 1999) eher weniger anspruchsvoll, während Mimic 1997 durchaus einige positive Kritiken erhielt.

The Day After Tomorrow (2004) ist ein Grenzfall: er gehört vor allem dem Genre des Katastrophenfilms an. Im Unterschied zum klassischen Katastrophenfilm erscheint aber hier die Naturkatastrophe nicht als zufällig oder unausweichlich, sondern als Folge menschlichen Verhaltens. Insofern kann durchaus von Rache der Natur gesprochen werden, auch wenn der Natur keine Intelligenz oder ein absichtlicher Aufstand gegen die Menschheit zugesprochen wird. Damit setzt der Film das Abrücken vom klassischen Rache der Natur-Motiv fort.

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