Rainer Schwalme

Rainer Schwalme
Reiner Schwalme (2006)

Reiner Schwalme (* 19. Juni 1937 in Liegnitz, Niederschlesien) ist einer der bedeutendsten deutschen Karikaturisten.

Reiner Schwalme wurde als einziges Kind eines Stellmachers und einer Schneiderin in Liegnitz (heutiges Legnica) geboren und verbrachte seine frühe Kindheit in Kliczkow. Als Umsiedlerkind kam er kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges in den Harz. Dem glücklichen Zufall ist es zu verdanken, dass die Flucht vor dem Krieg die Familie nach Oberröblingen und nicht nach Dresden führte, das kurz darauf bombardiert wurde.

Nach dem Abitur ging er nach Berlin und schloss dort - nach einem Kurzbesuch der Kunsthochschule Berlin-Weißensee - ein Studium der Gebrauchsgrafik als Diplom-Designer in der Fachschule für Gebrauchsgrafik ab. Anschließend war er bei der DDR-Gewerkschaftszeitung Tribüne als Grafiker tätig. 1966 wurde er freischaffender Grafiker und fertigte hauptsächlich Illustrationen für Zeitungen und Bücher im Auftrag verschiedener Verlage.

Zunehmendes Interesse an zeit- und gesellschaftskritischer Karikatur führte ihn 1985 zum einzigen Satiremagazin der DDR Eulenspiegel, für das er noch heute zeichnet. In den letzten Jahren der DDR und vor allem während der Wendezeit entwickelte er sich zu einem der bedeutendsten und bekanntesten politischen Karikaturisten des Landes.

Heute lebt Schwalme in Groß Wasserburg im Unterspreewald und zeichnet neben diversen Auftragsarbeiten regelmäßig für den Berliner Tagesspiegel und seit 1992 täglich die politische Karikatur für die Sächsische Zeitung.

Zu seinem 70. Geburtstag am 19. Juni 2007 erschien sein erstes Buch „Die besten Karikaturen aus 30 Jahren“.

Inhaltsverzeichnis

Form und Inhalt seiner Arbeiten

Reiner Schwalme bedient sich aller zeichnerischen Mittel. Seine Arbeiten sind von einem unverwechselbaren, flüssigen Strich und Ideenreichtum geprägt. Die verarbeiteten Themen stammen aus allen Bereichen des gesellschaftlichen und politischen Leben – zur zynischen Pointe gebündelt, zur gewichtigen Metapher gebändigt oder zu subtil entlarvender Sozialkritik verdichtet.

Reiner Schwalme empfindet sich weniger als Künstler, denn als Journalist, dessen Sprache das Bild, die Grafik ist. Schließlich ist die politische Tagesmeldung gedanklicher Ausgangspunkt und zeichnerischer Mittelpunkt seiner Karikaturen. Dabei wird die brisante journalistische Nachricht häufig listig in einer alltäglichen Geschichte versteckt.

Er schätzt die Sicht des „kleinen Mannes“. Seine Figuren sind in ihrer Normalität für jeden wiedererkennbar. Er arrangiert sie meist paarweise, um sie dann dramaturgisch geschickt ins Gespräch kommen zu lassen. Schwalme lässt nie im Unklaren, wem seine Sympathie gilt: Es sind die Schwachen, deren Schicksale ihn bewegen.[1]

Werdegang und Schaffen in der Vorwendezeit

Reiner Schwalme kam relativ spät zur Karikatur, obwohl das Zeichnen schon von Kindesbeinen seine Leidenschaft war. Er bewarb sich an der Hochschule für Bildende und Angewandte Kunst in Berlin-Weißensee, bestand dort erfolgreich die Aufnahmeprüfung und studierte ein Jahr, bis er mit der Begründung „künstlerischer Phantasielosigkeit“ exmatrikuliert worden ist. Schuld daran könnte aber auch „staatsfeindliches“ Verhalten in Form des damals verpönten Gebrauchs von Kugelschreibern und das Tragen von amerikanischen T-Shirts gewesen sein.

Dann absolvierte er die Schule für Werbung und Gestaltung in der Berlin und kann sich heute noch Diplom-Designer nennen, da die Studienabschlüsse nach der politischen Wende auch in der Bundesrepublik anerkannt wurden.

Im Anschluss verbrachte er sieben Jahre bei der Gewerkschaftszeitung „Tribüne“. Während dieser Zeit fertigte er hauptsächlich Vignetten und Illustrationen an, Diagramme und vor allem auch Schrift, deren Gestaltung von Hand damals noch üblich war. Nebenbei illustrierte er für den Berliner Verlag, für die Neue Berliner Illustrierte, die FF-Dabei, für den Verlag junge Welt, die Practic und Kinder- und Jugendzeitungen wie Bummi, Technikus, ABC-Zeitung und Trommel. Ab 1966 illustrierte er freiberuflich.

Erst 1985 kam das Satire-Magazin „Eulenspiegel“ auf ihn zu, für das er ab da an Karikaturen anfertigte. Im „Eulenspiegel“ stand er wie die meisten DDR-Karikaturisten in dem Dilemma zwischen Zensur, Existenzsicherung und kritischem Bewusstsein, wobei die Zensur einerseits durch die Chefredaktion erfolgte, andererseits aber auch schon als „Schere im Kopf“ des Karikaturisten existierte. Viele Zeichner mussten „die hohe Kunst des feinen Strichs, der verdeckten Anspielung, der Ironie zwischen den Zeilen“ (Hubert von Brunnen) beherrschen. Institutionskritik und Porträtkarikaturen der politischen Prominenz waren nicht erlaubt. Aber Schwalme verstand es, so zu zeichnen, dass die Zensoren nichts merken, die Leser aber sehr wohl.

Die turbulente Wendezeit

In der politischen Wendezeit profilierte sich Reiner Schwalme neben Barbara Henniger, Heinz Behling, Manfred Bofinger und Klaus Vonderwerth zu einem der wichtigsten ostdeutschen Chronisten seines Fachs.[2] Kaum einer hat den atemlosen Wandel seit dem Herbst 1989 so lückenlos und überzeugend mit seinen Zeichnungen dokumentiert und die schwierige Gemütslage in dieser Zeit so genau getroffen.

Dabei dachte Schwalme eigentlich, er „würde Taxifahrer machen müssen“, da in der Bundesrepublik nur wenige Westkollegen von ihren Karikaturen leben können.[3] In der Wendezeit zeichnete er dann aber so fleißig wie zu kaum einer anderen Zeit. Es hatte sich ein mächtiges Reservoir an Ideen angestaut, und alle Themen waren jetzt offen für den Karikaturisten.

Reiner Schwalme freute sich mit seinen Landsleuten und litt mit ihnen. Oft war er mit seinen Arbeiten gedanklich einen kleinen Schritt voraus. Als die DDR zerbrach, ließ er einen alten Ordensträger umdenken: „Von der Sowjetunion lernen, heißt siechen lernen.“ Und als die D-Mark kam und vorerst niemand mehr die heimische Ware kaufen wollte, sah er bereits den Arbeitsplatzverlust voraus. Als dann der Nachwendefrust einsetzte, nahm er das große Klagen aufs Korn.

Einige seiner Arbeiten zur Deutschen Wiedervereinigung wurden im Rahmen der bundesweiten Wanderausstellung „1 + 1 = EINS – Vier Karikaturisten zeichnen die Vereinigung Deutschlands“ gezeigt[4] und hängen nun im Ausstellungsbereich des Deutschen Bundestages im Paul-Löbe-Haus.

Nachwendezeit bis heute

Dass Reiner Schwalme nach 1989 für die Gewerkschaftszeitung „metall“ sowie für das Stadtmagazin tip arbeitete und schon seit Jahren regelmäßig im Berliner Tagesspiegel erscheint, hat sicher dazu beigetragen, ihn schon bald nach der politischen Wende auch in den alten Bundesländern bekannt zu machen.

Seine Arbeiten wurden im DER SPIEGEL und in der F.A.Z. nachgedruckt, mit vielen nationalen und internationalen Preisen honoriert und in mehreren großen Personalausstellungen in Ost und West, im In- und Ausland gezeigt. Einige seiner besten Werke sind heute Dauerexponate im Haus der Geschichte in Bonn. [5] Zu seinem 70. Geburtstag ehrte ihn die Caricatura mit einer großen Werkschau in Kassel. [6]

Humor

Neben politischen Karikaturen und Illustrationen umfasst das Werk von Reiner Schwalme auch eine Anzahl preisgekröhnter Humorzeichnungen.

Comics

Reiner Schwalmes in der DDR Anfang der 1980er Jahre entstandene Comic-Serien „Rolf und Robert“ (erschienen in der „Trommel"), „Der Schatz von Finkenrode“ und „Ferien im Mittelalter“ (erschienen in der „Für Dich“) gehörten nicht nur zu den langlebigsten DDR-Comics, sondern auch zu den wenigen, in denen DDR-Alltag und -Mentalität eingefangen wurden. Seine Bildgeschichten stachen aus der Masse der DDR-Zeitschriftencomics aber auch wegen des gelungenen Einsatzes gestalterischer Mittel, wie Perspektivwechsel oder wechselndem Panel-Layout, deutlich heraus.[7]

Preise und Auszeichnungen (Auswahl)

Schwalme-Zitate

„Ich will nicht zwingend ein Lachen herauskitzeln, sondern zum Nachdenken verführen.“

„Die Topmeldung muss kommentiert werden. [...] Die nötige Verfremdung [bedeute], um die Ecke zu gehen – wer ist der Nutznießer, den will ich ans Brett nageln.“

„Zorn ist Sprit für meinen Motor.“

„Bei uns ist der Maler, der mit Öl eine Leinwand bemalt, der große Künstler und daneben kaum jemand anders. Wenn ich ein junger Mensch wäre, würde ich mir zehn Mal überlegen, ob ich diesen Beruf wählen würde.“

„Wenn man gut ist, hat man ein, zwei Sachen geschaffen, die Bestand behalten. Wirklich gute Karikaturen tauchen später immer mal wieder auf, die gehen auch in Schulbücher oder Geschichtsbücher ein, oder sie landen im Museum. Ich habe schon die Hoffnung, dass von mir was bleibt.“

„Die Nachbarn, die mich [im Garten], sehen, denken wahrscheinlich, der macht sich jeden Tag `nen Sonntag. Dabei ackert‘s bei mir im Kopp.“

„Auch Stagnation macht Fortschritte.“

„Ein Kniefall ist schlimmer als ein Schlag in die Kniekehlen.“

Bibliographie (Auswahl)

  • Olaf Kittel/Reiner Schwalme: Die besten Karikaturen aus drei Jahrzehnten. Edition Sächsische Zeitung 2007, ISBN 978-3-938325-33-9
  • Reiner Schwalme: Klassiker der DDR-Bildgeschichte, Band 2: DER SCHATZ VON FINKENRODE. Holzhof Verlag 2006, ISBN 978-3-939509-01-1
  • Ernst Röhl/Reiner Schwalme/Thomas Wieczorek: Fünf Jahre sind genug. Neue DDR- Witze. Sadomaso- Projekt - Deutsche Einheit. Verlag Eulenspiegel 1995, ISBN 978-3-359-00795-1
  • Nikolaus Bavarius/Reiner Schwalme: DDR-Deutsch. Ein fröhliches Wörterbuch. Tomus Verlag München, 1990, ISBN 978-3-8231-0181-9
  • Gabriele Stave/Reiner Schwalme: Deutschland O. Ein fröhlicher Reiseführer. Tomus Verlag München 1990, ISBN 978-3-8231-0545-9
  • Reiner Schwalme/Jens Prockat: Mauer-Puzzle. Eulenspiegelverlag, 2001, ISBN 3-359-01308-5
  • Heinz Behling/Manfred Bofinger/Frank Leuchte/Barbara Henniger/Reiner Schwalme/Klaus Vonderwert: Null Problemo. DDR-Karikaturisten zur Lage der Nation. ELEFANTEN PRESS Berlin, 1990, ISBN 3-88520-332-4

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Martina Schellhorn,
Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung: http://www.politische-bildung-brandenburg.de/programm/ausstellungen/archiv/geld/weltveraendern.htm
  2. Guido Weißhahn: http://www.ddr-comics.de/schwalme.htm.
  3. Reiner Schwalme: http://www.ddr-comics.de/i_schwalme1.htm.
  4. http://www.bundestag.de/aktuell/presse/2006/pz_060904.html
  5. http://www.dhm.de/lemo/objekte/pict/WegeInDieGegenwart_karikaturZusammenwachsen/index.html
  6. http://picasaweb.google.de/Sebastian.Schwalme/TVBerichtBerAusstellungKasselReinerSchwalme/photo#5041107738306516626
  7. Guido Weißhahn: http://www.ddr-comics.de

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