Aussagenvariable

Aussagenvariable

Der Ausdruck Variable bezeichnet in der formalen Logik ein "sprachliches Zeichen, für das beliebige Ausdrücke einer bestimmten Art eingesetzt werden können"[1]. Variablen sind Platzhalter für die Elemente eines bestimmten Grundbereichs[2].

Im Gegensatz zu logischen Konstanten haben Variablen „überhaupt keine selbständige Bedeutung“ [3] und sind "bedeutungsleere Zeichen, die nur dazu dienen, die Stellen anzuzeigen, an denen die bedeutungsvollen Konstanten ... einzusetzen sind."[4].

Für die Variablen in der Logik gilt die Regel, dass für alle Vorkommnisse einer Variable in einem Kontext nur dieselbe Konstante eingesetzt werden darf ("Zusammenhangsbedingung")[5].

Die Ausdrücke, die für bestimmte Variablen eingesetzt werden dürfen, heißen auch Werte dieser Variablen.

Inhaltsverzeichnis

Bedeutung

Variablen wurden schon in der Antike benutzt. Erst dank der Einführung des Begriffs des Quantors wurde die Rolle der Variablen für die wissenschaftliche Sprache voll erkannt. Dies war vor allem das Verdienst von Charles S. Peirce.[6]

„Der Gebrauch von Variablen in der Logik dient [...] demselben Zweck wie die entsprechende Verwendung in der Mathematik.“[7]

Arten

Individuenvariable (x, y, z)

Der Ausdruck Individuenvariable[8] (synonym: Gegenstandsvariable[9]; Individualvariable[10]) sind Variablen für Gegenstände [11].

Mit der Einführung von Individuenvariablen können quantifizierte Prädikationen dargestellt werden. Sie gelten daher als „Garanten der Allgemeinheit“[12].

Symbolisiert werden Individuenvariablen in der Logik zumeist durch kleine lateinische Buchstaben vom Ende des Alphabets (x, y, z).

Prädikatvariable (P, Q, R, ...)

Die Prädikatvariable (Prädikatorenvariable) ist in der Prädikatenlogik ein "schematischer Buchstabe, der stellvertretend für beliebige Prädikate einer bestimmten Stelligkeit steht"[13].

Die engere Quantorenlogik (Prädikatenlogik erster Stufe) enthält nur Prädikatkonstanten, jedoch keine Prädikatvariablen.[14]

Prädikate werden konventionell zumeist symbolisiert durch lateinische Großbuchstaben. Im Einzelnen herrscht konventionelle Beliebigkeit. Man beginnt mit "A, B, C, ..."; "F, G, H, ..." oder "P, Q, R, ...". Zum Teil reserviert man andere Großbuchstaben für einstellige Prädikate (Eigenschaften) als für mehrstellige Prädikate (Relationen). Die Stelligkeit kann durch Indices (Bsp.: P²)oder durch Leerstellen, sei es durch Punkte (P..), Unterstriche (P_ _) oder Individuenvariablen (P (a,b)) gekennzeichnet werden (Bsp.: P = liebt; P(a,b) = a liebt b).

Aussagenvariable (p, q, r, ...)

Die Aussagenvariable (synonym: Satzvariable, Schemabuchstabe, Wahrheitswert-Variable[15]) ist eine Variable, die für Aussagen (Sätze, Urteile) steht.

Zu unterscheiden ist eine Aussagenvariable von

  • einer Abkürzung: „Eine Aussagenvariable ist ein Zeichen, das nicht für irgendeine spezielle Aussage steht, sondern das einen Platz belegt, der von jeder beliebigen speziellen Aussage ausgefüllt werden kann.“[16];
  • einer Aussagenkonstanten: Spezielle Aussagen sind „spezielle Werte von Aussagenvariablen“[17].

Eine Formel mit Aussagenvariablen ist weder wahr noch falsch, hat also keinen Wahrheitswert.[18]

In der zweiwertigen Logik haben die Satzvariablen den Definitionsbereich {1,0}.[19]

Als Symbol für Aussagenvariablen werden zumeist kleine lateinische Buchstaben aus der Mitte des Alphabets beginnend mit den Buchstaben p, q, r, ... verwendet.

Einteilungen

freie - gebundene Variablen

Zu unterscheiden sind freie, vollfreie und gebundene Variablen[20]. Eine freie Variable ist eine "Variable, die in einem Satz nicht quantifiziert ist"[21]. Eine gebundene Variable, ist eine Variable, die "unter" einem Quantor vorkommt. [22].

syntaktische - semantische Variablen

Unterschieden werden auch syntaktische und semantische Variablen[23]. Semantische Variablen stehen für irgendwelche wirkliche Aussagen. Syntaktische Variablen für irgendwelche Aussageformen[24]

Erfüllung

Erhält man durch Einsetzen von Konstanten für Variablen in einer Satzfunktion einen wahren Satz, „so sagt man, dass die Dinge, die durch diese Konstanten bezeichnet werden, die gegebene Satzfunktion erfüllen.“[25]

Beispiel: Die Zahlen 1 und 2 erfüllen die Satzfunktion „ x < 3“[26].

Sprachstufe

Hinsichtlich der Sprachstufe gilt: „Aussagenvariablen gehören zu derselben Sprache wie die Aussagen, die ihre speziellen Werte bilden.“[27]. In Verbindung mit Anführungszeichen erhält man metasprachliche Variablen. Reichenbach nennt diese "Satznamenvariable .., da ihre speziellen Werte Namen von Aussagen sind."[28]

Quellen

  1. Detel, Grundkurs Philosophie I: Logik (2007), S. 32, der Satz steht im Original im Plural
  2. Schülerduden, Philosophie, 2. Aufl. (2002)/Variable
  3. Tarski, Einführung, 5. Aufl. (1977), S. 18
  4. Lorenzen, Formale Logik, 4. Aufl. (1970), S. 4 f.
  5. So Reichenbach, Grundzüge der symbolischen Logik (1999), S. 11 für die Ersetzbarkeit von Aussagenvariablen durch dieselben Sätze.
  6. So Tarski, Einführung in die mathematische Logik, 5. Aufl. (1977), S. 27 Fn. 1
  7. Reichenbach, Grundzüge der symbolischen Logik (1999), S. 11
  8. Hoyningen-Huene, Logik (1998), S. 178 Tugendhat/Wolf, Logisch-semantische Propädeutik (1983), S. 46
  9. Essler/Martínez, Grundzüge der Logik I, 4. Aufl. (1991), S. 174
  10. Copi, Einführung in die Logik (1998), S.172; Wunderlich, Arbeitsbuch Semantik, 2. Aufl. (1991), S.345
  11. Hilbert/Ackermann, Grundzüge, 6. Aufl. (1972), S. 69: Zusatz: "(hinter einem Prädikatzeichen)"
  12. Muhr, Logik (1992), 56
  13. Regenbogen/Meyer (Hrsg.), Wörterbuch der philosophischen Begriffe (2005)/Prädikatvariable
  14. Essler/Martínez, Grundzüge der Logik I, 4. Aufl. (1991), S. 174
  15. So Czayka, Logik (1991), S. 6 (da es in der extensionalen Logik nur auf den Wahrheitswert eines Satzes ankomme)
  16. Reichenbach, Grundzüge der symbolischen Logik (1999), S. 10; anders Detel, Grundkurs Philosophie I: Logik (2007), S. 70, wonach diese Unterscheidung nur von einigen Logikern vorgenommen wird
  17. Reichenbach, Grundzüge der symbolischen Logik (1999), S. 10
  18. Nach Reichenbach, Grundzüge der symbolischen Logik (1999), S. 11 gilt eine Ausnahme bei "Formeln, die für alle Werte der Aussagenvariablen gelten; ..."
  19. Czayka, Logik (1991), S. 6
  20. Schülerduden, Philosophie, 2. Aufl. (2002), Variable; Strobach, Einführung in die Logik (2005), S. 87
  21. Quine, Grundzüge der Logik, 8. Aufl. (1993), S. 173
  22. So Schülerduden, Philosophie, 2. Aufl. (2002)/Variable
  23. Hilbert/Ackermann, Grundzüge, 6. Aufl. (1972), S. 11
  24. Hilbert/Ackermann, Grundzüge, 6. Aufl. (1972), S. 11
  25. Tarski, Einführung in die mathematische Logik, 5. Aufl. (1977), S. 19
  26. Tarski, Einführung in die mathematische Logik, 5. Aufl. (1977), S. 19
  27. Reichenbach, Grundzüge der symbolischen Logik (1999), S. 11
  28. Reichenbach, Grundzüge der symbolischen Logik (1999), S. 12

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