Ranibizumab

Ranibizumab
Ranibizumab

Masse/Länge Primärstruktur 48,4 kDa
Bezeichner
Externe IDs CAS-Nummer347396-82-1
Arzneistoffangaben
ATC-Code S01LA04
DrugBank DB01270
Wirkstoffklasse Monoklonaler Antikörper
Verschreibungspflicht Ja

Ranibizumab (Handelsname Lucentis®; Hersteller Novartis) ist ein Arzneistoff, der zur Behandlung der feuchten (exsudativen) altersbezogenen Makuladegeneration (AMD) sowie einer beeinträchtigten Sehschärfe im Zusammenhang mit einem diabetischen Makulaödem angezeigt ist.

Ranibizumab ist ein humanisiertes, rekombinantes monoklonales Antikörperfragment (Fab) und hemmt den „Vascular Endothelial Growth Factor“ (VEGF-A), ein Protein, das bei der Ausbildung kleiner Blutgefäße (Angiogenese) ein Rolle spielt.

Inhaltsverzeichnis

Klinische Angaben

Ranibizumab wird nach örtlicher Betäubung durch eine intravitreale Injektion in den Glaskörper des Auges verabreicht. Die empfohlene Dosis beträgt 0,5 mg (0,05 ml). In den ersten drei Monaten der Therapie wird das Medikament in monatlichen Intervallen injiziert. In der anschließenden Erhaltungsphase prüft der Augenarzt monatlich das Sehvermögen des Patienten mit einer standardisierten Buchstabentafel. Beträgt der Sehverlust mehr als fünf Buchstaben, wird das Präparat erneut gegeben.[1][2] Die AMD ist die häufigste Erblindungsursache im Alter in den Industrieländern.

Eine infolge eines diabetischen Makulaödems eingeschränkte Sehschärfe wird durch monatliche Injektionen von 0,05 ml solange durchgeführt, bis der maximale Visus erreicht ist.

Die Anwendung des Arzneimittels darf ausschließlich durch einen qualifizierten Augenarzt erfolgen, der über die notwendige Praxis-Infrastruktur zur aseptischen Anwendung verfügt.

Unerwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen)

Die häufigsten unerwünschten Wirkungen bei der Therapie mit Ranibizumab sind Augenprobleme mit Schmerzen, Blutungen, Fremdkörpergefühl, Erhöhung des Augeninnendrucks (Glaukom) oder Mouches volantes (kleine schwarze Punkte, Flecken oder fadenartige Strukturen im Gesichtsfeld) sowie Kopfschmerzen und arterielle Hypertonie. Schwerwiegend, jedoch selten sind Infektionen des Augeninneren, Beschädigung der Netzhaut oder eine Katarakt (grauer Star). Um das Risiko einer Infektion zu verringern, kann der Patient antibiotische Augentropfen eintropfen.[3]

Pharmakologische Eigenschaften

Ranibizumab ist ein humanisiertes, rekombinantes, monoklonales Antikörperfragment, welches speziell für die Behandlung der exsudativen, altersbedingten Makuladegeneration entwickelt wurde. Der Arzneistoff wird gegen den humanen vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor A (VEGF-A) eingesetzt. Ranibizumab bindet mit hoher Affinität alle Isoformen des VEGF-A. Dieses gilt als Schlüsselmolekül bei der Entstehung der exsudativen AMD.

Die Bindung des VEGF-A durch Ranibizumab verhindert die Aktivierung der Rezeptoren VEGFR-1 und VEGFR-2 auf der Oberfläche der Endothelzellen. Durch seine geringe Größe kann es alle Netzhautschichten durchdringen und gelangt direkt zu den chorioidalen Neovaskularisationen (CNV), welche zu Blutungen neigen. Die Eigenschaften von Ranibizumab als Antikörperfragment reduzieren das Entzündungsrisiko. Da Ranibizumab eine geringe Plasmahalbwertszeit nach intravitrealer Injektion aufweist, bleibt das Risiko systemischer Nebenwirkungen klein.[4]

Sonstige Informationen

Chemische und pharmazeutische Informationen

Ranibizumab ist das Fab-Fragment des humanisierten monoklonalen Antikörpers Bevacizumab, das mit Hilfe rekombinanter DNA-Technologie in Escherichia coli hergestellt wird. Es unterscheidet sich von diesem in 6 Aminosäuren, von denen 4 in der VEGF-Bindungsstelle lokalisiert sind und ist nicht glykosyliert.

Geschichtliches

Ranibizumab wurde von Genentech, einer Tochterfirma des Schweizer Unternehmens Hoffmann-La Roche, und Novartis entwickelt. Novartis besitzt die weltweiten Vertriebsrechte für Ranibizumab mit der Ausnahme von Nordamerika (USA, Kanada und Mexiko). Für diese Länder besitzt Genentech die Vertriebsrechte. Die Herstellung für alle Vertriebsgebiete erfolgt durch Hoffmann-La Roche. Lucentis® wurde im Januar 2007 durch die Europäische Kommission für alle Länder der Europäischen Union zugelassen. Die Zulassung für die USA war bereits im Juni 2006 erfolgt und für die Schweiz im September 2006.

2011 sprach sich der National Health Service aus gesundheitsökonomischen Gründen gegen eine Kostenübernahme der Therapie bei Typ-2-Diabetikern aus. Die Verfügbarkeit für diese Patientengruppe steht infolgedessen im Vereinigten Königreich in Frage.[5]

Ranibizumab versus Bevacizumab

Ranibizumab wurde hauptsächlich aufgrund der Ergebnisse der MARINA- und der ANCHOR-Studien[6][7] zur Behandlung der AMD zugelassen. Der Preis von 1.950 US$ pro Injektion wurde schon bei der Einführung in den USA im Juni 2006 von vielen Augenärzten als unerhört hoch empfunden. Hochrechnungen lassen Kosten in Höhe von mehreren Milliarden US$ bzw. € jährlich allein aufgrund dieses einen Medikamentes für das Gesundheitssystem möglich erscheinen. Viele Augenärzte wichen deswegen im Rahmen der ärztlichen Therapiefreiheit auf das erheblich billigere, biochemisch sehr ähnliche Bevacizumab (Avastin®) aus, das jedoch für dieses Anwendungsgebiet nicht zugelassen war (sogenannter off label use).[8][9]

Zu Bevacizumab liegen bislang nur kleinere offene Studien bei AMD vor. Es ist daher nicht bekannt, ob Bevacizumab gleich gut, schlechter oder eventuell besser als Ranibizumab bei AMD wirkt. Die Herstellerfirma von Bevacizumab, Hoffmann-La Roche, die zu 33% Novartis gehört, machte jedoch keinerlei Anstrengungen, um eine Zulassung dieses Medikaments für die Behandlung der AMD zu erlangen. Daraufhin wurden auf Initiative von Augenärzten Therapiestudien initiiert, die vergleichend die Wirksamkeit von Ranibizumab versus Bevacizumab ermitteln sollen. In einer ersten direkten, jedoch kleinen Vergleichsstudie gab es keine Hinweise auf eine Überlegenheit gegenüber dem wesentlich preisgünstigeren Bevacizumab.[10] Als skandalös wurde von vielen Beobachtern der Versuch der Firma Genentech in den USA empfunden, den Verkauf von Bevacizumab an Augenärzte zu unterbinden (Genentech vertreibt auch Bevacizumab in den USA).[11]

In einem Kompromiss wurde im Dezember 2007 erreicht, dass Bevacizumab unter bestimmten Bedingungen wieder von Augenärzten benutzt werden kann.[12] Die möglichen Haftungsrisiken für Genentech wurden dabei minimiert.

Die größte wissenschaftliche Gesellschaft der deutschen Augenärzte, die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft, betonte in einer Stellungnahme vom 20. September 2007, dass „die Behandlung zum Wohle der Patienten auf den Prinzipien der evidenzbasierten Medizin“ beruhen müsse, weshalb „die Therapie mit einem Medikament erfolgen sollte, dessen Wirksamkeit und Sicherheit in klinischen Studien für diese Indikation geprüft wurde.“ und befürwortete die Durchführung einer entsprechenden Studie, um die Wirksamkeit und Sicherheit von Avastin mit jener von Lucentis direkt zu vergleichen.[13]

Der Streit um Bevacizumab bei AMD und die o.g. Studien wird in der Öffentlichkeit mit großem Interesse verfolgt, weil hier erstmals der Fall eintreten könnte, dass ein Medikament gegen den ausdrücklichen Wunsch des Herstellers für ein bestimmtes Anwendungsgebiet zugelassen würde.

Studien

Einzelnachweise

  1. Jaissle GB und Bartz-Schmidt KU: Empfehlung der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft für die Durchführung von intravitrealen Injektionen (IVI). In: www.augeninfo.de. Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V., April 2007, abgerufen am 7. Mai 2011 (PDF).
  2. Heier JS, Boyer DS, Ciulla TA, et al.: Ranibizumab combined with verteporfin photodynamic therapy in neovascular age-related macular degeneration: year 1 results of the FOCUS Study. In: Arch. Ophthalmol.. 124, Nr. 11, November 2006, S. 1532–42. doi:10.1001/archopht.124.11.1532. PMID 17101999.
  3. Zusammenfassung der Produkteigenschaften. In: www.emea.europa.eu. European Medicines Agency, abgerufen am 7. Mai 2011 (PDF).
  4. Lucentis Factsheet. In: www.gene.com. Genentech, Inc, abgerufen am 7. Mai 2011 (englspr.).
  5. Pressemitteilung des NICE-Komitees des NHS vom 11. Juli 2011, verfügbar als pdf ; zuletzt abgerufen am 16. Juli 2011
  6. Rosenfeld PJ, Brown DM, Heier JS, et al.: Ranibizumab for neovascular age-related macular degeneration. (PDF) In: N. Engl. J. Med.. 355, Nr. 14, Oktober 2006, S. 1419–31. doi:10.1056/NEJMoa054481. PMID 17021318.
  7. Brown DM, Kaiser PK, Michels M, et al.: Ranibizumab versus verteporfin for neovascular age-related macular degeneration. (PDF) In: N. Engl. J. Med.. 355, Nr. 14, Oktober 2006, S. 1432–44. doi:10.1056/NEJMoa062655. PMID 17021319.
  8. Steinbrook R: The price of sight--ranibizumab, bevacizumab, and the treatment of macular degeneration. In: N. Engl. J. Med.. 355, Nr. 14, Oktober 2006, S. 1409–12. doi:10.1056/NEJMp068185. PMID 17021315.
  9. Baumgärtel, C.: Label gegen Off-label-Use. 29. März 2010, abgerufen am 7. Mai 2011 (PDF).
  10. Subramanian ML, Abedi G, Ness S, et al.: Bevacizumab vs ranibizumab for age-related macular degeneration: 1-year outcomes of a prospective, double-masked randomised clinical trial. In: Eye (Lond). 24, Nr. 11, November 2010, S. 1708–15. doi:10.1038/eye.2010.147. PMID 20885427.
  11. Susan Desmond-Hellmann: Letter to Physicians. Avastin Distribution Update. In: www.gene.com. Genentech, Inc, 11. Oktober 2007, abgerufen am 7. Mai 2011 (englspr.): „As of November 30, 2007, Genentech will no longer allow compounding pharmacies to purchase this product directly from wholesale distributors.“
  12. Alterbedingte Makuladegeneration: US-Ophthalomologen dürfen wieder Avastin® verwenden. In: www.aerzteblatt.de. Deutsches Ärzteblatt, 21. Dezember 2007, abgerufen am 7. Mai 2011.
  13. Barbara Ritzert: Stellungnahme der DOG zur aktuellen Diskussion der Therapie bei der Makuladegeneration 105. DOG-Kongress in Berlin. In: www.dog.de. Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft e.V., 20. September 2007, abgerufen am 7. Mai 2011 (PDF, Presse-Information): „Die DOG Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft befürwortet den direkten Vergleich der beiden Medikamente Avastin und Lucentis im Rahmen einer Studie.“

Weblinks

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