Reaktor Haigerloch

Reaktor Haigerloch
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Reaktor Haigerloch
Nachbau des Reaktors im Museum Haigerloch

Nachbau des Reaktors im Museum Haigerloch

Lage
Reaktor Haigerloch (Baden-Württemberg)
DEC
Reaktor Haigerloch
Koordinaten 48° 22′ 1,8″ N, 8° 48′ 15,3″ O48.3671734793178.80423843860637Koordinaten: 48° 22′ 1,8″ N, 8° 48′ 15,3″ O
Land: Deutschland
Daten
Baubeginn: Januar 1945
Inbetriebnahme: nie erfolgt
Reaktortyp: Schwerwasserreaktor
Stand: 2. Mai 2009
Der Abbau des Reaktors im April 1945
Die Schlosskirche und das Schloss in Haigerloch: der Standort des Reaktors

Der Reaktor Haigerloch sollte am Ende des 2. Weltkriegs, von Ende 1944 bis April 1945, der letzte reichsdeutsche Großversuch zur Kernspaltung werden.[1] Der Testlauf für eine Reaktor-Konfiguration mit Natururan, Schwerem Wasser und Graphit wurde später als B8/B8 bzw. B-VIII-Versuch bekannt.[2][3][4] Heute befindet sich am Standort des Reaktors das Atomkeller-Museum.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Aufgrund von aliierten Bombenangriffen wurde das Kaiser Wilhelm-Institut für Physik in Berlin im Jahr 1943/44 nach Hechingen, 15 Kilometer von Haigerloch entfernt, verlegt. Ursprünglich sollte der Versuch noch in Berlin stattfinden. Die Materialien wurden aber im Januar 1945 nach Haigerloch gebracht. Carl Friedrich von Weizsäcker und Karl Wirtz arbeiteten unter Leitung des Nobelpreisträgers Werner Heisenberg an der Entwicklung eines Kernreaktors mit Schwerem Wasser als Moderator. Der Versuch B8 von Ende Februar 1945 war der Höhepunkt der Arbeit.[1][2] Es wurden die Versuchsergebnisse aus Leipzig, Berlin und Gottow integriert.[3]

Der Felsenkeller in Haigerloch wurde für Atomversuchsreihen ausgewählt. Er wurde für monatlich 100 Reichsmark gemietet; er diente bis 1944 dem Haigerlocher Schwanenwirt als Lager für Bier und Kartoffeln.[5] Der Felsenkeller wurde ausgewählt, da er gegen Bombenangriffe besonders geschützt war. Dies war der Fall, weil sich eine 20-30 Meter hohe Schicht aus Muschelkalk darüber auftürmt.[6] Die ganze Stadt Haigerloch ist auf und zwischen Felsen gebaut.[2] Durch Beschießen von Uran mit Neutronen sollte eine sich selbst erhaltende Kettenreaktion in Gang gesetzt werden. Werner Heisenberg leitete das Vorhaben von Hechingen aus. Die Haigerlocher Versuchsreihen sollten vermutlich nicht zur Entwicklung einer deutschen Atombombe, sondern zur Erforschung der Kernenergie dienen. Es gibt allerdings Spekulationen, ob die Haigerlocher Versuche zur Entwicklung einer Atombombe im Deutschen Reich dienen sollten. Im direkten Sinn kann dies nicht der Fall gewesen sein, da die Materialien, die verwendet wurden, nicht waffentauglich waren. Den Physikern war die Möglichkeit der militärischen Nutzung ihrer Arbeit aber wahrscheinlich bewusst. Dem Heereswaffenamt wurde nämlich bereits Ende 1939 durch Heisenberg mitgeteilt, dass U235 ein starker Atomsprengstoff sein müsste; von Weizsäcker berichtete, dass in Reaktoren ein spaltbares Element - später als Plutonium bekannt - entstehen müsse. Mit einem anderen Aufbau hätten die Haigerlocher Versuche zu einer Bestätigung dieser Vermutungen führen können.[2]

Die französische Armee kam am 22. April 1945 in Haigerloch an; das unterirdische Atomlabor wurde jedoch nicht bemerkt. Die US-amerikanische Spezialeinheit ALSOS traf einen Tag später ein und fand den Reaktor. So wurde der Kernreaktor am Ende des 2. Weltkriegs im Frühjahr 1945 von der ALSOS-Mission demontiert. Die gefangenen Wissenschaftler wurden bis Januar 1946 im britischen Farm Hall interniert (Operation Epsilon).[7][8] Beim Abbau wurde alles, was nicht abtransportiert wurde, von den US-Amerikanern durch mehrere kleine Sprengungen zerstört. Da eine größere Sprengung im Felsenkeller, wie es der Auftrag der ALSOS-Mission war, vermutlich die darüber liegende barocke Schlosskirche schwer beschädigt hätte, verhinderte der damalige Pfarrer dies, indem er den Amerikanern die Kirche zeigte und somit den leitenden Offizier Colonel Boris Pash überzeugte, lediglich kleinere Sprengungen durchzuführen.[8][6][9]

Die amerikanische ALSOS-Mission sollte die deutschen kerntechnischen Forschungsanlagen in Haigerloch und Hechingen untersuchen und sicherstellen. Das Ziel der Spezialeinheit war außerdem die Sammlung von Informationen über das deutsche Atomprogramm, die Gefangennahme von führenden Wissenschaftlern und die Beschlagnahmung wichtiger Apparaturen. So sollte nicht nur das amerikanische Atomwaffenprogramm vorangetrieben werden, sondern auch eine Verwendung des Wissens durch die Sowjetunion verhindert werden. Den US-Amerikanern war es bis Anfang 1945 nicht bekannt, wie weit die deutsche Forschung zur Entwicklung von Atombomben vorangeschritten war.[6] Die Spezialeinheit sicherte in der französischen Besatzungszone den Keller, da die Anlage von großer Bedeutung schien.[10] Die Amerikaner stellten fest, dass der Fortschritt der deutschen Forschungen mehr als zwei Jahre hinter ihrem lag.[11][9]

Durch das aliierte Gesetz Nr. 25 wurde es Deutschland untersagt, weitere Entwicklungen eines Reaktors voranzutreiben. Heisenberg dachte jedoch bereits 1950 wieder über einen deutschen Reaktor nach.[12]

Reaktor

Die Anordnung von Uranwürfeln um die Neutronenquelle war die Grundform des Versuchs. Im hinteren Teil des Felsenkellers wurde der Reaktor in ein etwa drei Meter tiefes Loch gebaut. Zwischen der äußeren Betonwand und dem Leichtmetallkessel aus Aluminium, der den Kernreaktor bildete, war das Kühlwasser untergebracht. Im Zentrum stand ein mit zwei Tonnen Schwerem Wasser gefüllter weiterer Kessel aus Magnesium. Es gab drei Schwerwassertanks. Es wurden etwa zehn Tonnen Graphitkohleblöcke zur Füllung des Raumes zwischen dem inneren Schwerwasserreaktorgefäß und dem äußeren Aluminiumkessels verwendet. Diese sollten die freiwerdenden Neutronen abfangen und den Reaktor nach außen abschirmen. 664 an Aluminiumdrähten befestigte Uranwürfel mit einem Gesamtgewicht von 1,5 Tonnen wurden für den Versuch versetzt ins Schwere Wasser eingetaucht. Jeder Uranwürfel hatte eine Länge von fünf Zentimetern. Das Uran stammte von der deutschen Degussa, das schwere Wasser von Norsk Hydro aus Norwegen. Das schwere Wasser war von einem zehn Tonnen schweren Graphitmantel umgeben. Der gesamte Zylinder, der einen Querschnitt von 2,10 Metern hatte, war in Wasser getaucht. Danach konnte der Reaktor mit einem Deckel verschlossen werden. Daraufhin wurde durch eine Neutronenquelle die Kernspaltung in Gang gesetzt. Jedoch würde eine erfolgreiche Uranspaltung zusätzlich Neutronen aus den gespaltenen Atomkernen freisetzen. Diese Neutronenvermehrung konnte durch Messsonden festgestellt werden. Die Neutronenausbeute wurde mit dem Versuch in Haigerloch verzehnfacht; damit stand der Reaktor kurz vor einer sich selbst erhaltenden Kettenreaktion. Es war aber nicht genug schweres Wasser für den Betrieb des Reaktors vorhanden, denn britische Kommandotrupps und norwegische Widerstandskämpfer sprengten am 27. März 1943 das norwegische Kraftwerk Norsk Hydro, das Schweres Wasser für die deutsche Atomforschung produzierte.[13] Eine von Heisenberg geforderte Vergrößerung der Uranmaschine wurde aufgrund des Mangels an weiterem Uran und schwerem Wasser nicht mehr durchgeführt. Der Reaktor Haigerloch war zu klein, sodass er den kritischen Punkt nicht erreichen konnte. Wäre der Reaktor eineinhalb mal so groß gewesen, wäre er kritisch geworden. Der Reaktor war letztendlich bis zum Abbau durch die US-Amerikaner nicht funktionsfähig.
Damit die US-Amerikaner sie nicht fanden, wurden die 664 Uranwürfel sowie das Schwere Wasser versteckt und vergraben. Sie wurden aber dennoch gefunden und abtransportiert.[8][6][14][2][3] Die Physiker hätten sich einer hohen Strahlungsdosis ausgesetzt, denn die amerikanischen Einheiten fanden bei der Untersuchung der Anlage keinen Strahlenschutz vor.[2]

Sonstiges

Der Reaktor ZOE in Frankreich hat eine ähnliche Bauart wie der Reaktor Haigerloch, war allerdings doppelt so groß. Es gibt Berichte, dass Teile aus dem Reaktor Haigerloch, z. B. die hochreinen Graphitziegel, wiederverwendet wurden.[15]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b Stadt Haigerloch | Atomkeller-Museum
  2. a b c d e f TP: In des Teufels Atomkeller
  3. a b c Deutsches Museum: Versuch B 8 in Haigerloch
  4. Der Versuchsaufbau in Haigerloch
  5. Atommuseum im Felsenkeller - DIE ZEIT, 14.06.1985 Nr. 25
  6. a b c d Atomkeller-Museum II
  7. Dieter Hoffmann: Operation Epsilon. Die Farm-Hall-Protokolle oder Die Angst der Alliierten vor der deutschen Atombombe. Verlag Rowohlt, Berlin 1993, ISBN 3-87134-082-0.
  8. a b c Atomkeller-Museum
  9. a b Adventure-Treff
  10. Kluge Menschen, schönes Land - Regionen | SWR.de
  11. Werner-Heisenberg-Gymnasium Garching - Forschung im Bierkeller
  12. Wolfgang Gentner: Festschrift zum 100. Geburtstag. Springer, 2006, ISBN 3540336990, 9783540336990. Seite 78. Online: [1]
  13. Wolfgang Horlamus: Deutsche Ingenieure und Wissenschaftler zwischen Gleichschaltung, Weltkrieg und kaltem Krieg (1933- 1948): Ein Beitrag zur historischen Friedens- und Konfliktforschung- das Verantwortungsproblem. GRIN Verlag, 2008, ISBN 3640114264, 9783640114269. Seite 43. Online: [2]
  14. Hohenzollernstrasse - Haigerloch
  15. Roland Kollert: Die Politik der latenten Proliferation: Militärische Nutzung "friedlicher" Kerntechnik in Westeuropa. DUV 1994, ISBN 382444156X, 9783824441563. Seite 181. Online: [3]

Weblinks


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