Realisationsprinzip

Realisationsprinzip

Das Realisationsprinzip zählt zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung. Es bestimmt, wann eine Leistung oder ein Erzeugnis als „realisiert“ gilt und damit zur Ermittlung des Unternehmenserfolgs herangezogen werden kann. Zum anderen bestimmt es, mit welchem Wert noch nicht realisierte Leistungen und Erzeugnisse in der Bilanz anzusetzen sind.

Inhaltsverzeichnis

Einordnung in das Rechnungslegungssystem

Der Begriff bezieht sich im weiteren Sinne auf die innerhalb eines Rechnungslegungssystems geltenden Grundsätze zur Realisierung – d. h. erfolgswirksamen Vereinnahmung – positiver Erfolgsbestandteile. In der deutschen (sowie auch österreichischen) handelsrechtlichen Rechnungslegung – und durch das Maßgeblichkeitsprinzip auch in der steuerlichen Rechnungslegung – gilt das strenge Realisationsprinzip. In der einschlägigen deutschsprachigen Literatur wird der Begriff Realisationsprinzip oftmals als Synonym für das strenge Realisationsprinzip verwendet (so auch im folgenden in diesem Artikel). Dies ist terminologisch etwas unsauber, da in anderen Rechtskreisen Grundsätze zur erfolgswirksamen Vereinnahmung positiver Erfolgsbestandteile existieren, welche sich von den deutschen Grundsätzen unterscheiden, jedoch ebenfalls unter dem Begriff Realisationsprinzip zu subsumieren sind. So können nach dem realisation principle der US-GAAP Erfolge teilweise bereits dann vereinnahmt werden, wenn sie realisierbar, jedoch noch nicht realisiert sind.

In der deutschen handelsrechtlichen Rechnungslegung ist das Realisationsprinzip neben dem Imparitätsprinzip als eine der Konkretisierungen des Vorsichtsprinzips einer der zentralen Grundsätze der Bilanzierung; es ist in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, letzter Halbsatz („Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind“) verankert.

Entgegen der Überschrift des § 252 HGB („Allgemeine Bewertungsgrundsätze“) hat das Realisationsprinzip auch Konsequenzen für den Ansatz von Bilanzposten.

Anschaffungs-/Herstellungskostenprinzip

Aus dem Realisationsprinzip folgt das Anschaffungs-/Herstellungskostenprinzip, das besagt, dass die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten von Vermögensgegenständen die Wertobergrenze bilden. Dies verhindert eben gerade den Ausweis von noch nicht realisierten Gewinnen. Dementsprechend dürfen beispielsweise auch selbsterstellte Waren, die verkauft werden sollen, nicht zum voraussichtlich erzielbaren Verkaufspreis bilanziert werden, sondern höchstens zu den Herstellungskosten.

Gleichzeitig soll aber im Regelfall durch den Kauf von Vermögensgegenständen auch kein Verlust ausgewiesen werden, Beschaffungsvorgänge sind grundsätzlich erfolgsneutral, eine etwaige Abschreibung findet erst später statt (siehe Niederstwertprinzip).

Realisationszeitpunkt

Von den verschiedenen Zeitpunkten, die als Realisierungszeitpunkt angesehen werden könnten, wird mit dem Umsatzakt (Lieferung und Leistung; der Anspruch auf Gegenleistung – in der Regel die Zahlung des Kaufpreises – muss entstanden sein) eine mittlere Vorsichtsstufe gewählt. Damit ist festgelegt, dass zum Beispiel bei Abschluss eines Kaufvertrags noch keine Gewinnrealisation stattgefunden hat, allerdings muss auch nicht bis zur vollständigen Zahlung der Kaufpreisschuld gewartet werden, bis ein Gewinn verbucht werden kann. Der Gewinn gilt zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs - also zum Zeitpunkt der Übergabe an den Käufer oder eine zur Lieferung beauftragte Transportperson (z. B. Spediteur) - als realisiert. Zu diesem Zeitpunkt kann der Umsatzerlös in der GuV und die Forderung (bei Zielverkauf) in der Bilanz berücksichtigt werden.

Auslegungsfragen

Aus dem Wortlaut der Vorschrift („Gewinne...“) wird gefolgert, dass das Realisationsprinzip nicht nur für die Berücksichtigung von Erträgen gilt, sondern auch für die Frage, wann Aufwendungen zu erfassen sind (Gewinn = Ertrag - Aufwand)[1]. Das Realisationsprinzip verlangt also, dass Aufwendungen den ihnen zugehörigen Erträgen zugerechnet werden, sie sind also dann zu passivieren, wenn die zugehörigen Erträge bereits realisiert wurden. Sie dürfen dagegen nicht passiviert werden, wenn sie Erträgen zuzurechnen sind, die zukünftig entstehen (Alimentationsprinzip). Baetge und andere [2] ziehen einen ergänzenden „Grundsatz der Abgrenzung der Sache“ und das Finalprinzip heran, um letztlich zum selben Ergebnis zu kommen: Den realisierten Erträgen müssen die (direkt und indirekt) zurechenbaren Aufwendungen gegenüber gestellt werden.

Literatur

  • Adolf Coenenberg, u.a.: Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 21. Auflage, Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart 2009, ISBN 3791027700
  • Harald Wedell, Achim A. Dilling: Grundlagen des Rechnungswesens: Buchführung und Jahresabschluss. Kosten- und Leistungsrechnung, 13. Auflage, NWB-Verlag 2010, ISBN 978-3482547836

Einzelnachweise

  1. Moxter, A., Wirtschaftliche Gewinnermittlung und Bilanzsteuerrecht, in: StuW 1983, S. 300-307.
  2. Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 6. Aufl., 2002, S. 109 f.
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