Realos

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Realos bezeichnet die Inhaber von so genannten realpolitischen Positionen für die inhaltliche Ausrichtung der Partei Die Grünen und ihrer Fraktionen auf kommunaler Ebene, Landes- und Bundesebene.

Der Begriff wurde ursprünglich abgeleitet von dem Arbeitskreis Realpolitik, der 1981 in Frankfurt von Joschka Fischer, Daniel Cohn-Bendit und anderen Wortführern der Sponti-Szene und Autoren des regionalen Stadtmagazins Pflasterstrand initiiert wurde.

Als wöchentlich angebotenes offenes Forum traf sich der Arbeitskreis Realpolitik in den Redaktionsräumlichkeiten des 14-täglich erscheinenden Pflasterstrandes. Der Arbeitskreis Realpolitik verstand sich anfangs 1981/82 als ausdrücklich außerparteilichen Gegenpol zur inhaltlichen Ausrichtung der Partei Die Grünen.

Insbesondere meinungsführende Parteimitglieder des Frankfurter Kreisverbandes der Grünen, unter anderem Gründungsmitglied Jutta Ditfurth und ihre grünen Parteianhänger wurden als Fundis, Öko-Fundamentalisten oder öko-sozialistische Fundamentalisten bezeichnet.

Die in der Öffentlichkeit wahrnehmbare Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner wurde von den Frankfurter Realos 1981-1983 im Wesentlichen im Pflasterstrand geführt, dessen verantwortlicher Herausgeber Daniel Cohn-Bendit war, und wurde mit zunehmender Schärfe von Spiegel, Frankfurter Rundschau und anderen Publikationen übernommen, womit der Begriff Realo bundesweit bekannt wurde.

Die aus heutiger Sicht naheliegende innerparteiliche Auseinandersetzung einer Realpolitik mit der Partei Die Grünen wurde von den Realos damals in Frankfurt ausdrücklich abgelehnt, keiner der Realo-Wortführer kandidierte 1981-1982 für ein Amt im grünen Kreisverband Frankfurt. Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit lehnten einen Beitritt zur grünen Partei bis zur zweiten Hälfte 1982 ausdrücklich mit dem Hinweis auf die sogenannten Fundi-Positionen im Frankfurter Kreisverband der Grünen ab.

Die eigentliche Auseinandersetzung über inhaltliche Positionen wurde von beiden Seiten überlagert von einer regelrechten Lust an Unterstellungen und dem Verächtlichmachen des politischen Gegners als weltfremde Spinner, von moralischen Vorwürfen und verengten dogmatischen, bzw. sektiererischen Sichtweisen. Ein erkennbarer Wille zum Erarbeiten von gemeinsamen Positionen war in der Öffentlichkeit, so zum Beispiel in den abgedruckten Beiträgen des Pflasterstrandes als dem Sammelbecken von Realo-Positionen nicht wahrnehmbar.

Mit den beachtlichen regionalen Wahlerfolgen der Partei Die Grünen in Frankfurt und in Hessen veränderte sich die Ausrichtung der Realos, ein Eintritt in die Grüne Partei wurde als neuer Weg formuliert, um die Bundestagsmandate mit den eigenen Positionen zu besetzen. Joschka Fischer erklärte im Herbst 1982 auf einem Treffen des Arbeitskreises Realpolitik ausdrücklich, seinen Eintritt in Die Grünen mit der Kandidatur für einen Bundestagslistenplatz zu verbinden.

Innerhalb weniger Wochen erfuhr der Frankfurter Kreisverband der Grünen anschließend eine Betrittswelle von neuen Mitgliedern, die auf den Kreisverbandsitzungen im Herbst 1982 Joschka Fischer im Frankfurter Pferdestall auf einen aussichtsreichen Platz für die Bundestagskandidatenliste 1983 wählten.

Dieses Vorgehen wurde von den Fundis und auch unabhängigen Gründungsmitgliedern der Partei Die Grünen verbittert als Verrat an den urgrünen Positionen angeprangert, es widersprach dem eigenen moralisch geprägten Verständnis einer zuvor stattfindenden innerparteilichen Auseinandersetzung um grüne Inhalte.

Mit dem Einzug von Joschka Fischer als Abgeordneter in den Bundestag wurde der bekannteste Vertreter von Realo-Positionen in der Bundespartei verankert. Weitere in der Öffentlichkeit wahrgenommene Realos waren seit 1983 maßgeblich Otto Schily, Waltraud Schoppe, Hubert Kleinert und in Baden-Württemberg der in der Regionalpolitik erfolgreich pragmatisch agierende Rezzo Schlauch.

In den weiteren Jahren wurde die grüne Partei auf der Bundesebene von mit großer Leidenschaft und einem ausgeprägten Machtwillen geführten Flügelkämpfen zwischen Realo- und Fundilager tief gespalten, wobei die Mehrheit der aus unterschiedlichen Wurzeln stammenden Parteimitglieder und noch mehr die grünen Wähler die Auseinandersetzungen oftmals ratlos verfolgen mussten. Die Eigendynamik des auf Bundesebene zwischen dem Fraktionsvorstand und dem Parteivorstand ausgefochtenen Realo/Fundi-Flügelkampfes hatte sich von den Einflussmöglichkeiten eines vergleichsweise selten tagenden Parteitages weit entfernt.

Die Grüne Partei war spätestens 1987 derart in Realo- und Fundilager (sowie eine bei Abstimmungen ausschlaggebende heterogene Gruppe von Unabhängigen) zerstritten, dass sich kein Lager viel von einer inhaltlichen, flügelübergreifenden Arbeit mit dem Bemühen um gemeinsame Positionen versprach.

Die frühere Arbeit in themenorientierten Arbeitskreisen wich in der zweiten Legislaturperiode ab 1987 zunehmend einer Rivalität von individuell agierenden Abgeordnetenbüros beider Lager, die mit einem Stab von drei Mitarbeitern pro Abgeordneten leistungsstark genug waren, um die Position der jeweils eigenen Abgeordneten medienwirksam zu formulieren und in die Fraktion und darüber hinaus in die Partei selber einzuarbeiten.

Realos versuchten in der zweiten Legislaturperiode, das Organ des Fraktionsvorstandes der grünen Bundestagsfraktion mit den eigenen Realopositionen zu dominieren und als Lenkungsorgan gegen den linken fundamentalistisch gewerteten Parteivorstand der Grünen Partei zu missbrauchen.

Ein in sich geschlossenes, einheitlich auftretendes Realolager war ab etwa 1987 zunehmend nicht mehr wahrnehmbar. Die Realos wurden differenziert in drei verschiedene Lager, deren inhaltliche Unterschiede von einer Position der unbedingten Zusammenarbeit mit der SPD über die Position, die Grünen zu einer „Partei der Mitte” zu machen, losgelöst von einem Standpunktes links der SPD bis hin zu der Position reichten, ohne programmatische Vorgaben eine Politik der jeweils situations- oder mehrheitsbedingt besten aller möglichen Entscheidungen zu gestalten, bevorzugt mit der SPD, aber nicht zwingend.

Bei der Bundestagswahl 1990 schieden die Grünen im Gebiet der alten Bundesländer aus dem Bundestag aus, was die mediale Aufmerksamkeit stärker auf die Landesgrünen bzw von den Grünen weg verlagerte. Gleichzeitig verließen viele Fundi-Mitglieder die Grünen, sodass der Realo/Fundistreit nicht mehr so stark in der Öffentlichkeit stattfand. Nach der Vereinigung mit den ostdeutschen Grünen bzw. dem Bündnis 90 und seinen Abgeordneten und dem Wiedereinzug 1994 gab es kaum noch dezidierte Fundi-Mitglieder in den führenden Positionen der Partei.

Die Versuche von unabhängigen grünen Politikern, eine von den Fundi/Realo-Lagern unabhängige grüne Position für die grüne Partei zu entwickeln, die von Fundis oder Realos als für das eigene Überleben nicht gefährlich und richtungsweisend anerkannt würde, sind bis heute ohne Erfolg geblieben.


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