Rechnungsmünze

Rechnungsmünze

Eine Rechnungswährung oder Rechnungsmünze ist eine Währung, die im Rechnungswesen verwendet wird, keiner Materialabnutzung unterliegt und entweder nie physisch existierte; als theoretisches Zählmaß bzw. Zählmünze existierte und später evtl. auch zur realen Münze wurde. Oder umgekehrt früher einmal sogar als vollwertiges Bargeld existierte, dann aber später durch Münzverschlechterung nun die Funktion eines theoretischen Normals (Standards) übernommen hat. Die frühen Rechnungswährungen in "Buchgeldform auf Konten" entstanden aus dem Bemühen der Kaufleute heraus, sich von staatlichen Münzverschlechterungen, der natürlichen Geldabnutzung im Umlauf und dem "Kippen und Wippen" der Münzen durch Geldwechsler und Spekulanten sowie der großen Vielzahl verschiedener länderspezifischer Währungssysteme unabhängig zu machen.

Der Gegensatz zur theoretischen Rechnungswährung oder -münze war die real ausgemünzte Währungsmünze, die meist den Vorsatz "Specie" im Revers trug, wie z. B. der "Specie-Thaler" im 18. und 19. Jahrhundert.

Die Währungseinheit der Rechnungswährung diente dann zum Wertvergleich von nicht nach dem vorgeschriebenen Münzfuß ausgeprägten in- und ausländischen Kurantmünzen und war die Basis beim Münzvergleich in den sog. Valvationstabellen für Kaufleute und Behörden. Darüber hinaus war sie seit der frühen Neuzeit bis hinein ins 19. Jahrhundert wichtig für viele überregionale Handelsverträge, da häufig vor Ort mit unterschiedlich edelmetallgewichtigem, regionalem Geld physisch bezahlt wurde.

Lange Zeit war z. B. der Reichstaler allgemeine Rechnungsmünze in Deutschland, obwohl er anfangs noch um 1580 als vollwertige Münze existierte. Erst Friedrich der Große brachte dann mit dem (neuen, preußischen) ausgemünzten Reichstaler ab 1750 die Rechnungswährung mit der realen Währung durch die Graumannsche Münzreform wieder in Einklang.

Eine weitere reine Rechnungswährung war im 16.Jahrhundert in Genua der "Scudi di Marchi", der nicht ausgemünzt wurde - sondern dem Gewicht nach 99/100 der theoretischen Goldmenge eines vollgewichtigen Dukatens entsprach und im oberitalienischen kommerziellen Handel in Kontenform genutzt wurde.

Die deutsche Goldmark von 1871 bis 1914, vertreten durch die Goldmünzen zu 10 und 20 Mark, könnte ebenfalls als theoretische und praktische Rechnungswährung angesehen werden, da der Staat sich verpflichtete, auch abgenutzte Exemplare, die schon leicht unter das Edelmetall-Passiergewicht fielen, durch gewichtsmäßig vollwertige Münzen kostenlos zu ersetzen. Das galt, z. B. in Großbritannien nicht für den geprägten goldenen Sovereign (1 Pfund Sterling), der dann nur noch abgewertet in Zahlung genommen wurde. Trotzdem war das Pfund Sterling vor 1817 theoretische Rechnungsmünze (Zählmaß) als es noch nicht als goldenes Sovereign ausgemünzt wurde; es stand für 20 theoretisch vollgewichtige silberne Schillinge bzw. 240 Pence.

Die European Currency Unit, der Vorläufer des Euro, war eine reine Rechnungswährung, da kein ECU-Bargeld - außer "Sondermünzen" mit Medaillencharakter - existierte. Eine ähnliche Rechnungswährung war der "transverable Rubel", der zur Verrechnung bei Warenlieferungen zwischen den ehemaligen Ostblockländern galt.

Auch in anderen Ländern gab es Rechnungswährungen bzw. -münzen. So wurde in der Schweiz in Kronen oder Pfund gerechnet, obwohl nie Münzen mit diesen Nominalen im Umlauf waren. In Russland wurde der Rubel als Rechnungsmünze verwendet, lange bevor die eigentlichen Rubelmünzen geprägt wurden.

Es gibt auch Beispiele, wo aus ursprünglich realen Münzen später Rechnungsmünzen und dann wiederum reale Münzen wurden:

Ab etwa 1300 galten im norddeutschen Raum 12 Pfennig als 1 Schilling im Zählmaß, später wurde dann der silberne Schilling im Verlauf des 14. Jahrhunderts wieder zur real geprägten Münze; vor 800 existierte er jedoch schon einmal sogar als Goldsolidus mit wesentlich höherer Kaufkraft.

Siehe auch:

Literatur

Ernst Samhaber "Kaufleute wandeln die Welt", Societäts-Verlag Frankfurt 1993 2. Auflage, S.184 (Scudi di Marchi), ISBN 3-7973-0540-0


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