Reinhard Boos

Reinhard Boos

Reinhard Boos (* 1. Juni 1897 in Lörrach; † 1979) war Kommissar und vom 20. April 1933 bis zum 24. April 1945 Bürgermeister der Stadt Lörrach. Ferner bekleidete er bis 1938 die Posten des Orts- und ehrenamtlichen Kreisgruppenleiters sowie des Gau-Einsatzredners der NSDAP. In der Bundesrepublik war er in Lörrach Gemeinderatsmitglied.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Politisches Wirken bis 1945

Boos, aus einer Lörracher Arbeiterfamilie stammend, absolvierte eine kaufmännische Ausbildung, war Soldat im ersten Weltkrieg und bis 1921 Angestellter der Stadtverwaltung bzw. Buchhalter in einem kleinen Betrieb in Weil.[1]

Er wurde – zu diesem Zeitpunkt im Zivilberuf Prokurist eines kleinen Weiler Unternehmens – am 16. November 1930 erstmals für die NSDAP, deren Ortsgruppenleiter er in Lörrach war, in den Stadtrat gewählt. Nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ wurde er am 19. April 1933 durch den badischen Gauleiter Robert Wagner zum Stadtverwaltungs-Kommissar ernannt, da der gewählte deutschnationale Bürgermeister Dr. Heinrich Graser politisch nicht zuverlässig genug erschien. Boos war in der Folge vor Ort zum Teil federführend an der Zerschlagung der Gewerkschaften sowie der oppositionellen Parteien beteiligt. Gegen Dr. Graser strengte er ein Amtsenthebungsverfahren an. Nach dessen erfolgreichen Ausgang war Boos ab 19. Juli 1933 Bürgermeister, ein Posten, für den er fachlich nicht ausreichend qualifiziert war. So verlängerte Wagner Boos’ Amtszeit im Jahr 1942 nur unter Auflagen und hielt ihn u. a. zu einer „strafferen Amtsführung“ an.

Ab 1938 wirkte Boos wiederum leitend an den Aktionen gegen die Lörracher Juden mit (z. B. Abriss der in der Reichspogromnacht beschädigten Synagoge, beabsichtigte Zerstörung des alten jüdischen Friedhofs). Gegenüber der Schweiz vertrat er eine der politischen Großwetterlage angepasste Politik: Hatte er in den späten dreißiger Jahren noch den Ausbau Lörrachs zum „deutschen Kulturbollwerk“ im Dreiländereck forciert, so forderte er ab 1941 offen „Grenzbereinigungen“. Er schrieb am 9. August 1941 dem Gauleiter: „Das badische Grenzland entlang der Schweizer Grenze wünscht und hofft mit ganzem Herzen, dass diese politische Bereinigung an den willkürlichen Grenzen der sogenannten Schweiz nicht halt macht.“

Am 24. April 1945 nahm Boos persönlich an einem kleinem Aufgebot des Volkssturms zur Verteidigung der Stadt gegen die einrückende französische Armee teil. Dabei wurde er verwundet und anschließend bis 1947 in Frankreich interniert.

Nachkriegszeit

Nach der Rückkehr und Entnazifizierung (als „Minderbelasteter“, da er sich für einige ihm persönlich bekannte Verfolgte eingesetzt und wohl auch spätestens ab Kriegsbeginn keinen Einfluss mehr auf den Gang der überörtlichen Ereignisse hatte) gelang es Boos, ab 1959 nochmals ein Gemeinderatsmandat für eine Freie Wählergruppe zu erlangen, nachdem er bereits im Vorjahr als Nachrücker in das Gremium gelangt war. In dieser Funktion war er auch Fraktionsvorsitzender, ansonsten exponierte er sich nur noch im durchschnittlichen Umfang. Boos gab nach dem Krieg an, er habe sich angesichts der Fragestellung „Bolschewismus oder Deutschland“ als Sozialist und Deutscher „für Deutschland und die NSDAP entschieden“.

Boos wurde zunächst nicht in die Portraitgalerie der Bürgermeister und Oberbürgermeister im Lörracher Rathaus aufgenommen. Inzwischen hat der Stadtrat der Aufnahme des Portraits zugestimmt.

Literatur

  • Gerhard Moehring: Vögte und Bürgermeister von Lörrach. In: Walter Jung, Gerhard Moehring (Hrsg.): Unser Lörrach 1975. Eine Grenzstadt im Spiegel der Zeit. Kropf & Herz, Lörrach-Tumringen 1975, S. 33/34.
  • Hugo Ott: Die Zeit von 1918 bis 1945. In: Otto Wittmann, Berthold Hänelet; Stadt Lörrach (Hrsg.): Lörrach: Landschaft – Geschichte – Kultur. Herausgegeben von der Stadt Lörrach zur Erinnerung an die vor 300 Jahren am 18. November 1682 verliehene Stadtrechtsprivile. Stadt Lörrach, Lörrach 1983, ISBN 3-9800841-0-8.
  • Wolfgang Göckel: Lörrach im Dritten Reich. Eigenverlag, Schopfheim 1990.
  • Bernd Serger, Karin A. Böttcher, Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Südbaden unter Hakenkreuz und Trikolore. Zeitzeugen berichten über das Kriegsende und die französische Besetzung 1945. Rombach Verlag, Freiburg (Breisgau) u. a. 2006, ISBN 3-7930-5013-0.
  • Michael S. Bryant: Back into the Unmasterable Past: Southwest Germany and the Judicial Odyssey of Mayor Reinhard Boos, 1947–1949. In: Human Rights Review. Bd. 8, H. 3, 2007, ISSN 1524-8879, S. 199–219.

Einzelnachweise

  1. Hubert Bernnat: 125 Jahre Arbeiterbewegung im Dreiländereck, Lörrach 1993, Seite 169

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