Relaxationsmethode

Relaxationsmethode

Relaxationsmethoden (oder Relaxationsverfahren) verwendet man in der Chemie zur Untersuchung der Kinetik von sehr schnellen Reaktionen. Erstmals eingeführt wurden diese etwa 1950 von Manfred Eigen. Für die Entwicklung dieser Verfahren wurde im Jahr 1967 der Nobelpreis für Chemie an Manfred Eigen, Ronald George Wreyford Norrish und George Porter vergeben.

Der zeitliche Verlauf (die „Kinetik“) von chemischen Reaktionen mit charakteristischen Reaktionszeiten im Millisekundenbereich oder darunter lässt sich mit konventionellen Methoden wie dem Mischverfahren kaum beobachten; stattdessen können Relaxationsmethoden verwendet werden. Hierbei werden die Reaktanden zunächst vermischt, worauf sich schnell ein Reaktionsgleichgewicht einstellt. Dann wird das Gleichgewicht des Systems durch eine schockartige Änderung einer physikalischen Größe gestört. Nach dieser plötzlichen Änderung strebt das System danach, das neue Gleichgewicht zu erreichen, also zu relaxieren (und zwar mit einer für den jeweiligen Vorgang charakteristischen Geschwindigkeit). Die Einstellung des neuen Gleichgewichts kann mit geeigneten Mitteln (z. B. spektroskopisch) verfolgt werden.

Konzentrationsverlauf

Ist die Verschiebung des Gleichgewichts klein, so folgt die Einstellung des neuen Gleichgewichts stets einem Gesetz erster Ordnung (unabhängig von der tatsächlichen Kinetik der Hin- und Rückreaktion!). Aus den Messergebnissen lässt sich daher die Geschwindigkeitskonstante der untersuchten Reaktion ermitteln.

Wurde die Konzentration einer für das Gleichgewicht charakteristischen Komponente zum Zeitpunkt t = 0 um Δc0 verschoben, so gilt für die Verschiebung zum Zeitpunkt t (sofern die Abweichung vom Gleichgewicht gering ist, der „Sprung“ also nicht zu groß war):

\Delta c(t) = \Delta c_0 \cdot e^{-t/\tau}

Dabei ist τ die Relaxationszeit des Systems. Aus τ lassen sich die Geschwindigkeitskoeffizienten der Hin- und Rückreaktionen extrem schneller Prozesse berechnen.

Eingesetzte Verfahren

Für die Relaxationsmethode geeignet sind prinzipiell physikalische Größen, die sich sprunghaft ändern lassen und von denen die Gleichgewichtskonstante K des Systems abhängt. Beispiele für verwendete Größen sind:

  • Die Temperatur: Sehr schnelle Temperatursprünge kann man beispielsweise durch starke elektrische Entladungen durch das Reaktionsgemisch hindurch erzeugen; dieses Verfahren wird als Temperatursprungmethode bezeichnet.
  • Der Druck: Schnelle Druckänderungen etwa durch Bersten des Reaktionsraumes in einen größeren Reaktionsraum werden in der sogenannten Drucksprungmethode ausgenutzt.
  • Das elektrische Feld: Plötzliche Feldänderungen, zum Beispiel durch Abschalten einer Spannungsquelle in einem Elektrolyten, werden in der Feldsprungmethode eingesetzt.

Literatur

  • Walter J. Moore: Grundlagen der physikalischen Chemie. Walter de Gruyter, Berlin New York 1990 (Originaltitel: Basic physical chemistry, übersetzt von Wolfgang Paterno), ISBN 3-11-009941-1, S. 331–334. (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche)
  • Peter W. Atkins, Julio de Paula: Kurzlehrbuch physikalische Chemie. 4. vollständig überarbeitete Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2008 (Originaltitel: Elements of physical chemistry, übersetzt von Ralf Ludwig, Andreas Appelhagen), ISBN 3-527-31807-0, S. 477–481. (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche)
  • Manfred Eigen: Methods for investigation of ionic reactions in aqueous solutions with half-times as short as 10–9 sec. Application to neutralization and hydrolysis reactions. In: Discussions of the Faraday Society. Bd. 17, 1954, S. 194–205, doi:10.1039/DF9541700194.
  • Manfred Eigen: Immeasurably Fast Reactions. Nobel Lecture, December 11, 1967. In: Nobel Lectures, Chemistry 1963-1970. Elsevier Publishing Company, Amsterdam 1972, S. 170–203 (PDF, 1,3 MiByte).

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Relaxationsmethode — Re|la|xa|ti|ons|me|tho|de 〈f. 19; unz.; Math.〉 iteratives Verfahren zur näherungsweisen Bestimmung der Lösung von Differenzialgleichungen, bei dem die Ergebnisse wieder als Anfangsbedingung verwendet werden; Sy Relaxation (1) * * *… …   Universal-Lexikon

  • Relaxationsmethode — Re|la|xa|ti|ons|me|tho|de die; : 1. Näherungsverfahren zur Auflösung einer Gleichung (Math.). 2. Verfahren zur Erreichung eines stabilen seelischen Gleichgewichts (z. B. autogenes Training; Psychol.) …   Das große Fremdwörterbuch

  • Amperometrie — Die Amperometrie ist eine elektrochemische Methode zur quantitativen Bestimmung von chemischen Stoffen. Bei der amperometrischen Titration wird der elektrochemisch erzeugte Stromfluss als Nachweis für die Vollständigkeit einer Umsetzung genutzt.… …   Deutsch Wikipedia

  • Cross-Verfahren — Das Cross Verfahren ist ein iteratives Berechnungsverfahren der Baustatik (Momenten Verteilungsverfahren) zur Bestimmung der Biegemomente am Ende der Stäbe von Stabkonstruktionen und Rahmen. Die Stabendmomente werden iterativ bestimmt, indem die… …   Deutsch Wikipedia

  • Elektronenübergang — Unter einer Elektronentransfer Reaktion (auch Elektronenübergangsreaktion) versteht man in der Chemie einen der grundlegendsten Mechanismen: Hierbei handelt es sich um die Übertragung eines Elektrons zwischen zwei Zentren. Klassifikationen… …   Deutsch Wikipedia

  • Kinetik (Chemie) — Die Kinetik ist ein Teilbereich der physikalischen Chemie. Sie beschäftigt sich mit dem zeitlichen Ablauf chemischer Reaktionen (Reaktionskinetik) oder physikalisch chemischer Vorgänge (z. B. Diffusion, Stoffabscheidung an Oberflächen). Die… …   Deutsch Wikipedia

  • Manfred Eigen — Manfred Eigen, Göttingen 1996 Manfred Eigen (* 9. Mai 1927 in Bochum) ist ein deutscher Bio bzw. Physikochemiker und ehemaliger Direktor am Max Planck Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen. Eigen wurde der Nobelpreis für Chemie (1967) …   Deutsch Wikipedia

  • Relaxation (Naturwissenschaft) — Relaxation bezeichnet im naturwissenschaftlichen Bereich den Übergang eines Systems über Relaxationsprozesse in seinen Grundzustand oder in einen Gleichgewichtszustand (häufig nach einer Anregung oder einer äußeren Störung). Die Relaxationszeit… …   Deutsch Wikipedia

  • Relaxation — Re|la|xa|ti|on 〈f. 20〉 1. 〈Math.〉 = Relaxationsmethode 2. 〈Phys.〉 Entwicklung eines Systems in einen Gleichgewichtszustand 3. verzögertes Eintreten der Reaktion eines Systems auf eine Einwirkung, z. B. die Verringerung der Elastizität bei… …   Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”