René König

René König

René König (* 5. Juli 1906 in Magdeburg; † 21. März 1992 in Köln) war ein deutscher Soziologe, Sprachwissenschaftler und Übersetzer. Er gehört neben Helmut Schelsky und Theodor W. Adorno zu den einflussreichsten Vertretern der deutschen Soziologie der Nachkriegszeit.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kindheit, Jugend, Studium

René König wuchs zweisprachig auf [1] , seine Mutter war Französin, sein Vater Deutscher. Vor dem Ersten Weltkrieg hielt er sich ebenso häufig in Paris wie in Magdeburg auf und besuchte in beiden Städten die Schule. Königs Offenheit für andere Sprachen wurde auch dadurch geprägt, dass er sich als Kind mit der Familie für längere Zeit in Italien und in Spanien aufhielt. Von 1914 bis 1922 lebte die Familie in Halle an der Saale, wo König das Gymnasium besuchte. 1922 folgte der Umzug nach Danzig, wo der Vater Angestellter des Völkerbundes wurde. In Danzig schloss König 1925 das klassische humanistische Gymnasium mit dem Abitur ab. Danach studierte er an der Universität Wien, vor allem Philosophie und Psychologie aber auch semitische Sprachen. Bis 1927 besuchte er mehrfach die Türkei. Dann wechselte er an die Universität Berlin, wo er Philosophie sowie Kunst- und Kulturwissenschaften bei Max Dessoir und Eduard Spranger sowie Ethnologie bei Richard Thurnwald und Romanistik bei Edurard Wechsler studierte. Dort wurde er 1930 mit einer Arbeit über Die naturalistische Ästhetik in Frankreich und ihre Auflösung promoviert. 1933/35 war König Lektor im Berliner Verlag „Die Runde“. 1936 meldete er sich bei Alfred Vierkandt in Berlin zur Habilitation an, zu der es aber nicht mehr kam. Nachdem König zunächst an Großbritannien dachte, emigrierte er Anfang 1937 nach Kontaktaufnahmen zu ihn unterstützenden Personen in die deutschsprachige Schweiz.

Emigration

König wurde kontrapunktisch zur Festigung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems 1934/35 zum politischen Gegner der Nationalsozialisten. Er versuchte zunächst 1933 aus innerer Emigration geistigen Widerstand zu leisten. Nachdem sein Buch Vom Wesen der deutschen Universität 1935 kurz nach dem Erscheinen verboten wurde und er vom SS-Sicherheitsdienst als „feindlicher Intellektueller“ beobachtet wurde, nutze er 1937 den Kölner Karnevalstrubel zur Emigration in die Schweiz. Dort wurde König an der Universität Zürich 1938 im Fach Soziologe habilitiert.[2]

Professor in Köln

Nach schwierigen Zeiten als Privatdozent und außerordentlicher Professor in Zürich wurde René König 1949 als ordentlicher Professor für Soziologie an die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln berufen. Trotz Rufen an andere Hochschulen blieb er dort bis zu seiner Emeritierung 1974. Gastprofessuren führten ihn in die USA, und an Hochschulen in Europa, Afrika sowie im Rahmen der Aufbauhilfe an die Universität Kabul in Afghanistan.

Leistungen

Der fruchtbare, durchaus auch kampflustige Autor und vorzügliche akademische Redner König beschäftigte sich intensiv mit der deutschen Nachkriegsgesellschaft und setzte sich nachhaltig für die empirische Sozialforschung in Deutschland ein. Dabei grenzte er sich von einer sozialphilosophisch geprägten dialektischen Soziologie ab, wie sie Theodor W. Adorno und die Frankfurter Schule betrieben. Er wandte sich angesichts seiner Erfahrung mit jugendbewegten Nazis an der Universität auch scharf gegen jede Anhimmelung von ‚Gemeinschaft‘. Diese Haltung Königs wurde im Schweizer Exil in den 1940er Jahren bestärkt.[3] Königs generelle Gemeinschaftsskepsis bewog ihn auch zu einer umstrittenen Deutung gegenüber Ferdinand Tönnies.[4] Auch Helmut Schelsky stand König zunehmend kritisch gegenüber.

René König machte die französischen Klassiker der Soziologie (Émile Durkheim, Marcel Mauss, Maurice Halbwachs u. a.) in Deutschland wieder bekannt und veröffentlichte und edierte zudem viele Untersuchungen auf den Gebieten der Gemeinde-, Familien-, Kriminal-, Entwicklungs- und Industriesoziologie, namentlich aber auch Methodisches im Bereich der empirischen Sozialforschung.

René König war auch als radikal-liberaler Publizist, mehrsprachiger Essayist und literarischer Übersetzer tätig, etwa des sizilianischen Romanciers Giovanni Verga, zu dessen 1880 erschienenem Roman Die Malavoglia er ein anregendes literar-soziologisches Nachwort zur kulturellen Bedeutung von Fremdheit, Marginalität, Auswanderung und Rückkehr (Re/Migration) veröffentlichte.

Sein populärstes, in der Bundesrepublik Deutschland seinerzeit bahnbrechendes Buch war das zuerst 1958 erschienene Fischer Lexikon Soziologie (erweiterte Neuausgabe Frankfurt/Main: Fischer, 1967, 394 p. [= Fischer Lexikon 10]). Es erreichte – so König in seiner erst 1980 erschienen Autobiographie Leben im Widerspruch – eine Gesamtauflage von 410.000 verkauften Exemplaren (19. Auflage 1979).

Die René-König-Gesellschaft (gegründet 1993 in Köln, Sitz inzwischen in Schöngeising[5]) gibt eine (Text-) Gesamtausgabe der Schriften von René König heraus und stellt auf ihrer Webseite ausgewählte Texte des Autors und über den Autor zum kostenlosen Herunterladen bereit.

Kölner Schule

Auf Königs methodologischen Einfluss (nicht auf seinen ethno- und kultursoziologischen) geht die sogenannte „Kölner Schule“ der Soziologie zurück (als deren Vertreter z. B. Erwin K. Scheuch, Hans-Joachim Hoffmann-Nowotny, Rolf Ziegler, Karl-Dieter Opp, Jürgen Friedrichs, Franz Urban Pappi, Erich Weede, Heinz Sahner oder Peter Kappelhoff gelten).

Zitate

  • „I came to see much later that sociology is by no means always the pioneer in opening up new fields of knowledge but that most often it seeks to follow up, and systematize, the insights gained by poets and novellists.“ [6]
  • „Da ich Deutsch als Fremdsprache gelernt habe, glaube ich, daß ich Deutsch etwas besser kann als die meisten Deutschen. Man hat’s mir schwer gemacht, es zu lernen.“ [7]
  • „Alle sprechen sie nur über Empirie, aber keiner betreibt sie.“ [8]
  • „Nur wer ständig bereit ist zu lernen, vermag wahrhaft zu lehren.“ [9]
  • „Viele Soziologen [im NS-Staat], aber keine Soziologie.“ [10]
  • „Viele verstehen etwas von Soziologie, aber nur wenige wissen etwas von gesellschaftlicher Wirklichkeit und Praxis.“ [11]

Autobiographische Texte

  • Sketches by a cosmopolitan German sociologist, in: International Social Sciences Journal, Jg. 25, 1973, No. 1/2, pp. 55-70.
  • Gesellschaftliches Bewußtsein und Soziologie. Eine spekulative Überlegung, in: Deutsche Soziologie seit 1945 (Hg. Günther Lüschen), Opladen: Westdt. Verlag, 1979: 358-370 (=KZfSS-SH 21/1979). ISBN 3-531-11479-4.
  • Leben im Widerspruch. Versuch einer intellektuellen Autobiographie, Hanser, München 1980; zuletzt Ullstein, Berlin 1984 (= Ullstein-Buch 35197).
  • René König. Soziologe und Humanist. Texte aus vier Jahrzehnten. Hrsg. von Oliver König und Michael Klein. Opladen, Leske + Budrich, Opladen 1998, ISBN 3-8100-2023-0.
  • René König: Ich bin Weltbürger. Originaltonaufnahmen 1954-1980, hgg. v. Jürgen Elias, Eberhard Illner, Oliver König und Klaus Sander. 2-CD-Set. supposé, Köln 2006. ISBN 978-3-932513-71-8.

Literatur

  • Soziologie in weltbürgerlicher Absicht. Festschrift für René König zum 75. Geburtstag. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 1981, ISBN 978-3531115474
  • Volker Kruse: »Geschichts- und Sozialphilosophie« oder »Wirklichkeitswissenschaft«?: Die deutsche historische Soziologie und die logischen Kategorien René Königs und Max Webers, suhrkamp wissenschaft, Frankfurt a.M. 1999, ISBN 351829007X
  • Klaus Veddeler: Rechtsnorm und Rechtssystem in René Königs Normen- und Kulturtheorie. Schriften zur Rechtstheorie, Duncker & Humblot, Berlin, 1. Aufl. 1999, ISBN 978-3428096596

Weblinks

Einzelnachweise, Anmerkungen

  1. Die biografischen Angaben beruhen auf den Daten zum Lebenslauf und dem Nachruf In memoriam René König von Rolf Ziegler, beides in: Michael Klein/Oliver König (Hgg.), René König, Soziologe und Humanist. Texte aus vier Jahrzehnten, Opladen: Leske + Budrich, 1998.
  2. Vgl. Richard Albrecht: „Einmal Emigrant - immer Emigrant“ - René König; in: soziologie heute, 3 (2010) 10, S. 30-33. Eine Kurzfassung kann auf der Netzseite der Zeitschrift heruntergeladen werden: http://soziologieheute.wordpress.com/2010/03/09/rene-konig-1906-19
  3. Vgl. Markus Zürcher, Der Mythos der Gemeinschaft: René König als Emigrant in der Schweiz; in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 47 (1995) 1, S. 157-165; die Vortragsversion (1994) kann auf der Webseite der René-König-Gesellschaft (s. Weblink) heruntergeladen werden.
  4. Vgl. Eduard Georg Jacoby, Die moderne Gesellschaft im sozialwissenschaftlichen Denken von Ferdinand Tönnies, Enke, Stuttgart 1971, und Peter-Ulrich Merz-Benz, „Das Paradoxon der institutionalisierten Dauerreflexion“, in: Ders./Gerhard Wagner (Hgg.), Soziologie und Anti-Soziologie, Konstanz 2001, S. 95 f.
  5. Büroanschrift der René-König-Gesellschaft
  6. René König: Sketches by a cosmopolitan German sociologist, in: International Social Sciences Journal, Jg. 25, 1973, H. 1/2, S. S. 57.
  7. Zeitfragen-Streitfragen“, WDR 3 Hörfunk, Erstsendung WDR Köln, 7. März 1976.
  8. Leben im Widerspruch, ²1984, S. 56.
  9. Leben im Widerspruch, ²1984, S. 212.
  10. Soziologie in Deutschland. Begründer / Verfechter / Verächter. München: Hanser, 1987, S. 410.
  11. Soziologie in Deutschland 1987, S. 325.

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