Republik Estland

Republik Estland
Eesti Vabariik

Republik Estland

Flagge Estlands
Wappen Estlands
Flagge Wappen
Amtssprache Estnisch
Hauptstadt Tallinn (Reval)
Staatsform Republik
Staatsoberhaupt Präsident Toomas Hendrik Ilves
Regierungschef Premierminister Andrus Ansip
Fläche 45.227 km²
Einwohnerzahl 1.342.000 (Stand 2007)
Bevölkerungsdichte 30 Einwohner pro km²
BIP nominal (2007)[1] 21.278 Mio. US$ (89.)
BIP/Einwohner 15.851 US$ (40.)
HDI 0,860 (44.)
Währung Estnische Krone
Unabhängigkeit 24. Februar 1918 (Deklaration); 20. August 1991 (Wiedererlangung)
Nationalhymne Mu isamaa, mu õnn ja rõõm (Mein Vaterland, mein Glück und (meine) Freude)
Zeitzone UTC +2 (EET)
UTC+3 EEST (März - Oktober)
Kfz-Kennzeichen EST
Internet-TLD .ee
Telefonvorwahl +372

Estland (estnisch Eesti) ist ein Staat in Nordeuropa und das nördlichste Land des Baltikums. Es grenzt im Süden an Lettland, im Osten an Russland sowie im Norden und Westen an die Ostsee. Über den Finnischen Meerbusen hinweg bestehen enge Beziehungen zu Finnland und historisch gibt es viele kulturelle Verbindungen nach Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Geografie

Finnischer Meerbusen (Satellitenaufnahme)

Das Land ist flächenmäßig etwas kleiner als Niedersachsen und etwas größer als die Schweiz. Im Süden des Landes befindet sich die höchste Erhebung, der Suur Munamägi (318 m). Der größte See ist der Peipsi Järv (Peipussee). Vorgelagert befinden sich 1520 Inseln, die größten sind Saaremaa und Hiiumaa.

Siehe auch: Liste estnischer Inseln, Liste der Städte in Estland

Klima

Das Klima Estlands ist im Allgemeinen kühl-gemäßigt mit kalten, frostigen Wintern und mäßig warmen Sommern auf nordeuropäischem Niveau. Die Jahresdurchschnittstemperatur in Tallinn liegt bei 4,5 °C, es fallen 650 mm Niederschlag mit einem Maximum im Spätsommer. Im Juli werden durchschnittlich 16,5 °C und im Januar -6,0 °C erreicht. Trotz des kalten Winters bleiben die Küsten jedoch oft eisfrei.

Flora und Fauna

Auffällig ist der reiche Baumbewuchs, rund 44 % der Landesfläche sind bewaldet. Neben Hirschen, Rehen und Füchsen kommen auch Elche (2000-3000), Biber, Marder, die sehr seltenen Schneehasen (ca. 200) und vereinzelt Rentiere vor. Auch die großen Raubtierarten Braunbär (ca. 800), Luchs (ca. 2000) und Wolf (ca. 600) sind in Estland heimisch. Immer wieder hört man vereinzelt von Hunden und Schafherden, die angeblich von Wölfen angefallen werden. Wolf, Bär und Luchs sind in Estland jagdbar, wobei der Beitritt zur EU hier in Estland oft kritisierte Einschränkungen gebracht hat, zumal es sich bei der Luchsjagd um reinen „Sport“ handelte.

Der häufigste Laubbaum in den estnischen Wäldern ist die Birke. Sie ist ein vielbesungenes Motiv in Liedern und Volksdichtung und ein nationales Symbol des Landes.

Geschichte

Geschichtsträchtiges Tallinn

Hauptartikel: Geschichte Estlands

Das heutige Estland besteht aus der ehemaligen (von 1710 bis 1918 zum russischen Reich gehörigen) Ostseeprovinz Estland und dem nördlichen Teil Livlands, zu dem auch die Insel Saaremaa (Ösel) gehörte. Die mit dem Deutschen Orden ins Land gekommenen Vasallen hatten sich 1252 erstmals zu einer autonomen Landesverwaltung zusammengeschlossen, die durch das bis 1346 dänische Nordestland bestätigt wurde. Nach dem Ende der Herrschaft des Ordens 1561 nahmen die hanseatischen Städte und die Ritterschaften auf dem Land die öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungsaufgaben wahr. Diese Landesprivilegien, eine Art Autonomiestatut, wurden auch von der schwedischen und ab 1710 von der russischen Oberherrschaft bestätigt. Estland stand bis zum Ende des Nordischen Krieges 1710 unter schwedischer Herrschaft.

Die Oberschicht der Stadtbürger und Gutsbesitzer war deutschsprachig, bis 1885 war Deutsch Unterrichts- und Behördensprache. Aufgrund einer Russifizierungskampagne der russisch-zaristischen Regierung löste Russisch Deutsch in dieser Funktion ab.

Eine zentrale Rolle spielte bei der Entwicklung zur eigenen kulturellen und politischen Identität die Universität Tartu (Dorpat), auf der seit den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts die studierenden Esten sich bewusst nicht mehr über die Mitgliedschaft in den Korporationen assimilieren wollten, sondern vor allem im Verein Studierender Esten (Eesti Üliõpilaste Selts) eine eigene Identität förderten. Während des Zerfalls des Russischen Reiches im Verlauf der Oktoberrevolution erlangte Estland am 24. Februar 1918 seine Unabhängigkeit.

In den Jahren 1939 bis 1940 wurden die Deutschbalten von den Nationalsozialisten aus Estland und Lettland „heim ins Reich“ geholt. Grund war die im Geheimabkommen zum Hitler-Stalin-Pakt geschlossene Vereinbarung, das Baltikum dem sowjetischen Einzugsbereich zu überlassen.

Unter massivem Druck und Gewaltandrohung durch die Sowjetunion wurde Estland zusammen mit Lettland und Litauen 1940 von dieser annektiert. Nach offizieller sowjetischer Lesart traten die baltischen Staaten der UdSSR bei. Die Estnische Sozialistische Sowjetrepublik wurde mit Unterstützung von sowjetischen Emmisaren proklamiert, nachdem Estland zuvor bereits russische Truppen auf seinem Territorium dulden musste. Von 1941 bis 1944 war das Land von deutschen Truppen besetzt und wurde verwaltungstechnisch dem Generalkommissariat Ostland zugeordnet. In dieser Zeit wurde die Genozid-Politik des Dritten Reiches auch in Estland unter Mitwirkung Einheimischer verfolgt.

Aufgrund der Erfahrungen mit den Sowjets schlossen sich viele Esten den deutschen Truppen an, allerdings kämpften ebenso Esten auf der sowjetischen Seite. Nach der erneuten Besetzung durch die Rote Armee im Herbst 1944 wurde das Land unter Wiederherstellung der Estnischen Sowjetrepublik von 1940/41 in die Sowjetunion eingegliedert. Es folgten Deportationen vermeintlich oder tatsächlich dem sowjetischen System ablehnend gegenüberstehender Einwohner Estlands. [2]

Während des Zweiten Weltkriegs verließ auch die schwedischsprachige Bevölkerung, die vor allem auf den Inseln Hiiumaa (Dagö), Vormsi (Worms) und Ruhnu (Runö) gelebt hatte, das Land. Bis dahin hatten sie sich ihr Estlandschwedisch, das mit dem Finnlandschwedischen zu den Ostschwedischen Dialekten zählt, bewahrt.

In der Zeit von 1945 bis 1990 wurde durch gezielte Ansiedlung nichtestnischer Einwohner, insbesondere von Russen, die Zusammensetzung der Bevölkerung nach Nationalitäten wesentlich zu Ungunsten der einheimischen estnischen Bevölkerung verändert.

Im August 1991 stellte Estland nach einem mehrjährigen Prozess der Loslösung von der Sowjetunion, insbesondere seit 1988, seine Souveränität wieder her. Diese Entwicklung verlief überwiegend friedlich, was durch den Begriff der „Singenden Revolution“ zum Ausdruck kommt. Es wurde am 2. April 2004 NATO-Mitglied. Die estnische Bevölkerung befürwortete am 14. September 2003 in einem Referendum den Beitritt zur Europäischen Union. Am 1. Mai 2004 wurde daraufhin Estland in die EU aufgenommen und ist neben Slowenien der „Musterschüler“ unter den 10 neuen EU-Mitgliedern, was politische Stabilität, wirtschaftliche Entwicklung, solide Finanzpolitik und Übernahme europäischer Standards angeht.

Politik

Staatsaufbau

Estland ist eine parlamentarische Republik. Die gesetzgebende Gewalt gehört dem Riigikogu (Staatsversammlung/Parlament), der laut dem estnischen Grundgesetz 101 Abgeordnete hat. Der Riigikogu wird von allen estnischen Staatsbürgern, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, gewählt; das passive Wahlrecht haben estnische Staatsbürger, die das 21. Lebensjahr vollendet haben.

Die Regierung der Republik besteht aus den Ministern und dem Premierminister. Das Staatsoberhaupt ist der Präsident der Republik Estland, der ein abstammungsgemäßer Staatsbürger Estlands und mindestens 40 Jahre alt sein muss. Die Wahl des Präsidenten der Republik ist sehr kompliziert. Im ersten, zweiten und dritten Wahlgang wählt Riigikogu den Präsidenten. Der Kandidat gilt als gewählt, wenn mindestens zwei Drittel (68 Abgeordnete) für ihn gestimmt haben. Gelingt es Riigikogu nicht, den Präsidenten der Republik zu wählen, wird innerhalb eines Monats ein Wahlgremium einberufen, das aus allen 101 Riigikogu-Mitgliedern und den Vertretern aller Gemeinden und Städten Estlands (derzeit 246) besteht. Dieses Gremium hat die Aufgabe, den Präsidenten im vierten und fünften Wahlgang zu wählen. Der Kandidat gilt als gewählt, wenn mehr als die Hälfte der Wahlgremiumsmitglieder für ihn stimmen (mindestens 174 Stimmen). Falls auch dort niemand gewählt wird, geht die Entscheidung zurück an Riigikogu, der die Notwahl des Präsidenten der Republik durchführt. Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte der Stimmen der Mitglieder auf sich vereinigt (51 Stimmen).

Die letzte Parlamentswahl fand am 4. März 2007 statt.

Koalitionen

Partei politische Orientierung/Ideologie Zentrumspartei Reformpartei Res Publica Vaterlandsunion Volksunion Sozialdemokratische Partei Koalitionspartei
  Zentrumspartei links der Mitte (sozialliberal) * 2002-2003; 2005-2007 - - 2005-2007 - 1995
  Reformpartei[3] rechts der Mitte (klassischer Liberalismus) 2002-2003; 2005-2007 * 2003-2005 1992-95; 1999-2002 ; 2007- 2003- 1999-2002 ; 2007- 1995-1997
  Res Publica rechts der Mitte (konservativ) - 2003-2005 * - 2003-2005 - -
  Vaterlandsunion rechts der Mitte (nationalkonservativ) - 1992-1995, 1999-2002, 2007- - * - 1992-1995, 1999-2002, 2007- -
  Volksunion links der Mitte (agrarisch) 1995, 2005-2007 1995-1997, 2005-2007 - - * - 1995-1999
  Sozialdemokratische Partei[4] Mitte (sozialdemokratisch) - 1992-1994, 1999-2002, 2007- - 1992-1994, 1999-2002, 2007- - * -
  Koalitionspartei Mitte (zentristisch) 1995 1995-1997 - - 1995-1999 - *

Außenpolitik

EU-Mitgliedschaft

Am 14. September 2003 stimmten die Esten über den Beitritt zur Europäischen Union ab. Die Wahlbeteiligung lag bei 64 %. Mit einer Mehrheit von 66,9 % Ja-Stimmen zu 33,1 % Nein-Stimmen votierten die Bürger für die Mitgliedschaft in der EU; das ist die niedrigste Zustimmungsrate aller zentral- und osteuropäischen EU-Neumitglieder.

Europawahlen

Wahlbeteiligung: 26,89 %

Partei  % Sitze
Sozialdemokraten 36,8 3
Zentrumspartei 17,5 1
Vaterlandsunion 10,5 1
Reformpartei 12,2 1

Beziehungen zu Russland

Am 18. Mai 2005 wurde in Moskau der seit 1999 verhandelte Grenzvertrag mit Russland unterzeichnet. Die Verzögerung hing mit der Weigerung des russischen Präsidenten Putin zusammen, die estnische Sicht der Annexion 1940 und des Vertrags von Dorpat 1920 zu akzeptieren. Am 27. Juni 2005 zog Russland die geleistete Unterschrift allerdings zurück, da es mit dem Entwurf der Präambel der estnischen Seite nicht einverstanden war, den diese dem Vertrag voranstellen wollte und in dem auf die „Jahrzehnte der Besatzung“ sowie die vergangenen „Aggressionen der Sowjetunion gegen Estland“ hingewiesen wird. Die Grenzfrage ist damit weiterhin ungeklärt.

Militär

Estland verfügt über eigene Streitkräfte mit insgesamt etwa 12.000 Mann. Sie sind gegliedert in Armee, Marine und Luftwaffe. Es besteht eine gesetzliche Wehrpflicht. Estland ist Mitglied der NATO.

Bevölkerung

Neben der estnischen Mehrheit (68,6 %) gibt es eine starke russische Minderheit (25,7 %) sowie kleinere Gruppen von Ukrainern (2,1 %), Weißrussen (1,2 %) und Finnen (0,8 %). Knapp 45% der Einwohner Tallinns sind Nichtesten.

Estlands Bevölkerung nach ethnischer Herkunft 1922-2006
Ethnische
Herkunft
19221 19341 19591 19701 19791 19891 2000² 2006²
Anzahl  % Anzahl  % Anzahl  % Anzahl  % Anzahl  % Anzahl  % Anzahl  % Anzahl  %
Esten 969.976 87,6 992.520 88,1 892.653 74,6 925.157 68,2 947.812 64,7 963.281 61,5 935.884 68,2 921.908 68,6
Russen 91.109 8,2 92.656 8,2 240.227 20,1 334.620 24,7 408.778 27,9 474.834 30,3 354.660 25,8 345.168 25,7
Ukrainer 15.769 1,3 28.086 2,1 36.044 2,5 48.271 3,1 29.259 2,1 28.321 2,1
Weißrussen 10.930 0,9 18.732 1,4 23.461 1,6 27.711 1,8 17.460 1,3 16.316 1,2
Finnen 401 0,0 1.088 0,1 16.699 1,4 18.537 1,4 17.753 1,2 16.622 1,1 11.974 0,9 11.163 0,8
Tataren 166 0,0 1.534 0,1 2.204 0,2 3.195 0,2 4.058 0,3 2.610 0,2 2.500 0,2
Letten 1.966 0,2 5.435 0,5 2.888 0,2 3.286 0,2 3.963 0,3 3.135 0,2 2.345 0,2 2.230 0,2
Polen 969 0,1 1.608 0,1 2.256 0,2 2.651 0,2 2.897 0,2 3.008 0,2 2.212 0,2 2.097 0,2
Juden 4.566 0,4 4.434 0,4 5.433 0,5 5.282 0,4 4.954 0,3 4.613 0,3 2.178 0,2 1.939 0,1
Litauer 436 0,0 253 0,0 1.616 0,1 2.356 0,2 2.379 0,2 2.568 0,2 2.131 0,2 2.079 0,1
Deutsche 18.319 1,7 16.346 1,5 670 0,1 7.850 0,6 3.944 0,3 3.466 0,2 1.878 0,1 1.895 0,1
Schweden 7.850 0,7 7.641 0,7 435 0,0 254 0,0 297 0,0
Andere 11.467 1,0 4.266 0,4 6.116 0,5 6.883 0,5 9.042 0,6 13.798 0,9 9.480 0,7 9.068 0,7
Gesamt 1.107.059 1.126.413 1.196.791 1.356.079 1.464.476 1.565.662 1.372.071 1.344.684
1Angaben nach [1] und [2]. ²Angaben nach [3]

Trotz zahlreicher staatlicher Programme ist es noch nicht gelungen, die in der Zeit der Sowjetunion zugewanderten oder gezielt angesiedelten Einwohner nichtestnischer Nationalität vollständig zu integrieren. Es gibt sogar Russen, die ihre Familiennamen geändert haben, in der Hoffnung, bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Im Durchschnitt verfügen die Esten im Vergleich zu der russischsprachigen Minderheit über ein höheres Einkommen. Esten sind vor allem in Leitungspositionen anzutreffen, Russen eher im Dienstleistungs- und Produktionsbereich.

Mittlerweile lassen sich zahlreiche Ausländer einbürgern. Das Einbürgerungsverfahren ist jedoch mit einem Sprachtest verbunden, den viele vor allem ältere Russen als unzumutbar und schwierig empfinden. Teilweise lehnen sie es aus Nationalstolz auch ab, Estnisch zu lernen. Jüngere Russen beherrschen vielfach Estnisch und tun sich mit den Aufnahmekriterien leichter. In letzter Zeit bringen Russen vermehrt ihre Kinder in die estnischen Kindergärten und Schulen, um ihnen eine bessere Integration zu ermöglichen.

Auf der anderen Seite sprechen die Esten wiederum immer weniger Russisch, was die Kommunikation mit den Geschäftspartnern aus Russland erschwert und den Russisch sprechenden Einwohnern bessere Berufsaussichten eröffnet.

Von insgesamt ca. 100.000 Auslandsesten leben knapp 40.000 in Russland, 35.000 in Kanada und 15.000 in Schweden. Andere größere Gruppen gibt es noch in Finnland, Südafrika und in Australien.

Religion

Ein Großteil der Esten ist heute konfessionslos.

Religion spielt nur noch für eine Minderheit der Bevölkerung eine Rolle. Traditionelle Religion der Esten ist der christliche Glaube in der Form des Luthertums, wie er in Skandinavien weit verbreitet ist. Dennoch ist die Estnische Evangelisch-Lutherische Kirche (EELK) eine quasi offizielle Kirche (üblich ist beispielsweise die Abhaltung von Gottesdiensten zu Parlamentseröffnungen) und ihr Erzbischof die Zentralfigur der estnischen öffentlichen Religion. Die EELK dominiert auch die relativ umfassende Theologenausbildung in Estland (in Tartu an der Universität und in Tallinn an der Kirchlichen Hochschule). Heute bekennen sich noch etwa 30 % der Bevölkerung als Mitglieder in christlichen Kirchen beziehungsweise Glaubensgemeinschaften. Davon sind:

Die zehn bedeutenden christlichen Kirchen und Gemeinschaften haben sich im Rat Christlicher Kirchen Estlands zusammengeschlossen.

Eine Besonderheit bilden die etwa 5.000 Altorthodoxen, die seit dem 18. Jahrhundert vor der Verfolgung im russischen Kernland in die Randgebiete des Russischen Reiches flohen. Am estnischen Ufer des Peipussees gibt es zahlreiche von Altorthodoxen bewohnte Dörfer. Kleinere Gemeinden gibt es auch in Tallinn und Tartu.[5]

Daneben gibt es kleinere Gemeinden sonstiger protestantischer, jüdischer und islamischer Gemeinschaften. Bei der letzten estnischen Volkszählung im Jahr 2000 gaben offiziell 138 Personen (ca. 0,01% der Bevölkerung) Hinduismus als ihre Religion an: 90 Hindus (davon 54 Esten) und 48 Anhänger der Hare Krishna Bewegung (darunter 22 Esten).[6] Als Organisation tritt in Estland seit 1991 die International Society for Krishna Consciousness of Estonia (estnisch Krishna Teadvuse Eesti Kogudus) in Erscheinung.

Bildungswesen

Nach der Unabhängigkeit wurde Russisch als erste Fremdsprache durch Englisch ersetzt. Zum Teil beginnt der Englischunterricht bereits im Kindergarten. Nicht synchronisierte Fernsehsendungen fördern das Erlernen des Englischen erheblich.

In Estland gibt es 12 anerkannte Universitäten, davon 7 staatliche und 5 private Universitäten sowie 26 weitere Hochschulen (siehe auch Liste der Universitäten in Estland).

Gesundheitswesen

Bisher wurde bei etwa 7900 Menschen HIV diagnostiziert. Laut WHO hat Estland mit geschätzt 10.000 Infizierten die höchste HIV-Infektionsrate in der WHO-Region Europa: 0,58 % der Bevölkerung[7] (1,3 % der Bevölkerung zwischen 15 und 49 Jahren). Am meisten betroffen sind Strafgefangene sowie Angehörige der russischsprachigen Minderheit in Kohtla-Järve, Narva und Tallinn. Die Proportionalität der Zahl 10 000 ist jedoch zweifelhaft, da in Estland prozentuell viel mehr HIV-Tests durchgeführt werden als in den anderen europäischen Ländern. Auch werden ausnahmslos alle schwangeren Frauen per Gesetz auf HIV getestet.

Verwaltungsgliederung

Kreiseinteilung Estlands

Das Gebiet der Republik Estland gliedert sich in 15 Landkreise, 33 Städte, 11 Minderstädte sowie zahlreiche Siedlungen und Dörfer. Die estnische Verwaltungsgliederung unterliegt folgender hierarchischen Einteilung:

  • Republik Estland (Eesti Vabariik)
    • Landkreis (maakond)
      • Stadt (linn)
        • Minderstadt (alev) - teilweise auch als Städte kategorisiert
          • Siedlung (alevik)
            • Dorf (küla)

Landkreise

Estland gliedert sich in 15 Landkreise (estnisch pl. maakonnad, sing. maakond):

Kreis Verwaltungssitz Code 1
Harju Tallinn EE-37
Hiiu Kärdla EE-39
Ida-Viru Jõhvi EE-44
Jõgeva Jõgeva EE-49
Järva Paide EE-51
Lääne Haapsalu EE-57
Lääne-Viru Rakvere EE-59
Põlva Põlva EE-65
Pärnu Pärnu EE-67
Rapla Rapla EE-70
Saare Kuressaare EE-74
Tartu Tartu EE-78
Valga Valga EE-82
Viljandi Viljandi EE-84
Võru Võru EE-86

1 Code nach ISO 3166-2

Für die Vergleichbarkeit von Daten innerhalb der EU wurde Estland auf der Ebene NUTS 3 in 5 Regionen (Statistikeinheiten) unterteilt, zu deren Bildung die obigen Landkreise wie folgt zusammen gestellt wurden:

Region Landkreise Code
Nordestland Harju EE001
Westestland Hiiu, Lääne, Pärnu, Saare EE004
Zentralestland Järve, Lääne-Viru, Rapla EE006
Nordostestland Ida-Viru EE007
Südestland Jõgeva, Põlva, Tartu, Valga, Viljandi, Võru EE008

Städte

Rathaus von Tartu
Stadt Kreis Einwohner
31. März 2000 1. Januar 2005
Tallinn Harju 400.378 396.010
Tartu Tartu 101.169 101.483
Narva Ida-Viru 68.680 67.144
Kohtla-Järve Ida-Viru 47.679 46.032
Pärnu Pärnu 45.500 44.396
Viljandi Viljandi 20.756 20.354
Sillamäe Ida-Viru 17.199 16.678
Rakvere Lääne-Viru 17.097 16.786
Maardu Harju 16.738 16.601
Kuressaare Saare 14.925 14.897
Võru Võru 14.879 14.609
Valga Valga 14.323 13.980
Jõhvi Ida-Viru 12.112 11.533
Haapsalu Lääne 12.054 11.809
Paide Järva 9.642 9.744
Keila Harju 9.388 9.401
Kiviõli Ida-Viru 7.405 6.992

Infrastruktur

In Estland kam es in nur wenigen Jahren zu einer wahren elektronischen Revolution: 93 % der Bevölkerung haben ein Mobiltelefon (2004) und per Gesetz garantiert Estland den kostenlosen Zugang ins Internet. Im ganzen Land gibt es Wi-Fi-Zugangspunkte zum Internet, mit denen die bewohnten Flächen abgedeckt werden.[8] Wer keinen eigenen Rechner hat, darf gratis an einem von 700 öffentlichen Terminals in Postämtern, Bibliotheken oder Dorfläden ins Netz. Eine solche Regelung ist in Europa einmalig. In Estland sind außerdem alle Schulen online.

Im Verkehrswesen spielen die Straße und die Schifffahrt auf der Ostsee die wichtigste Rolle, im Güterverkehr auch die Eisenbahn.

Straßen

Wichtigste Straße ist die Via Baltica (Europastraße 67), die den Westen Estlands von Tallinn im Norden über Pärnu bis zur lettischen Grenze bei Ikla im Süden durchquert.

Asphaltiert sind derzeit (2008) überwiegend nur Straßen von überbezirklicher Bedeutung. Viele kleine Ortschaften werden aus nur einer Richtung von einer asphaltierten Stichstraße erschlossen. Die übrigen Straßen sind unbefestigt. Im Land erhältliche Karten im Maßstab 1:200.000 weisen sehr genau aus, welche Straßen asphaltiert sind und welche nicht; von Jahr zu Jahr sind Fortschritte zu verzeichnen.

Es gibt so gut wie keine separaten Radwege; wenn eine überörtliche Straße, wie die Via Baltica, abschnittsweise als Schnellstraße mit zweimal zwei Fahrspuren ausgebaut ist, wird sie nichtsdestoweniger von Radfahrern mitbenutzt. Wegen der Konzentration des Verkehrs auf die asphaltierten Straßen ist der Verkehr dort in manchen Gegenden nicht weniger dicht als auf Straßen ähnlichen Ausbauzustands im engbesiedelten Mitteleuropa.

Eisenbahn

Die estnische Eisenbahn wird von der Eesti Raudtee betrieben. Internationaler Personeneisenbahnverkehr beschränkt sich auf eine tägliche Zugverbindung nach Moskau. Im innerestnischen Personenverkehr spielte die Eisenbahn nach ihrer insofern gescheiterten Privatisierung und der anschließenden Stilllegung zahlreicher Strecken fast keine Rolle mehr, jedoch steigen die Passagierzahlen wieder an. Das verbliebene Netz besteht aus einem binären Baum mit Wurzel in Tallinn. Der überörtliche öffentliche Verkehr wird nunmehr fast gänzlich durch Überlandbusse abgewickelt.

Schifffahrt

Hochseehäfen befinden sich in Tallinn, Pärnu und Sillamäe.

Am 28. September 1994 sank die estnische Fähre Estonia vor der Küste Finnlands auf der Überfahrt nach Stockholm. Bei dem Unglück starben 852 Menschen.

Luftverkehr

Der Luftverkehr konzentriert sich auf den internationalen Flughafen Tallinns, Ülemiste, der Basis der estnischen Fluggesellschaften Estonian Air und Avies ist. Estonian Air bedient mit fünf Boeing 737-500 europäische Destinationen, u.a. Stockholm, Oslo, London, Moskau, Brüssel und Kopenhagen. In Deutschland werden Frankfurt am Main und Hamburg bedient. Aero Airlines bedient mit Turboprop-Flugzeugen des Typs ATR 72-200 die Strecke TallinnHelsinki in Kooperation mit der finnischen Fluggesellschaft Finnair. Avies verbindet mit kleinen Turboprop-Flugzeugen der Typen British Aerospace Jetstream 31 und Let L-410 von Tallinn die vorgelagerten Inseln Saaremaa und Hiiumaa. Ausländische Fluggesellschaften, die Tallinn anfliegen, sind Air Baltic (von Riga und Vilnius), Lufthansa (von Frankfurt am Main), Easyjet (von London-Stansted, SAS (von Stockholm), LOT (von Warschau), Czech Airlines (von Prag) und KLM (von Amsterdam).

Wirtschaft

Nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit organisierte Estland sein Gemeinwesen nach skandinavischem Vorbild völlig um: wenig Hierarchien, viel Transparenz der staatlichen Organe, moderne Kommunikationstechnik. Jedoch hat die estnische Regierung (im Gegensatz zu den skandinavischen Nachbarn, die eher auf Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft setzen) sich für ein neoliberales Wirtschaftsmodell entschieden.

Bruttoinlandsprodukt

Nach der Überwindung der Russlandkrise (ab 2000) weist die Wirtschaft aller drei baltischen Staaten ein hohes Wachstum auf, allerdings ausgehend von einem niedrigen Ausgangszustand nach der Krise. In Estland lag der Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes (BIP) (real) seither bei jährlich mindestens 5 %. 2006 war Estland mit einem Zuwachs der Wirtschaftsleistung von 10,8 % der Spitzenreiter der Europäischen Union.

Die aktuelle Finanzkrise machte sich in Estland bereits zum Jahresbeginn 2008 bemerkbar, seit dem zweiten Quartal (Vierteljahr) liegen die BIP-Werte inflationsbereinigt unter denen des Vorjahres. Für das Gesamtjahr steht ein Rückgang um 2 % zu erwarten. Hauptgrund ist vor allem die stark zurück gegangene Inlandsnachfrage (Bausektor, Einzelhandel).[9]

Das BIP belief sich für 2008 auf gut 250 Milliarden Estnische Kronen (EEK), gut 16 Milliarden Euro [10]. Pro Kopf der Bevölkerung sind das 12.000 € (zum Vergleich: Deutschland 27.200 €). Vergleicht man das BIP nach Kaufkraftstandards (also nach der Kaufkraft eines Euros) mit dem Durchschnitt der EU (EU-27:100) erreichte Estland 2008 bereits einen Wert von knapp 65 (Deutschland: 112). Verglichen mit dem Jahr 2000 steigerte sich dieser Wert inflationsbereinigt um fast die Hälfte (+45%; damals: 44,6) [11]

Das regelmäßig hohe Wachstum der baltischen Länder hat ihnen die Bezeichnung Baltische Tiger eingebracht.

Geographische Verteilung

Der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Aktivitäten konzentriert sich auf die Region rund um die Hauptstadt Tallinn (Harjumaa), die knapp 40 % der Bevölkerung Estlands beherbergt. Gut 60 % des Bruttoinlandsprodukts werden hier erwirtschaftet (2006), in der Branche ‚Handel‘ sogar über 70 %. Zentrum der Landwirtschaft sind die Regionen Zentral- und Südostestland, die bei einem Anteil von 35 % an der estnischen Gesamtbevölkerung 63 % der landwirtschaftlichen Produktion erzeugen (inklusive Forstwirtschaft). In Nordostestland (Ida-Virumaa) dominiert dagegen aufgrund der Verarbeitung der lokalen Ölschiefer-Vorkommen die Energiewirtschaft (30 % des nationalen Produkts dieser Branche bei einem Bevölkerungsanteil von 13 %).[12]

Währungssystem

Am 27. Juni 2004 traten Estland und weitere zwei der 10 neuen EU-Länder dem Wechselkursmechanismus II im Rahmen des EWS II bei, der erste Schritt, um in frühestens 2 Jahren den Euro einzuführen. Estland, Litauen und Slowenien legten die Leitkurse ihrer Währungen zum Euro fest und verpflichten sich ab sofort, die Schwankungen unter ± 15 % zu halten.

Der Leitkurs für die estnische Krone ist nun 15,6466 pro Euro, was eine maximale Schwankungsbreite von (gerundet) 13,30 bis 17,99 Kronen bedeutet. Entsprechender Kurs ergibt sich auf die 1993 festgelegte Kopplung der Krone zur D-Mark im Verhältnis 1 DEM = 8 EEK. Weiterhin verpflichtet sich Estland (wie auch Litauen) zu einer nachhaltigen Haushaltspolitik.

Siehe auch: Estnische Euromünzen

Staatsbudget und Steuern

Das Staatsbudget lag 2004 bei 3,37 Mrd. Euro, wobei ein Überschuss von 151 Mio. Euro zu verzeichnen war. Seit 2001 war dies der vierte positive Staatshaushalt in Folge –- eine Seltenheit in der EU. Dies führte dazu, dass sich der estnische Staat und damit die Bevölkerung wieder mehr leisten kann, die Staatsquote (Anteil der Staatsausgaben am BIP) stieg 2004 auf 38 % an (wie zuletzt 1998), nachdem sie bereits auf 35 % (2001) gesunken war. Die Staatsverschuldung betrug im Jahr 2004 5,5 % des BIP und liegt damit knapp unter der Verschuldung Luxemburgs (6.6 %), aber weit unter der der meisten übrigen EU-Mitgliedsländer. Ein Defizit im Staatshaushalt ist laut estnischer Verfassung verboten.[13]

Staatsausgaben

Zwischen 1992 und 2000 lag der Anteil der Staatsausgaben für

Steuersystem

Estland hat eine Einheitssteuer, deren Satz seit dem 1. Januar 2008 bei 21 % liegt.

Nach der Unabhängigkeit 1991 galt in Estland für Personen eine progressive Besteuerung mit 16, 24 und 33 Prozent. Das Steuersystem wurde 1994 reformiert. Als erstes europäisches Land führte Estland eine niedrige Einheitssteuer ein, deren Satz damals bei 26 % lag. Im Januar 2005 wurde dieser Satz auf 24 % reduziert und eine weitere Senkung in jährlichen 1 %-Punkt-Schritten beschlossen. Ab 2011 soll das Einkommen mit 18 % besteuert werden.

Preise und Löhne

Bis 2003 gab es eine deutliche Verlangsamung der Teuerung, seit dem EU-Beitritt 2004 steigt die Teuerungsrate aber wieder an (1,3 %). Die vergleichsweise hohen Preissteigerungen der Vorjahre (im Schnitt bei 5 %) hatten –- bei stabiler Währung –- in Estland zu deutlich höheren Lebenshaltungskosten als in den Nachbarstaaten Lettland und Litauen geführt. Entsprechend sind die vergleichsweise hohen Durchschnittslöhne von 652,67 € (4. Quartal 2006) (zum Vergleich: Lettland 488,64 € (4. Quart. 2006)) nicht automatisch mit einem höherem Lebensstandard gleich zu setzen.

Produktion

Vorherrschende Industriezweige sind (2002) die Holz-, Papier- und Möbelindustrie (25 %) und die Nahrungsmittelindustrie (28 %). Große Zuwächse gab es in der Elektroindustrie / Maschinen- und Fahrzeugteilebau (18 %), wo Estland mit Norma einen der weltweit größten Hersteller für Sicherheitsgurte beherbergt.

Bedeutende Unternehmen des produzierenden Gewerbes in Estland:

  • Holz- und Möbelindustrie: Horizon in Kehra
  • Fahrzeugteile: Norma in Tallinn (Sicherheitsgurte)
  • Elektronik: Elcoteq in Tallinn
  • Baustoffe: Nordic Tsement in Kunda
  • Bauindustrie: Merko Ehitus in Tallinn
  • Textilindustrie: Kreenholm (Küchentextilien) in Narva, Baltex 2000 (Stoffe und Garne) in Tallinn
  • Nahrungsmittel: Rakvere Lihakombinaat in Rakvere (Fleisch), A.LeCoq in Tartu (Bier & Getränke), Saku in Saku/Harjumaa (Bier & Getränke), Kalev in Rae bei Tallinn (Süßigkeiten)
  • Energie: Eesti Põlevkivi in Jõhvi (Ölschieferabbau)

Investitionen

Das kleine Estland hat mit Stand 31. Dezember 2004 knapp 7 Mrd. € ausländisches Kapital an Direktinvestitionen angezogen, das sind 5.170 € pro Kopf und fast 80 % des jährlichen BIP (zum Vergleich Litauen: knapp 1350 € pro Kopf). Bedeutendstes Herkunftsland von Direktinvestitionen (FDI) in Estland ist mit weitem Abstand Schweden. Die Investitionen in Höhe von annähernd 3,2 Mrd. € wurden vor allem im Bereich Bankwesen und Telekommunikation getätigt. Es folgen Finnland (1,7 Mrd. €) und mit bereits großem Abstand die USA (300 Mio. €). Aus Deutschland stammen bisher lediglich 157 Mio. €, unwesentlich mehr als aus Österreich (104 Mio. €).

Bedeutende ausländische Investoren:

  • Finanzwesen: Swedbank (S): 60 % an Hansapank, SEB (S): 100 % an Eesti Ühispank, Sampo Bank (FIN), If (S/Versicherung), Ergo (D/Versicherung), Nordea Finance (FIN/Leasing)
  • Telekommunikation: TeliaSonera über Baltic Tele (S-FIN): 50 % an Eesti Telekom (Festnetz), Tele 2 (S)
  • Energie: Shell bzw. Statoil (UK bzw. N/Tankstellen), E.on Ruhrgas, Fortum und Gazprom (D/FIN/RU) an Eesti Gaas, Daikia (F) an Tallinna Küte (Wärme)
  • Textil: Tolaram (SGP) 100% an Baltex 2000, Bora's Wäfveri (S) an Krenholm
  • Baustoffe: Atlas Nordic Cement (FIN) an Kunda Nordic Tsement
  • Holzverarbeitung: Tolaram (SGP): 100 % an Horizon, Atlantic Veneer Group (USA) an Balti Spoon (Holzplatten, Möbel)
  • Nahrungsmittel: HK Ruokatalo (FIN) an Rakvere Lihakombinaat (Fleisch), Olvi an A. LeCoq (Bier & Getränke), Brauerei/Scottish-Newcastle über Baltic Breweries Holding (UK-DK) an Saku (Bier & Getränke), Procordia Food (S) an Felix Pöltsamaa (Konserven)

Außenhandel

Haupthandelspartner Estlands sind die skandinavischen Nachbarländer Schweden und Finnland sowie die Baltikum-Nachbarstaaten Lettland und Litauen. Aber auch Deutschland ist ein wichtiger Partner: 8 % der Exporte gehen nach Deutschland und sogar 13 % der Importe kommen aus Deutschland (jeweils Rang 3).

Hauptexportprodukte sind Maschinen und Maschinenteile (27 % der Ausfuhrgüter) gefolgt von Holz und Holzprodukten / Möbeln (13 %). Erst dann folgen Textilien (9 %), Metalle und Metallprodukte (8 %) und Nahrungsmittel (7 %). Trotz der im Vergleich zu den baltischen Nachbarländern etwas höher wertigen Ausfuhrprodukte ist die Handelsbilanz anhaltend deutlich negativ (mit sogar steigender Tendenz): Exporten im Wert von 4,7 Mrd. € stehen Importe im Wert von 6,7 Mrd. € (2004) gegenüber. Dadurch bleibt auch die Zahlungsbilanz (inkl. Finanztransfers/Direktinvestitionen, Dienstleistungen) negativ, das Defizit erreicht 2004 13 % des BIP-Wertes.

Kultur

Estland war durch seine politische Entwicklung und Besiedlungsgeschichte immer ein interkulturelles Land. Die Oberherrschaft hatte zunächst Dänemark, 1252-1561 der Deutsche Orden, danach Schweden und im 18. bis 19. Jahrhundert Russland. Die estnische Kultur und Architektur wurde über einen Zeitraum von etwa 800 Jahren stark durch die ortsansässige deutschbaltische Oberschicht geprägt. Die großen Städte, insbesondere Tallinn (unter dem alten Namen Reval) waren stark von der Kultur der Hanse geprägt. Vom Mittelalter bis weit ins 19. Jahrhundert bildeten die deutschen Kaufleute das tonangebende Element in Tallinn. Ab 1850 setzte eine verstärkte Russifizierung unter den Zaren ein. Ein Gegengewicht dazu bildeten baltische Studentenverbindungen und ab den 1870er Jahren vor allem die Universität Tartu (Dorpat).

Einen kulturellen Umbruch erfuhr Estlands Kultur durch den Verlust deutscher und schwedischer Bevölkerungsanteile in Folge des Zweiten Weltkriegs und den Zuzug von Russen und anderer Volksgruppen während der sowjetischen Zeit.

Heute orientiert sich die estnische Kultur wegen der Verwandtschaft des Estnischen zum Finnischen stark am nördlichen Nachbarn Finnland. Sie ist weitgehend westlich ausgerichtet und unterhält zahlreiche Kooperationen mit Deutschen Gesellschaften, Evangelischen Kirchen (Nordelbische Kirche) und Universitäten (Göttingen, Greifswald, Kiel, Konstanz, München und Münster).

Seit 2004 spielt Estland als Mitglied der Anna Lindh Stiftung, Alexandria, mit einem der größten Netzwerke eine führende Rolle unter den nord-osteuropäischen Staaten.

Die estnische Literatur spiegelt diese vielfältigen Einflüsse wider – in Estland wurde neben Deutsch und Estnisch auch in Lettisch, Ostschwedisch und Finnisch, Russisch, Latein, Griechisch und Französisch geschrieben. Das literarische Forschungsprojekt EEVA der Universität Tartu und des Estnischen Literaturmuseums ist bestrebt, diesen multilingualen Kulturraum des Baltikums ab dem 13.Jahrhundert digital zu dokumentieren.

Das estnische Nationalepos ist der Kalevipoeg.


Medienlandschaft

Neben den drei estnischsprachigen Fernsehsendern ETV Eesti Television (öffentlich-rechtlich), Kanal 2 (vom norwegischen Unternehmen Shibsted) und TV3 Eesti (von der schwedischen Modern Times Group) empfängt man in Estland zahlreiche anderssprachige Sender über Terrestrik, Satellit und Kabel (mit vier Kabelnetzbetreibern). So ist es üblich, dass man noch finnische, schwedische, russische, englische und deutsche Sender empfängt. Das Staatsfernsehen Russlands startete einen Ableger für Estland namens Pervyj Baltijskij Kanal Estonia (Der Erste Baltische Kanal Estland).

Estnisches Fernsehen über Satellit gibt es im Pay-TV-Paket des skandinavischen Anbieters „Viasat“ auf der Satellitenposition 5° Ost (Sirius 4), die auch in Mitteleuropa empfangbar ist. Wer das Viasat-Paket abonniert, erhält neben TV3 und TV3+ russische, finnische, schwedische, norwegische, dänische und englischsprachige Sender. Auf dem gleichen Satelliten sind die baltischen MTV-Ableger MTV Eesti, MTV Latvia und MTV Lietuva im Abonnement erhältlich.

Spartenprogramme sind aufgrund des kleinen Marktes in Estland nicht vertreten. Wie auch in Skandinavien ist es im Baltikum wegen der hohen Übersetzungskosten weitgehend üblich, dass die Sender ausländische Fernsehproduktionen im Original mit estnischen Untertitel-Einblendungen senden, also ohne Synchronübersetzung wie in Deutschland.

97 Prozent der estnischen Bevölkerung besitzen ein Fernsehgerät.

Mit einer Gesamtauflage von 523 Tageszeitungen pro 1000 Einwohnern hat Estland eine der höchsten Zeitungsleseraten der Welt.[14]

64% der Bevölkerung verfügt über einen Internetanschluss; 2007 waren 20,8% aller Haushalte mit Breitband versorgt.[15]

Musik

Estnische Volkstanzgruppe als Kulturträger auf Auslandsreise

Weltweit bekannt ist Arvo Pärt, ein zeitgenössischer Komponist moderner Klassik. Rudolf Tobias, Ausgang des 19. Jahrhunderts der erste estnische Komponist, ist Kennern der Chormusik durch seine Motetten auch außerhalb Estlands ein Begriff. Eduard Tubin machte im 20. Jahrhundert durch seine romantischen bis atonalen Symphonien auf Estland aufmerksam, was im Jahr 2005 durch ein großes Festival gewürdigt wurde. Neeme Järvi ist Dirigent von Weltruf (derzeit Detroiter Symphonieorchester). Im Popularbereich kommt dem Pianisten Olav Ehala eine große Bedeutung zu, der zahlreiche Filmmusiken schrieb und bei Theaterproduktionen mitwirkt. Ester Mägi schreibt ähnlich wie Veljo Tormis viele Kompositionen und Volkslieder für Chor um, die während der Besatzungszeit der Sowjetunion in Vergessenheit zu geraten drohten und seit der Unabhängigkeit sehr populär geworden sind. Man denke nur an das alle fünf Jahre aufgeführte Chorfest, wo Zehntausende, vereint zu einem Chor, nationales Liedgut singen.

Estland ist momentan auch sehr erfolgreich mit Acts wie Eda-Ines Etti, J.M.K.E., Tanel Padar und Vanilla Ninja in der europäischen Pop-Kultur integriert.

Estland hat auch beachtliche Erfolge beim Eurovision Song Contest erreicht, den Dave Benton gemeinsam mit Tanel Padar für das Land 2001 gewann. Der Eurovision Song Contest 2002 fand daraufhin in Tallinn statt.

Architektur

Das höchste Bauwerk Estlands ist der Fernsehturm in Tallinn (314 m), der in den Jahren 1975-1980 anlässlich der Olympischen Spiele in Moskau erbaut wurde.

In den Tagen des Staatsstreiches in Moskau (August 1991) sollte er von russischen Truppen besetzt werden, was durch die estnische Polizei und Demonstranten verhindert wurde. Der Turm gehört trotzdem nicht zu den besonderen nationalen Symbolen des neuen Estland. Ein möglicher Grund ist seine Lage –- der Fernsehturm liegt weit ab von der Innenstadt, am stadtnahen Wald.

Literatur

  • Yorck Deutschler, „Die Singende Revolution“ –- Chronik der Estnischen Freiheitsbewegung (1987-1991)". Ingelheim, März 1998/Juni 2000, ISBN 3-88758-077-X
  • Seraina Gilly, Der Nationalstaat im Wandel. Estland im 20. Jahrhundert, (= Arbeiten aus dem Historischen Seminar der Universität Zürich, Bd. 97) Bern/Berlin unter anderem 2002, 676 S., 26 Abb., 4 Karten, ISBN 3-906769-19-4
  • Krista Hinno, Bildung und Sozialstruktur. Das Fallbeispiel Estland, Marburg 2004, 290 S., 70 Abb., ISBN 3-8288-8652-3

Fußnoten

  1. International Monetary Fund, World Economic Outlook Database, April 2008
  2. nordwest radio Deportationen in Estland
  3. 1992-1994 ihr Vorläufer Liberaldemokratische Partei
  4. von 1992 bis 1999 Die Moderaten (eine Wahlallianz), 1999-2004 Volkspartei - Die Moderaten
  5. http://www.starover.ee/history.html
  6. http://www.erm.ee/pdf/pro14/plaat.pdf
  7. http://www.welt-in-zahlen.de/laenderinformation.phtml?country=52
  8. http://www.wifi.ee/?p=area&lang=eng
  9. Statistikamt Estland, ericht für das 3. Quartal 2008
  10. Estnisches Statistikamt; Datenbankanfrage, 29.1.2009 (Hochrechnung für 2008)
  11. Statistisches Bundesamt Deutschland - Europäischer Datenservice
  12. Statistikamt Estland, regionales Wirtschaftsprodukt nach Branchen, Datenbankanfrage, 29.1.2009
  13. Nach Estland strömt viel ausländisches Kapital
  14. http://www.einst.ee/factsheets/factsheets_uus_kuju/estonian_media.htm
  15. http://www.itu.int/ITU-D/icteye/DisplayCountry.aspx?countryId=76

Siehe auch

Portal
 Portal: Estland – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Estland

Weblinks

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