Retardarzneiform

Retardarzneiform

Retard (lat: verlangsamt wirkend) bezeichnet eine Arzneiform, bei der der Arzneistoff verlangsamt freigesetzt wird.

Im Unterschied zu Depotarzneiformen versteht man unter Retardarzneiformen im engeren Sinn peroral zu verabreichende Arzneiformen. Beide Begriffe werden aber oft synonym zueinander gebraucht.

Keine Retardarzneiformen sind jedoch Arzneistoffe, die aufgrund ihrer pharmakokinetischen Eigenschaften verzögert aufgenommen oder im Fall von Prodrugs erst vom Organismus in ihre eigentliche Wirkform übergeführt werden.

Inhaltsverzeichnis

Galenik

Die Pharmazeutische Technologie bietet eine Reihe von Möglichkeiten Retard-Präparate herzustellen. Die einfachste Form ist eine Tablette mit einem speziellen Überzug, wie sie beispielsweise bei magensaftresistenten Arzneimitteln eingesetzt werden. Verbreitet ist die Retard-Kapsel, die kleine wirkstoffhaltige Retard-Kügelchen (Pellets) enthält, welche nach dem Auflösen der Kapselhülle freigesetzt werden. Aufwändigere Formen lagern den Arzneistoff in einer langsam erodierenden Matrix ein oder füllen ihn in eine besondere Kapsel, die mittels einer durch Osmose betriebenen Pumpe den Arzneistoff kontrolliert abgeben kann (Osmotic Release Oral System (OROS)). Vermehrt werden auch Tabletten eingesetzt, in denen Pellets zu Tabletten verpresst werden (Multiple Unit Pellet System (MUPS)).

Zeitlicher Verlauf der Freisetzung

Durch retardierende Arzneiformen lassen sich definierte zeitliche Verläufe der Arzneistofffreisetzung erzielen. Gängige Beispiele sind:

  • sustained release - Freisetzung mit konstanter Geschwindigkeit
  • prolonged release oder slow release - Freisetzung mit abnehmender Geschwindigkeit
  • delayed release - verzögerte Freisetzung

Manchmal werden in einer Tablette oder Kapsel retardierende Formen mit einer schnellwirkenden Anfangsdosis (Bolus) kombiniert.

Anwendung

Anwendungsbereiche sind zum Beispiel blutdruckregulierende Arzneimittel oder Hormone. Retardierungen werden verwendet, um gefährliche kurzzeitig hohe Konzentrationen von Arzneistoffen im Blut (Plasmaspitzen) zu verhindern und eine möglichst lange Wirkung eines Arzneistoffes aus einer einzelnen Arzneiform zu erreichen. Durch das Vermeiden von Plasmaspitzen treten Nebenwirkungen seltener auf, und durch die lange Wirkung kann erreicht werden, dass ein Patient das Medikament seltener, zum Beispiel nur noch einmal am Tag einnehmen muss, was die Compliance erhöht.

Andere Mechanismen der Retardierung

Der Begriff Retard-Präparat im engeren Sinne bezieht sich üblicherweise auf peroral zu nehmende besondere Arzneiformen. Derselbe Effekt kann aber auch durch Langzeitpräparate erzielt werden, in denen der Arzneistoff selbst chemisch modifiziert wurde, um eine langsamere Wirkung zu erzielen. Auch Depotpräparate zur parenteralen Anwendung haben eine verzögerte Wirkung durch eine langsame Freisetzung beispielsweise aus Muskelgewebe in die Blutbahn.

Literatur

  • Kurt H. Bauer, Karl-Heinz Frömming, Claus Führer, Bernhardt C. Lippold: Lehrbuch der Pharmazeutischen Technologie. 8. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2006, ISBN 3-80-472222-9.
  • Rudolf Voigt, Afred Fahr: Pharmazeutische Technologie. 9. Auflage. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 3-76-922649-6.
Gesundheitshinweis
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