Richard Meister

Richard Meister

Richard Meister (* 5. Februar 1881 in Znaim, Mähren; † 11. Juni 1964 in Wien) war ein österreichischer Altphilologe und Pädagoge.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Richard Meister wurde am 5. Februar 1881 in Znaim (Mähren) geboren. Nach dem Gymnasialabschluss studierte er an der Universität Wien Vergleichende Sprachwissenschaft, Klassische Philologie und Philosophie. Nach dem Abschluss und der Lehramtsprüfung für Gymnasien mit den Fächern Latein, Griechisch und Philosophische Propädeutik bekam Meister eine Stelle an der Universität München, wo er am Thesaurus Linguae Latinae (1906/07) mitarbeitete und mehrere Artikel für die Bände 3 und 4 verfasste.

1907-09 war er provisorischer Gymnasiallehrer in Znojmo (deutsch Znaim). Danach bekam Meister eine Stelle als Gymnasialprofessor in Wien (1909-18). In dieser Zeit verfasste er Artikel zur Didaktik seiner Fächer, Gymnasialbildung und Bildungswert der Antike sowie Rezensionen zu Erscheinungen aus Altphilologie, Philosophie, Geschichte und Theorie der Pädagogik. Von 1918-20 war Meister außerordentlicher Professor für klassische Philologie an der Universität Graz, danach an der Universität Wien. 1923 wurde Meister Professor für Pädagogik an der Universität Wien.

1930/31 war er Dekan der philosophischen Fakultät. 1934 wurde er zum wirklichen Mitglied der Wiener Akademie gewählt. Nach dem Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich wurde er am 12. April 1938 vom Pädagogik-Lehrstuhl entbunden (für dieses ideologisch zentrale Fach erschien er nicht zuverlässig genug) und im Oktober 1938 auf eine Professur für klassische Philologie (mit Schwerpunkt Latinistik) versetzt.[1] Meister bemühte sich nie um eine Mitgliedschaft in der NSDAP, obwohl er der Österreichisch-deutschen Arbeitsgemeinschaft sowie dem Österreichisch-deutschen Volksbund angehörte hatte. Meisters Weltanschauung lässt sich folgendermaßen charakterisieren: "Er war ein humanistischer Liberaler mit Neigung zu einem aufgeklärten Kulturkatholizismus und der für seine Heimat Mähren charakteristischen großdeutsch-nationalen Orientierung."[2]

Meister führte als leitender Funktionär zuverlässig die jeweiligen Vorgaben aus. In der NS-Zeit gab es die Vorgabe, die Präsenz von Juden möglichst zurückzudrängen. Als die für 1943 geplanten Ausstellung "Die Wiener Persönlichkeit des 20.Jahrhunderts aus Kunst und Wissenschaft" vorzubereiten war, informierte Meister den Regierungsrat Dr. Ludwig Berg, dass bei der Auswahl der auszustellenden Porträts von Wissenschaftlern einige Kandidaten ausscheiden müssen: „Pirquet als nicht sicher arisch“ sowie Friedrich Freiherr von Wieser, "der nicht rein arisch war".[3] Hier zeigt sich Meister peinlich bemüht darum, den NS-Erwartungen genau zu entsprechen. Über eine ungefähr gleichzeitig durchgeführte Ausstellung "Wien - Kunst und Kultur unserer Zeit" berichtete Meister in der Akademie. Dabei kritisierte er den sprunghaften Wechsel von Vorgaben im Laufe der Vorbereitung, der diese enorm erschwerte sowie den didaktischen Ertrag beeinträchtigte. D.h. Meister reflektierte sehr wohl über die Sinnhaftigkeit einer Ausstellung, und zögerte auch nicht, seine Bedenken zu äußern - allerdings nur innerhalb des erlaubten Rahmens. Zur Frage, ob eine Darstellung der Wiener Kultur um 1900 unter Weglassung des Judentums sinnvoll ist, äußerte sich Meister nicht. Aber derselbe Meister, der noch 1943 penibel auf die arische Reinheit einer Ausstellung achtete, teilte nach Kriegsende als Generalsekretär der Akademie den ausgeschiedenen Juden mit, dass ihre Mitgliedschaft wieder gilt. Wie auch immer die politisch-administrativen Anweisungen aussehen - sie werden von Meister ausgeführt.

Da Meister nicht Mitglied der NSDAP und somit „unbelastet“ war, konnte er nach Kriegsende vielfältig eingesetzt werden: An der Universität Wien wurde er Prorektor, an der Wiener Akademie Vizepräsident - und an beiden Institutionen hatte er eine wichtige Funktion bei der Entnazifizierung. 1945 erhielt er die Professur für Pädagogik und Kulturphilosophie. Im selben Jahr wurde er auch Vize-Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 1948 wurde ihm an der Universität Wien ein juristisches Ehrendoktorat verliehen. 1949/50 war er Rektor der Universität Wien. 1951 wurde er Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 1956 wurde er emeritiert. Er wurde am 21. Januar 1957 zum Ehrenmitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften gewählt.

Im Jahr 1972 wurde in Wien Floridsdorf (21. Bezirk) die Meistergasse nach ihm benannt.

Auszeichnungen

Werke

  • Beiträge zur Theorie der Erziehung. - Wien : Sexl, 1965 (vol. 1-2)
  • Geschichte der Akademie der Wissenschaften in Wien 1847–1947 (Denkschriften der Gesamtakademie; 1). Adolf Holzhausen Nachfolger, Wien 1947.

Literatur

  • Wolfgang Brezinka: Pädagogik in Österreich. Die Geschichte des Faches an den Universitäten vom 18. bis zum Ende des 20. Jahrhundert. Verlag der Akademie der Wissenschaften, Wien 2000 (3 Bände).
  • Franz Graf-Stuhlhofer: Die Akademie der Wissenschaften in Wien im Dritten Reich. In: Christoph J. Scriba (Hrsg.): Die Elite der Nation im Dritten Reich. Das Verhältnis von Akademien und ihrem wissenschaftlichen Umfeld zum Nationalsozialismus (Acta historica Leopoldina; 22). Barth, Leipzig 1995, S. 133–159.
  • Franz Graf-Stuhlhofer: Opportunisten, Sympathisanten und Beamte. Unterstützung des NS-Systems in der Wiener Akademie der Wissenschaften, dargestellt am Wirken Nadlers, Srbiks und Meisters. In: Wiener Klinische Wochenschrift 110 (1998) Heft 4-5 (= Themenheft „Zum 60.Jahrestag der Vertreibung der jüdischen Kollegen aus der Wiener medizinischen Fakultät“), S.152-157 [hier wird Meister als befehlsausführender "Beamter" dargestellt].
  • Friedrich Kainz: Richard Meister (Nachruf), in: Almanach d. Österreichischen Akademie d. Wissenschaften 114. (1964) 267-311 (mit Schriftenverzeichnis)

Weblinks

Einzelbelege

  1. Wolfgang Brezinka: Geschichte des Faches Pädagogik an der Universität Wien von 1805 bis 1956. In: Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte 15 (1995) 67-78 (zu Meister ab S.71).
  2. Brezinka: Geschichte des Faches Pädagogik, S.73.
  3. Graf-Stuhlhofer: Opportunisten, S.155 und 157. Dort auch die Belege für die weiteren Angaben.

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