Richterratschlag

Richterratschlag

Der Richterratschlag ist eine jährliche Veranstaltung, bei der Richter und Staatsanwälte ihre Rolle in einer demokratischen Gesellschaft diskutieren.

Der Richterratschlag verzichtet bewusst auf eine feste Organisationsstruktur. Seine Teilnehmer verstehen sich als „kritische Juristen“; politisch gehören sie im weitesten Sinne dem linken und alternativen Spektrum an und stehen der Neuen Richtervereinigung und ver.di nahe.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Geschichte des „Richterratschlags“ reicht zurück in die 1970er Jahre, als nach dem Eindruck einiger Richter im Zuge der Terrorismushysterie „einige rechtsstaatliche Sicherungen durchbrannten“.

Den Anstoß für ein erstes überregionales Treffen im Juni 1980 lieferte eine Tagung der Evangelischen Akademie Bad Boll zum Thema „Justiz und Nationalsozialismus“. Es gab Anstoß zu Diskussionen, wie eine Justiz beschaffen sein müsse, die sich nicht von der politischen Macht durch Drohungen einschüchtern oder durch Verlockungen korrumpieren lässt.

Aus der Mitte der Ratschläge entstanden Initiativen wie der Deutsche Vormundschaftsgerichtstag (1984) und die „Richter und Staatsanwälte für den Frieden“ (1983)[1]

Über die im Jahr 1985 gegründete europäische Richtervereinigung „Magistrats Européens pour la démocratie et les libertés“ (MEDEL) [2] werden internationale Kontakte zu Richterorganisationen in Europa gepflegt.

Um die Ergebnisse der Richterratschläge zu dokumentieren und ein Diskussionsforum zu schaffen, das über die Tagungen hinausreichen kann, wurde bereits 1984 die Zeitschrift Betrifft Justiz gegründet.

Die Gründung der Neuen Richtervereinigung aus der Mitte des Ratschlags, der für sich eine feste Organisation ablehnt und jedes Jahr von anderen Organisatoren in einer anderen Region veranstaltet wird, war umstritten.

Themen

Die Richter-Ratschläge diskutierten Fragen der Berufspraxis und des beruflichen Selbstverständnisses, aber auch gesellschaftliche, ökonomische und politische Konflikte, mit denen die Gerichte konfrontiert werden.

  • Bereits 1981 stand der Richterratschlag ganz im Zeichen eines aktuellen politischen Ereignisses: Anlässlich der Demonstration wegen der Schließung des Nürnberger Jugendzentrums KOMM waren sämtliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer – überwiegend Jugendliche und Heranwachsende - verhaftet und von drei Richtern in Fließbandarbeit 140 Haftbefehle ausgefertigt worden. Öffentliche Kritik an diesem Vorgehen wie eine demonstrative Dokumentation des ganzen Prozesses weckten das Interesse von zahlreichen Richtern an der Arbeit des Richterratschlags.
  • Gegen Ende der 80er Jahre waren die Themen Tschernobyl, Nuklearrüstung und WAA in Wackersdorf bestimmend.
  • Von 1990 an prägten die Vereinigung der deutschen Justiz und ihre Position in der europäischen Justizlandschaft die Themen des jährlichen Ratschlags. Im April 1990 fand in Cuxhaven das erste Zusammentreffen zwischen bundesdeutschen Richtern mit ihren DDR-Kollegen statt.
  • Nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York befasste sich der Ratschlag im November 2002 mit „Terrorismus und Recht – internationale und nationale Antworten“. Die Auswirkungen des Terrorismus auf den Rechtsstaat und die Innere Sicherheit waren ebenso Gegenstand des Ratschlags wie die Probleme der sozialen Verantwortung und der Ausgrenzung von Minderheiten.

Sozialrichterratschlag

Bereits seit 1984 findet jährlich der Sozialrichterratschlag statt, der das Konzept des Richterratschlags auf die Sozialgerichtsbarkeit überträgt. Neben der Beschäftigung mit aktuellen rechtspolitischen und gesellschaftlichen Themen aus dem Sozialrecht steht vor allem die kritische Reflexion der richterlichen Arbeit und des eigenen professionellen Selbstverständnisses im Mittelpunkt des Sozialrichterratschlags.

Einzelbelege

  1. Richter und Staatsanwälte für den Frieden
  2. Homepage MEDEL

Weblinks


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