Außergewöhnliche Belastung

Außergewöhnliche Belastung

Die außergewöhnliche Belastung (agB) ist in §§ 33 ff. Einkommensteuergesetz geregelt. Der Gesetzgeber will mit der steuermindernden Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen unzumutbare Härten bei der Einkommensteuer vermeiden. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird. Aufwendungen erwachsen zwangsläufig, wenn man sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.

Inhaltsverzeichnis

Außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art

Beispiele zu § 33 EStG:

  • Krankheitskosten:
    • Arztkosten, soweit sie nicht von der Krankenkasse übernommen werden
    • Fahrtkosten zu Ärzten und Therapien
    • Zuzahlungen auf Medikamente und Praxisgebühren
  • Scheidungskosten
  • Beerdigungskosten eines nahen Verwandten, wenn das Erbe nicht ausreicht, die Kosten zu decken
  • Pflegekosten oder Pflegeheimkosten für die Eltern, soweit sie nicht durch Leistungen einer gesetzlichen oder privaten Pflegeversicherung gedeckt sind
  • Fahrtkosten für den amts- oder vertrauensärztlich empfohlenen Besuch der Gruppentreffen von Anonymen Alkoholiker sind agB. (BFH 13. Februar 1987-BStBl.II S.427)
  • eine Ayur-Veda-Behandlung ist agB, wenn die medizinische Notwendigkeit durch ein vor Beginn erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen worden ist. (BFH 18. April 1990-BSt.Bl.II S.543)
  • Augenoperationen, die eine Fehlsichtigkeit korrigieren (Refraktive Chirurgie) sind nach einer Verfügung der OFD Koblenz vom 22. Juni 2006 (Az. S 2284 A - St 32 3) als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Da bei der Augenoperation mit Laser immer eine Fehlsichtigkeit und damit eine Krankheit eines Steuerzahlers vorliegt, ist die Operation als Heilbehandlung einzustufen. Die Vorlage eines amtsärztlichen Attestes für die Augen-Laser-Operation ist nicht notwendig.

Außergewöhnliche Belastungen in besonderen Fällen

Beispiele zu § 33a und § 33b EStG:

  • Aufwendungen für den Unterhalt, soweit sie nicht schon als Sonderausgaben klassifiziert wurden, und eine etwaige Berufsausbildung einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person
  • Sonderbedarf eines sich in Berufsausbildung befindenden, auswärtig untergebrachten, volljährigen Kindes, für das Anspruch auf einen Freibetrag oder Kindergeld besteht
  • Pauschbeträge für behinderte Menschen, Hinterbliebene und Pflegepersonen
  • Bei der Einkommensteuer kann der Lebenspartner durchsetzen, dass Unterhaltsverpflichtungen seinem Partner gegenüber einkommensteuerrechtlich berücksichtigt werden. Hat dieser keine oder nur geringe eigene Einkünfte und besitzt er kein oder nur ein geringes Vermögen, kommt eine Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen des anderen Lebenspartners nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG in Betracht. Auf Antrag kann die Unterhaltsleistung bis zu einem Höchstbetrag von 8.004 Euro (2010) als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Eigene Einkünfte oder Bezüge des Lebenspartners vermindern den Betrag von 8.004 Euro, soweit sie 624 Euro übersteigen.[1]

Zumutbare Belastung

Die zumutbare Belastung ist abhängig vom Gesamtbetrag der Einkünfte, Familienstand und Zahl der Kinder (§ 33 Abs. 2 EStG). Ist die Summe der außergewöhnlichen Belastungen höher als die zumutbare Belastung, wird nur der übersteigende Betrag steuermindernd berücksichtigt.

Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der zumutbaren Belastung bei Krankheitskosten ist derzeit ein Verfahren beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz (Az. 4 K 1970/10) anhängig. Es ist wahrscheinlich lediglich eine Frage der Zeit, bis auch das erste Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof anhängig ist. Das würde bedeuten, dass auf Antrag alle Steuerbescheide vorläufig erlassen werden müssten und von Amts wegen (also ohne Antrag) geändert würden, sobald die zumutbare Belastung gekippt ist. Bis dahin sollten die Bescheide per Einspruch offen gehalten werden.

Beispiel 1

Ein unverheirateter Steuerpflichtiger, ohne Kind, mit einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 40.000 Euro, hat im Jahr 2010 Krankheitskosten, die nicht von der Krankenkasse erstattet werden, in Höhe von 3.000 Euro.

Steuerliche Wirkung:

  • Außergewöhnliche Belastung 3.000 €
  • zumutbare Belastung 6 % von 40.000 € = 2.400 €
  • Minderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage um (3.000 - 2.400 =) 600 €

Beispiel 2

Ein verheirateter Steuerpflichtiger, drei Kinder, mit einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 40.000 Euro, hat im Jahr 2010 Krankheitskosten, die nicht von der Krankenkasse erstattet werden, in Höhe von 3.000 Euro.

Steuerliche Wirkung:

  • Außergewöhnliche Belastung 3.000 €
  • zumutbare Belastung 1 % von 40.000 € = 400 €
  • Minderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage um (3.000 - 400 =) 2.600 €
Die zumutbare Belastung
Die zumutbare Belastung beträgt bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte
bis 15.340 € über 15.340 € bis 51.130 € über 51.130 €
1. bei Steuerpflichtigen , die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
nach der Grundtabelle erhoben wird 5% 6% 7%
nach der Splittingtabelle erhoben wird 4% 5% 6%
2. bei Steuerpflichtigen mit
einem Kind oder zwei Kindern 2% 3% 4%
drei oder mehr Kindern 1% 1% 2%
des Gesamtbetrags der Einkünfte.

Weggefallene außergewöhnliche Belastungen

In § 33 Abs. 3 EStG a.F. gab es bis 2008 einen Freibetrag für Haushaltshilfen und für Heimbewohner. Auch die Kinderbetreuungskosten waren bis 2005 als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig, mittlerweile wurden sie zu Sonderausgaben umdeklariert oder werden wie Werbungskosten, Betriebsausgaben behandelt.

Einzelnachweise

  1. Deutscher Bundestag, Drucksache16/10432, Antwort der Bundesregierung vom 29. September 2008: "Stand der rechtlichen Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften".
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