Risstissen

Risstissen

Rißtissen ist ein Stadtteil von Ehingen im Alb-Donau-Kreis (Regierungsbezirk Tübingen, Bundesland Baden-Württemberg, Deutschland).

Inhaltsverzeichnis

Geographie

Geographische Lage

Das Straßendorf Rißtissen ist ein ost-südöstlicher Stadtteil von Ehingen an der Donau. Es befindet sich knapp 2 km südlich der Mündung der Riß in die von Südwesten kommende Donau und liegt auf 490 bis 504 m ü. NN.

Nachbargemeinden

Rißtissen ist eine Exklave des Ehinger Stadtgebiets, zehn Kilometer östlich des Stadtkerns gelegen und grenzt im Uhrzeigersinn, beginnend im Westen, an die Gemeinden Griesingen, Öpfingen, Oberdischingen, Erbach (alle Alb-Donau-Kreis), Achstetten und Laupheim (Landkreis Biberach).

Eingemeindung

1975 wurde die bis dahin selbständige Gemeinde Rißtissen im Rahmen der kommunalen Gebietsreform auf einstimmigen Beschluss des Rißtisser Gemeinderates in die Stadt Ehingen (Donau) eingemeindet und ist seither ein Ortsteil von Ehingen.

Weitere Ortsdaten

Rißtissen erstreckt sich über eine Fläche von 12,1 km² und beheimatet 1.225 Einwohner. Der Ortsvorsteher ist Siegfried Hummel. Die Telefonvorwahl lautet 07392 und die Postleitzahl ist 89584.

Geschichte

Antike

Zeitenwende

Ab 15 v. Chr. kontrollierten die Römer den von Kelten spärlich besiedelten Rißtisser Raum. Die beiden Adoptivsöhne des römischen Kaisers Augustus Tiberius und Drusus hatten den Raum südlich der Donau zwischen Donauursprung und Inn erobert und damit auch das heutige Oberschwaben besetzt. Nachdem die darüber hinausgehenden Eroberungspläne einer Magnae Germaniae zwischen Donau, Rhein und Elbe nach der Katastrophe der Varusschlacht und schließlich nach der Abberufung des Feldherren Germanicus aus dem Gebiet des heutigen Deutschlands und seiner Entsendung in den Osten des römischen Reiches ab 16 n. Chr. allmählich aufgegeben worden waren, hatte Kaiser Tiberius die Grenze des römischen Reiches ab 30 n. Chr. an den Rhein und die Donau zurückgenommen. Die etwas später geschaffene römische Provinz Rätien mit der oberen Donau als Nordgrenze sollte den territorialen Gewinn der tiberisch-drusischen Eroberungen zwischen dem Alpenkamm und der Donau festigen und sichern.

Zur nachhaltigen Verbesserung der militärischen und wirtschaftlichen Logistik dieser Provinz wurden zwei neue Straßenachsen geschaffen, die bei Sumuntorium/Kastell Burghöfe nahe der Mündung des Lechs in die Donau T-förmig verbunden waren: Die eine war die 38 n. Chr. vollendete neue Nord-Süd-Achse Via Claudia Augusta, die von der Donau nach Süden über Augsburg/Augusta Vindelicorum, die spätere Hauptstadt Rätiens, den Fern- und Reschenpass nach Oberitalien führte. Die andere war die zwei Jahre später befahrbare West-Ost-Achse, die von Historikern so genannte „Donau-“ oder „Donausüdstraße“. Diese via militaris (= Militärstraße) führte in ihrer ersten Ausbaustufe vom Donauursprung (caput danubii), also vom Kastell Hüfingen/ Brigobannis, entlang dem Südufer der Donau nach Osten über Rißtissen zunächst bis Weltenburg. Um das Jahr 100 n. Chr. wurde sie in östlicher Richtung bis in das Gebiet des heutigen Rumäniens und später bis zur Küste des Schwarzen Meers verlängert (Vgl. Tabula Traiana). Brigobannis/Hüfingen konnte über eine um 40 n. Chr. bereits bestehende Römerstraße vom Hochrhein und vom Legionslager Windisch, Aargau in der heutigen Schweiz erreicht werden. Die Donausüdstraße markierte und sicherte die im ersten Jahrhundert nach der Zeitenwende entlang der oberen Donau verlaufende Nordgrenze Roms zum unbesetzten Teil Germaniens (Magna Germania).

Kastell und römische Heerstraße

Das Kastell Rißtissen liegt 50 Meter nördlich der Donausüdstraße und 2 km südlich der damals entlang der Donau verlaufenden Reichsgrenze auf einem flachen Hügel etwa 0,5 km östlich des Übergangs der Straße über die Riß. Der Bau des Kastells begann gleichzeitig mit dem Bau der Donausüdstraße um 45 n. Chr. Die Bauentwicklung des Kastells fand gegen 100 n. Chr. ihren Abschluss. Die Aus-und Umbauetappen des Kastells standen in engem Zusammenhang mit der Entwicklung des durch Rißtissen führenden römischen Hauptverkehrsweges. Die Bedeutung der Straße nahm in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts zunächst stetig und dann in bedeutendem Umfange zu. Um das Jahr 90 allerdings wurde eine wesentlich kürzere Verbindung zwischen den damaligen römischen Zentren Augsburg (Augusta Vindelicorum) und Mainz (Mogontiacum) geschaffen. Eine neue, der Luftlinie folgende Strassenspange zwischen Günzburg (Guntia) und Strassburg führte nicht mehr über Rißtissen. Die Nordgrenze des Reiches wurde westlich Günzburgs von der Donau um etwa 100 km nach Norden verlegt. Das Kastell Rißtissen verlor dadurch seinen militärischen Sinn und der durch den Ort führende Abschnitt der Donausüdstrasse sein bedeutendes Verkehrsaufkommen. [1]

Das heute überbaute, damals 1,7 ha beanspruchende Kastell Rißtissen befindet sich im Bereich des heutigen Wasserturms am höchsten Punkt des Ortes (504 m ü. NN). Für die Trassierung der etwa 50 Kilometer langen fast kerzengerade Etappe der Donausüdstraße an dem das Kastell Rißtissen liegt, nämlich zwischen Kastell Günzburg/Guntia und Emerkingen, hatten die antiken Wegebauer den charakteristischen und das flachhügelige Land überragenden Rundgipfel des höchsten Berges Oberschwabens, des Bussen als Peilmarke verwendet. Die Donausüdstraße war eine mit solidem, tiefgekoffertem, winterfestem Unterbau versehener im Mittel fünf Meter breiter Schotterweg. Er hatte einen beidseitig angeböschten Straßenkörper mit Entwässerungsgräben. Über die Donausüd erreichte man, direkter als heute die Nachbarkastelle Unterkirchberg im Osten und Kastell Emerkingen im Westen. Im Süden und Westen des Kastells und entlang der Römerstraße, die heute im Dorfbereich Heerstraße heißt, entstand ein Lagerdorf (lat. vicus).

Der Verlauf der römischen Donausüdstraße hat sich auf der Gemarkung Rißtissen in den letzten 2000 Jahren sichtbar erhalten. Im Westen tritt sie in der Nähe der Josefskapelle als ein sich heute leicht schlängelnder Feldweg in die Gemarkung ein, durchquert den Golfplatz, überquert die Riß und führt mit den Namen Sulmetinger-, Schloss- und dann Heerstraße fast geradlinig von Ost nach West durch das Dorf. Vom Ostrand des Dorfes führt sie zur östlichen Gemarkungsgrenze und zur Straße von Achstetten nach Ersingen. Diese Straße kreuzt sie und entschwindet nach Osten als ein sich wieder sanft schlängelnder Feldweg in Richtung Eisenbahnüberführung und von dort geradlinig weiter nach Osten.

Der Name Rißtissens zu Zeiten der Römer

Die Geographie des Ptolemäus nach Gerhard Mercator,
Köln 1584

Es bleibt ungeklärt wie Rißtissen zu Römerzeiten hieß. Es gibt verschiedene Theorien. Die Spekulationen richten sich hauptsächlich auf die von dem römischen Geographen Ptolemäus im zweiten Jahrhundert in seinem Buch Geographike Hyphegesis erwähnten Ortsnamen Riusiava, Viana und Febianis.

Historiker meinen überwiegend, Kastell Rißtissen habe zu Römerzeiten „Riusiava“ geheißen. Der Geograph Claudius Ptolemaeus zählt in seinem erwähnten Werk im Buch II, Kapitel 10 über „Germania“ von Westen nach Osten, also vom oberen Rhein bis ins heutige Österreich eine Reihe von 19 entlang der Donau gelegenen Orten auf. Diese Aufzählung beginnt im Westen mit Tarodonum (= Kirchzarten) und führt in östlicher Richtung über Arae Flaviae (=Rottweil) an dritter Stelle zu einem Ort mit Namen Riusiava. Im Gegensatz zu Taradonum/Kirchzarten und Arae Flaviae/Rottweil ist die Lage des römischen Riusiava bis heute nicht nachgewiesen.

Ptolemäus gibt die geografische Breite von Riusiava mit 47° 30′ an. Erfahrungsgemäß (vgl. z. B. Kirchzarten, Rottweil) sind die von Ptolemäus angegeben Breitengradbezeichnungen im Gebiet Deutschlands um eine Gradzahl zu erhöhen um dann fast genau den modernen Meridianen oder Breitengraden zu entsprechen. Rißtissen liegt nach heutiger Einteilung auf 48° 16′ nördlicher Breite. Unbestritten ist, dass dieses Riusiava östlich von Rottweil und im engeren oder weiteren Umfeld der Donau liegen muss. Die Koordinaten und die Nähe zur Donau könnten für Rißtissen sprechen.

Die Mehrzahl der Historiker, die meinen Rißtissen habe Riusiavu geheissen, beruft sich vor allem auf den Historiker Robert Knorr, der 1932 in der Fachzeitschrift Germania einen Artikel Rißtissen, das Riusiava des Ptolemäus geschrieben hat ([2][3]. Knorr argumentiert, die rätischen Donaukastelle seien nach den keltischen Namen nahe liegender südlicher Zuflüsse der Donau benannt. Er verweist auf Kastell Hüfingen/Brigobanis, das westlichste der Donaukastelle. Brigobanis ist nach der unmittelbar am Kastell vorbeifliessenden Breg benannt. Kastell Günzburg/Guntia heißt nach der Günz, Kastell Unterkirchberg habe nach dem am Kastell vorbeifliessenden Fluss Weihung / (damals „Viana“) Kastell Viana geheissen. Wenn aber Kastell Unterkirchberg Kastell Viana geheissen habe, dann müsse Kastell Rißtissen nach der Reihenfolge der Ortsnamen bei Ptolemäus Riusiavu gewesen sein. Phainania müsse im heutigen Finningen gelegen haben.

Eine andere sich vor allem auf den Wissenschaftler Rolf Nierhaus („Zu den topografischen Angaben in der Geographie des Klaudios Ptolemaios über das heutige Süddeutschland”; Fundberichte aus Baden-Württemberg, Stuttgart 1981; S. 475 ff) stützende Schule (vgl. auch die Autoren Jürgen Meyer: „Rätselhafte Spuren auf der Alb“, Reutlingen 2007, Seiten 28–57, vgl. auch seinen Beitrag in der Diskussionsrubrik Kastell Rißtissen und Thomas Knopf: Der Heidengraben bei Grabenstätten, Band 141 der Reihe Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie, Bonn 2007, Seite 119) verlegen das ptolemäische Riusiava in die weit nördlich der Donau gelegene keltische Großsiedlung Heidengraben bei Grabenstetten in der Nähe von Bad Urach auf der schwäbischen Alb. Der Heidengraben liegt auf modernen 48° 31′ nördlicher Breite.

Diese Schule meint, das ptolemäische Riusiava könne sich niemals am südlichen Donauufer, also nicht in der römischen Provinz Rätien und damit nicht in Rißtissen befunden haben. Der südlich der Donau gelegenen römischen Provinz Rätien habe Ptolemäus in seinem Buch Geographike Hyphegesis ein eigenes Kapitel (Buch II Kapitel 11) gewidmet, in dem der Name Riusiava nicht erwähnt wird. Ptolemäus zählt jedoch im 11. Kapitel, das von „Raetia et Vindelicia“ handelt vier römische Orte auf, die sich von West nach Ost von der rätischen Westgrenze am Donauursprung auf einer Linie südlich der rätischen Nordgrenze und damit südlich der Donau befunden haben. Diese Aufzählung endet mit den Ortsnamen Febianis, Viana und Phainiana. Riusiava dagegen sei von Ptolemäus im gleichen 2. Buch, aber im 10 Kapitel, das „Germania“ gewidmet ist, erwähnt. Riusiava müsse deshalb wie Rottweil (= Arae Flaviae) nördlich der Donau im damaligen Germanien (Germania Magna) gelegen haben. Das rätische, auf der südlichen Seite der Donau gelegene Rißtissen habe von Westen gesehen als vorletztes Kastell vor der Iller Viana und Unterkirchberg als östlichstes Phainiana geheißen. Denkbar ist aber auch ( vgl. Knorr ), dass Unterkirchberg Viana und Finningen Phainiana hieß. In diesem Falle wäre Kastell Rißtissen vielleicht das bei Ptolemaeus an zweiter Stelle aufgezählte "Febianis". Klarheit wird es erst geben, wenn, ähnlich wie vor Jahrzehnten in Rottweil, ein archäologischer Fund, z.B. ein Meilenstein oder eine Inschrift konkrete Hinweise geben wird.

Erste Kastellbauphase um 45 n. Chr.

Hauptartikel: Kastell Rißtissen

Das römische Holz-Erde-Kastell der ersten Bauphase war für eine Kohorte entsprechend 480 Infanteristen ausgelegt. Der Schutz der Grenze und der Straße war jedoch nach Auswertung der Ausgrabungsfunde in diesem Abschnitt einer gemischten Einheit aus Reitern der Auxiliareinheiten und römischen Infanteriesoldaten, möglicherweise Pionieren, also Legionären anvertraut. Das Kastell hatte den klassischen, symmetrischen Rechtecksgrundriss mit abgerundeten Ecken. Es war rundum durch zwei parallele Spitzgräben, einen Palisadenzaun und einen durch Balken verstärkten Erdwall geschützt. Auf jeder der vier Seiten befand sich mittig ein Tor. Das dem Feindgebiet zugewandte Tor an einer Schmalseite, von den Römern „Porta Praetoria“ genannt, zeigte nach Nordwesten etwa auf den heutigen Ort Ersingen.

Zweite Kastellbauphase um 70 n. Chr.

Kaiser Vespasian, der aus dem Vierkaiserjahr als Sieger hervorgegangen war, wollte im Jahre 70 n. Chr. mit aus Noricum, also dem heutigen Österreich stammenden Truppen (zwangsläufig über Rißtissen) den bei Trier gegen die Bataver kämpfenden Römern zur Hilfe eilen. Er marschierte von Osten kommend über Rißtissen zum Donauursprung bei Brigobanis, bog von dort nach Süden zum Hochrhein ab. Am Rhein angekommen bog er nach Westen in Richtung Basel. Dort wendete er sich nach Norden in Richtung Mainz und Trier. Als er in Trier anlangte war die Entscheidungsschlacht bereits ohne sein Eingreifen erfolgreich geschlagen worden. Vespasian zog sofort die Konsequenz aus dieser Marschverzögerung. Er ließ eine neue, den Weg von Augsburg zum Legionslager in Mainz/Mogontiacum und Trier verkürzende Straßenvariante erstellen. Diese Kinzigtalspange genannte Abkürzung führte von Tuttlingen über Rottweil/Arae Flaviae und das Tal des Fluss Kinzig nach Argentoratum/Strassburg. Die neue Verbindung verkürzte die Entfernung zwischen Augusta Vindelicorum/Augsburg und Trier/ Augusta Treverorum um 110 römische Meilen (= 160 km) und die Marschzeit einer Truppeneinheit um etwa eine Woche.

Gleichzeitig mit dem Bau der Kinzigtalspange begann Vespasian mit der Reparatur und dem Umbau der zerstörten Donaukastelle. Er ließ in Rißtissen an gleicher Stelle einen Gebäudekomplex mit kompakteren Truppenunterkünften, aber dafür mit deutlich vergrößerter Kapazität (zweite Phase) zur Lagerung von Nachschub errichten.

Dritte Kastellbauphase um 80 n. Chr.

Als Konsequenz des stark zunehmenden Verkehrs auf der Straße und einer sich daraus ergebenden Ausweitung des vicus wurde gegen 80 n. Chr. das Stabsgebäude (Principia),das zugleich auch Sitz der Zivilverwaltung war, ebenso wie in den Nachbarkastellen Unterkirchberg und in Emerkingen ganz aus Stein neu errichtet (dritte Ausbauphase Riusiavas). Die Principia erhielt nach Südwesten einen Gerichtsanbau. Das neue Stabsgebäude und das gleichzeitig erneuerte luxuriöse Wohnhaus des Kommandanten (Praetorium) waren vermutlich Risstissens erste ganz aus Stein gefertigten Bauwerke.

Vierte Kastellausbauphase um 100 n. Chr.

Um 98 n. Chr., unter Trajan entstand eine neue, noch weit kürzere Straßenverbindung von Augsburg nach Mainz. Die neue Strasse überquerte bei Günzburg (lat.Guntia) die Donau und fuehrte durch das Neckartal nach Strassburg. Damit hatte der Abschnitt der Donausüdstraße bei Rißtissen fast nur noch regionale Bedeutung.

Dennoch wurde das Kastell Rißtissen um das Jahr 100 n. Chr. zu Zeiten des Kaisers Trajan in Vorbereitung der Dakerkriege im heutigen Rumänien noch einmal in großem Stil um- und ausgebaut. Trajans Stärke war die minutiöse logistische Vorbereitung seiner Feldzüge (vgl. dazu Tabula Traiana). Die verlassenen Mannschaftsbaracken des Kastell Rißtissen wurden abgetragen und eine große, dreischiffige Lagerhalle aus Stein errichtet (4. Bauphase). Der steinerne Bau der Principia wurde in die Struktur dieser Halle einbezogen. Archäologen[4] vermuten, dass die mit den Dakern an der unteren Donau kämpfenden Truppen Trajans militärischen Nachschub auch über die Donau aus den westlichen römischen Provinzen erhielten. Nachdem Trajan den Donaudurchbruch in Serbien, das eiserne Tor erobert und die Donausüdstraße bis über Belgrad hinaus verlängert hatte, war eine Versorgung der Truppen von Westen auch auf dem Wasserweg über die Donau und ein Rücktransport über die Donaustraße nach Westen möglich. Der Wasserweg war flussabwärts kostengünstiger, sicherer und schneller als der Transport zu Lande. Rißtissen lag in diesem Nachschubsystem an einem neuralgischen Punkt, an dem der von Westen über die Donausüdstraße und von Süden zu Wasser über Rhein, Bodensee, Schussen und Riß eintreffende Nachschub bei der Einmündung der Riß in die Donau auf größere Kähne oder Flöße umgeladen und zu dem großen Donauhafen Viminacium östlich von Belgrad verschifft werden konnte (vgl. hierzu Eriskirch). Nahe der Donau westlich von Ersingen wurden römische Fundamente gefunden, die zu dem hier angenommenen westlichsten Donauhafen gehört haben könnten. Rißtissen war deshalb um die Jahrhundertwende ein nicht unbedeutender militärischer und später ziviler Warenumschlagsplatz. Für diese These spricht neben der Erwähnung Rißtissens bei Ptolemaeus auch der Text einer der in die Rißtisser Kirchenmauer eingelassenen römischen Steine, mit dessen Errichtung der Römer Secundus, Sohn des Primus dem römischen Götterkönig Jupiter und dem keltischen Flussgott Donau (Danubius) gemachtes Gelübde erfüllt. Secundus hatte vielleicht eine dieser langen, gefährlichen Schiffsreisen von Rißtissen nach Viminacium im Balkan unternommen und war gesund zurückgekehrt.

Spätestens nach 106, dem Ende der Dakerkriege wurde das Kastell nicht mehr gebraucht und vom römischen Militär endgültig geräumt.

2006 wurden durch Flugaufnahmen östlich des Kastells Rißtissen Bodenstrukturen entdeckt, die provisorisch und vorläufig als römisches Kleinkastell interpretiert werden. Eine eingehende Untersuchung und Auswertung dieser Beobachtung steht noch aus.

Römische Nachfolgesiedlung

Die Räumung des Kastells durch die Legionäre bedeutete nicht das Ende der römischen Siedlung. Sie hatte ausreichend Eigendynamik um sich an der Kreuzung zweier Handelsstraßen, der Donausüdstraße und einer von Süden, von Bregenz/Brigantium kommenden Straße „Schussenrißtalstraße“ weiter zu entwickeln. Die Schussenrißtalstraße führte bei Öpfingen über eine Furt durch die Donau nach Norden zum westlichen Teil des obergermanisch-rätischen Limes. Der von Rißtissen aus gesehen südliche Abschnitt dieser Straße war ursprünglich, um die Mitte des 1. Jahrhunderts, aus militärischen Überlegungen als rückwärtige Kommunikations- und Nachschublinie sowie als Rückzugs- und Fluchtweg für die Besatzungen der Donaukastelle Kastell Rißtissen, Kastell Emerkingen und Kastell Ennetach ausgebaut worden. Der Nachschub aus Italien überquerte die Alpen über die Bündner Pässe, erreichte Bregenz/Brigantium und bewegte sich, über die römische Bodenseegürtelstraße bis Eriskirch an der Schussen und bog dort der Schussen und dann der Riß folgend in nordöstliche Richtung ab. Von dieser nach Nordosten führenden Straße zweigten in Abständen von etwa 20 Kilometern nach Norden führende militärische Stichstraßen zu den Donau Kastellen Kastell Ennetach und Kastell Emerkingen ab.

Die von Biberach über Laupheim führende Hauptstraße kreuzte die Donaustraße in Rißtissen. Die Schussen-Riß-Straße war die kürzeste und sicherste Verbindung vom westlichen rätischen Limes über Rißtissen, Bregenz und Chur nach Italien. Um 95 n. Chr. wurde diese Straße, die vermutlich schon bei den Kelten als Naturweg bestand zur winterfesten, befahrbaren und begradigten Römerstraße ausgebaut und nach Norden bis Aalen verlängert.

Münzfunde belegen, dass Riusiava wohl bis um 200 n. Chr. dicht und danach in abnehmendem Maße bis 260 n. Chr. von Römern bewohnt war. Es war Marktflecken und vermutlich auch römische Poststation cursus publicus, Herberge mansio und Pferdewechselstation mutatio. Zu den schon damals bei den Römern auch in Rißtissen selbstverständlichen zivilisatorischen Einrichtungen zählte eine Schule ebenso, wie ärztliche Versorgung und eine öffentliche, beheizte Therme. Dieses römische Badehaus wurde in der Mitte des 19. Jahrhundert östlich der Pfarrkirche ausgegraben. Gleich neben der Therme wurden die Fundamente einer großen Töpferei gefunden. Urspruenglich acht behauene Grab- und Weihesteine wurden als Spolien aus der im 18. Jahrhundert abgerissenen, gotischen Kirche geborgen.Die aus dem 2. oder 3. Jahrhundert stammenden sieben Steine (ein achter wurde 1953 gefunden und versehentlich zerstört), die heute in die Außenmauer der Kirche gut sichtbar eingelassen sind, sowie Funde von Scherben luxuriösen Essgeschirrs terra sigillata aus Südgallien deuten darauf hin, dass Riusiava damals ein blühender Ort mit einer wohlhabenden Zivilbevölkerung gewesen sein muss. Die größte Dichte römischer Funde ergibt sich im Vicusbereich, d. h. außerhalb des Kastells um die Kirche, das Pfarrhaus, den Adlerwirt, die Adlerbrauerei und südlich davon. In diesem Bereich kann das Forum / Hauptplatz vermutet werden. Eine römische Begräbnisstätte befand sich nördlich der Heerstraße einige hundert Meter östlich des Kastells. Gut unterrichtete Rißtisser vermuten, dass sich römische Gräber auch im Westen des Dorfes südlich der Sulmetingerstraße (Wäldchen an den Eisweihern) und in dem „Hailenberg“ genannten Revier des stauffenbergischen Waldes befinden.

Römische Falschmünzerwerkstatt um 222 n. Chr.

Beim Bau eines Hauses im Vicusbereich wurden um 1920 vom Schlossgärtner Schwarz eine große Zahl alter Münzen gefunden. Die römischen Denare zeigen Bildnisse der Kaiser Septimius Severus, Caracalla, Diadumenianus und Elagabal. Daraus lässt sich auf Herstellungsdatum um 222 schliessen. Am gleichen Ort fanden sich über dreihundert Tonformen mit deren Hilfe diese Münzen um 220 n. Chr. gegossen worden waren. Es ist nicht geklärt, ob es sich bei der Herstellung der Münzen um Falschmünzerei oder um eine von der Obrigkeit in der Provinzhauptstadt Augsburg/Augusta Vindelicorum angeordnete legale Notprägung handelte. Zwar hatte Kaiser Caracalla im Jahre 213 n. Chr. durch einen persönlichen Besuch der Nordgrenze des Reiches die Situation am Limes noch einmal vorübergehend stabilisieren können, dennoch verschlechterten sich die Verhältnisse immer mehr durch die Raubzüge der Alamannen. Geldtransporte aus Italien erreichten den Nordprovinzen des Reiches nicht mehr zuverlässig. Einige Gußformen aus Ton und einige mit ihnen hergestellte „Falschmünzen“ befinden sich heute im Rißtisser Römermuseum in der Volksschule.

Abzug der Römer, Landnahme durch Alemannen

RIUSIAVA/Rißtissen im Bereich der alemannischen Landnahme

Die Römer gaben ihre befestigte Nordgrenze, den obergermanisch-rätischen Limes um 260 n. Chr. nach wiederholten, verheerenden Raubzügen der Germanen und wegen einer in diesem Abschnitt ausgedünnten Truppensituation de facto auf. Sie räumten in einer geordneten Aktion, die sich über mehrere Jahre erstreckte, den nordwestlichen Teil der Provinz Rätien von Truppen und römischen Bürgern. Das aufgegebene Gebiet entsprach in etwa dem heutigen württembergischen Oberschwaben. Das verlassene Kastell Rißtissen lag in diesem zunächst herrenlosen Gebiet zwischen Donau, Iller und Bodensee, in das von Westen allmählich alemannische Siedler nachrückten. Die ausgesprochen spärlichen Bodenfunde aus den Jahren nach 260 bis etwa 500 lassen darauf schließen, dass Rißtissen von Römern und Rätoromanen zwar geräumt, aber von den Alemannen nicht unmittelbar in Besitz genommen worden war. Es ist anzunehmen, dass die meisten römischen Bewohner Rißtissens in die wenige Kilometer östlich gelegenen Orte auf der rechten, heute bayerischen Seite der Iller umzogen. Dort waren sie durch die hier viel Wasser führende Donau und eine neue und starke römische Befestigungslinie entlang der Iller, dem Donau-Iller-Rhein-Limes besser, aber keinesfalls vollkommen vor den aus dem Norden kommenden Alemanneneinfällen geschützt. Immerhin lebten diese Flüchtlinge und ihre Nachfahren im heute bayerischen Schwaben noch weitere 238 Jahre als Bürger Roms. Erst 488 n. Chr., nach dem Ende des weströmischen Reiches wurde die rätoromanische Bevölkerung von Rätien nach Italien evakuiert (vgl. Heiliger Severin).

Mittelalter

Merowinger- und Karolingerzeit

Die Funde aus dem südwestlich des Wasserturms entdeckten alemannischen Gräberfeld aus dem 7. Jahrhundert lassen vermuten, dass sich erste alemannisch-germanische Siedler kurz nach 500 n. Chr in Rißtissen niederließen. Neuen Aufschwung brachte für diese kleine, bäuerliche Siedlung der Entschluss Karls des Großen die heruntergekommenen, ehemals römischen Fernstraßen, darunter auch die Donaustraße im frühen 9. Jahrhundert zu erneuern. Nur wenige Jahre nach Karls Tod wurde Rißtissen am 20. Mai 838 als „Tussa“ zum ersten Mal in einer Urkunde der Abtei St. Gallen schriftlich erwähnt. Aus dieser Urkunde erfahren wir, dass „Tussa“ in der Ruadolhuntare (Huntare) lag, die wiederum zur Albuinesbaar (wohl der Munderkinger Baar) gehörte. In der gleichen Urkunde wird eine schon damals dem heiligen Pankratius, († 305 n. Chr.) geweihte, vermutlich erste christliche „Tussener“ Kirche erwähnt. Auch die heutige Kirche ist dem heiligen Pankratius geweiht.

Jakobsweg

Seit dieser Zeit liegt Rißtissen bis auf den heutigen Tag an einem wichtigen süddeutschen Abschnitt des Jakobsweges. Der Jakobsweg ist der mittelalterlich-historische Pilgerweg zum sagenhaften Grab des Apostels Jakobus des Älteren in Santiago de Compostela in Spanien. Schon im Mittelalter führte der Fernwanderweg von Nürnberg nach Konstanz mitten durch den Ort. Tussa, das später zur Unterscheidung von einem anderen, ebenfalls „Tussa“ genannten Ort an der Iller (heute Illertissen) „Rißdissa“ und dann Rißtissen genannt wurde, war eine bedeutende Pilger-Raststation. Heute wird dieser historische grenzüberschreitende Weg wieder neu beschrieben und im Zuge der europäischen Einigung durch internationale Wegzeichen von Ulm her über Oberdischingen und dann weiter von Rißtissen über Biberach an der Riß nach Konstanz durch verschiedene Organisationen sowohl markiert als auch rege begangen.

Herrschaft Rißtissen

Im Hochmittelalter gehörte Tussa den mächtigen, später ausgestorbenen Geschlecht der Grafen von Berg. Ihr Dienstmann in Tussa, Diethelm von Tussin wird 1127 im Stiftungsbrief eines Benediktinerinnenklosters als Zeuge benannt. Der erste Rißtisser Ortsgeistliche von dem wir aus Urkunden (7. September 1322) namentlich erfahren war „der Pfaff Heinrich Fulhin“. 1353 gab es in Dissa 72 Haushalte. Mit der gesamten Herrschaft der Grafen von Berg gelangte Tissen 1343 an die Habsburger und gehörte damit zu Vorderösterreich. Das Haus Habsburg hatte Teile der Grafschaft Berg, darunter Rißtissen gegen Entgelt unter Vorbehalt der Oberherrschaft zu Lehen an Dritte vergeben oder verpfändet. Konrad von Landau verkaufte 1419 seinen Anteil an Rißtissen an Ulmer Bürger. 1455 erwarb Reichsfreiherr Hans von Stotzingen fünf Sechstel der Rechte an der Herrschaft Rißtissen von den Bürgern der freien Reichsstadt Ulm. Die Freiherrn von Stotzingen stifteten 1483 den von Jakob Acker der Jüngere gemalten Altar, heute in der Leonhardskapelle. Durch die Erbtochter Crescentia von Stotzingen († 1550) kam das Dorf durch Heirat zu fünf Sechsteln an die Familie der Freiherren von Laubenberg. Bis auf zwei Höfe, die weiterhin Ulmer Hintersaßen blieben kauften die Herren von Laubenberg 1593 den noch ausstehenden Rest der Herrschaft Ulrich von Schienen zu Gamerschwang ab.

17. Jahrhundert

1613 erwarb der habsburgische Pfleger (etwa: Landvogt) von Ehingen, Munderkingen und Berg und gleichzeitig Herr auf Wilflingen, Hans Christof Schenk von Stauffenberg († 1638 Ulm) das Dorf. Er hatte zunächst die Laubenberg’sche Witwe Barbara von Essendorf († 1612 Rißtissen) und nach deren Tod die ebenfalls von einem (anderen) Laubenberg verwitwete Maria Freifrau von Laubenberg († 1632 Ulm) geehelicht. Hans Christof erwarb dadurch die Herrschaft über halb Rißtissen. Die andere Hälfte kaufte er seiner Frau Marie vor der Hochzeit 1614 zur Absicherung deren Alters ab. Die Bezahlung des Kaufpreises wurde ihm gestundet. Da Hans Christof seine zweite Frau Marie um sechs Jahre überlebte, fiel die Forderung aus dem Kaufvertrag teilweise an deren Laubenberg’sche Erben. Hans Christof und später sein Stauffenberg’scher Erbe Hans Jakob bezahlten diese Forderung der Laubenberg’schen Erben nach der wirtschaftlichen Katastrophe und Deflation des Dreißigjährigen Kriegs als besonders drückende Last über viele Jahrzehnte ab.

1630, während des Dreißigjährigen Kriegs (1618–1648) wurde Rißtissen von schwedischen Truppen besetzt, zerstört und 1633 in einem Zuge mit Ehingen und Wilflingen an Friedrich Ludwig Chanofski von Langendorf, einem Spross der heute ausgestorbenen, aus Südböhmen stammenden ritterlichen Familie Chanowsky vorübergehend übertragen. 1634, nach dem Abzug der Schweden aus dem Süden Deutschlands als Folge der Niederlage bei Nördlingen, fielen Wilflingen und Rißtissen wieder an den Stauffenberger zurück. Der katholische Hans Christof war 1629 mit seiner Frau kurz vor dem Einmarsch der protestantischen Schweden bis zu seinem Tode 1638 als kaiserlicher Rat (etwa Botschafter des Kaisers) in die protestantische, stark befestigte und damit verhältnismäßig sichere freie Reichsstadt Ulm gezogen. Da beide Ehen zwischen Hans Christof und den Laubenberger Witwen kinderlos blieben, fiel Rißtissen an seinen Neffen Hans Jakob Schenk von Stauffenberg (* 1614; † 1674 Rißtissen). Hans Jakob hatte die Kriegszeit (1618 - 1648) mit seiner Familie in der freien Reichsstadt Biberach überlebt. Nach dem Westfälischen Frieden zog er 1649 in das verödete und zerstörte Rißtissen. Gerade 68 Seelen sollen damals noch dort gelebt haben. Er verkaufte 1656 sein Gut Rusenberg und finanzierte damit die Ansiedlung von Bauern überwiegend aus dem habsburgischen Tirol und Vorarlberg.

Anekdotisch wird über Streitigkeiten zwischen der katholischen Herrschaft der Schenken und einer ulmischen Bauernfamilie Meister (oder Maister) in Rißtissen berichtet: Als 1615, Anna, die Tochter des in Rißtissen lebenden Ulmer "Hintersaßen" Georg Maister das Osterlied „Christus ist erstanden“ vielleicht aus geheimer zwinglianer Gesinnung nicht mitsingen wollte, ließ Hans Christof von Stauffenberg sie durch seine Beamten im „ulmischen Hof“ (heute vermutlich der Hof des sog. „Ulmbauers“ in der Ulmbauergasse) „annehmen“ (verhaften) und „in die Geigen schlagen“ (den Hintern versohlen). Das löste einen Prozess mit den Baupflegern des Ulmer Münsters aus. Hans Christof musste sich 1617 mit den Ulmern vergleichen. Sein Neffe Hans Jakob bekam 34 Jahre später ähnlichen Ärger, weil er den Bauern Hans Meister, vermutlich den damaligen „Ulmbauern“ und möglicherweise den Bruder der Anna Meister, jedenfalls einem „Niedergerichtsuntertan der Ulmer Kirchenbaustiftung“ 1649 unbefugt davon abgehalten hatte die Gehölze am Bach am Stauffenberg’schen Garten abzuschlagen. Die Ulmer klagten.

Aus der Epoche der Stotzinger, der ausgestorbenen Laubenberger und des ersten Schenken stammen die in die Sakristeiaußenwand der Pfarrkirche eingelassenen Grabsteine.

19. Jahrhundert

Aus Anlass der Schlacht von Elchingen im Herbst 1805 kampierten napoleonische Truppen in Rißtissen. Sie brannten mehrere Bauernhöfe und die Stallungen des damals neuen Schlosses nieder. Die französischen Offiziere waren im Schloss und in den Kavaliershäusern einquartiert. Das bewahrte die Hauptgebäude vermutlich vor dem Schicksal der Stallungen. Der 1834 in Rißtissen geborene Franz August Schenk von Stauffenberg war Abgeordneter und Präsident des bayerischen Landtags in München und ab 1871 Reichstagsabgeordneter und Vizepräsident des Reichstages in Berlin. 1884 war er einer der Mitbegründer der liberalen Deutschen Freisinnigen Partei und damit einer der Gegenspieler Otto von Bismarcks. Er starb 1901 in Rißtissen.

20. Jahrhundert

Während des Zweiten Weltkriegs befand sich im Osten des Ortes, südlich der Straße nach Ersingen ein militärischer Behelfsflughafen (Einsatzhafen II. Ordnung). Im September 1938 war mit den Bauarbeiten begonnen worden, zu Kriegsbeginn 1939 war der Flugplatz dann bedingt einsatzbereit. Am östlichen Ortsrand von Rißtissen war eine Flakbatterie mit vier 8,8-cm-Flugabwehrkanonen und mit den dazugehörigen Flakscheinwerfern in Stellung gebracht worden. Die Unterkünfte befanden sich zum Teil im Schloss Rißtissen, aber überwiegend in Ersingen. Kurz vor Kriegsende, am 18. April 1945, wurde der Platz von 72 Bombern des Typs Martin B-26 Marauder der französischen Luftwaffe angegriffen. Die wenigen nach diesem Splitterbombenangriff noch flugtauglich gebliebenen deutschen Jagdflugzeuge vom Typ Bf 109 G/K der zweiten Gruppe des erst kurz davor vom deutschen Luftwaffenstützpunkt Seyring bei Wien nach Rißtissen und dem Flugplatz Laupheim verlegten Jagdgeschwaders 53 Pik As (II. JG 53) unter dem Gruppenkommandeur Major Julius Meining gelang buchstäblich in letzter Minute am 20. April 1945, dem Tag des Einmarsches der französischen Truppen in Rißtissen, die Flucht auf dem Luftwege nach Schongau. Eine Woche später wurde die Staffel aufgelöst. Zu den Jagdfliegern dieser Gruppe zählte auch das Fliegerass Oberleutnant Herbert Rollwaage mit 71 bestätigten Abschüssen. Am 15. Mai 1945 stürzte eine amerikanische Transportmaschine vom Typ Douglas DC-3 in der militärischen Version C-47 beim Landeanflug ab und wurde vollkommen zerstört. Heute erinnert außer einigen stark beschädigten und verwitterten Betonfundamenten im Löcherwald nichts mehr an diesen Flugplatz. Nach Kriegsende im Mai 1945 war Rißtissen der französischen Besatzungszone zugeteilt. Wiederum, wie vor der Schlacht von Elchingen (1805) hatten französische Offiziere das Schloss in Rißtissen als Unterkunft und Messe ausgewählt. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden 1947 Vertriebene aus dem damaligen West- und Ostpreußen in Rißtissen aufgenommen. Einige dieser Familien wurden im Schloss untergebracht. Zu ihnen zählte die Familie des Landwirts Johannes Wiens aus Altfelde, Kreis Marienburg im damaligen Westpreußen (heute Polen). Er hat 1952 schriftlich über seine am 23. Januar 1945 in Altfelde begonnene Flucht vor der Roten Armee berichtet. Sein Fluchtbericht endet 1947 in Rißtissen.[5]

Verkehrsanbindung

Rißtissen liegt abseits der großen Straßenverkehrsströme, ist aber über Kreisstraßen recht gut an diese angebunden. Ebenfalls über Kreisstraßen erreicht man die nächsten Städte Laupheim (6 km), Ehingen (12 km) und Ulm (21 km). Die nächstgelegenen Fernstraßen sind die Bundesstraßen B30, B311 und B465.
Mit dem öffentlichen Personennahverkehr des Donau-Iller-Nahverkehrsverbundes gelangt man per Bus (Linie 225) nach Laupheim und Ehingen. Dort besteht dann Anschluss an das Schienennetz der Deutschen Bahn. Im Stundentakt besteht von Laupheim vernetzter Anschluss an die nächste ICE-Station am Ulmer Hauptbahnhof in etwa 20 km Entfernung und in 80 km Entfernung nach Süden nach Friedrichshafen am Bodensee.

Der nächste Flughafen mit nationalen und internationalen Linienflügen ist der mit der Bahn vom Bahnhof Laupheim-West erreichbare Regional-Flughafen Friedrichshafen (80 km). Die nächsten Großflughäfen sind der Flughafen Stuttgart (100 km), der Flughafen München (rund 160 km), sowie der Flughafen Zürich (180 km).

Gebäude und Einrichtungen

Schloss Stauffenberg, ca. 1850
Schloss Stauffenberg, Hauptgebäude (links) und eines der Kavaliershäuser (rechts), dahinter die Kirchturmspitze der Pankratiuskirche
  • Stauffenberg’sches Schloss: 1275 erstmals als Herrensitz erwähnt. Der Vorvorgängerbau des heutigen Schlosses wurde im Dreißigjährigen Krieg von den Schweden zerstört. Hans Jakob von Stauffenberg baute nach 1650 an gleicher Stelle ein einfaches rechteckiges Haus mit vier Rundtürmen. Um 1784 begann Reichsfreiherr Hugo Damian Anton Schenk von Stauffenberg, neben Rißtissen auch Herr auf Jettingen, Wilflingen, Lautlingen und Geislingen (bei Balingen) mit dem Bau der neuen Kirche, dem Vorgängerbau des heutigen Pfarrhauses und mit der Ausführung der heutigen Schlossanlage im Louis-seize- oder Zopfstil. Dabei wurde das nicht mehr dem Geschmack der damaligen Epoche entsprechende Haus des Hans Jakob abgerissen.
    Schloss Stauffenberg, Frontalansicht des Hauptgebäudes
    Die neue Anlage besteht aus einem rechteckigen, dreistöckigen, schlichten Hauptgebäude mit dreiachsigem, angedeutetem Mittelrisalit und ebenfalls angedeudeten einachsigen Eckrisaliten. Zwei spiegelbildlich zur Quermittelachse des Haupthauses angeordnete schlichte, zweistöckigen Kavaliershäuser bilden zusammen mit dem Haupthaus den Ehrenhof. Das Allianzwappen im zentralen Giebelfeld des Haupthauses ist das der Erbauer, (des 1791 gegraften) Reichsgrafen Hugo Damian Anton Schenk von Stauffenberg und seiner Frau der Reichsgräfin Antonie von Kageneck. Antonie war Tante des österreichischen Staatskanzlers Fürst von Metternich. Der Giebel des Mittelrisalits der Rückfront des Haupthauses zeigt die Initialen der Namen der Erbauer in Form einer Zopfgirlande. Der englische Park wurde um 1820 nach dem Erwerb und Abriss mehrerer Bauernhöfe entlang des heute durch den Park verlaufenden Baches und der Riß durch den Sohn des Erbauers des Schlosses, Reichsgraf Clemens Wenzeslaus Schenk von Stauffenberg nach einer Skizze von Friedrich Ludwig von Sckell durch den in England ausgebildeten Rißtisser Landschaftsgärtner Klank angelegt. Klank war eine unverwechselbare Gestalt im damaligen Rißtisser Straßenbild, weil er sich nach der neuesten englischen Mode mit grauem Zylinder und rotem Gehrock zu kleiden beliebte. Er muss wie das Ebenbild Johnnie Walkers, der emblematischen Figur einer schottischen Whiskymarke ausgesehen und damit fast noch mehr Aufsehen als durch den Bau des englischen Parkes im Dorf erregt haben. Kurz nach dem zweiten Weltkrieg baute der Rißtisser Kunstschreiner Mißler, dessen Haus im Biedermeyer Stil noch heute in der Ersingerstraße zu bewundern ist, das barocke Treppengeländer aus dem zum Abbruch bestimmten Pfarrhaus aus und in das Haupttreppenhaus des Schlosses ein. Franz Schenk Freiherr von Stauffenberg baute 1920 das dem Schloss gegenüberliegende ehemalige Verwalterhaus, das heute von einem Mitglied der Familie Stauffenberg bewohnt wird. Insgesamt waren die Schenken von Stauffenberg von 1613 bis zum Reichsdeputationshauptschluss 1803 reichsritterschaftliche Inhaber der Herrschaft Rißtissen. Sie übten die niedere Gerichtsbarkeit aus. Napoléon Bonaparte erzwang indirekt durch den Artikel 7 des Friedensvertrages von Lunéville und den dadurch ausgelösten Reichsdeputationshauptschluss (1803) zunächst bis 1810 die Mediatisierung Rißtissens unter die Krone Bayerns und danach unter die Krone Württembergs. Das Schloss mit Feld und Wald steht auch heute im Eigentum der Schenken von Stauffenberg.
Leonhardskapelle, Altar aus dem 15. Jahrhundert
  • Friedhofskapelle St. Leonhard: Die Friedhofskapelle St. Leonhard von 1438, damals außerhalb des Ortes gelegen,
    Friedhofskapelle St. Leonhard
    gehörte wie schon das Patrozinium vermuten lässt, ursprünglich zu einem mittelalterlichen Leprosenhaus das vom Ulmer Heilig-Geist-Spital für Aussätzige gestiftet worden war. Das Leprosenhaus wurde aufgegeben, weil die Lepra im 15. Jahrhundert in Mitteleuropa stark zurückgegangen war. 1784 beim Bau der heutigen Pfarrkirche wurde der Friedhof von der Pfarrkirche zur St. Leonhardskapelle verlegt. Die Kapelle birgt heute Einrichtungen, die vermutlich aus der 1784 abgerissenen spätgotischen Pfarrkirche stammen. Ein bemerkenswertes Kunstwerk ist der mit „Jacob Acker“ und mit der Jahreszahl 1483 signierte Altar („Jacob acker maler zu Ulm hat diese Dafel gemacht uf der haillgen Kreutz tag an herst. MCCCCLXXXIII jar“), auf dem auch die zweite Ortspatronin, die Heilige Dorothea dargestellt ist. Vermutlich wurde dieser Altar von den Stotzingern im 15. Jahrhundert für die vormalige gotische Pfarrkirche mit der Kopatronin St. Dorothea gestiftet. Über den Maler Jacob Acker d. J. ist kaum etwas bekannt. Nicht einmal, ob er ein Enkel des bekannten Ulmer Glasmalers Jakob Acker der Ältere oder ein Sohn des ebenfalls Ulmer Glasmalers Hans Acker war, deren beider Fenster noch heute im Ulmer Münster bewundert werden können. Es ist zu vermuten, dass er ein Spross dieser weitverzweigten Ulmer Künstlerfamilie war. Wie andere Mitglieder der Ackerfamilie arbeitete auch er für das Ulmer Münster. 1473 bemalte er dort die Flügel der Hauptorgel. Diese Orgel wurde zusammen mit 60 Altären, die möglicherweise auch einige Bildtafeln von Jacob Acker d. J. enthielten im Sommer 1531 am so genannten „Götzentag“ von den unter dem radikalen Einfluss Zwinglis reformierten Ulmer Bilderstürmern vernichtet. Jacob Acker d. J. wird der Ulmer Schule zugerechnet. Rißtissen hat eine Straße nach ihm benannt.
Josefskapelle
  • Josefskapelle: Die bei der Bevölkerung beliebte und häufig besuchte Josefskapelle wurde von dem Obstgärtner Karlo Braig um 1980 errichtet. Sie befindet sich westlich des Golfplatzes an der Gemarkungsgrenze zu Griesingen. Ihr Innenraum wurde von Pfarrer Nikolaus Stark ausgemalt.
  • Katholische Pfarrkirche Sankt Pankratius und Dorothea: Die Kirche soll auf den Fundamenten eines römischen Tempels erbaut sein.[6] Freiherr Hugo Damian Anton ließ 1784 die baufällige gotische Kirche aus dem 15. Jahrhundert abtragen. Der solide, mittelalterliche Kirchturm, blieb erhalten. Sein gotischer Helm wurde durch eine barocke Zwiebel ersetzt. Beim Abriss wurden die bereits erwähnten sieben römischen Reliefsteine (Spolien) entdeckt, die dann in die Außenmauer der neuen Kirche sichtbar eingelassen wurden. Graf Anton Schenk von Stauffenberg ließ den die alte Kirche umgebenden Friedhof zur Leonhardskapelle an der Ehingerstraße verlegen und die Toten umbetten. Schließlich wurde nach Plänen des im benachbarten Erbach tätig gewesenen, aber damals schon verstorbenen tiroler Baumeisters Franz Kleinhans, eines Schülers des Baumeisters Johann Georg Fischer, die neue Kirche erbaut. Während der langen Bauzeit las Pfarrer Franz Xaver Hensinger (1768–1802) die Messen in einer Scheune. Die Zahl MDCCLXXXVII (1787) über dem Haupteingang der Kirche bezeichnet das Vollendungsjahr des Baues. Die neue Kirche wurde wegen der durch die französische Revolution und Napoleon unruhigen Zeiten zunächst nur benedeziert und erst am 22. Mai 1830 geweiht. An die Apsis an der Ostseite ist die Begräbnisstätte (Gruft) der Familie Stauffenberg angegliedert (1878).
  • Römermuseum in der Schule Rißtissen: In dem kleinen Museum in der Schule, also innerhalb der Grenzen des ehemaligen römischen Kastells fanden einige der Funde aus dem Kastell- und Vicusbereich von Riusiava Aufnahme. Weitere Funde befinden sich im Museum der Stadt Ehingen und im Württembergischen Landesmuseum Stuttgart.
  • Wasserturm

Vereine

  • TSV Rißtissen (Turn- und Sportverein, seit 1926)
  • Heimat- und Dorfverschönerungsverein Rißtissen (seit 1987)
  • Musikverein Rißtissen (seit 1926)
  • Förderverein Musikverein Rißtissen (seit 1998)
  • Männergesangverein „Liederkranz“ Rißtissen (seit 1862)
  • Feuerwehr-Förderverein Rißtissen (seit 1994)
  • Katholischer Frauenbund Rißtissen (seit 1974)
  • Katholischer Kirchenchor Rißtissen
  • Breaker-Club Rißtissen (seit 1988)
  • Golfclub Donau-Riß (seit 2005)
  • Nabu Gruppe Rißtissen (seit 2004)

Golfplatz

Driving Range des Golfplatzes
Driving Range

Im Mai 2006 begann der Golfclub Donau-Riß auf einem ungefähr 82 ha großen, von der Stadt Ehingen und vom Freiherrn von Stauffenberg gepachteten Gelände im Südwesten des Dorfes mit dem Bau des Golfplatzes. Der Golfarchitekt Robert Trent Jones Jr aus Kalifornien. hat den 18-bahnigen Platz für den Golfclub Donau-Riß mitkonzipiert. Der Platz zeichnet sich durch eine ungewöhnlich hohe Zahl von „Bunkern“, also Spielhindernissen aus. Im Süden des Golfplatzes befindet sich das Clubhaus und der Übungsbereich mit einer Driving Range (zum Üben der langen Schläge), Pitching Grüns (zum Üben der kurzen Schläge), Putting Grüns (zum Üben der ganz kurzen Schläge) und drei Kurzbahnen für Anfänger. Der Platz ist seit Juli 2007 in Betrieb.

Weitere Illustrationen

Anmerkungen

  1. Rißtissen im Zusammenhang imperialer Planungen nach Kemkes, 1996 und 2005, a. a. O.
  2. Knorr, Germania 16, 1932; de Gruyter, Berlin; S. 143 f.)
  3. Oscar Paret: Württemberg in vor- und frühgeschichtlicher Zeit. S. 402. Kohlhammer, Stuttgart 1961.
  4. Kemkes 2005, a. a. O.
  5. Fluchtbericht des Landwirtes Johannes Wiens
  6. Gerd Wunder: Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde, Band 11. Müller und Gräff, 1972.

Literatur

  • Martin Kemkes: Ehingen-Rißtissen. In: Dieter Planck (Hrsg.): Die Römer in Baden-Württemberg, S. 65ff. Theiss, Stuttgart 2005. ISBN 3-8062-1555-3
  • Martin Kemkes: Das Kastell Rißtissen und die militärische Sicherung der Donau im 1. Jahrhundert. In: Ulmer Museum (Hrsg.): Römer an Donau und Iller. Neue Forschungen und Funde, S. 9ff. Thorbecke, Sigmaringen 1996. ISBN 3-7995-0410-9
  • Philipp Filtzinger: Ehingen-Rißtissen. In: Die Römer in Baden-Württemberg. 3. Auflage, S. 272ff. Theiss, Stuttgart 1986. ISBN 3-8062-0287-7
  • Iris Radi: Katholische Pfarrkirche Sankt Pankratius und Dorothea, Rißtissen. Schnell & Steiner, München und Zürich 1989. ISBN 3-7954-5510-3
  • Wolfgang Lipp: Der Weg nach Santiago. Jakobuswege in Süddeutschland, Süddeutsche Verlagsgesellschaft. Ulm 1991. ISBN 3-88294-164-2
  • Gerhilde Fleischer (Hrsg.): Jakobusweg II: Ulm – Oberdischingen – Äpfingen – Biberach – Steinhausen – Bad Waldsee. 4. Auflage. Ostfildern, Schwabenverlag 2006. ISBN 3-7966-0905-8
  • Gerd Wunder: Die Schenken von Stauffenberg. Eine Familiengeschichte. Mueller & Graeff, Stuttgart 1972.

Periodika

  • Mitteilungsblatt Gemeinde Rißtissen. Urban, Ulm seit 1973.

Weblinks

  • Rißtissen auf der offiziellen Webseite von Ehingen

48.266259.83138888888897Koordinaten: 48° 16′ N, 9° 50′ O


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