Rothschild-Spital

Rothschild-Spital

Das ehemalige Rothschild-Spital ist vor allem bekannt im Zusammenhang mit Viktor Frankl und war zu seiner Zeit eines der modernsten Spitäler in Wien.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Da das bisherige jüdische Spital in der Seegasse im 9. Wiener Gemeindebezirk mit seinen 40 Betten für die steigende Zahl der Wiener Juden nicht mehr ausreichte und schon veraltet war, beschloss Anselm Salomon von Rothschild, der Israelitischen Kultusgemeinde Wien ein neues Krankenhaus mit 100 Betten zu stiften.

Bedingung für diese Schenkung und auch der Beteiligung an den Erhaltungskosten war, dass mittels einer Inschrift an der Außenseite des Gebäudes sichtbar gemacht werden sollte, dass dieses Krankenhaus zum Andenken an seinen verstorbenen Vater Salomon Freiherr von Rothschild gegründet worden war. Besiegelt wurde diese Vereinbarung am 17. Jänner 1869.

Planung

Von Beginn an war klar, dass bei diesem Bauwerk die neuesten Erkenntnisse des Krankenhausbaus berücksichtigt werden sollten. Zu diesem Zweck wurden Doktor Albert Matzel, ein Vorstandsmitglied der Israelitischen Kultusgemeinde Wien und Doktor Bernhard Wölfler, beide Ärzte, auf eine Studienfahrt durch Europa geschickt.

Die Reise dauerte 40 Tage, begann am 19. Juni 1869 in Wien und führte durch 19 Städte und 61 Spitäler.

Der Architekt Wilhelm Stiassny wurde mit der Planung des neuen Krankenhauses beauftragt. Zu den neuen Erkenntnissen, welcher er zu berücksichtigen hatte, gehörte der Einbau von Wasserspültoiletten, Gasbeleuchtung, Dampfkochapparaten für Küche und Wäscherei sowie helle und gut belüftete Räume.

Bau

Erbaut wurde das Spital an der neu angelegten Währinger Gürtelstraße (heute: Währinger Gürtel) auf einem Grundstück, auf dem sich einst eine kaiserliche Baumschule befunden hatte. Begrenzt wurde es von der Herrengasse (heute Gentzgasse) im Süden und der Döblingerstraße (seit 1894 Semperstraße) im Westen.

Mit den Aushubarbeiten wurde am 19. Juli 1870 begonnen und am 2. Juni 1871 die Gleichenhöhe erreicht. Im Herbst des Jahres 1872 waren die Bau- und Installationsarbeiten so weit fortgeschritten, dass man an die Eröffnung denken konnte. Um das Mauerwerk ordentlich austrocknen zu lassen und die Heizung und andere Installationen erproben zu können, wurde für die Schlusssteinlegung der 9. März 1873 und den ersten Tag der Benützung der 1. April des gleichen Jahres festgelegt.

Die Eröffnung fand dann anlässlich des Pessach-Festes am 10. April 1873 statt. Die Patienten aus dem alten Krankenhaus in der Seegasse 9 hatte man am Tag davor ins neue Spital verlegt. Bei dieser feierlichen Grundsteinlegung wurde in der Eingangshalle eine Tafel aus Marmor zum Gedenken an den Vater des Spenders enthüllt und auch an der Fassade des Gebäudes fand sich der geforderte Hinweis auf den Vater.

Betrieb

Ursprünglich waren Kinder unter 8 Jahren, Schwangere in den letzten beiden Monaten, stillende Mütter, zweifellos Geisteskranke sowie unheilbar Kranke von der Aufnahme ausgeschlossen. Als am 1. Jänner 1903 der chirurgisch-medizinische Pavillon eröffnet wurde, änderte sich dies aber.

Finanziert wurde das Spital aus Spenden, Stiftungen, Zahlungen von Patienten und Zuschüssen der IKG Wien. Allerdings wurden nach dem Jahr 1918 die Stiftungen fast wertlos, so dass die Kultusgemeinde den Spitalsbetrieb durch Spenden und Mitgliedsbeiträge finanzieren musste.

Zwölf Jahre lang war dem Spital auch das „Kaiserin Elisabeth-Institut für israelitische Krankenpflegerinnen“ angeschlossen, in dem jüdische Frauen und Mädchen zu Krankenschwestern ausgebildet werden sollten.

Als Primarärzte waren hier Professor Doktor Leopold Oser und später Professor Doktor Otto Zuckerkandl tätig. 1902 gestattete die Kultusgemeinde dem Primararzt Zuckerkandl sowie dem Laboratoriumsvorstand Doktor Katz Vorträge für Ärzte und Studenten im Spital abzuhalten. 1932 wurden monatliche Seminarabende eingeführt. Gemeinsam mit praktischen Ärzten wurden interessante medizinische Fälle diskutiert, die während des letzten Monats vorgekommen waren.

Der Anschluss Österreichs an das Dritte Reich beendete diese Lehrtätigkeit. Am 6. April 1938 erging an alle Rektorate der Universitäten in Österreich die Weisung, die Lehrbefugnis jüdischer Privatdozenten bis auf weiteres zu widerrufen. Das Reichsbürgergesetz vom 25. Juni 1938 ließ die Bestallungen jüdischer Ärzte ab dem 30. September erlöschen. Außerdem durften sich jüdische Ärzte nicht mehr als Arzt bezeichnen, sondern „Krankenbehandler“.

Das Rothschild-Spital war während der NS-Zeit das einzige Krankenhaus in Wien, das jüdische Patienten aufnehmen durfte. Ärzte, die konnten oder wollten, emigrierten ins Ausland. Razzien der SA dienten der Kontrolle, ob die Patienten tatsächlich eine Spitalsbehandlung nötig hatten oder sich nur einer möglichen Deportation entziehen wollten. Bei dieser Gelegenheit wurde auch gleich kontrolliert, ob sich nur jüdische Personen im Krankenhaus aufhielten. Ariern war nämlich das Betreten verboten.

Nachdem der Chef der Neurologie nach England ausgewandert war, wurde Doktor Viktor Frankl, Neurologe und Psychiater, zum Primar ernannt. Er übte diese Tätigkeit von 1940 bis zu seiner Deportation nach Theresienstadt im Jahr 1942 aus.

nach 1945

1945 wurde das Krankenhaus durch mehrere Bombentreffer schwer beschädigt. Mit Hilfe von vielen Stellen (US-Militärregierung, Republik Österreich, …) wurden die schwersten Schäden wieder in Ordnung gebracht und der Gebäudekomplex als DP-Lager für jüdische Flüchtlinge genutzt. Verschiedene Flüchtlingswellen von Juden im Rahmen der Beriha (1946 Juden aus Polen, 1947 Juden aus Rumänien, 1948/1949 Juden aus Ungarn) verschärften die Situation in dem beschädigten Gebäude. Zwischen 1945 und 1952 wurden ungefähr 250.000 jüdische Flüchtlinge in diesem provisorischen Flüchtlingslager betreut.

1949 stellte die Israelitische Kultusgemeinde Wien einen Antrag auf Rückstellung des Rothschild-Spitals in ihr Eigentum, was am 29. März 1949 auch geschah. Man plante einen Wiederaufbau des Krankenhauses, der aber aus finanziellen Gründen nicht zustande kam.

Während des Volksaufstands in Ungarn 1956 wurden hier noch einmal Flüchtlinge betreut.

Ende der 1950er-Jahre wurde das ehemalige Spital an die Wiener Handelskammer (heute Wirtschaftskammer Wien) verkauft. Eine Adaptierung des Gebäudes für die Bedürfnisse des WIFI, das bisher in der nahe gelegenen Severingasse untergebracht war, wurde als unrentabel und unzweckmäßig angesehen, und daher erfolgte 1960 der Abbruch. Der Neubau wurde 1963 fertiggestellt und später erweitert.

Literatur

  • Erich Stern: Die letzten zwölf Jahre Rothschild-Spital Wien 1931 - 1943, Europäischer Verlag Wien 1974. [1]
  • Michael Heindl (Hrsg.): 125 Jahre Rothschild-Spital, Dagobert-Verlagsgesellschaft Wien 1998, ISBN 3-901119-03-5.

Einzelnachweise

  1. werkblatt Timothy Pytell: Was nicht in seinen Büchern steht - Bemerkungen zur Auto-Biographie Viktor Frankls, Werkblatt 39, 2/1997, siehe Bibliographie.

Weblinks


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