Rundsteuerung

Rundsteuerung

Die Rundsteuertechnik (engl. ripple control) dient zur Fernsteuerung von Verbrauchern durch Energieversorgungsunternehmen (EVU). Als Übertragungsweg für die Steuerbefehle wird das vorhandene Stromversorgungsnetz verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Prinzip

Einspeisewandler an 110/10-kV-Transformator
Drehstromzähler mit Rundsteuerempfänger

Die Übertragung der Steuerbefehle erfolgt durch Impulsfolgen im Frequenzbereich von 110 Hz bis etwa 2000 Hz, die der Netzspannung mit einer Amplitude von ca. 1 bis 4% der jeweiligen Nennspannung überlagert werden (zulässig sind frequenzabhängig bis zu 9% [1]). Die EVU-eigene Rundsteuerfrequenz wird zur Übertragung nach einem bestimmten Code (Impulsraster) ein- und ausgeschaltet, wodurch ein Impulstelegramm entsteht. Je nach eingesetztem Code sind diese Impulsraster unterschiedlich aufgebaut und liegen mit ihren kürzesten Laufzeiten bei 6,6 Sekunden (Decabit von Zellweger) und ihren längsten Laufzeiten im Minutenbereich.

Prinzipiell sind alle zentralen Punkte im Netz des EVU von der Niederspannungs- bis zur Hochspannungsebene zur Einspeisung des Impulstelegramms geeignet. Realisiert wird eine solche Einspeisung mit einer Sendeanlage, die aus einem Sender und einer Ankopplungseinrichtung besteht. Die Leistung eines Rundsteuersenders für Mittelspannungsankopplung liegt bei 80 bis 200 kVA, für Hochspannungsankopplung bei bis zu 2.400 kVA[2].

Normen und VDEW-Empfehlungen geben vor, nach welchen Kriterien eine Rundsteuer-Sendeanlage zu dimensionieren bzw. zu betreiben ist und wie hoch die zu überlagernde Amplitude der Rundsteuerfrequenz maximal sein darf. Zum Beispiel werden in der Norm „EN 50 160“ die Grenzwerte und Toleranzen für die Spannungsqualität in öffentlichen Elektrizitätsversorgungsnetzen definiert. Welche Rundsteuerfrequenz bei einem deutschen EVU zum Einsatz kommt, wird vom VDEW-Frequenzberater vorgeschlagen.

Folgende Systeme werden eingesetzt[3]. Ricontic, Landis & Gyr, Semagyr, SemagyrTOP, RWE, Sauter, Pulsadis, TELENERG, Versacom, ZPA, ZAG 60, ZAG 180 und Decabit.

Empfänger

Dem fernzusteuernden Verbraucher ist ein spezieller Empfänger (Rundsteuerempfänger) vorgeschaltet, der die Impulstelegramme wieder aus dem Netz ausfiltert und daraus die gewünschte Steuerinformation ableitet. Der Rundsteuerempfänger kann auch in einem Zähler integriert oder in "Huckepack"-Bauweise auf dem Klemmendeckel eines Zählers montiert sein. Moderne elektronische Rundsteuerempfänger sind heutzutage in der Lage, bei Ausbleiben eines Impulstelegramms (z. B. bei Störungen im Stromnetz) zu lernen und nach einer fest hinterlegten Zeit die gewünschten Steuerinformationen abzuleiten und somit selbstständig vor Ort den oder die Verbraucher zu schalten.

Anwendung

Anwendung findet die netzgebundene Rundsteuertechnik vor allem für die Umschaltung von speziellen Mehrtarif-Stromzählern in den so genannten Niedertarifstrom und gleichzeitiger Zuschaltung leistungsstarker Verbraucher beim Kunden, vornehmlich Nachtspeicherheizungen. Zweck ist, überschüssige Kapazitäten der in der Leistung nur langsam regelbaren Kraftwerke in den so genannten Schwachlastphasen auszunutzen.

Auch Industrietarife und öffentliche Beleuchtungsanlagen (teilweise getrennt nach "Nacht-" und "Halbnachtschaltung") werden zum Teil darüber geschaltet. Der ursprüngliche Sinn dieser Nachtstromtarifumschaltung bekommt durch die Liberalisierung im Strommarkt eine neue Bedeutung.

Weiterhin können störungsbedingte Änderungen in der Stromerzeugung und -verteilung mit der Rundsteuertechnik durch Eingriffe auf der Verbraucherseite – innerhalb gewisser Grenzen – aufgefangen werden. So kann z. B. ein selektiver Lastabwurf von weniger wichtiger Netzlast bei Leistungsmangel das Abschalten lebenswichtiger Verbraucher verhindern.

Spezielle mit einem Schütz gekoppelte Rundsteuerempfänger gestatten es, zu Inkassozwecken bei ausbleibenden Zahlungen die betreffende Kundenanlage ferngesteuert vom Netz zu trennen.[4]

Vor der Einführung von drahtlosen Meldegeräten (Funkmeldeempfänger, Mobilfunk usw.) wurden vereinzelt tragbare Rundsteuerempfänger zur Alarmierung bei Bereitschaftsdiensten und Feuerwehren eingesetzt. Diese Geräte gaben nach Aussendung eines speziellen Rundsteuertelegramms optisch und akustisch Alarm. Der zu alarmierende hatte sich dazu stets im Netzbereich des Versorgungsunternehmens an einem Standort aufzuhalten, an dem Netzspannung zur Verfügung steht. Heute ist diese Anwendung weitgehend durch Funkempfänger abgelöst.

Analysemöglichkeiten

Die Signale von Tonfrequenz-Rundsteueranlagen (TRA) können im Stromnetz mit Hilfe entsprechender Messgeräte empfangen und analysiert werden. Einige wenige Firmen – hauptsächlich Hersteller, die auch Rundsteueranlagen anbieten – liefern Geräte und Systeme hierzu (siehe Weblink).

Einzelnachweise

  1. Salzburg Netz GmbH - Meisterkurve (Seite 94, Bild 8-1)
  2. Elster Messtechnik - Rundsteuersender und -ankopplungen
  3. Rundsteuersysteme
  4. Elster Messtechnik - Verbraucherabschalteinheit

Siehe auch

Literatur

  • Ernst-Robert Paessler: Rundsteuertechnik. Publicis Corporate Publishing, 1994, ISBN 3-89578-004-9. 
  • Adolf J. Schwab: Elektroenergiesysteme: Erzeugung, Transport, Übertragung und Verteilung Elektrischer Energie. 1 Auflage. Springer, Berlin 9. August 2006, ISBN 978-3-5402-9664-5. 
  • A. Dennhardt: Grundzüge der Tonfrequenz-Rundsteuertechnik und ihre Anwendung. Verlags- und Wirtschaftsgesellschaft der Elektrizitätswerke mbH (VWEW), 1971, ISBN 978-3-8022-3001-1. 

Weblinks


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