Russische orthodoxe Kirche

Russische orthodoxe Kirche
Sophienkathdrale im Nowgoroder Kreml: das zweitälteste erhaltene Gebäude einer russisch-orthodoxen Kirche

Als Russisch-Orthodoxe Kirche (russisch Русская Православная Церковь), wiss. Transliteration Russkaja Pravoslavnaja Cerkov') werden zumeist die autokephale orthodoxe Kirche von Moskau und ganz Russland (Patriarchat von Moskau und ganz Russland) und die ihr nachgeordneten Kirchen bezeichnet. Sie bilden gemäß dem allen orthodoxen Kirchen gemeinsamen Glaubensbekenntnis zusammen mit den anderen orthodoxen Kirchen die Eine, Heilige, Katholische und Apostolische Kirche. Vor allem durch ihre lange eigenständige Tradition entwickelten sie einen eigenen Charakter. Der Patriarch als Vorsteher hat seinen Sitz im Danilow-Kloster in Moskau, größter russisch-orthodoxer Kirchenbau ist die Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Entstehung

Russisch-orthodoxes Kreuz. Der untere, schräge Querbalken symbolisiert den Übergang von Hölle zum Himmel.
Die Orthodoxe Nikolauskirche in Frankfurt am Main-Hausen

Entstanden ist die Russisch-Orthodoxe Kirche, als Großfürst Wladimir I., Herrscher der Kiewer Rus, 988 die Taufe empfing und seine Untertanen taufen ließ.

Die ersten Metropoliten kamen aus Griechenland und Bulgarien. Metropolitensitz war zuerst Kiew, ab 1326 auf Wunsch des Metropoliten Peter Moskau. Der letzte griechische Metropolit war Isidor von Kiew, der 1441 wegen seiner Zustimmung zur Kirchenunion von Florenz vom Moskauer Großfürsten Wassili II. abgesetzt wurde. Am 15. Dezember 1448, fünf Jahre vor dem Fall des bereits zunehmend handlungsunfähigen Konstantinopel, wählte die Synode der russischen Bischöfe ohne voriges Einverständnis des Patriarchen von Konstantinopel Bischof Iona von Rjazan zum „Metropoliten von Kiew und ganz Russland“, was eine faktische Trennung von der byzantinischen Mutterkirche bedeutete. Im Januar 1589 schlug eine Moskauer Kirchensynode dem Zaren Fjodor I. drei Kandidaten für die Besetzung des neu errichteten Patriarchats in Moskau vor. Der Zar wählte den bisherigen Moskauer Metropoliten Iov. Eine ökumenische Synode in Konstantinopel unter Beteiligung aller Patriarchen der Ostkirche bestätigte 1590 die Errichtung des neuen Patriarchats in Moskau und wies ihm – nach Jerusalem – den fünften Rang zu.

Aufgrund seiner vielen Kirchen und Klöster und seiner Bedeutung für die orthodoxe Christenheit war Kiew seit dem Mittelalter als Jerusalem des Nordens bezeichnet worden (heute hört man häufiger Jerusalem des Ostens). Ferner wird Kiew aufgrund seiner geschichtlichen Rolle als Mutter aller russischen Städte bezeichnet. Trotzdem gibt es auch heute um das Patriarchat von Kiew in der Ostkirche Streit. [1]

Spaltung

1652 initiierte der damalige Patriarch Nikon die erste Reform des russischen Ritus. Es wurde behauptet, der russische Ritus wäre – wegen Fehlern beim Kopieren der Kirchenbücher – abgewichen vom griechischen Urtext und Ritus. Dieser Standpunkt diente für Nikon und seine Anhänger als Rechtfertigung, Kirchenreformen durchzuführen. Diejenigen, die die Rechtmäßigkeit dieser Revisionen bestritten, wurden auf dem Konzil von 1666–1667 mit dem Anathema belegt. Diese Ereignisse haben zu einem Schisma geführt, und seitdem existieren die Altorthodoxen (auch Altritualisten oder Altgläubigen genannt) getrennt von der Großkirche. Gegner dieser Kirchenreformen wurden verfolgt, und Zehntausende wurden hingerichtet. 1971 hat die Großkirche vom Patriarchat Moskau den Fluch über den altrussischen Ritus aufgehoben.

Abschaffung des Patriarchats

Bereits 1721, 132 Jahre nach Gründung des Patriarchats, wurde der Patriarch unter dem westlich denkenden Zaren Peter dem Großen nach deutsch-lutherischem Vorbild durch einen Heiligen Synod ersetzt, der weltlicher Kontrolle unterstand. Die Folge war eine immer stärkere Verweltlichung der Kirche und ihre Verquickung mit dem russischen Establishment; als Sprecherin der Armen und Unterdrückten fiel sie damit weitgehend aus.

Wiedereinführung des Patriarchats

Nach der ersten russischen Revolution 1905 entstanden in der Kirche allmählich weitreichende Reformbestrebungen. Daraufhin wurde 1917 das Patriarchat wieder eingeführt und mit dem zuvor lange in den USA lebenden Erzbischof Tichon besetzt, der als modern und tatkräftig galt; 1918 wurde die Trennung von Kirche und Staat in Russland vollzogen. Die meisten weiteren geplanten Reformen fanden wegen der einsetzenden Verfolgung nicht mehr statt, die damaligen Pläne werden aber teilweise seit dem Ende der Sowjetunion vorsichtig wieder aufgegriffen.

Sowjetzeit

In der Sowjetunion war das Verhältnis von Kirche und Staat meist sehr gespannt, besonders in den frühen Jahren gab es massive Christenverfolgungen, unter Lenin und Stalin Massenhinrichtungen und Deportationen in die Konzentrationslager des Gulag. 1936 gab es weniger als ein Dutzend Kirchen, in denen noch regelmäßig die Liturgie gefeiert wurde („arbeitende Kirchen“). Erst seit dem Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche wieder eingeschränkt geduldet, hatte aber stets mit Unterdrückungsmaßnahmen zu rechnen. Eine Reihe von Exilgemeinden betrachtete die russische Kirche als hoffnungslos von Kommunisten durchsetzt und spaltete sich daher als Russisch-Orthodoxe Auslandskirche ab. Nach zahlreichen Versöhnungsversuchen seit dem Jahr 2003, wurde die Spaltung am 17. Mai 2007 in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale, in Gegenwart des New Yorker Metropoliten Lavr und des Patriarchen Alexius II. und im Beisein von Russlands Präsident Wladimir Putin, offiziell für beendet erklärt.

Am 27. Januar 1964 verkaufte die Sowjetunion das in Israel befindliche Eigentum der russisch-orthodoxen Kirche im Umfang von 4,5 Mio. US-Dollar an Israel. Dieses stammte größtenteils noch aus der Zarenzeit, in der es von Russland aus ein sehr reges Pilgerwesen ins heilige Land gegeben hatte.

Gegenwart

Das Landeskonzil von 1991 wählte Alexius II. zum Patriarchen der Russischen Orthodoxen Kirche. Nach dessen Tod am 5. Dezember 2008 wurde Metropolit Kyrill von Smolensk und Kaliningrad am 6. Dezember 2008 als übergangsweiser Statthalter („locum tenens“) des Patriarchenamtes für eine Amtszeit von maximal sechs Monaten gewählt. Am 27. Januar 2009 wurde Kyrill von Smolensk und Kaliningrad zum neuen Patriarchen der Russischen Orthodoxen Kirche gewählt. [2]

Seit dem Niedergang der Sowjetunion erlebt die Russisch-Orthodoxe Kirche eine Renaissance. Heute hat sie wieder etwa 100 Millionen Mitglieder und hat mit dem Wiederaufbau und Neubau mehrerer großer Kathedralen begonnen. Hierzu gehört beispielsweise die Kaliningrader Christ-Erlöser-Kathedrale.

Eines der bekanntesten russisch-orthodoxen Klöster ist das seit 1993 als Weltkulturerbe ausgezeichnete Dreifaltigkeitskloster von Sergijew Possad.

Zur Russisch-Orthodoxen Kirche gehören als abhängige Teilkirchen die Weißrussisch-Orthodoxe Kirche, Moldauisch-Orthodoxe Kirche, die autonome Ukrainisch-Orthodoxe Kirche und die ebenfalls autonome Orthodoxe Kirche in Japan. Die Orthodoxe Kirche in Amerika wurde 1970 in die volle Unabhängigkeit entlassen.

Innerkirchlich stark umstritten war die Heiligsprechung des letzten Zaren und seiner Familie, die unter Lenin getötet worden waren. Als Kompromiss wurden sie zwar heilig gesprochen, aber nicht offiziell als Märtyrer benannt. Wladimir Putin gibt sich heute betont gläubig.

Bildung

Seit 2006 ist der Religionsunterricht in russischen Schulen wieder eingeführt. Die Russisch-Orthodoxe Kirche plädiert auch für eine Stärkung des russischen Staates und eine Entwicklung von nationalen geistigen Werten.

Die bedeutendsten Bildungseinrichtungen der russisch-orthodoxen Kirche sind die Moskauer Geistliche Akademie, die Geistliche Akademie Sankt Petersburg sowie die 1990 gegründete Orthodoxe Universität „Hl. Johannes der Theologe“ in Moskau. [3] Daneben existieren das Orthodoxe Seminar St. Tichon, die Orthodoxe Universität Wolgograd, die Höhere Theologische Schule St. Philaret und die Theologische Fakultät Minsk. [4]

Außerhalb von Russland

Das kulturelle Leben Wiens war einst auch von russischen Einflüssen geprägt: Es befindet sich hier die größte russisch-orthodoxe Kirche Mitteleuropas [5], gegründet 1702 vom ersten russischen Botschafter Fürst Gallitzin in Wien.

Die deutsche Eparchie der Kirche befindet sich heute in Berlin, in dessen Umgebung auch die meisten Gläubigen zu finden sind. Der Berliner Diözese steht Erzbischof Feofan (Galinski) vor. Die Berliner Diözese wurde 1992 aus den vormals drei in Deutschland bestehenden Diözesen des Moskauer Patriarchats gegründet. Die Russisch-Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats ist in Deutschland als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt. In Österreich ist sie eine „staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft“.

Für die autonome Russisch-Orthodoxe Auslandskirche siehe: Russische Orthodoxe Kirche im Ausland

Eparchien der Russisch-Orthodoxen Kirche

Die Russisch-Orthodoxe Kirche umfasst folgende Eparchien in Russland und im Ausland:

Russland

Ausland

Außerdem existieren noch folgende Eparchien als Titularbistümer:

Balachna, Sadonsk, Bronnizy, Dmitrow, Istra, Kaschira, Klin, Krasnogorsk, Moschaisk, Odinzowo, Orechowo-Sujewo, Podolsk, Ramenskoje, Sergijew Possad, Serpuchow, Solnetschnogorsk, Wereja, Widnoje, Wolokolamsk, Saraisk, Swenigorod, Tichwin, Kertsch (Krim), Korsum (Krim), Surosh (Krim)

Siehe auch

Literatur

  • Hyacinthe Destivelle: Le Concile de Moscou (1917–1918): la création des institutions conciliaires de l'Église orthodoxe russe, Cerf, Paris, 2006, ISBN 2-204-07649-X.
  • Antoine Nivière: Les Orthodoxes russes, Brepols, Bruxelles, 1993, ISBN 2-503-50310-1
  • Jean-Claude Roberti: Histoire de l'Église russe, Nouvelle Cité (col. Historiques), Paris, 1995, ISBN 2-85313-187-4.
  • Erich Felix Beck: Die russische Kirche. Ihre Geschichte, Lehre und Liturgie mit besonderer Berücksichtigung ihrer Unterscheidungslehren und ihres Verhältnisses zur römischen Kirche. Bühl in Baden: Unitas Verlag, 1922; 2. Aufl. 1926.
  • Metropolit Pitirim von Volokolamsk und Jurjev (Hrsg.): Die russische orthodoxe Kirche, Berlin - New York: De Gruyter – Evangelisches Verlagswerk GmbH 1988. (Die Kirchen der Welt; Bd. 19)
  • Peter Hauptmann & Gerd Sticker: Die Orthodoxe Kirche in Rußland. Dokumente ihrer Geschichte (860–1980). Göttingen: Vandenhoech & Ruprecht, 1988. ISBN 3-525-56179-2.
  • Joachim Losehand: Symphonie der Mächte. Kirche und Staat in Rußland (1689–1917), Herne: Schäfer, 2007. (Studien zur Geschichte Ost- und Ostmitteleuropas; Bd. 7) ISBN 978-3-933337-57-3
  • Thomas Bremer: Kreuz und Kreml. Kleine Geschichte der orthodoxen Kirche in Russland. Freiburg - Basel - Wien: Herder 2007.
  • Ernst Benz: Geist und Leben der Ostkirche, Hamburg: Rowohlt 1957

Einzelnachweise

  1. [1]
  2. n-tv:Kirill ist neuer Patriarch
  3. Vgl. http://www.pro-oriente.at/?site=ps20051021072958
  4. Vgl. http://www.rondtb.msk.ru/info/en/education_en.htm
  5. [2]
  6. „Russisch-orthodoxe Kirche gründet Diözese Italien“, Radio Vatikan: kap 18. Juli 2008

Weblinks


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