Römerlager Großkrotzenburg

Römerlager Großkrotzenburg
Kastell Großkrotzenburg
ORL 23
Limesabschnitt Obergermanischer Limes,
Strecke 5
(Östliche Wetteraustrecke)
Datierung (Belegung) um 105/110 n. Chr.
bis 260 n. Chr.
Typ Kohortenkastell
Einheit Cohors IIII Vindelicorum
Größe 175 × 123 m = 2,1 ha
Bauweise Steinkastell
Erhaltungszustand Grundmauern zweier Türme sowie Teile der Kastellmauer rekonstruiert
Ort Großkrotzenburg
Geographische Lage 50° 4′ 49,7″ N, 8° 58′ 49,5″ O50.0804701977788.9804112911111106Koordinaten: 50° 4′ 49,7″ N, 8° 58′ 49,5″ O
Höhe 106 m ü. NHN
Vorhergehend Kleinkastell Neuwirtshaus (nördlich)
Anschließend ORL 32: Kastell Seligenstadt (südlich)

Das Kastell Großkrotzenburg ist ein ehemaliges römisches Kastell an der Wetteraulinie des Obergermanisch-Raetischen Limes in Großkrotzenburg am Main im hessischen Main-Kinzig-Kreis.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Das Kastell befindet sich heute vollständig überbaut im alten Ortskern von Großkrotzenburg in einer Hochwasser-geschützen Uferlage auf einer Schotterterrasse nördlich des Mains, der hier von Süden kommend in einem leichten Bogen nach Westen fließt. Im Limesverlauf nördlich schließen sich vor allem Sumpfgebiete wie der Großauheimer Torfbruch mit der Schiffslache sowie weiter nördlich die Bulau an, so dass das Kastell wohl im Wesentlichen zur Überwachung des Flussübergangs erbaut wurde.

Südlich Großkrotzenburgs bildete der Main als sogenannter Mainlimes oder „Nasser Limes“ die Grenze bis zum Kastell Wörth (Odenwaldlimes) bzw. Kastell Miltenberg (jüngere Odenwaldlinie).

Der Limes passierte das Kastell in nur 25 m Entfernung zur Kastellmauer östlich der Anlage. Zum äußeren Spitzgraben verblieb mit 6 m Abstand gerade genug Platz für einen Weg.

Lageplan des Kastells.
Ansicht des südwestlichen Eckturms.
Rekonstruiertes Fundament des südlichen Torturms der porta decumana.
Ansicht der südlichen Kirchhofmauer, die im Kern auf die römische Kastellmauer zurückgehen dürfte.
Römisches Mauerstück, das aus der Kirchhofmauer in die Kirchstraße ragt.
Ziegelstempel der IIII. Vindeliker-Kohorte aus dem Museum.
Hinweissteine am Standort der römischen Mainbrücke. Links am nördlichen Ufer, rechts südlich.
Museum Großkrotzenburg, Außenansicht.

Erforschung

Obwohl noch Mauerreste des Kastells in neuzeitlichen Gebäude und Mauern im Ortskern erhalten sind, begann die archäologische Grabungstätigkeit verhältnismäßig spät mit den Grabungen des Hanauer Geschichtsvereins 1881 und der Reichs-Limes-Kommission 1893 unter der Leitung von Georg Wolff. Festgestellt wurden zunächst hauptsächlich die Kastellumwehrung sowie Teile des Stabsgebäudes (principia). Einige weitere, sehr ausschnitthafte Gebäude-Befunde wurden bei Einzeluntersuchungen im Verlauf des 20. Jahrhunderts freigelegt.

Anlage

Das Kastell zeichnet sich heute noch anhand einiger Straßen im Ortsbild ab. So verläuft die Kirchstraße annähernd gleich zur via principalis des Kastells, mit etwas mehr Abweichung die Sackgasse ähnlich der via praetoria sowie die „Breite Straße“ zur via decumana.

Vorwiegend durch Inschriften[1] sowie durch die Ziegeleifunde lässt sich als Einheit die Cohors IIII Vindelicorum belegen, eine 500 Mann starke Hilfstruppeneinheit, die ursprünglich im Alpenvorland ausgehoben wurde.

Kastell

Das Kastell war nach Osten, auf den Limes hin ausgerichtet. Aufgrund des geringen Abstand zum Limes sowie der Tatsache, dass dieser nördlich des Kastells zweimal leicht seine Richtung änderte, schloss Wolff, dass das Kastell bei der Anlage der Limespalisade bereits bestand.[2]

Die Fundamentlage und wenig aufgehendes Mauerwerk der 175 mal 123 Meter messenden Außenmauer des Kastells (= 2,1 ha) ist an wenigen Stellen des südlichen Abschnitts noch erhalten bzw. in moderne Bauwerke eingefasst. Besonders gut erhalten ist der südwestliche Eckturm, da sein Untergeschoss in späterer Zeit als Gefängnis genutzt wurde. An diesen anschließend wurde heute ein daran anschließendes Mauerstück mit Sandsteinen rekonstruiert. Eigentlich bestand die Kastellmauer aus einem 1,80 breiten Fundament, auf das ein Gussmauerwerk aufgesetzt wurde. Außen wurden Basaltsteine in schräger Lage (opus spicatum) vorgeblendet.

Weitere Reste der Kastellumwehrung sind sichtbar im Fall des südlichen Torturms des rückwärtigen Tores (porta decumana), dessen Fundament in der Breiten Straße vor dem Heimatmuseum restauriert sind. Die südliche Kirchhofmauer der neuzeitlichen KircheSt. Laurentius besteht im Kern aus römischem Mauerwerk, das aber kaum zu erkennen ist. In deren Verlängerung ist in der Kirchstraße ein unscheinbarer Steinblock sichtbar, der über die Kirchhofmauer hinausragt. Alle Mauerreste sind mit Hinweistafeln versehen.

Doppelte Spitzgräben wurden besonders an der Westseite, im Norden und Osten durch kleinere Schnitte festgestellt. Entlang der südlichen Mauer zum Main hin fehlen diese oder konnten nicht nachgewiesen werden. Auffällig sind dort mehrere Abwasserkanäle, die rechtwinklig zur Kastellmauer verliefen.

Westlich der porta decumana wurde in den 1960er Jahren ein Teil des Kastellbads ergraben.

Mainbrücke

Bei Baggerarbeiten wurden 1885 und 1903 im Main hölzerne Pfahlschuhe entdeckt, die zur Stabilisierung steinerner Brückenpfeiler dienten. Der Oberbau der Brücke dürfte aus Holz bestanden haben. Dendrochronologische Untersuchungen datierten die Hölzer auf das Jahr 134 n. Chr. in das Ende der Regierungszeit Kaiser Hadrians.[3] Neben der Verbindung mit Gebieten südlich des Mains ermöglichte die Brücke vor allem Truppenverschiebungen am Limes.

Beneficiarierstation

Im Jahr 1960 wurden zwischen der Mainbrücke und dem Kastell zwei Weihesteine sogenannter Benefiziarier (beneficiarii consulares) entdeckt.[4] Sie legen nahe, dass an der verkehrsgünstigen Lage ein Polizeiposten bestand, wie er sich häufiger an Straßenkreuzungen oder Brücken nachweisen lässt.

Ziegelei

Abseits vom Kastell und Vicus in Nähe zum Limes befand sich aufgrund der Brandgefahr ein Ziegeleibetrieb der Kohorte. Insgesamt fünf Brennöfen wurden dort bislang freigelegt. Mit den produzierten Ziegeln, die gewöhnlich Stempel der Cohors IIII Vindelicorum tragen, konnte aufgrund der guten Transportmöglichkeit am Ende des 2. Jahrhundert n. Chr. ein großer Teil der Bauten im nördlichen Teil der Provinz versorgt werden. Die Ziegelei trat die Nachfolge der Ziegelei der Legio XXII Primigenia in Frankfurt-Nied an. Die entferntesten Belege für Großkrotzenburger Ziegel stammen aus Walldürn in Baden-Württemberg und dem Neuwieder Becken in Rheinland-Pfalz.

Vicus

Wenige Aussagen können zu der Bebauung des Kastelldorfes getroffen werden, das sich westlich und nordwestlich des Kastells befand. Lage und Ausdehnung lässt sich anhand mehrerer römischer Wege erschließen. Mit Ausnahme eines Kellers sind keine Gebäudegrundrisse bekannt. Nachgewiesen wurde eine Kultstätte des Gottes Mithras, von dem mehrere Steindenkmäler bekannt sind.[5] Die Originale sind jedoch teilweise im Zweiten Weltkrieg mit den Beständen des Hanauer Museums zerstört worden.

Datierung

Großkrotzenburg weist eine gewisse Siedlungskontinuität durch viele Epochen auf, wenngleich einschränkend zu bemerken ist, dass für längere Perioden dazwischen Belege fehlen. Neben Siedlungsspuren der Jungsteinzeit, Bronze- und Eisenzeit wurden 1988 unter römischen Schichten im Ortskern Spuren einer latènezeitlichen Siedlung entdeckt.

Der Beginn der römischen Besetzung des Platzes ist zeitlich nicht genau zu fixieren. Möglicherweise ging dem Kastell ein Vorgängerbau voraus, zu dem ein Spitzgraben nördlich des Steinkastells gehört haben könnte. Einschränkend könnte jedoch die relativ neue Entdeckung einer früheren Limeslinie von Heldenbergen nach Hanau-Salisberg gelten, die durch Neufunde zweier römischer Kleinkastelle in Hanau-Mittelbuchen bekannt geworden ist.[6] Das Ende des Kastells Hanau-Salisberg gibt in diesem Fall einen Terminus post quem für das Kastell Großkrotzenburg. Die Erbauung des Steinkastells wird allgemein in der Zeit Kaiser Trajans vermutet.[7]

Einige Jahrzehnte nach dem Abzug der Römer um 260 n. Chr. ließen sich im Lagerareal neue Siedler nieder. Die frühesten Funde lassen sich ins 4. Jahrhundert datieren, einige Grabfunde aus dem 4. und 5. Jahrhundert wurden jenseits des Limes gemacht. Spätere Funde liegen erst wieder aus dem Mittelalter vor. In dieser Zeit wurden die noch teilweise aufrecht stehenden Mauern als Dorfbefestigung benutzt. Die Ersterwähnung Großkrotzenburgs als Cruzenburch ist erst im Jahr 1175 belegt.

Denkmalschutz

Das Kastell Großkrotzenburg ist als Teil des Obergermanisch-Raetischen Limes seit 2005 Teil des UNESCO-Welterbes. Außerdem ist es ein Bodendenkmal nach dem Hessischen Denkmalschutzgesetz. Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig, Zufallsfunde an die Denkmalbehörden zu melden.

Museum

Funde aus dem Kastell und dem Vicus werden gezeigt im Museum Großkrotzenburg, das sich in der Breiten Straße 16 in Nachbarschaft zu den sichtbaren Überresten der Kastellmauer befindet. Neben Pfählen der Mainbrücke und Ziegeln der IV. Vindelikerkohorte gehören vor allem Inschriften zur Ausstellung, darunter die erwähnten Beneficiarier-Steine sowie Funde aus dem Mithräum.

Siehe auch

Literatur

  • Dietwulf Baatz: Der Römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau. 4. Auflage. Gebr. Mann, Berlin 2000, ISBN 3-7861-2347-0.
  • Derselbe, in: Dietwulf Baatz und Fritz-Rudolf Herrmann (Hrsg.): Die Römer in Hessen. Lizenzausgabe der 3. Auflage von 1989, Nikol, Hamburg 2002, ISBN 3-933203-58-9, S. 325-328.
  • Claus Bergmann: Großkrotzenburg. Nördlicher Endpunkt des Mainlimes. In: Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland, 27. Hanau und der Main-Kinzig-Kreis. Theiss, Stuttgart 1994, ISBN 3-8062-1119-1, S. 143–147.
  • Ernst Fabricius, Friedrich Hettner, Oscar von Sarwey (Hrsg.): Der obergermanisch-raetische Limes des Römerreiches/Abt. A, Bd. 2,1. S. 173f.
  • Peter Jüngling:Ein weiterer römischer Ziegelofen aus Großkrotzenburg. In: Archäologisches Korrespondenzblatt 13, 1983, S. 479ff.
  • Georg Wolff: Das Kastell Gross-Krotzenburg. ORL B II,3 Nr. 23.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. CIL 13, 07410, CIL 13, 07411, CIL 13, 07415, CIL 13, 07418. CIL 13, 07419.
  2. Wolff 1933 S. 3
  3. Baatz 1989, S. 326; Ernst Hollstein: Mitteldeutsche Eichenchronologie. Mainz 1980, S. 64.
  4. AE 1978, 00550 und AE 1978, 00551
  5. AE 1978, 00547 und AE 1978, 00548
  6. M. Reuter, Die römischen Kleinkastelle von Hanau-Mittelbuchen und der Verlauf des östlichen Wetteraulimes unter Domitian. In: E. Schallmayer (Hrsg.), Limes Imperii Romani. Beiträge zum Fachkolloquium „Weltkulturerbe Limes“ November 2001 in Lich-Arnsburg. Saalburg-Schriften 6, 2004 (Bad Homburg v.d.H. 2004), S. 97–106. Ebenso Internet-Quelle.
  7. Baatz 1989, S. 325; Bergmann 1994, S. 143.

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