Römische Spiele

Römische Spiele

Bereits zu Zeiten des Römischen Reiches waren Gesellschaftsspiele eine beliebte Beschäftigung um sich vom Alltag abzulenken und gleichzeitig die Freizeit abwechslungsreich zu gestalten. Hier werden bekannte und beliebte Gesellschaftsspiele beschrieben oder gelistet, wie sie in der Antike von den Römern gespielt wurden. Nicht in diese Kategorie fallen Zirkusspiele oder Theateraufführungen, die in der Antike durchaus als Spiel betrachtet wurden.

Einige der römischen Spiele haben bis heute überlebt, andere sind in modernen Spielen "aufgegangen". Im Kaiserreich waren Glücksspiele in Rom, wegen des Verfalls der Sitten sowie der gigantischen Einsätze, die so manchen ruinierten und nicht selten zu brutalen Rachemaßnahmen trieben, verboten. Alle Formen von Würfelspielen fielen unter Glücksspiele und waren besonders verpönt, da sie angeblich den Charakter schwächten und generell als unschicklich und verwerflich galten. Trotzdem aber wurden sie hinter verschlossenen Türen oder in Tavernen mit getarnten Räumen gespielt.

Römisches Rundmühlenspiel (Nachbildung)

Inhaltsverzeichnis

Der Begriff „Spiel“ und seine gesellschaftliche Bedeutung

Spielzeug aus der Römerzeit (Puppe, Gefäße, Würfel, Murmel etc.)

Wie Huizinga 1938 so eingängig definierte, ist „Spielen eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommen aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, sein Ziel in sich selbst hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des Andersseins als das gewöhnliche Leben.“ [1]

Vom Spielen ist der Mensch schon immer fasziniert gewesen, liegt es doch in seinem grundsätzlichen Denken, seit dem Beginn der Zivilisation spielen zu wollen. Davon zeugen bereits Höhlenmalereien. Den Menschen ging es schon immer darum, ihre Geschicklichkeit mit anderen zu messen und dabei gleichzeitig sozial-kommunikative Kontakte zu pflegen. Das Spiel im klassischen Sinne bietet hierfür die besten Voraussetzungen, lenkt es doch gleichzeitig noch vom Alltag ab und bietet die Möglichkeit, die Freizeit abwechslungsreich zu gestalten.

Freizeitgestaltung der Römer

Der Römer unterschied damals ganz klar zwischen „otium“ und „negotium“.

Otium bezeichnete nur die Muße, also die Zeit, in der der Römer nicht arbeiten musste. Dem zugeordnet wurde die „Otium-Schicht“, also die Schicht der Römer, die nicht arbeiten musste im klassischen Sinne, sondern der die Aufgabe zufiel, die Geschicke der Stadt zu lenken und zu herrschen. Sie verfügten über wesentlich mehr freie Zeit als die Schicht der Plebejer, um ihren individuellen Annehmlichkeiten nachzugehen.

Negotium hingegen bedeutete für ihn eine Zeit, in der er nicht frei über seine Zeit verfügen konnte, sondern seinen Pflichten nachkommen musste. Da die Zeit, die ihm zur Muße zur Verfügung stand, deutlich kürzer bemessen war, wurde jede nur erdenkliche Möglichkeit eines Spieles genutzt, besonders, weil er dabei gleichzeitig eine Chance zum kommunikativen Austausch mit anderen Menschen hatte. Die Freizeitgestaltung der Römer hatte aber noch eine weitere wichtige Aufgabe. Sie diente auch zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in Krisensituationen, bzw. der Ablenkung und der Beschäftigung des Volkes um Aufstände gegen den Staat zu verhindern und die Menschen zufriedenzustellen (Sozial-Politischer-Aspekt). Aus diesem Grund wurden die klassischen Spiele (Circus Maximus …) zum Teil durch das Staatssystem gefördert oder auch wahlpolitisch unterstützt. Im Gegensatz dazu verbot der Staat über viele Jahre das Glücksspiel oder erlaubte es nur zu den Saturnalien, da es den Charakter verdarb und schon zu viele dabei ihr Vermögen verloren hatten. Dabei waren auch damals Spielschulden Ehrenschulden und konnten vor dem Gesetz nicht eingeklagt werden. Als Resultat folgten viele grausame Rachezüge. Später setzte der Staat die Urteile dann auf den vierfachen Satz der eigentlichen Spielschulden fest.

Spiele der Römer

Ein beliebter Spruch zuerst: Si tibi tessella favet ego te studio vincam (auch wenn dir das Glück der Würfel günstig gesinnt ist, besiege ich dich mit der Überlegung). Im antiken Rom nahmen Spiele einen deutlich höheren Stellenwert ein als heutzutage. Spiele gehörten zum Alltag, genau so wie die Arbeit. Die Kinder spielten auf der Straße, die Jugendlichen trainierten am Tiber und die Erwachsenen saßen entweder auf den Stufen öffentlicher Gebäude oder trafen sich gezwungenermaßen zu Hause, da zum Beispiel die Würfelspiele zu Zeiten der Republik gänzlich verboten waren, zum geselligen Beisammensein. Der Römer unterschied im Großen und Ganzen zwei Arten von Spielen. Die des Circus, also Gladiatorenkämpfe, Tierhetzen und große Schlachten, dazu zählern auch große Sportveranstaltungen, Wagenrennen, Theater und Ertüchtigungswettkämpfe. Diese Spiele wurden in erster Linie als Schauspiele für das Volk veranstaltet. Die zweite Gruppe war die Gruppe der Gesellschaftsspiele, zum Beispiel Mora, Ludus latronum und viele mehr, die im Folgenden näher beschrieben werden.

Gesellschaftsspiele

Zur damaligen Zeit benötigte man nicht besonders viele Utensilien um sich die Zeit zu vertreiben. Ein paar Bohnen oder kleine Steine, ein Ball, ein Stock, ein Reifen oder eine lange Leine genügten den Kindern für ihren Spielspaß. Die Älteren benötigten fast noch weniger.

Besonders beliebt waren damals Würfelspiele und Brettspiele, von denen heute allerdings nicht mehr die genauen Regeln bekannt sind. Ein uns besonders gut bekanntes Spiel, die Mühle, war auch damals schon unter dem Begriff „merels“ bekannt.

Die Gitter- Spielbretter, die noch aus hellenistischer Zeit stammten, bestanden zumeist aus einem Gitternetz, das aus mehreren horizontalen und vertikalen Linien bestand. Dieser unserem heutigen Damebrett gleichende Spieltisch wurde für verschiedene Spiele verwendet. So konnte man zum Beispiel beim „ludus latrunculorum“ (dt. Soldat, Söldner) mit 30 verschiedenen Figuren, die, entweder wie die Bauern beim Schach verschoben, wurden (mandrae= einfache Figur) oder auch springen konnten (latrones= vornehme Figur) eine Schlacht austragen. Dessen Gewinner durfte sich nun Imperator nennen. Nicht selten konnte man den Gewinner eines solch anspruchsvollen Spiels hinterher auf dem Rücken des Verlierers durch die Straßen reiten sehen. Eine weitere Version davon nennt man „petteia“, und wurde entweder auf einem 8x8 oder einem 8x12 Felder Board gespielt, unterliegt aber überwiegend denselben Regeln. Auf einem 8x8-Felder-Brett spielte man auch das „ludus calculorum“, bei dem die Gegner versuchen mussten fünf ihrer Steine in eine Reihe zu legen, egal ob horizontal, vertikal oder diagonal. (Praktisch: Man konnte es auch als Rechenbrett verwenden). Bei 5x5 Feldern nannte man es „pente grammai“. Viele dieser Spiele stammten ursprünglich aber aus Griechenland.

Ein Scriptatisch im Museum von Ephesus

Ebenso spielte man auf einem Brett mit 12 Linien im je eigenen Spielfeld das „duodecim scripta“ (was ebenfalls zwölf Linien bedeutet) und dem heutigen Backgammon ähnelt, jedoch mit drei Würfeln gespielt wird. Hierbei durften beide Parteien abwechselnd vom Ersten bis zum 24. Spielfeld vorrücken, wobei die Spielzüge nach einem genau festgelegten Spielplan vollzogen wurden. Um hier zu gewinnen, benötigte man nicht nur Glück, im Bezug auf die Würfelsumme, sondern auch Geschicklichkeit in der Handhabung der Spielsteine, die die Spielzüge durchführen sollten. Dieses Spiel hatten allerdings nicht die Römer selber entwickelt, sondern sie übernahmen es von dem alt-ägyptischen „Senet“, gestalteten es dann aber spannender, indem sie die Regeln verfeinerten.

Eine Variante dieses Spiels war das „tabula“, bei dem man nun auch die Steine des Gegners schlagen durfte. Im Gegensatz zu unserem heutigen Backgammon spielte man es aber noch mit drei Würfeln. Aber auch dieses Spiel fiel unter die staatliche Kontrolle der Glücksspiele und wurde verboten. Funktioniert hat es auch zur damaligen Zeit nicht und es erfreute sich im privaten Kreis größter Beliebtheit, oder auch in Tavernen hinter verschlossenen Türen. Zur Kaiserzeit wurde diese Kontrolle wieder gelockert; so war es zum Beispiel das Lieblingsspiel des Kaisers Claudius, der, da er sich gern schriftstellerisch betätigte, ein Buch darüber oder über Glücksspiele im Allgemeinen verfasst, welches leider nicht überliefert wurde.

Derselbe Spieltisch kann aber auch ebenso gut für das Würfel- und Knochenspiel verwendet werden. Das Wort alea, welches man mit Würfel übersetzt, bezeichnet den Wurf selbst, oder auch das Glücksspiel im Allgemeinen. Würfel wurden als „tesserae“ bezeichnet. Die Eins wurde „canis“, der Hund, genannt, der Rest aber mit seinem eigentlichen Zahlenwert. Diese Würfel waren aus Elfenbein oder Knochen gefertigt. Während des Spieles wurde entweder mit der Hand oder mit einem Becher gewürfelt, wobei der Becher beliebter war, da er die Möglichkeiten des Betrügens verringerte, und es wurden zwei bis drei Würfel gleichzeitig geworfen. Um das Glück auf seine Seite zu ziehen, rief man dabei entweder den Namen eines Gottes, bzw., einer Göttin oder seiner Geliebten, was unter den Jugendlichen natürlich immer wieder zu Heiterkeitsausbrüchen führte und ganz allgemein die Stimmung hob.

Die Knöchelspielerin. Römische Kopie nach hellenistischen Vorbild, Marmor, Höhe 70 cm

Etwas weniger Kombinationsmöglichkeiten aber dafür nicht weniger Vergnügen bereitete das Glücksspiel mit den kleinen Knochen des Sprunggelenks, den so genannten Astragalen (altgriechisch: astragaloi „Sprunggelenk“). Nach ihnen wurde das Spiel Astragaloi, eine Variante des Pentelitha, benannt. Bevorzugt verwendete man dafür den Talus (dt. Sprungbein, Ferse) eines Tieres, zum Beispiel von Ziege, Schaf, Antilope oder Kalb oder man stellte es in gleicher Form aus Metall, Knochen, Elfenbein oder Stein her. Diese Tali waren rechteckig geformt und hatten dem entsprechend nur vier benutzbare Spielseiten, da die kurzen Seiten zu klein waren. Zwei der Seitenflächen waren sehr flach, die Dritte konkav und die Vierte konvex. Jede dieser Seiten hatte einen anderen Wert: Eins (canis oder vuturius, drei, vier (beide nur in griechischen Worten benannt) und sechs (aenio). Mit den vier verwendeten Spielsteinen konnte man jeweils 35 Kombinationen erreichen. Die höchste Punktzahl konnte man aber erreichen, wenn alle vier Knöchel eine andere Zahl zeigten; dann hatte man eine Venus!

Ein deutlich einfacheres Spiel war das „nuces castellatae“. Hierbei stapelte man vier Nüsse zu einer Pyramide und musste aus der Ferne versuchen, sie zum Einsturz zu bringen, indem man mit weiteren Nüssen nach ihnen warf. Noch mehr Geschicklichkeit benötigten die Spieler eines „pentelitha“. Hierbei nahmen die Mitspieler zunächst fünf Astragale in die Hand, warfen sie in Luft und mussten diese dann zunächst mit dem Handrücken auffangen, um sie dann abermals in die Luft zu werfen und von oben herab wieder einfangen.

Das ludus deltae war ebenfalls eine Geschicklichkeitsspiel, dabei wurde eine Dreieck auf den Boden gemalt und mit waagerechten Linien in zehn Felder geteilt. Das kleinste Feld an der Spitze des Dreiecks erhielt den Wert 10, das unterste, den Spieler zugewandte Feld den Wert 1. Aus einer Entfernung von 2 - 3 m wurden Steine, Nüsse oder andere kleine Gegenstände geworfen, dabei gab es fünf Durchgänge, die Punkte wurden zusammengezählt.

Ebenso konnte man eine Münze in die Luft werfen, und noch während sie sich in der Luft drehte wurde gewettet, ob sie mit dem Kopf oder mit dem Schiff oben liegen würde. Dies nannte man dann „capita et navia“ Das Spiel „par impar“, erfreute sich bei Jung wie Alt größter Beliebtheit. Hierbei hielt einer einige Nüsse oder kleine Steine in der Hand hinter dem Rücken und der andere musste raten, ob es sich dabei um eine gerade oder ungerade Zahl handelte.

Später wurden die Spiele durch die Griechen und orientalische Sklaven zum Beispiel um Kartenspiele erweitert. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich außerdem Rätsel, um den Geist herauszufordern.

Glücksspiele

Duodecim scripta
Tabula direkter Vorläufer des Backgammon

Keine Glücksspiele

Astragaloi
Latrunculi
Loculus Archimedius
Nuces castellatae
Pentelitha

Quellen

  1. Huizinga, Johan: Homo Ludens, Reinbek bei Hamburg, 1997, ISBN 3499554356
  • Hans Widmer: Römische Welt, kleine illustrierte Kulturgeschichte
  • Rieche: Römische Kinder und Gesellschaftsspiele
  • Arbeit und Beruf im römischen Alltag, Viktoria-Luise-Gymnasium, Hameln
  • J. Carcopino:Daily Life in Ancient Rome,Yale University Press Treble, New Javen 1940
  • King:Everyday Life in Rome Oxford Press, 1930
  • K. Tidwell:The Game Cabinet University of Vermont, Daily roman life, 1997
  • A. Voogt:A Classification of Board Games,1995

Weblinks


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