SBB Am 4/6 1101

SBB Am 4/6 1101
SBB Am 4/6
Nummerierung: 1101
Anzahl: 1
Hersteller: BBC
Baujahr(e): 1938
Achsformel: (1A)B(A1)
Länge über Puffer: 16’340 mm
Höhe: 3’933 mm
Breite: 2’970 mm
Dienstmasse: 93.5 t
Reibungsmasse: 59 t
Höchstgeschwindigkeit: 110 km/h
Installierte Leistung: 1'620 kW (2200 PS)
Traktionsleistung: 1'030 kW (1’400 PS)
Anfahrzugkraft: 130 kN bei 0 - 26 km/h
Treibraddurchmesser: 1'230 mm
Laufraddurchmesser: 950 mm
Tankinhalt: 4200 Liter

Die Am 4/6 1101 war eine Gasturbinen-Lokomotive der SBB. Sie wurde von der BBC 1938 gebaut und wurde der SBB für den Versuchsbetrieb auf den nichtelektrifizierten Strecken übergeben.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Die BBC baute 1938 eine Gasturbinenanlage für die Produktion von elektrischer Energie. Gebaut wurde eine 4000 kW starke Notstromgruppe für die Stadt Neuchâtel. Es wurde auch geprüft, die Gasturbine für Lokomotiven einzusetzen. Die BBC machte der SBB den Vorschlag, eine Gasturbinenlokomotive mit einer Leistung von 2200 PS (1620kW) und elektrischer Leistungsübertragung zu bauen.

Die SBB waren unter gewissen Bedingungen bereit und gaben damit der BBC die Möglichkeit, die Gasturbine im Eisenbahnbetrieb zu testen. Für eine sechsachsige Lokomotive war es nicht möglich, eine Anlage mit einer Leistung von mehr als 2200 PS (1620 kW) zu installieren. Als Höchstgeschwindigkeit wurden 110 km/h festgelegt. Das Dienstgewicht durfte mit vollem Brennstofftank (5.5 t) 92 t nicht überschreiten. Die SBB hätten sonst nicht nur die Erprobung, sondern auch die Übernahme der Lokomotive verweigert. Andererseits verpflichteten sich die SBB, die Lokomotive im betriebstüchtigen Zustand zu übernehmen. Unter der Leitung der BBC wurde die Lokomotive, mit Hilfe der SLM für den mechanischen Teil, auf eigene Rechnung gebaut.

Technik

Konstruktion

Die Lokomotive basierte, soweit möglich, auf erprobter Technologie, um nicht mit Fehlern in Komponenten, die mit der Gasturbine nichts zu tun hatten, das Projekt zu gefährden. Die elektrische Kraftübertragung wurde gewählt, weil sich die Technik im Zusammenspiel mit Dieselmotoren bewährt hatte. Sie ermöglichte, beliebig viele Achsen anzutreiben, was aufgrund der grossen Leistung pro Gewicht (verglichen mit Dampf- und Dieselloks jener Zeit) ein wichtiger Faktor war. Ausserdem waren vergleichbare hydraulische Antriebe nicht in diesen Leistungskategorieen (über 400 PS) erprobt.

Die Gasturbine bestand aus einem Kompressor, einer Brennkammer und der Turbine selber. Der Kompressor benötigte etwa 6000 PS, um die Luft zu komprimieren und anschließend in die Brennkammer zu befördern (Luftdrücke zwischen 700 kPa bis 2.1 MPa, abhängig von der Drehzahl der Turbine), worin der Treibstoff (Heizöl) verbrannt wurde, was zu einer Ausdehnung der Gase führte, welche wiederum mit einer Temperatur von 500 - 600 °C auf die Turbine trafen und dort etwa 8000 PS entwickelten. Die Abgase strömten danach durch einen Wärmetauscher, der die Frischluft vorwärmte, bevor sie über das Dach ausgestossen wurden. Die verbleibenden ca. 2000 PS konnten für den Antrieb der Lokomotive benutzt werden.

Effizienz

Messungen zeigten, dass der Wirkungsgrad von Leerlauf bis mittlere Last (1000 PS) kontinuierlich von 0% bis 15% stieg, sein Maximum von 18% bei 1700 PS erreichte und danach wieder sank bis auf 16% bei 2200 PS (alle Zahlen ohne elektrische Verluste). Der Wirkungsgrad war niedrig verglichen mit damaliger Diesel-Technologie, was ein wichtiger Faktor dafür war, dass sich die Technologie nicht durchsetzte.

Start der Lokomotive

Zuerst wurde ein Hilfsdieselmotor batteriegetrieben gestartet. Dieser war mit einem Generator verbunden, welcher Elektrizität zum starten der Turbine erzeugte. Die Turbine wurde mit Hilfe des Generators, der nun als Elektromotor lief, auf Drehzahl gebracht. Dieser Prozess dauerte etwa 4 Minuten, danach konnte die Verbrennung gezündet werden und die Turbine trieb sich fortan selbst. Während die Drehzahl weiter stieg, konnte die Leistung des Hilfsdieselmotors dazu genutzt werden, die Lokomotive mit niedriger Geschwindigkeit (10 km/h) vor den Zug zu rangieren. Nach weiteren vier Minuten war die Leerlaufdrehzahl (100 u/min) erreicht und die Lokomotive war betriebsbereit.

Leistung erhöhen

Um die Leistungsabgabe der Lokomotive zu erhöhen, konnte der Lokführer an seinem Leistungskontroller drehen, was folgenden Vorgang auslöste:

  • Mehr Treibstoff wurde eingespritzt
  • Der Drehzahlregler wurde auf eine höhere Solldrehzahl eingestellt
  • Der Überlastschutz bemerkte eine Überlastsituation (Drehzahl unter der Solldrehzahl) und schaltete elektrisch Last von der Turbine ab (!)

Da die Last nun geringer war und mehr Treibstoff eingespritzt wurde, erhöhte sich die Drehzahl schnell (bis 300 u/min unter Vollast) und sobald die Solldrehzahl erreicht war, wurde die Last wieder erhöht, bis ein neues Gleichgewicht zwischen Leistungsabgabe der Turbine und Leistungsaufnahme der Fahrmotoren erreicht war.

Um die Last zu senken, fand derselbe Vorgang in umgekehrter Reihenfolge statt.

Bremsen

Um für Bremsvorgänge nicht die Druckluftbremse bemühen zu müssen (Abnutzung und Risiko einer Überhitzung), sind alternative Bremssysteme von Vorteil. Da der Kompressor bis zu 6000 PS benötigte, war es angedacht, die Fahrmotoren Elektrizität erzeugen zu lassen, welche wiederum zum Antrieb der Turbine benutzt wurde, worin die Leistung durch den Kompressor in Wärme umgewandelt wurde. Die Treibstoffzufuhr konnte dabei abgestellt werden. Es unklar, ob die nötigen Installationen je vorgenommen wurden.

Sicherheitsmassnahmen

Falls der Lokomotivführer die Leistung zu spät gesteigert hat (z. B. in einer Steigung statt davor), stieg die Drehzahl möglicherweise nicht schnell genug an, was dazu führte, dass zuviel Treibstoff verbrannte und gleichzeitig zu wenig Luft zur Kühlung der Turbine zur Verfügung stand. In einer solchen Situation wurde die Überhitzung der Turbine dem Lokomotivführer mittels Warnlampe angezeigt. Falls er darauf nicht reagierte, wurde nach einem weiteren Temperaturanstieg um 30 °C die Treibstoffzufuhr unterbrochen.

Für den Fall, dass die Last auf der Turbine plötzlich abfiel (z. B. aufgrund durchgebrannter Sicherungen), war eine Sicherheitsvorrichtung vorhanden, die die Luftzufuhr verringerte. Dies wiederum führte zu einer Überhitzung der Turbine, was wiederum die Abschaltung der Treibstoffzufuhr zur Folge hatte.

Falls die Temperatur in der Verbrennungskammer zu tief war, versuchte die Steuerung die Turbine erneut zu zünden; wenn dies innerhalb von 5 Sekunden nicht gelang, wurde die Treibstoffzufuhr unterbrochen.

Steuerungslogik

Die komplexe Steuerungslogik war komplett in Ölkreisläufen aufgebaut. Alle Steuerungseingänge (Drehzahlmesser, Leistungskontroller, ...) waren als Ventile oder Pumpen so angeordnet, dass sie den Ölfluss passend beeinflussten und Aktuatoren (Kolben) die nötigen Steuerungsvorgänge vornahmen.

Betrieb

Die Lokomotive war bis 1958 in Gebrauch, danach wurde sie umgebaut für Tests mit neuer Leistungselektrik. Sie schaffte es nie in die Serienproduktion aufgrund des schlechten Wirkungsgrades und, in 1958, den fehlenden nicht elektrifizierten Strecken im SBB-Netz. Die Lokomotive wurde auch in Deutschland getestet, als potentieller Ersatz für die Baureihe 01, der sie speziell in Steigungen überlegen gewesen sein soll. Ähnliche Tests fanden in Frankreich statt.

Quellenangabe

  • Hans Schneeberger: Die elektrischen und Dieseltriebfahrzeuge der SBB, Band I: Baujahre 1904-1955; Minirex AG, Luzern; 1995; ISBN 3-907014-07-3
  • Schweizerische Bauzeitung, Ausgabe vom 16. Mai 1942, Seiten 229 bis 233

Weitere Literatur

  • Claude Jeanmaire: Die elektrischen und Diesel-Triebfahrzeuge schweizerischer Eisenbahnen, Die Lokomotiven der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB)

Siehe auch

Weblinks


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