SS-6

SS-6

Die R-7 (Semjorka, russisch Семёрка) war die weltweit erste Interkontinentalrakete. Sie ist bis heute als im wesentlichen unveränderte Sojus im Einsatz und ist die zuverlässigste und am meisten eingesetzte Trägerrakete in der Raumfahrt überhaupt. Sie wurde ab 1953 in der Sowjetunion, federführend von Sergei Pawlowitsch Koroljow, gebaut und eingesetzt. Mangels einer offiziellen russischen Bezeichnung wurde im Westen anfangs der DIA-Code SS-6 oder der NATO-Codename Sapwood (engl. für Splintholz) benutzt.

Die erste R-7 hatte eine Höhe von 34 m, einen Durchmesser von 3 m und wog 280 t. Die Rakete hatte zwei Stufen und wurde von Triebwerken angetrieben, die flüssigen Sauerstoff und Kerosin als Treibstoff verwendeten. Als ballistische Rakete konnte eine R-7 ihre Nutzlast bis zu 8800 km weit tragen, wobei die Treffgenauigkeit bei etwa 5 km lag.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

Die Entwicklung begann im OKB–1 (heute RKK Energija), Kaliningrad (seit 1995 Koroljow) im Jahr 1953 mit dem Ziel, eine zweistufige Interkontinentalrakete mit einer Startmasse von 170 t zu entwerfen, die einen 3000 kg schweren Sprengkopf bis zu 8000 km weit tragen kann. Die ersten Bodentests folgten noch 1953, gefolgt von einer weitgehenden Überarbeitung des anfänglichen Designs. Das endgültige Design der R-7 wurde erst im Mai 1954 genehmigt. Der erste Testflug der neuen Rakete, die nun den GRAU-Index 8K71 trug, fand am 15. Mai 1957 vom Kosmodrom Baikonur aus statt. Ein Feuer in einem der Booster führte zu einem Absturz der Rakete 400 km vom Startplatz entfernt. Nach einem weiteren Fehlversuch fand der erste erfolgreiche Testflug am 21. August 1957 statt, wobei die Rakete eine Entfernung von 6000 km zurücklegte. Dieser Testflug wurde am 26. August von der sowjetischen Nachrichtenagentur TASS offiziell bekanntgegeben. Schließlich brachte eine modifizierte Version der R-7 am 4. Oktober 1957 von Baikonur aus Sputnik 1 in den Erdorbit, den weltweit ersten künstlichen Satelliten. Am 3. November folgte ein weiterer erfolgreicher Start mit Sputnik 2 an Bord.

Nach diesen ersten Tests wurde ersichtlich, dass weitere Modifikationen an der Rakete nötig waren, so dass die Testflüge bis zum Dezember 1959 weitergingen. Die zusätzlichen Modifikationen führten zur verbesserten R-7 mit dem GRAU-Index 8K74, die im Vergleich zur 8K71 leichter war und über bessere Navigationssysteme verfügte. Ferner wies die 8K74 stärkere Triebwerke und eine höhere Treibstoffkapazität auf und kam so auf eine Reichweite von 12000 km und eine Nutzlastkapazität von 5370 kg.

Technik

Triebwerke der ersten und zweiten Stufe einer Sojus-Rakete, die der R-7 sehr ähnlich sind

Kernproblem der russischen Raketenentwicklung war zunächst, in kurzer Zeit große Nutzlasten (Atomsprengköpfe) interkontinental bewegen zu müssen. Daher wurde intensiv nach leistungsfähigen Konzepten gesucht, bei denen Entwicklungszeit für Raketenmotoren gespart werden konnte. Als das vielversprechendste zeigte sich die Bündelung gleichartiger Antriebe mit gleichzeitiger Zündung aller Stufen am Boden. So konnte vor dem Abheben der Rakete geprüft werden, ob alle Triebwerke fehlerfrei arbeiten, erst dann wurde die Rakete vom Starttisch freigegeben.

Eine Interkontinentalrakete war jedoch nur mit einem zweistufigen Konzept realisierbar. Dies verwirklichte man durch eine längere Zentralstufe (engl. Core) für das mittlere Triebwerk, die nach der Abtrennung der äußeren vier Stufen (Booster) die Nutzlast weiter beschleunigte. Auch ging man damit dem Problem aus dem Weg, die zweite Stufe der Rakete im Flug zünden zu müssen, was seinerzeit technologisch noch nicht gelöst war.

Die Zentralstufe (2.Stufe) der R-7 verwendete ein RD-108 Raketentriebwerk mit vier Brennkammern, die Kerosin und flüssigen Sauerstoff (LOX) verbrannten. Bei den Boostern wurden mit RD-107 fast die gleichen Triebwerke verwendet. Als Steuerung eigneten sich bei der relativ symmetrischen Schubchakteristik einfache Kreiselsysteme mit Zeitschaltelementen. Die Grundrichtung wurde durch einen drehbaren Starttisch vorgegeben. Erst der Start größerer Satelliten auf definierte Umlaufbahnen erforderte Oberstufen.

Da man in den 1950ern noch über keine Erfahrungen im Betrieb und Start größerer Raketen verfügte und Beschädigungen der ziemlich breiten R-7 durch Windstöße befürchtete, entwarfen die Ingenieure für die R-7 einen ausgeklügelten Starttisch, der auch bei ihren Nachfolgern zum Einsatz kam:
Die Rakete stand nicht auf einer Plattform, sondern wurde an ihren seitlichen Boostern so aufgehängt, dass sich die Startarme wie die Blätter einer Blume um sie schlossen; das Prinzip wurde daher auch "Tulpe" genannt. Beim Start öffneten sich die Arme genau in dem Moment, als der Schub der Triebwerke das Eigengewicht der Rakete ausglich und erst dann konnte die Rakete den Starttisch verlassen. Dadurch wurde auch sichergestellt, dass ein Abheben nur dann erfolgte, wenn alle Booster gleichmäßig Schub lieferten. Das Konzept erscheint im Vergleich zu Starttischen späterer Raketen kompliziert, in den fast 50 Jahren des Betriebs der R-7 und ihrer Nachfolger gab es aber keinen Zwischenfall an der Startanlage.

Einsatz als Interkontinentalrakete

Die erste strategische Einheit wurde am 9. Februar 1959 in Plessezk in Dienst gestellt. Am 15. Dezember 1959 startete von Plessezk aus die erste R-7.

Obwohl technisch ein Erfolg, wird R-7 in der Rolle eines Waffensystems als ein Misserfolg angesehen. Insgesamt wurden nur sechs Startplätze in Dienst gestellt, vier in Plessezk und zwei in Baikonur. Die Kosten des Systems waren immens, in erster Linie aufgrund von Schwierigkeiten beim Bau komplexer Startanlagen in entfernten Regionen. Allerdings waren diese enormen Kosten für alle Raketen der ersten Generation aufzubringen, sowohl durch die Sowjetunion als auch durch die USA, die ähnliche Probleme und Fehlschläge bei ihren Raketen-Programmen in Kauf nehmen mussten.

Außer den hohen Betriebskosten traten beim Einsatz von R-7 weitere gravierende Probleme auf. So konnten die Startanlagen der R-7 aufgrund ihrer Größe nicht vor den Kameras der U-2-Spionageflugzeuge versteckt werden und wären daher im Falle eines Nuklearkrieges schnell zerstört worden. Außerdem brauchte eine einzelne R-7 etwa zwanzig Stunden für die Startvorbereitung und konnte aufgrund des Tieftemperatur-Treibstoffes nicht länger als einen Tag auf der Startrampe verbleiben. Somit konnten sowjetische Interkontinentalraketen nicht in ständiger Gefechtsbereitschaft gehalten werden und wären im Konfliktfall wahrscheinlich noch vor dem Start durch US-Bomber zerstört worden. Der Misserfolg der R-7 bewog die Sowjetunion zu einer schnellen Entwicklung von Interkontinentalraketen zweiter Generation.

Die 8K71- und 8K74-Varianten wurden unter den Bezeichnungen R-7 und R-7A produziert. Die Raketen wurden erst 1962 im vollen Umfang in Dienst gestellt und bereits 1968 wieder ausgemustert.

Einsatz als Trägerrakete

Obwohl als Waffensystem ein Misserfolg, wurde R-7 zu einer Familie von Trägerraketen für die Raumfahrt weiterentwickelt, die seitdem intensiv zum Starten von unterschiedlichsten Nutzlasten, u. a. von bemannten Raumschiffen und interplanetaren Raumsonden bis heute eingesetzt wird. Der erste Satellit wurde noch mit einer gewöhnlichen R-7 gestartet, die dadurch den Namen Sputnik erhielt. Lediglich die Sektion der Rakete, die den Sprengkopf und die Flugsteuerung enthielt, wurde abgebaut und an ihre Stelle kam ein kleinerer konischer Adapter, der nur die für einen Flug notwendigsten Systeme enthielt. Später entstand durch Modifizierungen an den Triebwerken die Sputnik-3-Rakete, die nach einem anfänglichen Fehlstart am 15. Mai 1958 den Sputnik-3-Satelliten ins All beförderte. Die weiteren Modifizierungen der R-7 betrafen das Hinzufügen von neuen Stufen, neue Triebwerke usw. Im Laufe der Jahre entstanden mehrere Varianten der Trägerraketen, die ständig modifiziert wurden und heute zu den weltweit robustesten und zuverlässigsten Raketen zählen:

R-7 und ihre Nachfolger
  • Wostok: eine R-7 mit einer zusätzlichen dritten Stufe, Erststart 1958, heute nicht mehr im Einsatz
  • Luna: eine andere Bezeichnung einer frühen Version der Wostok, startete die ersten Lunik-Sonden, heute nicht mehr im Einsatz
  • Molnija: eine R-7 mit einer neuen und größeren dritten Stufe und einer vierten Stufe für hochfliegende Satelliten und interplanetare Raumsonden, Erststart 1960, bis heute im Einsatz
  • Woschod: eine Molnija ohne die vierte Stufe für Nutzlasten in niedrige Orbits, Erststart 1963, heute nicht mehr im Einsatz
  • Poljot: eine zweistufige Version der Woschod, Erststart 1963, heute nicht mehr im Einsatz
  • Sojus: eine leicht modifizierte Woschod, Erststart 1966, bis heute im Einsatz
  • Sojus-Fregat: eine Sojus mit zusätzlicher vierter Stufe (Fregat) für hochfliegende Satelliten und interplanetare Raumsonden, Erststart 2000, bis heute im Einsatz
  • Sojus 2: eine Sojus mit digitaler Flugsteuerung und neuer dritter Stufe, Erststart 2004
  • Jamal/Aurora/Onega/Sojus 3: geplante bzw. vorgeschlagene Weiterentwicklungen der Sojus, die über eine Zentralstufe mit größerem Durchmesser, neue Drittstufe, andere Triebwerke und eine gegenüber der Sojus etwa um 1/4 höhere Startmasse verfügen, derzeit in der Konzeptstudie-Phase

Daten der Trägerraketen auf der Basis der R-7

Stand: 6. Juni 2007

Träger GRAU-Index Stufen Höhe (m) Durchmesser (m) Masse (t) Anzahl der Starts mit Fehlfunktion in Baikonur in Plessetzk Erstflug
ICBM R-7 8K71 2 10,3 23 5 23 0 15. Mai 1957
Sputnik 8К71ПС 2 29,167 10,3 267 2 0 2 0 4. Oktober 1957
Sputnik-3 8А91 2 31 10,3 269,3 2 1 2 0 15. Mai 1958
Luna 8К72 3 33,500 10,3 279 2 1 2 0 23. September 1958
ICBM R-7A 8К74 2 10,3 21 3 18 3 23. Dezember 1959
Molnija 8К78 4 43,440 10,3 305 40 11 40 0 10. Oktober 1960
Wostok-K 8К72К 3 38,246 10,3 287 26 8 26 0 12. April 1961
Wostok-2 8А92 3 38,246 10,3 287 45 5 39 6 1. Juni 1962
Poljot 11A59 2 30 10,3 277 2 0 2 0 1. November 1963
Woschod 11A57 3 44,628 10,3 298,4 299 14 138 3 16. November 1963
Molnija-М 8К78М 4 43,440 10,3 305 275 1 53 222 19. Februar 1964
Wostok-2М 8А92М 3 38,246 10,3 287 94 2 14 80 28. August 1964
Wostok-2A 11А510 2 38,246 10,3 287 2 0 2 0 27. Dezember 1965
Sojus 11А511 3 50,670 10,3 308 31 2 31 0 28. November 1966
Sojus-L 11А511Л 3 44 10,3 305 3 0 3 0 24. November 1970
Sojus-М 11А511М 3 50,670 10,3 310 8 0 0 8 27. Dezember 1971
Sojus-U 11А511У 3 51,100 10,3 313 726 20 295 434 18. Mai 1973
Sojus-U2 11А511У2 3 51,100 10,3 313 71 0 71 0 28. Dezember 1982
Sojus-U/Ikar 11А511У 4 47,285 10,3 308 6 0 6 0 9. Februar 1999
Sojus-U/Fregat 11А511У 4 46,645 10,3 308 4 0 4 0 8. Februar 2000
Sojus-FG 11А511ФГ 3 49,476 10,3 305 13 0 13 0 21. Mai 2001
Sojus-FG/Fregat 11А511ФГ 4 42,463 10,3 305 6 0 6 0 2. Juni 2003
Sojus-2.1a 14А14 3 10,3 1 0 0 1 8. November 2004
Sojus-2.1a/Fregat 14А14 4 50,670 10,3 311 2 0 1 1 24. Dezember 2006
Sojus-2.1b/Fregat 14А14 4 50,670 10,3 311 1 0 1 0 27. Dezember 2006

Siehe auch

Weblinks



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