Saartjee Baartman

Saartjee Baartman

Sarah Baartman (* etwa 1789 am Gamtoos River, Südafrika; † 29. Dezember 1815 in Paris) gelangte als Hottentot-Venus, französisch Vénus hottentote, in Europa zu Weltruhm.

Inhaltsverzeichnis

Biographie

Herkunft

Sarah Baartman soll am River Gamtoos in Südafrika geboren worden sein. Sie gehörte dem heute Khoi Khoi, Khoi, oder Khoekhoen, damals Hottentotten genannten Volk an. Ihr ursprünglicher Name in Khoi San ist unbekannt. Zu ihrer Zeit wurde sie „Saartjie“ oder „Saartjee“ genannt, das sind die Koseformen auf Afrikaans bzw. Englisch von Sarah. In ihrer gerichtlich angeordneten „Einvernahme“ gibt sie an, sehr jung gewesen zu sein, als sie ans Kap kam. Sie habe zwei Brüder und vier Schwestern sowie ein Kind von einem Trommler gehabt, mit dem sie zwei Jahre zusammen war, das Kind sei freilich gestorben. Ihre Mutter sei gestorben, als Sarah eins oder zwei war. Ihr Vater sei, als er Vieh ans Kap trieb, von „bosmen“ getötet worden.

London

Eine Karikatur aus dem frühen 19. Jahrhundert, die anatomischen Eigenheiten übertreibend
Sarah Baartman als Hottentot Venus; an den Stuhl gelehnt, das von ihr gespielte Instrument, eine Goura.

Der englische Schiffsarzt Alexander (in einigen Quellen auch: William) Dunlop entdeckte Sarah Baartman als Hausmädchen auf dem Hof des Buren Peter Caezar im Kapland. Zusammen mit dessen Bruder Hendrick Caezar brachte er sie 1810 nach London und stellte sie als Hottentot-Venus aus. Ihre besondere Attraktivität beruhte auf der durch die phantastische Ausstattung unterstrichenen Exotik, auf ihren stark entwickelten Glutäen (Steatopygie) sowie auf dem Gerücht, die inneren Schamlippen (labia minora) seien lang herabhängend („Hottentottenschürze“). Die Vorstellung wurde als sittenwidrig angezeigt, außerdem verstoße sie gegen das seit 1807 bestehende Verbot des Sklavenhandels. Die African Institution unter Zachary Macaulay (dem Vater des Historikers Thomas Babington Macaulay) erbot sich, Sarah Baartman in ihre Heimat zurückzubringen. Das lehnte diese jedoch ab. Es ist unbekannt, ob sie unter Druck gesetzt wurde, ob sie eine Heimkehr ins Kapland fürchtete, weil ihr Volk dort mit an Genozid grenzender Härte verfolgt wurde, ob sie an ihren Bühnenauftritten auch Spaß gefunden hatte oder welche genauen Gründe evtl. zusammenkamen.

Englische Provinz

Nach dieser Aufsehen erregenden gerichtlichen Überprüfung, die mit der Warnung an den Impresario schloss, Sarah Baartman nicht weiterhin unziemlich zur Schau zu stellen, war an weitere Auftritte in London nicht zu denken, Hendrick Caezar zog mit seinem Freak durch die englische Provinz. Am 1. Dezember 1811 wurde Sarah Baartman von Reverend Joshua Brooks mit schriftlicher Genehmigung des Bischofs von Chester in der Christus-Stifts- und Pfarrkirche in Manchester getauft.

Paris

Porträt Sarah Baartmans von Léon de Wailly

1815 kam sie unter einem neuen Impresario, dem Dompteur Réaux, nach Paris und erregte wiederum großes Aufsehen, diesmal vor allem bei der Wissenschaft. Sie wurde im Jardin des Plantes versammelten Ärzten, Anatomen und Naturgeschichtlern nackt vorgestellt und von professionellen Graphikern porträtiert. Ende 1815 verstarb sie angeblich an einer Lungenentzündung.

Der Anatom Georges Cuvier führte eine Sektion durch. Skelett, Gehirn und Geschlechtsteil wurden konserviert, nachdem vom Körper ein Gipsabdruck angefertigt worden war. Dieser (bemalt) sowie das Skelett wurden im Muséum national d'histoire naturelle ausgestellt, aus dem später das heute im Palais de Chaillot untergebrachte Musée de l'Homme wurde.

Nachgeschichte

Sarah Baartmans Grab in Hankey, Ostkap, Südafrika

Erst Aufsätze von Stephen Jay Gould und Élisabeth de Fontenay rückten 1982 den Sexismus und Ethnozentrismus dieser Ausstellungspraxis ins europäische Bewusstsein. Dennoch verweigerte das akademische Establishment Frankreichs, einen Präzedenzfall befürchtend, lange die von Präsident Nelson Mandela geforderte Herausgabe der sterblichen Reste von Sarah Baartman an Südafrika. Erst im Mai 2002 erfolgte die Überführung, später die feierliche Beisetzung bei Hankey am River Gamtoos im Bereich Baviaanskloof am 9. August 2002. Der damals amtierende südafrikanische Staatspräsident Thabo Mbeki hielt die Traueransprache. Der Gipsabdruck der Vénus hottentote ist weiterhin im Musée de l'homme ausgestellt.

Nicht unerheblichen Einfluss auf die Herausgabe von Sarah Baartmans sterblichen Überresten hatte das Gedicht Tribute to Sarah Baartman, geschrieben von Diana Ferrus. Eine Rolle gespielt haben mag auch der Präzedenzfall der Angehörigen des „Eskimos von New York“, Minik Wallace. Deren Gebeine mussten vom American Museum of Natural History 1993 herausgegeben und nach Grönland überführt werden, wo sie ebenfalls feierlich beigesetzt wurden.

Literatur

  • Élisabeth de Fontenay: Diderot, ou, Le matérialisme enchanté. Paris 1981, ISBN 2246230527. 
  • Stephen Jay Gould: The Hottentot Venus, in Natural History 1982, deutsch in Stephen Jay Gould: Das Lächeln des Flamingos, Frankfurt 1995, S. 229-240 ISBN 3-518-28771-0
  • Sander Gilman: Hottentottin und Prostituierte. Zu einer Ikonographie der sexualisierten Frau. In: Sander Gilman (Hrsg.): Rasse, Sexualität und Seuche. Stereotype aus der Innenwelt der westlichen Kultur. Reinbek, 1992, ISBN 3499555271. 
  • Zoe S. Strother: Display of the Body Hottentot. In: Bernth Lindfors (Hrsg.): Africans on Stage. Studies in Ethnological Show Business. Bloomington, 1999, ISBN 0253212456. 
  • Gérard Badou: Die schwarze Venus. München und Zürich 2001 (Originaltitel: L'Énigme de la Vénus Hottentote), ISBN 3-8284-5038-5. 

Fiktion und Film

  • Suzan-Lori Parks: VENUS, a drama in 3 acts, 1990-95
  • Zola Maseko: The Life and Times of Sarah Baartman, Dokumentarfilm, 1998
  • Barbara Chase-Riboud: Hottentot Venus, a novel, New York 2003 ISBN 0-385-50856-5

Siehe auch

Weblinks

Links zur Geschichte

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